Urteil des VG Darmstadt vom 23.12.2010

VG Darmstadt: auflage, aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, vorläufiger rechtsschutz, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, treu und glauben, baustelle, vollziehung, grundstück

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Gericht:
VG Darmstadt 2.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 L 978/10.DA
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 36 Abs 1 VwVfG HE, § 36 Abs
2 VwVfG HE, § 36 Abs 3 VwVfG
HE, § 80 Abs 5 VwGO, § 80
Abs 3 VwGO
Vorläufiger Rechtsschutz gegen Auflage in
Baugenehmigung, eine Straße nicht zum Baustellenverkehr
zu nutzen
Leitsatz
1. Zur Rechtswidrigkeit einer Auflage zu einer Baugenehmigung, durch die dem
Bauherrn das Erreichen des Baugrundstücks über eine öffentliche Straße
(verkehrsberuhigter Bereich) nur während der Bauphase (Baustraße) verwehrt wird.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 20. Juli 2010
gegen die mit Bescheid vom 26. Juli 2010 für sofort vollziehbar erklärte Auflage Nr.
17 in der Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 05. Juli 2010 wird
wiederhergestellt und hinsichtlich der in der Auflage enthaltenen
Zwangsgeldandrohungen angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 25.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine sofort
vollziehbare Auflage in einer ihm erteilten Baugenehmigung, durch die ihm das
Erreichen seines Baugrundstücks über eine bestimmte Straße und eine private
Parzelle während der bevorstehenden Bauarbeiten verwehrt wird.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks V-Straße 57 in Z. (Flurstück 1/12
und Flurstück 475). Er beabsichtigt auf diesem Grundstück die Errichtung einer
Schule. Im Bebauungsplan Nr. 130 der Antragsgegnerin war der Bereich westlich
des Grundstücks des Antragstellers (damalige Sackgasse am Ende des U.s)
zunächst noch als Baugrundstück für das letzte Grundstück am U. vorgesehen (Bl.
119 GA). Eine Erweiterung des Baugebietes nach Osten – zum
Antragstellergrundstück hin – war zu keiner Zeit von der Antragsgegnerin geplant.
Dies war auch dem Antragsteller bekannt. Der gesamte U. ist ausweislich der an
seinen Zufahrtstraßen aufgestellten Richtzeichen 325.1 (Anlage 3 zu § 42 Abs. 2
StVO) als „Verkehrsberuhigter Bereich“ ausgewiesen.
Mit Baugenehmigung vom 1. März 2006 erfolgte die gegenwärtig abgeschlossene
Bebauung des östlichen Teils des U.s mit Wohnhäusern. U. a. wurden die beiden
am Ende des U.s liegenden Doppelhaushälften U. 26 und 28 errichtet. Der U.
endete von da an nicht mehr an dem im Bebauungsplan noch vorgesehen
Baugrundstück sondern in einer die Straße faktisch verlängernden Sackgasse
(Flurstück 473), die an den auf dem Antragstellergrundstück stehenden Zaun
anstößt. Das Flurstück 473 steht im Privateigentum der T. Z 1862 e.V. und ist
keine öffentliche Verkehrsfläche. Für das Flurstück 473 sind (lediglich) Baulasten
zur medienmäßigen Erschließung und als Zufahrt für die Feuerwehr bestellt (Bl.
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zur medienmäßigen Erschließung und als Zufahrt für die Feuerwehr bestellt (Bl.
318 BA). Das Flurstück 473 hebt sich durch einen Verbundpflasterbelag von der
angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche (Sackgasse U.) auch optisch ab. Das
Hausgrundstück U. 28 (letztes Haus im U.) ist mit Fußgänger- und Kfz-Verkehr nur
über das Flurstück 473 zu erreichen. So erreichen die Bewohner dieses Hauses
auch ihre im Grenzbereich zum Antragstellergrundstück gelegene Garage nur über
das Flurstück 473 (zur Belegenheit der Parzelle 473 vgl. Lichtbilder Bl. 322 und 324
BA).
Bereits im Bauantragsverfahren hat die Antragsgegnerin – im Vorbringen nach
vornehmlich zum Schutz der bereits im Baugebiet wohnenden Bevölkerung –
gegenüber dem Antragsteller stets darauf hingewiesen, dass ihrer Auffassung
nach eine Erschließung des Baugrundstücks des Antragstellers über das Flurstück
473 nicht in Betracht käme. Zugunsten des Antragstellers wurden eine Reihe von
Erschließungsbaulasten auf den umliegenden Flurstücken bestellt (Bl. 303 – 321
BA), um das Erreichen des Schulgeländes auf dem Fußweg möglich zu machen.
Außer für Rettungsfahrzeuge ist das Schulgelände nicht mit Fahrzeugen zu
erreichen. Dem Antragsteller wurde in ständiger Korrespondenz auch bedeutet,
dass über das Flurstück 473 und den U. wegen der dortigen Verkehrsberuhigung
kein Baustellenverkehr erfolgen solle. Der Eigentümer des Flurstücks 473, die T.
1862 e.V. Z, erteilte dem Antragsteller am 29. Juli 2010 (Bl. 70 GA) das
Einverständnis dazu, dass „das Grundstück 473 (U.) (…) zur Andienung der
Baustelle auf dem Flurstück 1/12 genutzt und insbesondere überfahren werden
darf“.
Die am 5. Juli 2010 von der Antragsgegnerin dem Antragsteller erteilte
Baugenehmigung enthält die Auflage Nr. 17, in der es wörtlich heißt:
„Die (1.) Einrichtung ( ) (2.) Andienung der Baustelle mit Kraftfahrzeugen
aller Art (Pkw, Lkw und Baufahrzeuge) über den U. und das Flurstück 473 wird
hiermit ausdrücklich untersagt . Dieses Verbot ist unverzüglich ab Zustellung der
Baugenehmigung zu beachten. (Ausgenommen hiervon ist die in dem
nachfolgenden Hinweis 9 bezeichnete Baulast (0067-2010-L) zur Sicherung einer
Rettungszufahrt für die Feuerwehr).
Das Baugrundstück liegt außerhalb des Bebauungsplangebiets Nr. 130 "Wohn-
und Sportpark Ramsee“, rechtskräftig seit 20.06.2006, mit der dortigen
verkehrsberuhigten Wohnspielstraße U.. Diese dient ausschließlich der
Erschließung des angrenzenden Wohngebietes. Insoweit ist eine Erschließung,
insbesondere auch zum Zwecke des Baubetriebs im Sinne von § 34 BauGB nicht
vorhanden und daher unzulässig.“
Die Antragsgegnerin drohte zudem die Festsetzung von Zwangsgeldern in Höhe
von jeweils 2.500 € zur Durchsetzung der Auflage Nr. 17 (Verbot von sowohl
Baustelleneinrichtung als auch Baustellenandienung) an, da „nach dem jetzigen
Sach-und Erkenntnisstand die Gefahr bestehe, dass die verlangten
Unterlassungen ohne die Androhung und gegebenenfalls Festsetzung von
Zwangsgeldern nicht zeitnah eingehalten würden.“ Während des
Baugenehmigungsverfahrens seien gegenüber dem Antragsteller mehrfach
Hinweise zur Problematik der Erreichbarkeit der Baustelle erfolgt; weder der
Antragsteller noch das zuständige Architekturbüro hätten sich damit essentiell
befasst bzw. reagiert.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2010 erhob der Antragsteller gegen die Auflage Nr. 17
Widerspruch (Blatt 23 BA). Die Bauaufsicht der Antragsgegnerin forderte den
Antragsteller mit Schreiben vom 22. Juli 2010 im Widerspruchsverfahren nochmals
auf, durch Verhandlungen mit den angrenzenden Grundstücksnachbarn die
Abwicklung des Baustellenverkehrs sicherzustellen. Am Vormittag des 23. Juli 2010
wurde die Bauaufsicht der Antragsgegnerin von Anwohnern des Wohngebietes
davon in Kenntnis gesetzt, dass mit der Einrichtung der Baustelle begonnen und
ein schwerer Bagger über den U. auf die Baustelle verbracht worden sei. Nach
Prüfung dieses Hinweises durch eine Ortsbesichtigung wandte sich die Bauaufsicht
telefonisch an den Bevollmächtigten des Antragstellers und erklärte diesem
gegenüber – zunächst mündlich – die Anordnung der sofortigen Vollziehung der
Auflage Nr. 17.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 ordnete die Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 VwGO für die Auflage Nr. 17 der am 5. Juli 2010 erteilten
Baugenehmigung die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wies die
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Baugenehmigung die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wies die
Antragsgegnerin darauf hin, dass der Antragsteller mit notariellem Kaufvertrag
vom 4. Oktober 2007 von der T. 1862 e.V. Z das oben bezeichnete Baugrundstück
erworben hatte. In § 5 Nr. 2 des zwischenzeitlich grundbuchmäßig vollzogenen
notariellen Kaufvertrages seien die erworbenen Flächen als nicht erschlossen
angegeben. Der Antragsteller sei mehrfach aufgefordert worden, für diese
Problematik eine Lösung, z. B. durch entsprechende Vereinbarungen mit den
benachbarten Grundstückseigentümern herbeizuführen. Die Anordnung der
sofortigen Vollziehung begründete die Antragsgegnerin gemäß 80 Absatz 3 Satz 1
VwGO damit, dass ein besonderes öffentliches Interesse der Bauaufsicht an der
Anordnung des Sofortvollzuges vorliege, weil nur so effektiv verhindert werden
könne, dass dem Widerspruch des Antragstellers gegen die Auflage aufschiebende
Wirkung zukomme. Es gelte zu verhindern, dass der Antragsteller faktisch
vollendete Tatsachen schaffe. Zu Gunsten des zu schützenden öffentlichen
Interesses sei bei der Bewertung von § 36 HVwVfG von Bedeutung, dass die
planungsrechtliche Befugnis zur Benutzung des U.s sowohl nach Wortlaut,
Festsetzungen und Begründung des Bebauungsplanes Nr. 130 eindeutig vor dem
privaten Flurstück 473 ende und dieses damit auch nicht als Folge eines
mittelbaren Rechtsreflexes von dem dahinter liegenden Grundstückseigentümer
als Baustraße beansprucht werden könne.
Die angefochtene Auflage Nr. 17 verletze den Antragsteller auch nicht in seinem
Recht auf straßenrechtlichen Gemeingebrauch. Für die beabsichtigte Nutzung des
privaten Flurstücks 473 existiere weder der nötige formale straßenrechtliche
Widmungsakt noch könne sich der Antragsteller auf eine konkludente Widmung
kraft tatsächlicher Ingebrauchnahme – und behördlicher Duldung derselben –
berufen. Die Anbindung der Baustelle an den öffentlichen Straßenverkehr sei
vielmehr durch die Errichtung einer Baustraße über das im privaten Eigentum der
T. 1862 e.V. Z stehende Flurstück 1/11 möglich.
Der U. sei auch wegen der nur unzureichenden Befestigung und fehlenden
Tragfähigkeit nicht geeignet, den erwarteten Baustellenverkehr mit schweren Lkw
aufzunehmen. Die Häufigkeit und Intensität der Benutzung durch
Baustellenfahrzeuge seien weitaus schwerwiegender zu gewichten als die
theoretisch mögliche Nutzung durch Feuerwehrfahrzeuge oder gelegentlich
fahrende Müllwagen. Es seien durch den voraussichtlich stattfindenden
Rangierverkehr erhebliche Straßenschäden und Schäden an den dort verlegten
Leitungen zu erwarten. Die Antragsgegnerin träfe eine Verpflichtung zur ständigen
kostenintensiven Kontrolle eines über den U. erfolgenden Baustellenverkehrs.
Ökonomischer und auf der rechtlichen Basis des § 53 Abs. 2 S. 2 HBO
verhältnismäßiger sei es, auf diesen Sachverhalt mit der entsprechenden Auflage
in der Baugenehmigung zu reagieren.
Am 26. Juli 2010 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtschutz nachgesucht.
Er ist der Ansicht, bei dem U. handele es sich um eine dem öffentlichen Verkehr
gewidmete Straße im Sinne von § 2 Abs. 1 HStrG, deren Benutzung ihm im
Rahmen des Gemeingebrauchs zustehe. Zur Errichtung des genehmigten
Vorhabens sei der Antragsteller zwingend auf die Nutzung des U.s angewiesen.
Eine Auflage zu einer Baugenehmigung sei nach § 36 Abs. 1, 2. Alt. HVwVfG nur
dann zulässig, wenn durch sie sichergestellt werden soll, dass die gesetzlichen
Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt würden. Dies jedoch sei hier nicht
der Fall. Die Auflage sei allein vor dem Hintergrund erfolgt, dass im Vorfeld die
Anlieger des U.s massiv gegen das Bauvorhaben interveniert hätten. Die zu
erwartenden Beeinträchtigungen durch den Baustellenverkehr lägen in gleicher
Weise in der Natur der Sache, wie dies auch bei der Errichtung des angrenzenden
Wohngebietes selbst der Fall gewesen sei. Nach den in § 28 NachbRG normierten
Voraussetzungen könne das Flurstück 473 von dem Eigentümer oder
Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstückes zur Errichtung, Verhinderung,
Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage betreten werden. Weiter
könnte sogar auf oder über ihm ein Gerüst aufgestellt sowie die zu dem
Bauarbeiten erforderlichen Gegenstände über das Grundstück gebracht oder dort
niedergelegt werden. Vor diesem Hintergrund sei es schlichtweg undenkbar, eine
Baugenehmigung nunmehr mit einer Auflage zu versehen, wonach zum Schutze
der Anlieger der einzigen zur Verfügung stehenden Zufahrtsstraße gerade diese
Zufahrtsstraße zur Andienung der Baustelle nicht genutzt werden dürfe. Der
Antragsteller hebt hervor, dass es nicht um die generelle Erschließung des
Baugrundstücks über den U. gehe. Von Bedeutung sei einzig und allein die
während der zeitlich begrenzten Bauphase erforderliche Nutzung des U.s.
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Dem Gericht liegt eine Stellungnahme des Baugrundbüros Simon vom 31. August
2010 vor. Danach hätten die am 29. Juli 2010 durchgeführten
Lastplattendruckversuche ergeben, dass die Straßen für den Schwerlastverkehr
mit Baustellenfahrzeugen grundsätzlich geeignet seien (Blatt 64 ff. GA).
Der Antragsteller ist der Ansicht dass eine Erschließung des Grundstücks gegeben
sei. Er nimmt auf die entsprechenden Eintragungen im Baulastenverzeichnis (Blatt
321 BA) Bezug. Die Erschließung über das Flurstück 1/11 sei öffentlich-rechtlich
gesichert. Das Flurstück 475 stehe öffentlich-rechtlich als Anfahrt -, Aufstell- und
Bewegungsfläche für die Feuerwehr sowie für die so genannte medienmäßige
Erschließung (Leitungsrechte) zur Verfügung. Die Flurstücke 6/4, 475 und 1/12
dienten der Erschließung für Rettungskräfte. Ausdrücklich wegen der auf diese
Weise sicher gestellten Erschließung sei schließlich die Baugenehmigung erteilt
worden.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin mit zweierlei Maß
messe. Sämtliche in dem Baugebiet U. vorhandenen Grundstücke seien mit LKWs
erreicht worden. Für all diese Grundstücke sei auch heute ein Befahren des U.s mit
LKWs kein Problem, etwa im Falle von Baumaßnahmen an bestehenden
Gebäuden.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des mit Schreiben vom 20. Juli 2010 eingelegten
Widerspruchs gegen die Auflage Nr. 17 in der Baugenehmigung der
Antragsgegnerin vom 5. Juli 2010 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin nimmt Bezug auf den bereits erwähnten notariellen
Kaufvertrag, nach dem das Grundstück nicht erschlossen gewesen sei. Der wahre
Kenntnisstand des Antragstellers über die Problematik der Erschließung und
Erreichbarkeit des Grundstückes sei ferner in § 5 Abs. 3 des Kaufvertrages
festgehalten, in dem es heißt, dass "der Käufer Gelegenheit (hatte), sich über die
rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Kaufobjekts zu
informieren". Der Antragsteller habe von der öffentlich-rechtlichen Beschaffenheit
des Grundstücks als bauplanungs- und bauordnungsrechtlich nicht erschlossene
Hinterliegerfläche gewusst. Wäre die öffentlich-rechtliche Rechtslage bereits
damals von dem Antragsteller in dem vorgetragenen Sinne eingeschätzt worden,
d.h, hätte der Antragsteller den U. als von ihm angeblich problemlos für das
Baugeschehen zu nutzende Erschließungsstraße für sein Bauvorhaben
angesehen, hätte es der vielfältigen Regelungen in der notariellen Vereinbarung
über Grunddienstbarkeiten als Sicherung der Anbindung des Baugrundstücks an
die Nachbarflurstücke und über diese an den öffentlichen Verkehrsraum ebenso
wenig bedurft wie Bestellung der Vielzahl der Erschließungsbaulasten.
Aus Sicht der Antragsgegnerin sei es merkwürdig, dass nach immerhin fast drei
Jahren seit Kaufvertragsabschluss nun die Antragsgegnerin für die fehlende
öffentlich-rechtliche Erschließung herhalten müsse. Die Antragsgegnerin weist
weiter auf die fehlende straßenrechtliche Widmung der zwischen Baugrundstück
und U. liegenden Parzelle 473 und auf die Situation des Grundstücks des
Antragstellers und des städtebaulichen Umfelds hin. Das angrenzende
Wohngebiet „Regenbogenpark Ramsee“ sei als Wohngebiet mit Einzelbebauung
konzipiert. Eine Erweiterung nach Osten zum späteren Baugrundstück der Schule
sei nicht vorgesehen gewesen. Die Erwerber der Wohnhäuser dürften somit auf die
Festsetzungen des Bebauungsplanes als Ausdruck des planerischen Willens der
Antragsgegnerin vertrauen.
Auch aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht verbiete sich eine Erschließung über
den U.. Entsprechend der städtebaulichen Konzeption sei die Straße als
Verkehrsbereich mit verringerten Breiten ausgebildet worden, was den
Grundcharakter der Straße unterstreiche. Der Antragsteller sei frühzeitig über die
fehlende Erschließungsfunktion des U.s informiert gewesen. Trotz entsprechende
Anfragen der Antragsgegnerin (z.B. Gesprächsnotiz vom 22.01.2010, Bl. 125 BA)
habe es Antragsteller versäumt, die Frage des Baustellenverlaufs hinreichend
darzulegen.
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Der U. selbst sei jedenfalls eine nicht jederzeit uneingeschränkt und beliebig
befahrbare Straße. Wegen des Richtzeichens 325.1 (Beginn eines
verkehrsberuhigten Bereichs) müssten Fahrzeugführer mit Schrittgeschwindigkeit
fahren und dürften Fußgänger weder gefährden noch behindern. Fußgänger
dagegen dürften den Verkehr nicht unnötig behindern. Falls erforderlich, müssten
Fahrzeugführer warten. Nach dem Vorstehenden sei es vorhersehbar, dass es zu
Konfliktsituationen zwischen den auf den Straßenflächen in ihrer Gesamtheit
spielenden Klein- und Kleinstkindern und Fahrzeugen kommen werde. Die
Errichtung der Wohnhäuser in der Umgebung des U.s sei zuvor in einer Weise
erfolgt, die die bereits errichteten Wohnhäuser nicht mehr wesentlich durch
Baufahrzeuge beeinträchtigt hätte.
Da die Aufhebung der der Genehmigung beigefügten Auflage voraussetze, dass
die Genehmigung mit einem Inhalt weiter bestehen könne, der der Rechtsordnung
entspreche, könne der Antragsteller die Auflagenummer 17 nicht isoliert angreifen.
Es verbliebe nämlich nach Ansicht der Antragsgegnerin sodann eine rechtswidrige
Baugenehmigung zur Errichtung eines Vorhabens, dem das Merkmal der
Erschließung fehlt.
Das auf der Grundlage der zivilrechtlichen Einigung vom 29. Juli 2010 erteilte
Einverständnis der T. 1862 e.V. Z bleibe nach Auffassung der Antragsgegnerin
ohne Auswirkung. Sonst wäre es dem Antragsteller möglich, durch zivilrechtliche
Abreden Einfluss auf den bauplanungs- bzw. bauordnungsrechtlich zu
beurteilenden Erschließungsbegriff Einfluss zu nehmen.
Der Berichterstatter hat am 30. September 2010 in einem Ortstermin die
Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Niederschrift (Bl. 140 ff. GA) Bezug genommen. Die Äußerung des Antragstellers,
sämtliche Baustellenfahrzeuge könnten mit begleitendem, fußläufigem Personal
durch das Wohngebiet geführt werden, hält die Antragsgegnerin kaum mit der
Tagespraxis einer Baustelle vereinbar. Bedenken bestünden auch deswegen, weil
es auf dem Baugrundstück des Antragstellers an einer ausreichenden
Wendefläche fehlen könne. Sie weist zudem auf einen in der Presse
veröffentlichten Unfallbericht hin, wonach am 30. September 2010 ein 13- jähriger
Fahrradfahrer auf einem Zebrastreifen von einem 16 t Lkw erfasst und schwer
verletzt wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen, die
Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Der Eilantrag hat Erfolg.
Das Eilrechtsschutzbegehren ist nach § 88 VwGO hinsichtlich der mit gesondertem
Bescheid vom 26. Juli 2010 für sofort vollziehbar erklärten Auflage Nr. 17 nach § 80
Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs, bezüglich der Zwangsgeldandrohungen gem. § 80 Abs.
5 Satz 1, 1. Alt. VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Antrag ist auch begründet. Die aufschiebende Wirkung ist vorliegend
wiederherzustellen bzw. anzuordnen, denn die Auflage Nr. 17 und die mit ihr
verbundenen Zwangsgeldandrohungen sind nach der im Eilverfahren gebotenen
summarischen Überprüfung offensichtlich rechtswidrig.
Einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist stattzugeben, wenn der angefochtene
Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da ein öffentliches Interesse an der
Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte nicht besteht. Der Antrag ist
abzuweisen, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist und ein
besonderes öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung besteht, diese
also eilbedürftig ist. Lässt sich weder das eine noch das andere bei summarischer
Prüfung feststellen, so hängt der Erfolg des Antrags davon ab, ob das öffentliche
Interesse bzw. das Interesse eines oder einer Beteiligten an der sofortigen
Vollziehung oder das entgegenstehende private Interesse des Antragstellers oder
der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs überwiegt.
Diese Grundsätze gelten für den Fall des einstweiligen Rechtschutzes gegen
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Diese Grundsätze gelten für den Fall des einstweiligen Rechtschutzes gegen
angreifbare Nebenbestimmungen in gleicher Weise.
Dem Erfordernis der gesonderten schriftlichen Begründung der Anordnung der
sofortigen Vollziehung der streitgegenständlichen Auflage (§ 80 Abs. 3 Satz 1
VwGO) ist die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 26. Juli 2010 zwar
nachgekommen. Dagegen ist die streitgegenständliche Auflage Nr. 17 zur
Baugenehmigung vom 5. Juli 2010 selbst offensichtlich rechtswidrig und verletzt
den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 36 Abs. 1 HVwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht,
mit einer Auflage nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift
zugelassen ist. Nach § 64 Abs. 4 HBO kann eine Baugenehmigung mit einer
Auflage erteilt werden. Durch die mit einem begünstigenden Verwaltungsakt – hier
der Baugenehmigung vom 5. Juli 2010 – verbundene Auflage gem. § 36 Abs. 2 Nr.
4 HVwVfG wird dem Adressaten ein selbständiges Handeln, Tun oder Unterlassen
vorgeschrieben. Eine Auflage zu einer Baugenehmigung kommt vornehmlich dafür
in Betracht, künftig die rechtmäßige Nutzung des Vorhabens sicherzustellen
(Hornmann, HBO, Kommentar, Rn. 105 zu § 64). Zulässig sind demnach
beispielsweise Auflagen zu einer Baugenehmigung für eine Diskothek, um den
Betreiber zur Einhaltung bestimmter Lärmimmissionsgrenzen anzuhalten. Soweit
hier ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung besteht (§ 64 Abs. 1 HBO:
Die Baugenehmigung ist zu erteilen…), so sind, soweit die Voraussetzung für die
Baugenehmigung vorliegen, keine Nebenbestimmungen zulässig, soweit für die
Nebenbestimmung nicht eine Ermächtigungsgrundlage vorliegt
(Stelkens/Bonk/Sachs, HVwVfG, Kommentar, 6. Aufl. 2001, Rn. 67 zu § 36). Weiter
darf eine Nebenbestimmung gem. § 36 Abs. 3 HVwVfG nicht dem Zweck des
Verwaltungsaktes zuwiderlaufen. Durch dieses in der Rechtsstaatsidee verankerte
Verbot soll verhindert werden, dass durch die Beifügung der Nebenbestimmung
der ursprüngliche Zweck des Verwaltungsakts beeinträchtigt wird (Stelkens/
Bonk/Sachs, a.a.O., Rn. 79 zu § 36).
Diesen vorgenannten Grundsätzen hat die Antragsgegnerin bei ihrer Auflage Nr.
17 nicht Rechnung getragen.
Es fehlt für die Rechtmäßigkeit der Auflage an der erforderlichen
Ermächtigungsgrundlage. Eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für eine
Auflage, der zufolge dem Antragsteller die Nutzung des U.s und des Flurstücks
473 als Baustraße verboten werden kann, existiert nicht.
Die Begründung der Auflage mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes trägt
nicht. Zwar hat die Antragsgegnerin für die Kammer erkennbar dem von den
Anwohnern des Regenbogenparks geltend gemachten Schutz- und Ruhebedürfnis
Rechnung tragen und sich damit verständiger Weise zum Wohle ihrer Bürgerinnen
und Bürger einsetzen wollen. Die Festsetzungen des Bebauungsplanes aber
tragen die Auflage Nr. 17 nicht. Im Rahmen ihrer Planungshoheit hat die
Antragsgegnerin in dem seit 20. Februar 2006 rechtskräftigen Bebauungsplan Nr.
130 „Wohn- und Sportpark Ramsee“ für den Endbereich des U.s Festsetzungen
getroffen. Die Fläche der erst später entstandenen Parzelle 473 war seinerzeit
noch als Bauland ausgewiesen; die heute vorfindlichen Grundstücke für die
Doppelhaushälften U. 26 und 28 sind erst später durch Teilung (ca. 2007)
entstanden. Die Festsetzungen des Bebauungsplanes enthalten keinerlei Hinweise
darauf, denen zufolge die Auflage Nr. 17 begründet werden könnte.
Die Auflage Nr. 17 läuft zudem dem Zweck des Verwaltungsaktes zuwider (§ 36
Abs. 3 HVwVfG). Nebenbestimmungen müssen mit dem Verwaltungsakt, dem sie
beigefügt sind, zumindest insofern in einem Zweckzusammenhang stehen, als sie
die Schaffung oder Beseitigung von Umständen zum Ziel haben, deren Fehlen
oder Vorhandensein die Verwaltung sonst zwingen oder im Rahmen des ihr ggf.
zustehenden Ermessens berechtigen würden, die in der Hauptsache in Betracht
kommende Regelung zu versagen oder mit einem für den Betroffenen
ungünstigen Inhalt zu versehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl.
2008, Rn. 56 zu § 36). Das nachvollziehbare Interesse, die Anwohner des U.s mit
der Auflage Nr. 17 vor Baustellenverkehr zu schützen kann die Antragsgegnerin
auf dem beschrittenen Weg nicht erreichen. Die Auflage verstößt insoweit gegen §
36 Abs. 3 HVwVfG, als sie dem Zweck der zugleich erteilten Baugenehmigung
zuwiderläuft. Die Antragsgegnerin kann den Antragsteller durch die Auflage nicht
darauf verweisen, über noch nicht zustande gekommene privatrechtliche
Vereinbarungen eine Baustraße zu realisieren. Sollte der Abschluss solcher
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Vereinbarungen eine Baustraße zu realisieren. Sollte der Abschluss solcher
Vereinbarungen mit Blick auf die Privatautonomie nicht zustande kommen, könnte
der Antragsteller die Baugenehmigung allein wegen der verfügten Auflage Nr. 17
nicht realisieren. Die Baugenehmigung könnte damit nicht ausgenutzt werden, ihr
Zweck – nämlich die letztlich auch im Interesse der Antragsgegnerin stehende
Errichtung eines Schulgebäudes – würde nicht erreicht.
Die Auflage dient auch gerade nicht dazu, das Vorhaben genehmigungsfähig zu
machen. Im Gegenteil: Durch die Auflage wird dem Antragsteller die Ausnutzung
der von der Antragsgegnerin erteilten Baugenehmigung ohne Rechtsgrund
wesentlich erschwert. Der Antragsteller ist insbesondere nicht mittels der Auflage
darauf zu verweisen, mit privaten Dritten Vereinbarungen über eine anderweitig
verlaufende Baustraße zu treffen (etwa über das Flurstück 1/11 der TG 1862 e.V. Z
oder – wie im Ortstermin angesprochen – über die östlich verlaufende 4-spurige
Ortsdurchgangsstraße Evreuxring (ehem. Ringstraße). Hätte die Antragsgegnerin
dieses Ziel wirksam erreichen wollen, so hätte es des Abschlusses einer
entsprechenden vertraglichen Vereinbarung mit dem Antragsteller bedurft. Daran
aber fehlt es. Inwieweit das Verhalten des Antragstellers treuwidrig sein könnte,
lässt das Gericht offen. Dafür spricht möglicherweise, dass der Antragsteller – wie
die Antragsgegnerin zutreffend angemerkt hat – seit Jahren um die
Schwierigkeiten der Baustellenandienung wusste. Freilich legen auch die Inhalte
der von der Antragsgegnerin erwähnten notariellen Vereinbarung nahe, dass der
Antragsteller um die Schwierigkeiten der Realisierung einer Baustraße wusste und
möglichweise sogar die nunmehr im Streit stehende Variante erwogen oder sich
zumindest vorbehalten hat. Sein kontinuierliches (und ggf. taktisches) Schweigen
indes vermag zur Überzeugung des Gerichts nicht dazu zu führen, ihm die
Nutzung des U.s und des Flurstücks 473 allein als Baustraße zu verwehren. In
diesem Schweigen jedenfalls ist kein Verhalten zu erkennen, das ihn etwa nach
den Grundsätzen von Treu und Glauben von der ihm rechtlich zustehenden
Nutzung des U.s und der privatrechtlich gesicherten Inanspruchnahme der
Parzelle 473 ausschließen könnte.
Die Entscheidung des Hess. VGH vom 25. Juli 1987 – 4 UE 212/86 –, BRS. 47, 282,
vermag zugunsten der Antragsgegnerin nicht in Bezug genommen werden. Denn
für das Überfahren des Flurstücks 473 allein während der Bauphase liegt das
schriftliche Einverständnis des Grundstückeigentümers vom 29. Juli 2010 vor. Eine
– wie von der Antragsgegnerin angenommene bzw. befürchtete – „Erschließung“
des Grundstücks des Antragstellers wird dadurch gerade nicht bewirkt. Der ihr mit
Blick auf die erteilte Baugenehmigung obliegenden Pflicht zur Erschließung (dazu
Battis/Krautzberger/ Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, Rn. 6 zu § 123) ist die
Antragsgegnerin durch die oben erwähnten und zugunsten des Antragstellers
bestellten Baulasten nachgekommen. Denn gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 HBO dürfen
Gebäude nur errichtet werden, wenn das Grundstück in einer solchen Breite an
eine befahrbare öffentliche Verkehrsfläche grenzt oder eine solche öffentlich-
rechtliche Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat, dass der
Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten ohne Schwierigkeiten möglich ist.
Auch die isolierte Anfechtung der Auflage Nr. 17 ist möglich. Es handelt sich
nämlich gerade nicht um eine sog. modifizierende Auflage, bei deren gedachtem
Wegfall eine (wegen fehlender Erschließung rechtswidrige) Baugenehmigung
verbliebe. Die Antragsgegnerin selbst hat vielmehr durch die erforderliche
Bestellung der von ihr selbst so bezeichneten „Erschließungsbaulasten“ die
Erschließung des Grundstücks des Antragstellers (mit) herbeigeführt.
In der Phase der Errichtung eines Vorhabens bedarf es zudem noch gar keiner
Erschließung im bauplanungsrechtlichen Sinne. Dies folgt etwa aus § 34 Abs. 1
Satz 1 a. E. BauGB, wonach ein Vorhaben bereits bei gesicherter (aber eben noch
nicht realisierter) Erschließung zulässig ist (näher: Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB, 10. Aufl. 2007, Rn. 21 zu § 34). Daraus wird klar, dass es insbesondere in
der Phase der Errichtung von Bauvorhaben keiner bereits vorhandenen
Erschließung bedarf.
Der Antragsteller kann den U. im Rahmen des ihm zustehenden
Gemeingebrauchs nutzen. Der U. ist eine dem öffentlichen Kraftfahrzeugverkehr
gewidmete und damit öffentliche Straße im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 HStrG.
Seine Benutzung steht jedermann und damit auch dem Antragsteller im Rahmen
des Gemeingebrauchs zu. Der Umfang der Benutzung wird allein durch die
Widmung und durch verkehrsrechtliche Vorschriften bestimmt (§ 14 Abs. 1 HStrG).
Soweit durch das Zeichen 325.1 der U. als „Verkehrsberuhigter Bereich“
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Soweit durch das Zeichen 325.1 der U. als „Verkehrsberuhigter Bereich“
ausgewiesen ist, wird der Antragsteller bei der Organisation des
Baustellenverkehrs gehalten sein, die aus der straßenverkehrsrechtlichen
Anordnung folgenden Pflichten zu beachten (Vorrang des Fußgängerverkehrs,
Fahren mit Schrittgeschwindigkeit, etc.). Dadurch werden durch den Antragsteller
umfängliche Sorgfalts- und Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten sein.
Die Kammer sieht davon ab, die Wiederherstellung des Suspensiveffekt von
entsprechenden, grundsätzlich zulässigen Auflagen abhängig zu machen (§ 80
Abs. 5 Satz 4 VwGO). Der Antragsteller mag – sinnvoller Weise in Absprache mit
der Straßenverkehrsbehörde der Antragsgegnerin – die nötigen
Sicherheitsmaßnahmen für eine gefahrlose Zu- und Abfahrt der
Baustellenfahrzeuge in eigener Verantwortung organisieren. In Betracht kommen
etwa Warnschilder („Baustellenverkehr“), eine temporäre
Wechsellichtzeichenanlage oder auch – soweit erforderlich – eine Begleitung der
Fahrzeuge durch voraus- bzw. hinterherlaufende Sicherheitsposten (Einweiser).
Soweit den Fahrern etwa die volle Sicht wegen der Gegebenheiten im U. verwehrt
sein sollte (Lkw, Lastzug, enge Straßen), so dürften diese sich Hilfspersonen
bedienen müssen, die gefährdete Verkehrsteilnehmer warnen und mit dem
Fahrzeugführer Verbindung durch Zeichen und Rufe aufrechterhalten (BGH VRS 9,
406; 29, 275; 31, 440). Fehlt die nötige Hilfsperson, muss notfalls gewartet werden
(OLG Düsseldorf VRS 87, 47).
Das Gericht erkennt durchaus, dass durch die bevorstehende Nutzung des U.s
und der Parzelle 473 als Baustraße für den Zeitraum der Bauarbeiten die
Anwohner erheblichen Belästigungen durch Baufahrzeuge ausgesetzt sein werden.
Diese Belästigungen müssen die Anwohner des Wohngebiets indes in gleicher
Weise aushalten, wie das Befahren des U.s durch Müllfahrzeuge oder ggf. größerer
LKW bei der Anlieferung von Waren für die Anlieger. Die vorübergehende Nutzung
des U.s und des Flurstücks 473 als Baustraße ist Folge von der
Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin erteilten Baugenehmigung. Auf den
Ersatz etwaiger, befürchteter Schäden besteht Anspruch gegen den jeweiligen
Verursacher im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen über Schadensersatz.
Für die Annahme, dass die Anlieger durch den Baustellenverkehr in einer von der
Rechtsordnung nicht gewollten Weise belastet werden könnten, bestehen keinerlei
Anhaltspunkte. Szenarien dergestalt, dass das Gericht zwingend von Sachschäden
oder gar Verletzungen von Personen ausgehen müsste, sind nicht dargelegt. Bei
ordnungsgemäßer Abwicklung und verantwortungsvoller Durchführung des
Baustellenverkehrs sind derartige Risiken beherrschbar. Die Furcht hiervor und der
verständliche Wunsch der Bürgerinnen und Bürger im angrenzenden Wohngebiet,
ohne Belästigungen durch Baustellenverkehr zu leben, müssen hinter dem
letztlich auch aus der Baufreiheit (Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) herzuleitenden
Recht des Antragstellers auf Nutzung des U.s und der Parzelle 473 zurückstehen.
Mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung ist auch der Hinweis des Antragstellers
auf § 28 Abs. 1 NachbRG zutreffend, wonach das Flurstück 473 auch zur Überfahrt
u.a. zum Baugrundstück des Antragstellers genutzt werden kann. Nach § 28 Abs.
3 NachbRG findet zwar Abs. 1 auf die Eigentümer öffentlicher Straßen keine
Anwendung. Soweit die öffentliche Straße vom Antragsteller – wie dargelegt – im
Rahmen des Gemeingebrauchs genutzt werden darf, kann der Antragsteller das
Flurstück 473 über den U. erreichen und vereinbarungsgemäß nutzen.
Gegen die mit der offensichtlich rechtswidrigen Auflage verbundenen
Zwangsgeldandro-hungen als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung war
folgerichtig die aufschiebende Wirkung anzuordnen, da an der Vollstreckung eines
rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann (§ 80
Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, § 16 HessAGVwGO).
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin als Unterlegene zu tragen (§
154 Abs. 1 VwGO).
Der Streitwert wurde gemäß §§ 52, 53 Abs. 2 GKG festgesetzt. Dabei hat das
Gericht das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an der zeitnahen
Herstellung der Baustraße mit Blick auf das Volumen des Bauvorhabens für das
Eilverfahren mit 50.000,- Euro festgesetzt. Der Wert wurde in Anbetracht der
Vorläufigkeit der Entscheidung auf die Hälfte des Wertes reduziert (Nr. 1.5 des
Streitwertkataloges, vgl. Kopp, VwGO, Anh. zu § 164). Der Betrag der angedrohte
Zwangsgelder (2 x 2.500,- = 5.000,- Euro) bleibt außer Betracht (Nr. 1.6.2 des
Streitwertkataloges, Kopp, a.a.O.).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.