Urteil des VG Darmstadt vom 02.04.2008

VG Darmstadt: vorläufiger rechtsschutz, minderjähriger, aufenthaltserlaubnis, ausländer, abschiebung, verfügung, vergünstigung, quelle, gefahr, afghanistan

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Gericht:
VG Darmstadt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 G 1980/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 104a Abs 2 S 2 AufenthG
(Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis; unbegleiteter
Minderjähriger)
Leitsatz
§ 104 a Abs. 2 Satz 2 AufenthG lässt es nicht ausreichen, dass der Ausländer als
Minderjähriger eingereist ist und sich mindestens sechs Jahre im Bundesgebiet
aufgehalten hat; er muss diese sechs Jahre lang unbegleiteter Minderjähriger gewesen
sein.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Eilantrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der
Klage vom 07.12.2007 gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis in der Verfügung des Landrates des Kreises Offenbach vom
22.10.2007 ist nicht statthaft.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist grundsätzlich nur zulässig, soweit der
Ausländer im Falle des Erfolges seines Antrages den Fortbestand eines durch die
Antragstellung begründeten fiktiven Aufenthalts- oder Bleiberechts nach § 81 Abs.
3 oder 4 AufenthG erreichen könnte. Erschöpft sich die Entscheidung der
Ausländerbehörde dagegen in der bloßen Versagung eine Vergünstigung, weil die
genannte Fiktionswirkung nicht eingetreten ist, so ist vorläufiger Rechtsschutz
allein im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu erlangen
(vgl. Hailbronner, AuslR, Stand: August 2006, § 81 Rdnr. 47 m. w. Nw.). Die Fiktion
des § 81 Abs. 3, 4 AufenthG greift zugunsten des Antragstellers bereits deshalb
nicht ein, weil sein Aufenthalt zu den jeweiligen Zeitpunkten der Anträge auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr rechtmäßig gewesen ist. Der
Antragsteller hält sich lediglich geduldet in der Bundesrepublik Deutschland auf.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Versagung der
Aufenthaltserlaubnis ist daher gemäß §§ 122, 88 VwGO dahingehend umzudeuten,
dass der Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO
verpflichtet werden möge, vorläufig von einer Abschiebung des Antragstellers
abzusehen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor
Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder
wesentlich erschwert wird. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend
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wesentlich erschwert wird. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend
gemachten Anspruchs und der Grund für eine notwendige vorläufige Sicherung
sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i. V. mit § 123 Abs. 3 VwGO).
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag liegt aber
bereits ein Anordnungsgrund nicht vor. Aus der Systematik der §§ 5 Abs. 2, 81
Abs. 3 und 4 und 84 Abs. 2 AufenthG wird deutlich, dass der visumpflichtige
Ausländer das Visum grundsätzlich vom Ausland aus beantragen soll. Die
Durchsetzung der Verpflichtung zur Ausreise kann daher nicht schon als
Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverfolgung angesehen
werden (Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 51 m. w. Nw.; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG,
Stand: Februar 2008, II- § 81 Rdnr. 103 m. w. Nw.).
Abgesehen davon würde es vorliegend auch an dem nach § 123 Abs. 1 VwGO
erforderlichen Anordnungsanspruch fehlen, weil die Ablehnung des Antrags auf
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sich als offensichtlich rechtmäßig darstellt.
Nach § 104a Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23
Abs. 1 Satz 1 AufenthG demjenigen Ausländern erteilt werden, der sich als
unbegleiteter Minderjähriger zum Stichtag 01.07.2007 seit mindestens sechs
Jahren ununterbrochen geduldet im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dies trifft für
den Antragsteller nicht zu, da er zwar als Minderjähriger einreiste, aber nicht
mindestens sechs Jahre vor dem genannten Stichtag unbegleitet minderjährig war,
sondern bereits am 22.12.2000 volljährig wurde. Nach Ansicht der Kammer lässt
es § 104a Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht ausreichen, dass der Ausländer als
Minderjähriger eingereist ist und sich mindestens sechs Jahre im Bundesgebiet
aufgehalten hat; er muss diese sechs Jahre lang unbegleiteter Minderjähriger
gewesen sein (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 16/5065, S. 202;
Bundesministerium des Innern, Hinweise zu den wesentlichen Änderungen durch
das Gesetz zur Umsetzungsaufenthalts und asylrechtlicher Richtlinien der
Europäischen Union vom 19.08.2007, Teil I, Abschn. L I Nr. 11; a. A. wohl Funke-
Kaiser, a.a.O., II - § 104a Rdnr. 28). Für Ausländer, die zum Stichtag nicht "seit"
sechs Jahren als unbegleitete Minderjährige in Deutschland waren, gilt § 104a Abs.
1 AufenthG. Hiernach müsste der Antragsteller zum Stichtag 01.07.2007 jedoch
acht Jahre in der Bundesrepublik Deutschland gewesen sein; da er am 04.11.1999
einreiste, erfüllt er diese Voraussetzung nicht.
Hinsichtlich der in der Verfügung vom 22.10.2007 enthaltenen
Abschiebungsandrohung ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, da
es sich insoweit um kraft Gesetzes sofort vollziehbare Maßnahmen in der
Verwaltungsvollstreckung handelt (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 16
HessAGVwGO).
Der Antrag ist aber unbegründet, da der Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1
AufenthG i. V. m. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig ist, so
dass ihm nach § 59 Abs. 1 AufenthG die Abschiebung angedroht werden durfte.
Die Ausreisefrist von einem Monat erscheint dabei als noch ausreichend.
Abschiebungsverbote, die dazu führen könnten, dass Afghanistan als Zielstaat der
Abschiebung ausgenommen werden müsste, sind nicht mehr gegeben, wie das
Bundesamt mit Bescheid vom 18.01.2006 bestandskräftig festgestellt hat.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller nach § 154 Abs. 1 VwGO zu
tragen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52, 53 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.