Urteil des VG Darmstadt vom 21.07.2009

VG Darmstadt: waffen und munition, aufschiebende wirkung, persönliche eignung, behörde, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, vollziehung, verfügung, angemessene frist, ärztliche behandlung

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Gericht:
VG Darmstadt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 L 1919/08.DA (3)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 6 WaffG
Widerruf der Waffenbesitzkarte wegen psychischer
Erkrankung
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 29.12.2008
(Aktenzeichen: 5 K 1918/08.DA [3]) gegen Tenores 2 und 3 des Bescheids des
Landrats des Kreises Offenbach vom 12/13.11. 2007 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids des Landrates des Kreises Offenbach vom 28.11.2008, mit
denen der Antragsteller verpflichtet wird, die Waffenbesitzkarten und die in diesen
eingetragenen Waffen einschließlich Munition der zuständigen Waffenbehörde beim
Landrat des Kreises Offenbach oder nachweislich einem Berechtigten im Sinne des
Waffengesetzes zu übergeben oder nachweislich unbrauchbar zu machen, und die
ihm untersagen, Waffen und Munition zu besitzen, wird wiederhergestellt.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Die Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller zu 2/3 und der
Antragsgegner zu 1/3 zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 6.875,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Inhaber der Waffenbesitzkarten Nr. 129/82 und 33/83, in die
insgesamt vier Lang- und zwei Kurzwaffen eingetragen sind.
Am 30.11.2006 und 24.01.2007 wandte sich der Antragsteller an die Polizei und
zeigte die Abhörung von Telefonaten und die Manipulation von Computern seines
Arbeitgebers an. Unter anderem seien die Computer seiner Beschäftigungsfirma
zum einen durch gezielte Falscheingaben und zum anderen durch fehlerhafte
Software manipuliert worden, die zur Folge habe, dass der Computer selbstständig
Daten und Materialscheine lösche. Er habe die Geschäftsleitung hierüber
informiert, die jedoch nichts dagegen unternommen habe.
Der Antragsteller zeigte den Polizeibeamten im Verlaufe der Vernehmung ein
Röntgenbild seines Werksausweises und behauptete, das Röntgenbild sei der
Beweis, dass er abgehört werde, weil es bei seinem Arbeitgeber schon seit Jahren
zu Inventurdifferenzen gekommen sei. Er selbst sei deswegen des Diebstahls
verdächtig gewesen, ohne dass es zu Ermittlungsverfahren gegen ihn gekommen
sei. Daraus folgerte er, dass die Kripo Offenbach am Main „auf eigene Faust“
gegen ihn ermittle. Diese terrorisiere ihn seit 18 Jahren.
Seine Nachbarn, die Familie A. und die Frau B., seien auch in die Machenschaften
der Kripo Offenbach am Main verstrickt. Beide Nachbarn hörten ihn ab. Die von
ihnen benutzten Abhörgeräte würden nur von der Kripo Offenbach am Main
benutzt und seien auf dem freien Markt gar nicht erhältlich.
Auf ihn sei zudem ein Kopfgeld ausgesetzt worden, wovon er zufällig in einem
Gespräch, das Gäste in der Gaststätte C. in D. geführt haben, erfahren habe. Das
Kopfgeld betrage 5.000,00 oder 10.000,00 EUR und solle zu 20 % an die Wirte und
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Kopfgeld betrage 5.000,00 oder 10.000,00 EUR und solle zu 20 % an die Wirte und
zu 10 % an die Gäste der Kneipe ausgeschüttet werden.
Er habe zudem herausgefunden, dass in E. gewisse Häuser zum Nulltarif
verschleudert worden seien. In dieser Angelegenheit würde schon in Frankfurt am
Main ermittelt werden.
Ermittlungen der Polizei beim Arbeitgeber des Antragstellers ergaben, dass dort
Inventurdifferenzen in üblichem Umfang festgestellt worden seien, die jedoch
keinen Anlass zu Ermittlungen gegen Mitarbeiter gegeben hätten. Von
Computerfehlern sei dort nichts bekannt.
Der Nachbar A. bestätigte, dass sich der Antragsteller bei einem
Zusammentreffen sonderbar verhalten habe und wies die Behauptung, er höre
den Antragsteller ab, als absurd und lächerlich zurück. Von einer Befragung der
Nachbarin B. sah die Polizei ab, da die Dame bereits 85 Jahre alt ist.
Der Polizeibericht schloss mit der Feststellung, dass der Antragsteller an
Wahnvorstellungen leide und sich verfolgt fühle.
Den Bericht nahm die Waffenbehörde zum Anlass, den Antragsteller am
06.02.2007 zur Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen
Zeugnisses i. S. von § 6 WaffG aufzufordern. Zur Begründung wurde ausgeführt, in
der polizeilichen Vernehmung habe er einen deutlich verwirrten Eindruck
hinterlassen und sich grundlos verfolgt gefühlt.
Am 27.07.2007 wurde der Antragsteller an die Erledigung der Verfügung vom
06.02.2007 erinnert.
Aufgrund seiner Vorstellung beim Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises
Offenbach am 09.10.2007 kommt Frau F., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, in
ihrem Gutachten vom 29.10.2007 zum Ergebnis, dass der Antragsteller an einer
wahnhaften Störung mit paranoiden Vorstellungen leide. Im Rahmen seines
Wahnes bestehe die Gefahr, dass er Situationen fehlinterpretiere und es damit zu
Fehlhandlungen kommen könne, sodass aus psychiatrischer Sicht die persönliche
Eignung zum Waffenbesitz oder gar zum Führen der Waffe nicht gegeben sei.
Dies nahm die Waffenbehörde zum Anlass, mit Bescheid vom 12.11.2007 (vgl. die
vom Antragsteller im Verfahren 5 G 1946/07 [2] vorgelegte Bescheidkopie, Bl. 13
der Gerichtsakte, in der Behördenakte ist als Bescheiddatum demgegenüber der
13.11.2007 angegeben, vgl. Bl. 31 d. Behördenakte),
- die Waffenbesitzkarten des Antragstellers zu widerrufen und ihre Rückgabe
binnen zwei Wochen nach Rechtskraft der Verfügung an den Landrat des Kreises
Offenbach anzuordnen (Tenor 1 – alt).
- die Unbrauchbarmachung der in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen
oder ihre Überlassung an einen Berechtigten binnen zwei Monaten nach
Rechtskraft der Verfügung anzuordnen (Tenor 2 – alt)
- dem Antragsteller den Besitz von erlaubnispflichtigen wie auch erlaubnisfreien
Schusswaffen und Munition zu untersagen (Tenor 3 – alt),
- die Sicherstellung der Schusswaffen des Antragstellers nebst Munition
anzuordnen (Tenor 4 – alt),
- bezüglich aller vorstehenden Anordnungen die sofortige Vollziehung anzuordnen
(Tenor 5 – alt)
- und die Verwaltungskosten auf 300,00 EUR festzusetzen (Tenor 6 – alt).
Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund des Ergebnisses der Untersuchung
des Antragstellers beim Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises Offenbach liege
unstreitig eine psychische Erkrankung vor, die die persönliche Eignung des
Antragstellers im waffenrechtlichen Sinne nachträglich entfallen lasse. Die
angeordneten Maßnahmen des Widerrufs der Waffenbesitzkarten und ihre
Rückgabe an die Behörde, der Unbrauchbarmachung der Waffen oder ihre
Überlassung an Dritte, das verfügte Waffenbesitzverbot und die
Sicherstellungsanordnung seien erforderlich, da die Gefahr bestehe, dass der
Antragsteller aufgrund der festgestellten Erkrankung seine Waffen missbräuchlich
oder leichtfertig verwende. Aus demselben Grunde sei die sofortige Vollziehung
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oder leichtfertig verwende. Aus demselben Grunde sei die sofortige Vollziehung
anzuordnen.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller im Zuge der mit Durchsuchungsbeschluss
des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 13.11.2007 (Aktenzeichen: 21 XIV ...)
ermöglichten Sicherstellung der Waffen und der Munition am 13.11.2007 bekannt
gegeben.
Gegen die Verfügung legte der Antragsteller am 03.12.2007 Widerspruch ein. Er
kündigte zugleich ein Gegengutachten an, aus dem sich ergäbe, dass er nicht
krank sei.
Zugleich stellte er beim erkennenden Gericht einen Antrag auf Gewährung von
Eilrechtsschutz (Aktenzeichen: 5 G 1946/07 [2]). Mit Schriftsatz vom 08.02.2008
legte er ein Kurzgutachten des Neurologen/Psychiaters Dr. G., Frankfurt am Main,
vor, das mit der Feststellung, Labor und Zusatzdiagnostik zeigten keine
richtungsweisenden Befunde; die Beschwerden könnten im Rahmen einer
Psychose zu sehen sein, schloss. Hierauf trug der Antragsteller vor, ein bloßer
Verdacht auf eine endogene Psychose könne die angeordneten Maßnahmen nicht
rechtfertigen. Auch die festgestellten Äußerungen des Antragstellers ließen noch
nicht auf eine wahnhafte Erkrankung schließen.
Im Rahmen des Eilverfahrens wies das erkennende Gericht darauf hin, dass
Tenores 1 und 2 – alt – von den zeitlichen Vorgaben her („... nach Rechtskraft der
Verfügung ...“) einer sofortigen Vollziehung inhaltlich nicht zugänglich seien,
weshalb die in Tenor 5 – alt – angeordnete sofortige Vollziehung insoweit ins Leere
laufe. Diese Betrachtungsweise teilte die Behörde ausweislich ihres Schreibens
vom 25.09.2008, woraufhin beide Beteiligte insoweit übereinstimmende
Erledigungserklärungen abgaben.
Mit Beschluss vom 08.11.2008 ordnete das Gericht die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Tenores 3 und 4 des
Bescheids vom 12. oder 13.11.2007 bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheids
an bzw. stellte sie wieder her. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Tenores 3
und 4 seien wegen eines Ermessensausfalls rechtswidrig. Die tatbestandlichen
Voraussetzungen eines Waffenbesitzverbots seien zwar erfüllt, es fehlten jedoch
die Ermessenserwägungen. In der Verfügung fehle zudem der Hinweis, durch
Vorlage eines amts- oder fachärztlichen Zeugnisses etwaige Bedenken
ausräumen zu können. Auch hinsichtlich der Sicherstellungsanordnung fehlte die
Darlegung einer aufgrund Tatsachen gestützten Annahme der missbräuchlichen
Anwendung von Waffen; diese werde von der Behörde nur vermutet, obwohl die
Besorgnis erwiesen sein müsse, wobei kein all zu hoher Grad der
Wahrscheinlichkeit gegeben sein müsse. Auch insoweit lägen wohl die
Voraussetzungen vor, jedoch fehle auch hier die Ermessensbetätigung.
Mit Widerspruchsbescheid des Landrats des Kreises Offenbach vom 28.11.2008
wurde der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 13.11.2007
zurückgewiesen (Tenor 1). Mit Tenor 2 werden die Tenores 1 bis 6 des
Ausgangsbescheids vom 13.11.2007 wie folgt neu gefasst:
- Mit Tenor 1 – neu – werden die Waffenbesitzkarten des Antragstellers widerrufen.
- Tenor 2 – neu – bestimmt, dass „die Waffenbesitzkarten und die in diesen
eingetragenen Waffen einschließlich Munition ... der zuständigen Waffenbehörde
beim Landrat des Kreises Offenbach oder nachweislich einem Berechtigten im
Sinne des Waffengesetzes zu übergeben oder nachweislich unbrauchbar zu
machen“ seien.
- Mit Tenor 3 – neu – wird dem Antragsteller der Besitz von Waffen und Munition
untersagt.
- Tenor 4 – neu – ordnet die sofortige Vollziehung der Verfügung an.
- Mit Tenor 5 – neu – werden Verwaltungskosten in Höhe von 300,00 EUR
festgesetzt.
Eine Sicherstellungsanordnung (Tenor 4 – alt –) enthält die Neufassung des
Ausgangsbescheids nicht mehr.
Tenor 3 des Widerspruchsbescheids bestimmt, dass der Widerspruchsführer die
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Tenor 3 des Widerspruchsbescheids bestimmt, dass der Widerspruchsführer die
Kosten zu tragen hat. Tenor 4 legt fest, dass der Widerspruchsführer dem Landrat
des Kreises Offenbach die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendigen Auslagen zu erstatten habe. Mit Tenor 5 werden die
Verwaltungskosten für das Widerspruchsverfahren auf 253,07 EUR festgesetzt.
Zur Begründung wird ausgeführt, aufgrund des zu den Akten gelangten
Polizeiberichts, des darin geschilderten Verhaltens und des Gesundheitszustands
des Antragstellers sowie des Ergebnisses der Eignungsuntersuchung seien
nachträglich Tatsachen bekannt geworden, die zur Versagung der Erteilung der
Waffenbesitzkarten hätten führen müssen, sodass die erteilten Waffenbesitzkarten
zu widerrufen waren. Mit Verfügung vom 13.11.2007 seien Anordnungen
hinsichtlich der Waffenbesitzkarten, der Munition und Waffen zu treffen und die
Sicherstellung und Verwertung für den Fall anzuordnen gewesen, dass den
Vorgaben nicht Folge geleistet werde. Waffenbesitzkarten, Munition und Waffen
seien bereits in amtlicher Verwahrung.
Der Antragsteller sei nicht geeignet, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu
erwerben und zu besitzen. Die Behörde müsse repressiv und präventiv vorgehen,
wenn ein Sachverhalt in überdurchschnittlich hohem Maße eine Gefahr für die
Sicherheit erwarten ließe. Nur mit dem Waffenverbot werde die Behörde diesem
gesetzlichen Auftrag gerecht, sodass ein Waffenverbot zu verhängen sei. Aufgrund
des Polizeiberichts sei eine waffenrechtlich relevante Erkrankung anzunehmen.
Diese Einschätzung werde durch die Eignungsuntersuchung bestätigt, da bei dem
Antragsteller eine wahnhafte Störung und paranoide Vorstellungen mit dem Risiko
der Fehlinterpretation von Situationen und zu befürchtenden Fehlhandlungen
festgestellt worden seien.
Dem Antragsteller sei es nicht gelungen, diese Tatsachen zu entkräften. Das von
ihm vorgelegte Gutachten des Dr. G. gehe vom Verdacht einer endogenen
Psychose aus. Es bestätige die waffenrechtliche Eignung des Antragstellers nicht.
Aufgrund der fehlenden medizinischen Behandlung sei davon auszugehen, dass
sich das Risiko von auftretenden Krankheitssymptomen manifestiere und zu
Verhaltenweisen des Antragstellers mit akutem Gefährdungspotential für Leben,
Gesundheit und Eigentum anderer führen könne. Es müsse jederzeit und plötzlich
mit einem persönlichkeits- und bewusstseinsverändernden Zustand gerechnet
werden. In dessen Verlauf werde das Realitäts- und Urteilsvermögen in
erheblichem Maße beeinträchtigt, sodass das Risiko bestehe, dass alltägliche,
bedeutungslose Begebenheiten fehl gedeutet und darauf inadäquat mit Fremd-
und Eigengefährdung reagiert werde.
Nach Abwägung aller ermessensrelevanten Gesamtumstände sei daher ein
umfassendes Waffenbesitzverbot auszusprechen. Gewichtige persönliche Belange
des Antragstellers, die dem entgegenstünden, seien weder vorgetragen noch
ersichtlich.
Wegen der Widersprüchlichkeit der Ziffern 1 und 2 – alt – des Ausgangsbescheides
sei der Tenor zur Klarheit insgesamt neu gefasst worden. Die Kostenentscheidung
des Tenors 4 beruhe auf § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. mit § 80 Abs. 1 Satz 3
HessVwVfG. Es folgen Ausführungen zur Errechnung der mit Tenor 5 festgesetzten
Verwaltungskosten.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am
01.12.2008 durch Empfangsbekenntnis zugestellt.
Am 29.12.2008 hat der Antragsteller vorliegenden Eilantrag gestellt und zugleich
Klage gegen beide Bescheide erhoben. Über das Klageverfahren (Aktenzeichen: 5
K 1918/08.DA [3]) ist noch nicht entschieden.
Im anhängigen Eilverfahren bezieht sich der Antragsteller auf seinen Vortrag im
vorangegangenen Eilverfahren und trägt ergänzend vor, der Polizeibericht vom
31.01.2007 sei nicht verwertbar, da das Ermittlungsergebnis nicht zu einem
Tatverdacht geführt habe. Nur weil die Ermittlungen der Polizeibeamten die
Behauptungen des Antragstellers, er werde überwacht und abgehört, nicht
bestätigt haben, könnten sie nicht einfach als realitätsfremd eingestuft werden.
Aktuell stehe die Deutsche Bahn AG im Verdacht, 170.000 Mitarbeiter
flächendeckend und ohne konkreten Anlass kontrolliert zu haben. Gegen eine
psychische Erkrankung spreche eindeutig die Tatsache, dass der Antragsteller bis
zum Eintritt in den Vorruhestand weder verhaltensauffällig noch alltagsuntauglich
gewesen sei. Seine Mutmaßung, er werde irgendwie überwacht, kontrolliert und
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gewesen sei. Seine Mutmaßung, er werde irgendwie überwacht, kontrolliert und
abgehört, könne im weiteren Sinne durchaus zutreffen. Möglicherweise werde über
den elektronischen Betriebsausweis die Anwesenheit der Arbeitnehmer
festgestellt. Zudem dürfte es auch Videoüberwachungen beim Arbeitgeber des
Antragstellers geben. Das Gutachten des Dr. G. spreche zudem nur vom Verdacht
einer psychischen Erkrankung (endogene Psychose), nicht hingegen vom
Vorliegen einer solchen. Bei einem bloßen Verdacht seien die angeordneten
Maßnahmen nicht zu rechtfertigen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Bescheids des Landrats des Kreises Offenbach
vom 12./13.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landrats des
Kreises Offenbach vom 28.11.2008 gegen die Anordnung der sofortigen
Vollziehung anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte, der vorgelegten Behördenakte des Antragsgegners und auf die
beigezogenen Gerichtsakten des Klageverfahrens (5 K 1918/08.DA [3]) sowie des
vorangegangenen Eilverfahrens (Aktenzeichen: 5 G 1946/07 [2]) Bezug
genommen.
II. Der Antrag ist, soweit er sich gegen die für sofort vollziehbar erklärten
Feststellungen des Ausgangsbescheides wendet (Tenores 2 bis 3 des
Ausgangsbescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids), zulässig (§ 80
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), auch wenn der Antragsteller insoweit unrichtigerweise
die „Anordnung“ der aufschiebenden Wirkung beantragt und nicht deren
„Wiederherstellung“.
Der Antrag ist auch zulässig, soweit der Antragsteller die Anordnung der sofortigen
Vollziehung bezüglich des Tenors 1 begehrt. Insoweit ist „Anordnung“ der
aufschiebenden Wirkung die richtige Formulierung, weil die aufschiebende Wirkung
bereits kraft Gesetzes entfällt (§ 45 Abs. 5 WaffG i. V. mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
VwGO) und nach der Terminologie der VwGO nur eine „Anordnung“, jedoch keine
„Wiederherstellung“ in Betracht kommt. Unrichtig ist der Antrag dagegen, soweit
er sich insoweit „gegen den Sofortvollzug“ (besser: gegen die sofortige
Vollziehung) richtet. Diese ist tatsächlich auch in Bezug auf Tenor 1 angeordnet
worden. Dabei wurde jedoch übersehen, dass diese Anordnung leer läuft, weil die
aufschiebende Wirkung schon – wie dargelegt – kraft Gesetzes entfällt. Inhaltlich
vom Antragsteller gemeint war, was sich aus der vorgelegten Begründung
eindeutig ergibt,
- die aufschiebende Wirkung gegen Tenor 1 des Ausgangsbescheids anzuordnen
und
- gegen die Tenores 2 und 3 des Ausgangsbescheids wiederherzustellen.
Das Gericht geht im Interesse des Antragstellers (vgl. § 88 i. V. mit § 122 Abs. 1
VwGO) davon aus, dass diese Antragsformulierung Streitgegenstand ist.
Trotz der etwas weniger eindeutigen Formulierung des Widerspruchsbescheids
(Tenor 4 – neu – des Ausgangsbescheids in der Fassung von Tenor 2 des
Widerspruchsbescheids) erstreckt sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung
nicht auf die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid getroffenen
Kostenentscheidungen. Diese Teile der Bescheide sind hier kein Streitgegenstand.
Der hiernach in vollem Umgang zulässige Antrag ist nur teilweise begründet. Nach
der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung erweisen sich die Tenores 2
und 3 des Ausgangsbescheids in der Gestalt, die sie durch den
Widerspruchsbescheid erfahren haben, als rechtswidrig mit der Folge, dass den
privaten Belangen des Antragstellers insoweit Vorzug vor dem öffentlichen
Vollzugsinteresse gebührt.
Tenor 1 – neu – des Ausgangsbescheids, der Widerruf der Waffenbesitzkarten, ist
dagegen rechtmäßig. Die vom Antragsgegner insoweit vorgetragenen
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dagegen rechtmäßig. Die vom Antragsgegner insoweit vorgetragenen
Gegeneinwände greifen bei summarischer Betrachtung des Geschehens nicht
durch. Schon aufgrund des Polizeiberichts vom 31.01.2007 steht für einen
außenstehenden Betrachter mit Gewissheit fest, dass der Antragsteller psychisch
krank ist und ihm die waffenrechtliche Eignung i. S. von § 6 WaffG fehlt. Sein
Verhalten bei der Kriminalpolizei lässt auch ohne ärztliche Begutachtung
erkennen, dass der Antragsteller unter Wahnvorstellungen leidet, da seine
Ausführungen jeglichen Bezug zur Realität vermissen lassen.
Dies jedenfalls bestätigen die Ermittlungen der Polizei: Der von der Polizei befragte
Arbeitgeber des Antragstellers hat zwar übliche Inventurdifferenzen, nicht aber
daraufhin gegen Mitarbeiter eingeleitete Ermittlungsverfahren bestätigen können,
da es dazu überhaupt keinen Anlass gegeben habe. Von den behaupteten
Computerfehlern war dem Arbeitgeber überhaupt nichts bekannt. Der befragte
Nachbar A. hat sehr detailliert angeben können, wie sich das
Nachbarschaftsverhältnis zum Antragsteller entwickelt habe und der Antragsteller
schon beim ersten Zusammentreffen Verhaltensauffälligkeiten gezeigt habe, die
eine Vertiefung der Nachbarkontakte erschwert haben. Von der anderen
Nachbarin, einer 85jährigen Dame, abgehört zu werden, ist zwar denkgesetzlich
nicht ausgeschlossen, aber schon aufgrund des Alters der Dame ziemlich abwegig
und bedürfte zur Glaubhaftmachung weiteren Vortrags, zumal der Antragsteller
eigenen Angaben zufolge die angeblichen Abhörgeräte, die nur die Kripo
Offenbach verwende und die auf dem freien Markt nicht erhältlich seien, gefunden
habe und folglich hätte vorlegen können.
Auch die Behauptung, es sei auf ihn ein Kopfgeld von 5.000,00 EUR oder 10.000,00
EUR ausgesetzt worden, das teilweise an die Kneipenwirte, teilweise unter den
Gästen der Kneipen verteilt werde, entspringt dem Gedankengut eines offenkundig
unter Wahnvorstellungen leidenden Menschen. Da der Aufenthaltsort des
Antragstellers bekannt ist, hätte das Kopfgeld, wenn es tatsächlich ausgesetzt
wäre, jederzeit realisiert werden können, was jedoch bis heute – mehr als zwei
Jahre nach den angeblichen Wahrnehmungen – nicht geschehen ist. Ähnlich
verhält es sich mit den angeblichen unrechtmäßigen Veräußerungen von Häusern
in E. Mangels konkreter Angaben des Antragstellers, aufgrund welcher vom
Antragsteller wahrgenommener Umstände ein solcher Verdacht berechtigt
erscheine, kann ein Bezug zur Wirklichkeit nicht hergestellt werden.
Für jeden vernünftigen Leser des Polizeiberichts bestehen nach alledem keine
Zweifel, dass der Antragsteller psychisch krank ist und die vom Gesetzgeber
verlangte Gewähr, mit den eigenen Waffen jederzeit ordnungsgemäß umzugehen,
in der Person des Antragstellers derzeit nicht gegeben ist. Das von der Behörde
eingeholte Gutachten der Frau F., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, bestätigt
die offenkundige Erkrankung des Antragstellers auch aus fachärztlicher Sicht, und
das Kurzgutachten des Dr. G., das lediglich von einem Verdacht auf eine
endogene Psychose spricht, vermag die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen
des behördlichen Gutachtens in keiner Weise zu erschüttern.
Da der Antragsteller nicht mehr geeignet im waffenrechtlichen Sinne ist, mussten
die Waffenbesitzkarten zwingend widerrufen werden (§ 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG).
Tenor 1 – neu – des Ausgangsbescheides ist somit offensichtlich rechtmäßig.
Tenor 2 – neu – ist offensichtlich rechtswidrig. Die Neufassung des Tenors
verkennt, dass die aus dem Widerruf resultierenden Folgen hinsichtlich der Waffen
und Munition andere sind als hinsichtlich der Waffenbesitzkarten. Es versteht sich
von selbst, dass nur die Waffen und die Munition einem Berechtigten zu
überlassen oder unbrauchbar zu machen sind, nicht jedoch die
Waffenbesitzkarten; diese sind – so wie sie sind – an die Behörde zurückzugeben (§
46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Umgekehrt besteht keine Rechtsgrundlage, die Übergabe
von Waffen und Munition an die Behörde zu verlangen; hier verbleibt es nach der
gesetzlichen Regelung grundsätzlich bei den beiden Alternativen, Waffen und
Munition dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu
überlassen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG).
Ungeachtet dessen fehlt es an einer Fristsetzung, denn auch im Falle der
Sicherstellung von Waffen und Munition durch die Behörde verbleibt dem
Waffenbesitzer das Recht, über das Schicksal seiner Waffen innerhalb der vom
Gesetz vorgegebenen Handlungsspielräume zu bestimmen, sie folglich an Dritte
zu übereignen oder unbrauchbar zu machen. Im Falle der Sicherstellung wird das
Recht zur Unbrauchbarmachung durch die Einziehung und Verwertung und die
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Recht zur Unbrauchbarmachung durch die Einziehung und Verwertung und die
Ausschüttung des Erlöses an den nach bürgerlichem Recht bisher Berechtigten
ersetzt (§ 46 Abs. 5 Satz 2 und 4 WaffG). Für die Überlassung oder
Unbrauchbarmachung ist gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG eine „angemessene
Frist“ – im Falle der Sicherstellung eine Frist von einem Monat (§ 46 Abs. 5 Satz 1
WaffG) – zu setzen; die Anordnung der sofortigen Vollziehung und eine
zwischenzeitlich erfolgte Sicherstellung der Waffen und der Munition machen diese
nicht entbehrlich, sondern binden die Behörde in den Veräußerungsvorgang
lediglich in der Weise ein, dass sie zulässigen Weisungen des Antragstellers zu
entsprechen hat. Die Rückgabe der Waffenbesitzkarten hat nach dem Wortlaut des
Gesetzes „unverzüglich“ (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG), also ohne schuldhaftes
Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu erfolgen, was ebenfalls in den Bescheid
aufzunehmen ist.
Damit ist zugleich die – allerdings hier nicht mehr streitige – Frage aufgeworfen,
auf welcher Rechtsgrundlage die Behörde die Waffen und Munition des
Antragstellers derzeit in Verwahrung hält. Bisher war dies die auf § 46 Abs. 4 WaffG
beruhende Sicherstellungsanordnung. Die Sicherstellungsanordnung hat die
Behörde unverständlicherweise mit der Neufassung der Tenores des
Ausgangsbescheids aufgehoben. Infolgedessen müssten die Waffen an den
Antragsteller herausgegeben werden, weil die anderen von der Behörde verfügten
Tenores, die unter der Anordnung der sofortigen Vollziehung stehen, den
Antragsteller zwar verpflichten, Waffen und Munition alsbald aus den Händen zu
geben, den vorübergehend fortbestehenden Besitz beim Antragsteller aber nicht
verhindern können. Die Sicherstellungsanordnung hat sich daher – entgegen der
möglicherweise von der Behörde vertretenen Auffassung – keineswegs erledigt,
solange die Waffen und Munition in amtlicher Verwahrung sind.
Tenor 3 – neu – des Ausgangsbescheids, das Waffenbesitzverbot, ist weiterhin
rechtswidrig und durch die Ausführungen des Widerspruchsbescheids auf keine
tragfähige Grundlage gestellt. Bereits im Beschluss vom 08.11.2008 hat das
erkennende Gericht gerügt, dass den Ausführungen des Bescheids nicht zu
entnehmen ist, inwiefern der Behörde das Vorhandensein eines
Ermessensspielraums bewusst ist. Ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid
lesen sich erneut so, als greife im Falle einer psychischen Erkrankung der
Automatismus eines Waffenbesitzverbots auch von erlaubnisfreien Waffen ein.
Dies ist nicht der Fall.
kann
Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb
solcher Waffen oder Munition untersagen,
1. soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des
Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist oder
2. wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der
rechtmäßige Besitzer oder Erwerbswillige abhängig von Alkohol oder anderen
berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil ist oder sonst die erforderliche
persönliche Eignung nicht besitzt oder ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher
Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.
Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
WaffG lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung. Wenn sie vorliegt – wovon im
vorliegenden Fall auszugehen ist –, steht die Anordnung des Waffenbesitzverbots
pflichtgemäßen Ermessen der Behörde
muss in diesem Falle prüfen, ob und wenn ja, in welchem Umfang sie dem
Antragsteller den Besitz auch von erlaubnisfreien Waffen untersagen will. Dabei
hängt es naturgemäß von der Art der psychischen Erkrankung ab, wie weit die
Behörde im Einzelfall in die Freiheitsrechte des Einzelnen eingreifen kann oder
sogar muss, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten und von
der Allgemeinheit und dem Einzelnen Gefahren abzuwehren. Unter diese Norm
fallen nicht nur erlaubnisfreie Schusswaffen (Druckluftwaffen,
Farbmarkierungswaffen [Gotcha- und Paintballwaffen], Schreckschuss-, Reizstoff-
und Signalwaffen und Langwaffen für Zier- oder Sammlerzwecke oder zu Theater-,
Film- und Fernsehaufnahmen, Perkussionswaffen und verschiedene ältere Waffen,
deren Modell vor 1871 entwickelt wurde, Armbrüste sowie pyrotechnische Munition;
zu Vorstehendem vgl. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 zum WaffG), sondern
auch Hieb- und Stoßwaffen, wie Messer oder Dolche. Die Eigenart der Waffen und
ihr spezifisches Gefährdungspotential machen eine individuelle Betrachtung der
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ihr spezifisches Gefährdungspotential machen eine individuelle Betrachtung der
Erkrankung des Betroffenen und der von ihm und den jeweiligen erlaubnisfreien
Waffen ausgehenden Gefahren erforderlich. Inwieweit z. B. Zier- und Langwaffen,
die nicht zum Schießen geeignet sind, im Falle einer fehl gedeuteten Begebenheit
und einer inadäquaten Reaktion des Antragstellers die Allgemeinheit gefährden,
bedarf zumindest der kritischen Hinterfragung.
Das Gericht weist nochmals darauf hin, dass sich ein umfassendes
Waffenbesitzverbot im Falle des Antragstellers möglicherweise begründen ließe.
Mit inhaltsleeren Floskeln wie
„Nach Abwägung aller ermessensrelevanten Gesamtumstände ist ein
umfassendes Waffenbesitzverbot auszusprechen; gewichtige persönliche Belange
des Antragstellers, die dem entgegenstünden, sind weder vorgetragen noch
ersichtlich.“
kann dies allerdings nicht erreicht werden.
Mangels erkennbarer Ermessenserwägungen ist die Verhängung eines
umfassenden Waffenbesitzverbots erneut rechtsfehlerhaft, sodass auch insoweit
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen ist. Zudem fehlt erneut
der schon im Beschluss vom 08.11.2008 vermisste Hinweis auf die Regelung des §
ist
dass die Behörde ein Ermessen hätte, hiervon im Einzelfall abzusehen) der
Betroffene, gegen den ein Waffenbesitzverbot nach § 41 Abs. 1 WaffG verhängt
wird, darauf hinzuweisen, dass er die Annahme mangelnder persönlicher Eignung
im Wege der Beibringung eines amts- oder fachärztlichen oder
fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung
ausräumen kann. Diese Möglichkeit besteht jetzt noch immer und kommt
insbesondere dann in Betracht, wenn sich der Antragsteller, wie ihm mehrfach
angeraten, in ärztliche Behandlung begibt und die bei ihm bestehenden
Wahnvorstellungen mit Erfolg bekämpft worden sind.
Gegen das Vorliegen der formalen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen
Vollziehung, insbesondere was die besondere Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO
angeht, sind keine Einwendungen erhoben worden; solche sind auch für das
Gericht nicht ersichtlich.
Die Kosten des Verfahrens sind entsprechend dem wechselseitigen Obsiegen und
Unterliegen zu teilen (§ 155 Abs. 1 VwGO). Die Festsetzung des Wertes des
Streitgegenstandes ergibt sich aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG, wobei das Gericht
in Übereinstimmung mit dem von Richtern aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit
entworfenen Streitwertkatalog in der Fassung Juli 2004 (veröffentlicht in der NVwZ
2004, 1327) bei dem Streit um den Widerruf einer Waffenbesitzkarte vom
gesetzlichen Auffangstreitwert zuzüglich 750,00 EUR pro Waffe ausgeht, wobei die
erste eingetragene Waffe bei der Streitwertfestsetzung außer Ansatz bleibt (vgl.
Hess. VGH, Beschl. v. 03.11.1997 – 11 TE 3747/97). Ständiger Rechtsprechung der
Kammer zufolge ist es nicht streitwerterhöhend, dass die Waffen nicht in einer
Waffenbesitzkarte, sondern in mehreren Papieren eingetragen sind. Für das
Waffenbesitzverbot setzt das Gericht einen weiteren Streitwert von 5.000,00 EUR
an. Der Gesamtbetrag (5.000,00 EUR + 5.000,00 EUR + 5 X 750,00 EUR) ist
wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung zu halbieren.
Rein vorsorglich weist die Kammer für das noch anhängige Klageverfahren auf
Folgendes hin: Auch die Tenores 1, 3 und 4 des Widerspruchsbescheids dürften
rechtswidrig sein.
Hat der Widerspruch ganz oder teilweise Erfolg, verbietet es sich, die Kosten des
Verfahrens dem Widerspruchsführer ganz aufzuerlegen (Tenor 3). Da die
Sicherstellungsanordnung aufgehoben worden ist und die Verpflichtung zur
Überlassung der Waffen modifiziert worden ist, hat der Widerspruch jedenfalls
teilweise Erfolg. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Behörde ihren
Bescheid nicht förmlich aufgehoben hat, sondern in seinem Wortlaut lediglich „neu
gefasst“ hat. In der Sache liegt in der „Neufassung“ eine Teilaufhebung der
ursprünglichen Verfügung. Insofern liegt es nahe, den Antragsteller von einem Teil
der Kosten des Widerspruchsverfahrens freizustellen (arg. § 14 Abs.1
HessAGVwGO). Ebenso geht die umfassende Verpflichtung des Antragstellers, der
Ausgangsbehörde die Kosten zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens zu
erstatten, an den sachlichen Gegebenheiten vorbei (Tenor 4). Die auf § 80
HessVwVfG fußende Regelung geht von dem Regelfall aus, dass Ausgangs- und
HessVwVfG fußende Regelung geht von dem Regelfall aus, dass Ausgangs- und
Widerspruchsbehörde verschiedene Behörden sind und neben den Kosten der
Widerspruchsbehörde (früher: dem Regierungspräsidium) für die Durchführung des
Widerspruchsverfahrens auch bei der Ausgangsbehörde Kosten aus Anlass der
Durchführung des Widerspruchsverfahrens angefallen sind (z. B. Fahrtkosten für
die Anreise zum Anhörungsausschuss nach § 7 HessAGVwGO). Hier aber sind
Ausgangs- und Widerspruchsbehörde identisch und eine Anhörung nach § 7
HessAGVwGO hat nicht stattgefunden, sodass sich ernsthaft die Frage stellt,
welche über die von Tenor 5 des Widerspruchsbescheids bereits festgesetzten
Kosten noch zusätzlich anfallen und über einen Ausspruch nach § 80 Abs. 1 Satz 3
HessVwVfG erfasst werden müssten. In jedem Fall muss die Ermäßigung bei den
Verwaltungskosten in Tenor 3 auch im Tenor 4 eine Entsprechung finden. Tenor 1
trägt dem teilweisen Erfolg des Widerspruchs nicht Rechnung, sodass auch
insofern die Klage Erfolg haben dürfte.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.