Urteil des VG Darmstadt vom 07.08.2008

VG Darmstadt: aufschiebende wirkung, stadt, beratung, ungültigkeit, fraktion, abstimmung, ungültigerklärung, gerichtsakte, stellvertreter, vollstreckung

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Gericht:
VG Darmstadt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 E 73/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 26 Abs 2 KomWG HE 2005, §
25 Abs 2 HGO, § 57 Abs 1 S 1
HGO
Kommunalrecht
Leitsatz
Verwendet der Vorsitzende einer Fraktion der Stadtverordnetenversammlung für
seinen Wahlwiderspruch den Briefkopf seiner Fraktion, kann ohne Hinzutreten weiterer
Umstände daraus nicht der Schluss gezogen werden, es handle sich um einen –
unzulässigen – Wahlwiderspruch der Fraktion.
Nach der Vorschrift des § 26 Abs. 2 KWG können an der Beratung und
Beschlussfassung über die Gültigkeit von Wahlen und Einsprüchen gegen die
Gültigkeit von Wahlen im Sinne des Kommunalwahlgesetzes die Mitglieder der
Vertretungskörperschaft auch dann mitwirken, wenn sie durch die Entscheidung
betroffen werden. Aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 25 Abs. 2 HGO, 26
Abs. 2 KWG folgt, dass Personen, die wegen Widerstreits der Interessen nicht an der
Stimmabgabe bei der Wahl gehindert sind, auch zur Mitwirkung bei der
Beschlussfassung über einen gegen die betreffende Wahl gerichteten
Wahlwiderspruch zugelassen sind.
Mit der Wahl ihres Vorsitzenden gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 HGO hat sich die
Stadtverordnetenversammlung konstituiert. Die Wahl der Stellvertreter des
Vorsitzenden ist für die Handlungsfähigkeit der Stadtverordnetenversammlung nicht
erforderlich.
Tenor
Der Widerspruchsbescheid der Stadtverordnetenvorsteherin der
Stadtverordnetenversammlung der Stadt Rodgau vom 18.12.2006 wird
aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben, hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit der Wahl der Beigeladenen E. zur Ersten
Stadträtin durch die Beklagte am 12.06.2006.
Die Beklagte – der auch der Kläger angehört – trat nach der Kommunalwahl 2006
zu ihrer ersten Sitzung am 26.04.2006 zusammen. Unter Tagesordnungspunkt 1
beschloss sie, die Tagesordnungspunkte 5 und 6 von der Tagesordnung
abzusetzen. Unter diesen hatten die vier stellvertretenden
Stadtverordnetenvorsteher gewählt und die Reihenfolge der Stellvertretung
beschlossen werden sollen. Danach wählte die Beklagte unter
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beschlossen werden sollen. Danach wählte die Beklagte unter
Tagesordnungspunkt 4 eine Stadtverordnetenvorsteherin.
In der folgenden Sitzung am 15.05.2006 beschloss die Beklagte unter
Tagesordnungspunkt 1 erneut, die Wahl der stellvertretenden
Stadtverordnetenvorsteher, die als Tagesordnungspunkt 7 vorgesehen war,
abzusetzen.
In der Sitzung vom 12.06.2006 wählte die Beklagte unter Tagesordnungspunkt 5
die Beigeladene E. mit 23 gegen 22 Stimmen erneut zur hauptamtlichen Ersten
Stadträtin der Stadt Rodgau. Die Beigeladene E. nahm die Wahl an und wurde
unmittelbar anschließend unter Tagesordnungspunkt 6 mit Wirkung zum
01.07.2006 in das Amt eingeführt, ernannt, verpflichtet und vereidigt. In derselben
Sitzung wählte die Beklagte dann nach erfolgter Wahl der Ersten Stadträtin unter
Tagesordnungspunkt 8 die vier Stellvertreter der Stadtverordnetenvorsteherin.
Mit Schreiben vom 05.07.2006, am selben Tag bei der
Stadtverordnetenvorsteherin eingegangen, legte der Beigeladene G. aus der
Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN gemäß § 55 Abs. 6 HGO Widerspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl der Beigeladenen E. ein und beantragte, die Ungültigkeit der
Wahl festzustellen.
In der Sitzung der Beklagten vom 04.12.2006 brachte die
Stadtverordnetenvorsteherin eine Beschlussvorlage zur Zurückweisung des
Widerspruchs des Beigeladenen G. ein. Während der Beratung und
Beschlussfassung der Beklagten über diesen Beschlussvorschlag verließ der
Bruder der Beigeladenen E., der Stadtverordnete H., zunächst den Sitzungssaal,
kehrte dann vor der Abstimmung in den Sitzungssaal zurück, nahm an einem Teil
der Beratung teil und beteiligte sich im Anschluss an der Abstimmung, bei welcher
der Beschlussvorschlag der Stadtverordnetenvorsteherin mit 22 gegen 23
Stimmen abgelehnt wurde.
Gegen diesen Beschluss legte der Bürgermeister der Stadt Rodgau mit Schreiben
vom 17.12.2006, der Stadtverordnetenvorsteherin ausgehändigt am selben Tag,
Widerspruch gemäß § 63 Abs. 1 HGO ein. Er begründete den Widerspruch damit,
dass die Beschlussfassung nach Beratung in Anwesenheit des Stadtverordneten
H. erfolgt sei. Als Bruder der von dem Beschluss betroffenen Beigeladenen E.
seien bei ihm die Aspekte der Interessenkollision und Befangenheit zu
berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 18.12.2006 erließ die Stadtverordnetenvorsteherin einen
„Widerspruchs- bzw. Abhilfebescheid“ gemäß § 73 VwGO, den der Beigeladene G.,
die Beigeladene E., der Kläger sowie alle übrigen Mitglieder der Beklagten
erhielten. Darin teilte sie mit, die Beklagte habe in ihrer Sitzung vom 04.12.2006
der Zurückweisung des Widerspruchs des Beigeladenen G. mehrheitlich nicht
zugestimmt und damit seinem Widerspruch abgeholfen. Der Widerspruchs- bzw.
Abhilfebescheid ergehe zu diesem Zeitpunkt vorsorglich aufgrund der
ausschließlichen Verweisung in § 55 Abs. 6 HGO auf die Vorschriften der VwGO,
obwohl die Widerspruchsfristen gemäß § 63 HGO noch nicht abgelaufen seien und
ein Widerspruch von Bürgermeister oder Magistrat gegen den Beschluss der
Beklagten aufschiebende Wirkung habe.
Der Kläger hat am 15.01.2007 Klage erhoben.
Am 12.02.2007 befasste sich die Beklagte aufgrund des von Seiten des
Bürgermeisters eingelegten Widerspruchs erneut mit dem Wahlwiderspruch des
Beigeladenen G.. Dabei wiederholte sie die Beschlussfassung über den
Beschlussvorschlag der Stadtverordnetenvorsteherin. Diesmal lehnte die Beklagte
unter Tagesordnungspunkt 6 den Beschlussvorschlag mit 21 gegen 23 Stimmen
ab. Der Stadtverordnete H. wirkte bei dieser Abstimmung mit, hatte jedoch
während der vorangegangenen Beratung den Sitzungssaal verlassen.
Der Kläger ist der Ansicht, die Wiederwahl der Beigeladenen E. sei gültig und der
Widerspruch des Beigeladenen G. hiergegen zurückzuweisen. Darüber hinaus leide
der Bescheid der Stadtverordnetenvorsteherin vom 18.12.2006 an weiteren
Rechtsfehlern. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides folge insbesondere aus dem
Umstand, dass es an einer das Wahlprüfungsverfahren abschließenden
Entscheidung der Beklagten im Sinne von § 55 Abs. 6 Satz 2 HGO fehle. Zwar
habe die Beklagte in der Sitzung vom 04.12.2006 die Beschlussvorlage der
Stadtverordnetenvorsteherin über die Zurückweisung des Widerspruchs abgelehnt.
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Stadtverordnetenvorsteherin über die Zurückweisung des Widerspruchs abgelehnt.
Die Ablehnung einer Vorlage sei jedoch nach allgemeinen Regeln noch keine
positive Sachentscheidung und könne eine solche auch nicht ersetzen. Im Übrigen
habe der von Seiten des Bürgermeisters eingelegte Widerspruch aufschiebende
Wirkung, so dass die Stadtverordnetenvorsteherin daran gehindert gewesen sei,
den Widerspruch zu bescheiden.
Der Kläger beantragt,
1. den Widerspruchsbescheid der Stadtverordnetenvorsteherin der
Stadtverordnetenversammlung der Stadt Rodgau vom 18. Dezember 2006
aufzuheben;
2. festzustellen, dass die Wahl der Beigeladenen E. zur Ersten Stadträtin durch die
Stadtverordnetenversammlung am 12. Juni 2006 gültig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Wahl der Beigeladenen E. zur hauptamtlichen Ersten Stadträtin der Stadt
Rodgau sei ungültig und damit sei der zulässige Wahlwiderspruch des
Beigeladenen G. begründet. Dass die Beklagte nicht ausdrücklich beschlossen
habe, dem Wahlwiderspruch stattzugeben und die Wahl für ungültig zu erklären,
sei unschädlich. Wenn die Beklagte die Beschlussvorlage der
Stadtverordnetenvorsteherin ablehne, könne dies allein dahin interpretiert werden,
dass sie den Wahlwiderspruch für zulässig und begründet angesehen habe mit der
für diesen Fall allein in Betracht kommenden Rechtsfolge der Ungültigkeit der
Wahl. Es sei eine bloße Förmelei, unter diesen Umständen noch einen
ausdrücklichen Beschluss zu fordern, wonach dem Wahlwiderspruch stattgegeben
und die Wahl für ungültig erklärt werde, obwohl sich der dahin gehende eindeutige
Wille der Mehrheit in der Beklagten zweifelsfrei feststellen lasse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf den Inhalt der Gerichtsakten 3 E
72/07 (3) und 3 E 1009/07 (3) sowie auf den Inhalt der von der Beklagten in dem
Verfahren 3 E 72/07 (3) vorgelegte Akte (1 Ordner).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Klage ist hinsichtlich der begehrten Aufhebung des Bescheides der
Stadtverordnetenvorsteherin vom 18.12.2006 als isolierte Anfechtungsklage
zulässig. Der Bescheid enthält eine eigenständige Regelung und damit eine
selbständige Beschwer. Denn die Stadt-verordnetenvorsteherin hat in dem
Bescheid den Adressaten nicht nur mitgeteilt, dass die Beklagte in ihrer Sitzung
vom 04.12.2006 der Zurückweisung des Widerspruchs des Beigeladenen G. gegen
die Wahl der Beigeladenen E. zur hauptamtlichen Ersten Stadträtin unter
Tagesordnungspunkt 19 auf der Grundlage ihrer Beschlussvorlage mehrheitlich
nicht zugestimmt hat, sondern sie hat darüber hinaus erklärt, dass dem
Widerspruch des Beigeladenen G. abgeholfen worden sei. Der Kläger ist als
Adressat des Bescheides auch klagebefugt. Da er durch den Bescheid erstmalig
beschwert wurde, entfällt in entsprechender Anwendung von § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 VwGO die Notwendigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. VG Kassel,
Urteil vom 27.01.1986 - III/4 775/85 -, HGZ 1987, 213).
Die Klage ist auch hinsichtlich der begehrten Feststellung der Gültigkeit der Wahl
der Beigeladenen E. zur hauptamtlichen Ersten Stadträtin als kommunalrechtliche
Wahlprüfungsklage gemäß § 55 Abs. 6 Satz 3 HGO zulässig. Aufgrund der
erstmaligen Beschwer entfällt auch hier in entsprechender Anwendung von § 68
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO die Notwendigkeit der Durchführung eines
Vorverfahrens. Einer besonderen Klagebefugnis bedarf es nicht. Auf die mögliche
Verletzung subjektiver Rechte des Klägers kommt es nicht an, weil § 55 Abs. 6
HGO den Mitgliedern der Vertretungskörperschaft ein objektives
Beanstandungsrecht zubilligt (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 09.12.1993 - 6 UE
1720/92 -, NVwZ-RR 1994, 605).
Die Klage ist auch teilweise begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung des „Widerspruchs- bzw.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung des „Widerspruchs- bzw.
Abhilfebescheides“ der Stadtverordnetenvorsteherin vom 18.12.2006, da der
Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO).
Es fehlt an einer das Wahlprüfungsverfahren abschließenden Entscheidung der
Beklagten im Sinne von § 55 Abs. 6 Satz 2 HGO. Die Stadtverordnetenvorsteherin
hat am 18.12.2006 den Bescheid erlassen, obwohl die Beklagte noch nicht
abschließend über den Widerspruch des Beigeladenen G. entschieden hatte.
Zwar hat die Beklagte in der Sitzung vom 04.12.2006 die Beschlussvorlage der
Stadt-verordnetenvorsteherin über die Zurückweisung des Widerspruchs des
Beigeladenen G. abgelehnt. Die Ablehnung dieser Beschlussvorlage stellt jedoch
noch keine positive Sachentscheidung in Form einer Abhilfeentscheidung und
Ungültigerklärung der Wahl dar. Eine weitere Beschlussvorlage über die Stattgabe
des Widerspruchs ist ausweislich des Sitzungsprotokolls weder eingebracht, noch
ist hierüber abgestimmt worden.
Die Ablehnung der Beschlussvorlage über die Zurückweisung des Widerspruchs
kann auch eine positive Entscheidung nicht ersetzen. Der Widerspruch des
Beigeladenen G. existiert nach der Ablehnung der Beschlussvorlage der
Stadtverordnetenvorsteherin durch die Beklagte nach wie vor, da die Beklagte
dem Widerspruch gerade nicht abgeholfen und die Wahl für ungültig erklärt hat.
Darüber hinaus kann auch aufgrund der weitreichenden Konsequenzen einer
solchen Entscheidung der Beklagten die Ablehnung der Zurückweisung des
Widerspruchs durch die Beklagte nicht die Entscheidung der Beklagten über die
Abhilfe des Widerspruchs und die Ungültigkeit der Wahl ersetzen. Eine solche kann
auch nicht in die Ablehnung der Beschlussvorlage der
Stadtverordnetenvorsteherin hineininterpretiert werden. Aus der Ablehnung der
Beschlussvorlage folgt gerade nicht der mehrheitlich ausdrückliche Wille der
Beklagten, dem Widerspruch abzuhelfen und die Wahl für ungültig zu erklären. Es
hätte darüber hinaus eines weiteren Beschlusses bedurft, indem die Beklagte
positiv entschieden hätte, dem Widerspruch abzuhelfen und die Wahl für ungültig
zu erklären. Nur so wäre sichergestellt, dass sich jeder Stadtverordnete auch der
Tragweite seiner Stimmenabgabe bewusst ist. Im Interesse der Rechtssicherheit
und -klarheit ist eine ausdrückliche Entscheidung über die Abhilfe des
Widerspruchs und die Feststellung der Ungültigkeit der Wahl erforderlich und keine
bloße Förmelei.
Auch die beamtenrechtlichen Konsequenzen für die gewählte Erste Stadträtin, die
mit der Ungültigerklärung ihrer Wahl einhergehen, sprechen dafür, dass eine
positive Entscheidung über die Ungültigerklärung der Wahl ausdrücklich erfolgen
muss.
Schließlich folgt aus einem Vergleich mit Abhilfeentscheidungen im
Verwaltungsverfahren, dass eine ausdrückliche positive Entscheidung über die
Abhilfe des Widerspruchs und die Ungültigkeit der Wahl erforderlich ist. Hilft eine
Behörde im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens einem Widerspruch gemäß §
72 VwGO ab, so spricht diese in ihrer Entscheidung nicht nur aus, dass sie dem
Widerspruch abhilft, sondern entscheidet darüber hinaus auch über die inhaltlichen
Konsequenzen der Abhilfeentscheidung (z.B. Aufhebung ihres
Ausgangsbescheides).
Im Übrigen war die Wirkung des Widerspruchsbescheides der
Stadtverordnetenvorsteherin vom 18.12.2006 durch den von Seiten des
Bürgermeisters eingelegten Widerspruch vom 17.12.2006 suspendiert, § 63 Abs. 1
Satz 4 HGO. Der Bürgermeister hat gegen den Beschluss der Beklagten vom
04.12.2006, in dem diese die Zurückweisung des Widerspruchs des Beigeladenen
G. ablehnte, Widerspruch gemäß § 63 Abs. 1 HGO eingelegt. Er begründete den
Widerspruch damit, dass der Beschluss rechtswidrig gewesen sei, da die
Beschlussfassung nach Beratung in Anwesenheit des Stadtverordneten H., dem
Bruder der Beigeladenen E., erfolgt sei. Dieser Widerspruch ist der
Stadtverordnetenvorsteherin auch ausweislich des von ihr unterzeichneten
Empfangsbekenntnisses am 17.12.2006 um 20:45 Uhr und damit einen Tag vor
Erlass des „Widerspruchs- bzw. Abhilfebescheides“ zugegangen (vgl. Bl. 23 der
Gerichtsakte).
Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 4 HGO hat der Widerspruch des Bürgermeisters
aufschiebende Wirkung. Weiterhin sieht § 63 Abs. 1 Satz 5 HGO vor, dass über die
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aufschiebende Wirkung. Weiterhin sieht § 63 Abs. 1 Satz 5 HGO vor, dass über die
strittige Angelegenheit in einer neuen Sitzung der Gemeindevertretung, die
mindestens drei Tage nach der ersten liegen muss, nochmals zu beschließen ist.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Bürgermeisters hatte ein
umfassendes Verwirklichungsverbot zur Folge, so dass die
Stadtverordnetenvorsteherin gehindert war, den Widerspruch des Beigeladenen G.
nach § 55 Abs. 6 HGO zu bescheiden. Die Stadtverordnetenvorsteherin hätte
vielmehr zunächst eine erneute Beschlussfassung der Beklagten in ihrer nächsten
Sitzung abwarten müssen.
Die Klage ist jedoch hinsichtlich der begehrten Feststellung der Gültigkeit der Wahl
unbegründet, da die Voraussetzungen nach § 55 Abs. 6 Satz 2 HGO nicht
vorliegen.
Gemäß § 55 Abs. 6 Satz 2 HGO entscheidet über den Widerspruch die
Gemeindevertretung. Eine abschließende Entscheidung der Beklagten ist nach §
55 Abs. 6 Satz 2 HGO Voraussetzung für die Feststellung der Gültigkeit bzw.
Ungültigkeit der Wahl im gerichtlichen Verfahren.
Die Beklagte hat jedoch noch nicht abschließend über den Widerspruch des
Beigeladenen G. entschieden, sondern lediglich die Beschlussvorlage der
Stadtverordnetenvorsteherin zur Zurückweisung des Widerspruchs abgelehnt. Sie
hat dem Widerspruch nicht abgeholfen und die Wahl auch nicht für ungültig erklärt.
Damit existiert der Widerspruch des Beigeladenen G. nach wie vor.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 4, 162 Abs. 3
VwGO. Die Kostentragungspflicht der Beklagten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO,
soweit die Klage erfolgreich war, und im Übrigen aus § 155 Abs. 4 VwGO, da die
Beklagte durch den Bescheid ihrer Vorsteherin den Schein gesetzt hat, dass eine
Klage möglich ist und so die Klageerhebung schuldhaft veranlasst hat.
Dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben,
entspricht der Billigkeit, da diese keine Anträge gestellt und somit auch nicht das
Risiko einer eigener Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen haben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.