Urteil des VG Darmstadt vom 20.08.2008

VG Darmstadt: öffentliche sicherheit, naturschutzgebiet, behörde, gleichbehandlung im unrecht, verfügung, verwaltungsakt, anhörung, hessen, eigentümer, gefahr

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Gericht:
VG Darmstadt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 E 770/07 (3)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 Abs 4 LuftVO, § 16 Abs 1
LuftVO, § 2 Abs 1 BauO HE, §
49 Abs 2 BNatSchtG, § 19 Abs
1 S 1 BNatSchtG
Untersagung der Nutzung eines eines Geländes als
Modellflugplatz aus landschaftschutzrechtlichen Gründen
Leitsatz
1. Ein Modellflugplatz ist eine bauliche Anlage i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Hess-
BauO.
2. Zur Genehmigungsfähigkeit eines Modellflugplatzes in einem
Landschaftsschutzgebiet.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist ein Luftsportverein, der sich neben dem bemannten Segelflug auch
dem Modellflug widmet. Zu letzterem Zweck nutzt er eigenen Angaben zufolge
seit Mai 1975 ein ca. 100 X 30 Meter großes Gelände im Flur 6, Flurstück 78, der
Gemarkung Seligenstadt-Zellhausen. Das Modellfluggelände befindet sich ca. 130
Meter westlich des nördlichen Bereichs der in Nord-Südrichtung verlaufenden
Start- und Landebahn des Flugplatzes Zellhausen. Die Start- und Landebahn des
Modellfluggeländes verläuft in Ost-West-Richtung.
Die seit 1975 befristet erteilten Aufstiegserlaubnisse wurde seitdem regelmäßig
verlängert, zuletzt mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
23.01.2002 bis 31.12.2006 für Modelle mit einem Höchstgewicht von 20 kg.
Schon im März 1988 wies die seinerzeit noch bestehende Bezirksdirektion für
Forsten und Naturschutz darauf hin, dass das Modellfluggelände im Bereich eines
geplanten Naturschutzgebietes liege. Einer Verlängerung der Aufstiegserlaubnis
stimmte die Behörde nur unter der Bedingung zu, dass dem Kläger auferlegt
werde, Modelle nur in nördlicher Richtung aufsteigen zu lassen. Der
Genehmigungsbescheid vom 31.03.1988 ordnete demgemäß an, dass eine
Auflassung nur in nördlicher Richtung zulässig sei und die Wald- und
Gebüschzonen des „Zellerbruchs“ nicht überflogen werden dürften. Außerdem
wurde – wie schon zuvor – ein Flugverbot vom 01.03. bis 10.05. eines jeden Jahres
angeordnet.
Mit Schreiben vom 22.03.1991 anlässlich einer weiteren
Genehmigungsverlängerung wies die Obere Naturschutzbehörde des Beklagten
darauf hin, dass eine Reduzierung des Auflassgebiets im westlichen Teil wegen des
geplanten Naturschutzgebietes wünschenswert sei. Begrüßenswert wäre eine
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geplanten Naturschutzgebietes wünschenswert sei. Begrüßenswert wäre eine
Sichtschutzpflanzung, um Nutzungskonflikte zwischen Modellflug und Arten-
/Biotopschutz zu mildern. Der hierauf ergangene Bescheid vom 18.06.1991 über
eine Verlängerung des Modellflugbetriebs bis 31.05.1996 ordnete demgemäß an,
dass die Auflassung der Modelle nur in nördlicher Richtung zulässig sei, ein
Überflug der Wald- und Gebüschzonen des „Zellerbruchs“ nicht gestattet sei und
der Flugbetrieb in den westlich gelegenen Auflassbereich reduziert werden solle.
Außerdem wurde wiederum ein Flugverbot vom 01.03. bis 10.05. eines Jahres
angeordnet.
Schon am 10.08.1992 meldete sich die Obere Naturschutzbehörde erneut und bat
um den Widerruf der Genehmigung. Sie teilte mit, dass das geplante
Naturschutzgebiet im Laufe des Ausweisungsverfahrens zwar in eine Kernzone
(Naturschutzgebiet) und eine Pufferzone (Landschaftsschutzgebiet) aufgeteilt
worden sei, wobei das Modellfluggelände in letzterer läge. Jedoch hätten die
Störungen des Naturschutzbereichs durch das Heranfahren mit Autos und die
Anwesenheit von Personen Veranlassung gegeben, von einer weiteren Zulassung
des Modellflugbetriebs Abstand zu nehmen.
Zu einem Widerruf der Erlaubnis kam es in der Folgezeit nicht.
Das Naturschutzgebiet wurde durch die Verordnung über das Naturschutz- und
Landschaftsschutzgebiet „Zellerbruch von Seligenstadt und Zellhausen“ vom
11.12.1992 – nachfolgend: ZellerbruchVO – mit Wirkung vom 29.12.1992 errichtet
(HessStAnz. 1992, 3344).
Auf einen weiteren Verlängerungsantrag des Klägers vom 15.04.1996 teilte die
Obere Naturschutzbehörde mit, dass die befragte Staatliche Vogelschutzwarte
eine Verlegung des Modellflugplatzes nicht für unbedingt notwendig erachte,
sofern die von ihr vorgeschlagenen Beschränkungen hinsichtlich Brutzeiten und
Kraftverkehr Berücksichtigung fänden. Daher müsse das Flugverbot bis zum 15.06.
eines jeden Jahres ausgedehnt werden. Das Befahren von Kraftfahrzeugen aller Art
außerhalb der Straßen und Wege sei nur mit besonderer Genehmigung zulässig.
Der Betrieb des Modellfluggeländes wurde durch Bescheid vom 30.04.1996 mit
den vorgeschlagenen Auflagen bis 31.05.2001 verlängert.
Im sich anschließenden weiteren Verlängerungsverfahren äußerte die Stadt
Seligenstadt mit Schreiben vom 28.05.2001 den Wunsch nach einer langfristigen
Verlegung des Modellflugbetriebs durch entsprechende Auflagen im
Genehmigungsbescheid. Auch die Obere Naturschutzbehörde verlangte mit
Schreiben vom 08.06.2001 eine Aufgabe des bisherigen Standortes. Zur
Begründung wurde ausgeführt, dass die Vögel im Naturschutzgebiet entweder
direkt vertrieben oder durch die Flugmodelle in einen Zustand permanenter
Beunruhigung und Fluchtbereitschaft versetzt würden und ihr Brüten dadurch nicht
beenden würden. Das Modellfluggelände sei weniger als 100 Meter von der
Kernzone des Naturschutzgebiets entfernt. Die Beeinträchtigungen durch den
Flugbetrieb seien gravierend, da es sich um einen grundwassergeprägten Standort
im Bereich des verlandeten Mainlaufs handele, der für die Nutzung aufgefüllt und
trockengelegt wurde. Hier wäre es möglich, wieder eine feuchte Glatthaferwiese zu
schaffen. Für die Flächen nördlich des Geländes werde eine Grünland-
Extensivierung bereits gefördert. Im Bereich der Modellflieger könne es zu
Störungen der Avifauna kommen. Die Wiesenbereiche hätten eine Bedeutung als
Brutplätze für Kiebitz und Rebhuhn und seien potentielle Brutareale für
Wiesenbrüter (z. B. Schafstelze und Wachtel), die sich dort nicht ansiedeln dürften
wegen der Beunruhigungen durch den Flugbetrieb. Es sei aufgrund der
wissenschaftlichen Erkenntnisse ein Mindestabstand von 400 m zwischen
Fluggeländen und Naturschutzgebieten zu empfehlen. Der Betrieb des
Modellfluggeländes sollte vom Naturschutzgebiet wegverlagert werden. Die
Staatliche Vogelschutzwarte halte die Fortsetzung des Modellflugbetriebs für
möglich; jedoch solle das Naturschutzgebiet mittel- bis langfristig so entwickelt
werden, dass sich Wiesenbrüter dort wieder ansiedelten. Eine neue Zustimmung
werde seitens des Obere Naturschutzbehörde daher nur für längstens fünf weitere
Jahre mit der Auflage erteilt, Ersatzflächen zu erschließen, und mit der Auflage,
eine Karte des Flugsektors am Fluggelände auszuhängen.
Auf die im weiteren Genehmigungsverfahren angesprochenen Bemühungen um
Alternativstandorte teilte der Kläger mit, dass die vorgeschlagenen
Alternativstandorte sämtlich an den bebauten Ortsrand angrenzten und
ungeeignet erschienen. Ein Alternativstandort in der Nähe des Segelfluggeländes
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ungeeignet erschienen. Ein Alternativstandort in der Nähe des Segelfluggeländes
werde von der Unteren Naturschutzbehörde als bedenklich angesehen.
Das Regierungspräsidium Darmstadt erteilte mit Bescheid vom 23.01.2002 die
Genehmigung zum weiteren Modellflugbetrieb bis 31.12.2006, im Wesentlichen zu
den Bedingungen und Auflagen des Bescheids vom 30.04.1996.
Eine Anzeige eines Bediensteten von Hessen-Forst, wonach der Kläger den Betrieb
schon am 26.04.2004 aufgenommen habe, nahm die Behörde zum Anlass, an die
Standortalternativsuche zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass eine weitere
Verlängerung des Betriebs am alten Standort über den 31.12.2006 nicht
genehmigt werde.
Ende 2004/ Anfang 2005 schlug die Obere Naturschutzbehörde dem Kläger vor,
das Modellfluggelände auf die Parzellen 57/1 und 57/2, die nördlich an das
bisherige Gelände angrenzten, aber außerhalb des Landschaftsschutzgebietes
Zellerbruch lägen, zu verlagern. Das neue Gelände läge zwar im Bereich des
Landschaftsschutzgebietes „Kreis Offenbach“; insofern könne aber eine
naturschutzrechtliche Erlaubnis in Aussicht gestellt werden und das Flugverbot auf
diejenigen Arten, die in dem neuen Gebiet betroffen seien, angepasst werden.
Am 05.09.2006 beantragte der Kläger eine unbefristete Aufstiegerlaubnis unter
Wegfall der Sperrzeit vom 01.03. bis 15.06. eines jeden Jahres für das bisherige
Gelände. Zur Begründung gab er an, obwohl Gelder für den Erwerb eines neuen
Geländes zur Verfügung gestellt worden seien, sei kein Alternativstandort in
Zellhausen verfügbar. Demgegenüber seien die zu schützenden Vogelarten
Kiebitz, Rebhuhn, Wachtel auch in der weiteren Umgebung des Flugplatzes nicht
nachgewiesen worden.
Mit Schreiben vom 14.09.2006 teilte das Regierungspräsidium Darmstadt mit,
dass eine weitere Verlängerung des Modellflugbetriebs auf dem bisherigen Areal
nicht in Betracht komme.
Im Dezember 2006 wurden erneut die Möglichkeiten einer Verlagerung des
Betriebs, insbesondere auf die Parzellen 57/1, 57/2 und 56, in zwei Besprechungen
vor Ort geprüft.
Mit E-Mail vom 15.02.2007 beantragte der Kläger die Genehmigung des
Modellflugbetriebs auf den Parzellen 57/1 und 57/2. Dabei wies er darauf hin, dass
die beiden Eigentümer der Grundstücke – zwei Landwirte – diese nicht verpachten,
sondern nur verkaufen wollten. Zu einer Entscheidung über diesen Antrag kam es
nicht, weil der Kläger signalisierte, dieses Gelände nur zu akzeptieren, wenn der
Ganzjahresbetrieb ermöglicht werde. Dies aber sei auf Widerspruch der Oberen
Naturschutzbehörde gestoßen.
In einem Anhörungsschreiben vom 29.03.2007 teilte das Luftverkehrsdezernat des
Regierungspräsidiums Darmstadt mit, dass beabsichtigt sei, den Antrag vom
05.09.2006 abzulehnen. Zugleich untersagte es „formlos“ den weiteren
Modellflugbetrieb. Am 18.04.2007 stellte es klar, dass die Untersagung auch für
den luftverkehrsrechtlich erlaubnisfreien Modellflugbetrieb gelte.
Hierauf erwiderte der Kläger, dass das Gelände schon seit 1967 zum Modellflug
genutzt werde. Das Modellfluggelände liege zwar im Landschaftsschutzgebiet,
nicht aber im Naturschutzgebiet. Nur für das Naturschutzgebiet bestehe jedoch
ein Motorflugverbot. Der Kläger habe bei der Ausweisung des Naturschutzgebietes
um entsprechende Berücksichtigung seiner Belange gebeten. Der Kläger habe
daher einen Anspruch auf eine Erlaubnis, zumindest bezüglich des
luftverkehrsrechtlich erlaubnisfreien Betriebs. Im Bereich des Modellfluggeländes
kämen die Brutvogelarten, die geschützt werden sollen, nicht vor, sodass ein
weiterer Schutz durch eine Sperrzeit nicht notwendig sei.
Am 02.05.2007 hat der Kläger beim erkennenden Gericht zunächst Klage gegen
die Untersagung des erlaubnisfreien Modellflugbetriebs erhoben. Dieses Verfahren
hat die Geschäftsnummer 5 E 770/07 (3) erhalten.
Mit Bescheid vom 10.05.2007 lehnte die Behörde eine weitere Genehmigung auch
des luftverkehrsrechtlich genehmigungsbedürftigen Modellflugbetriebs auf dem
bisherigen Modellfluggelände ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, § 3 Abs. 3
ZellerbruchVO untersage Maßnahmen, die den Charakter des Gebiets
veränderten, das Landschaftsbild beeinträchtigten und dem besonderen
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veränderten, das Landschaftsbild beeinträchtigten und dem besonderen
Schutzzweck zuwiderliefen. Der Schutzzweck der ZellerbruchVO sei es, ökologisch
wertvolle Landschaftselemente der holozänen Mainaue innerhalb des Naturraums
Hanau-Seligenstädter Mainniederung mit einem naturnahen Erlenbruch und Erlen-
Eschen-Auewäldern, wertvollen Restflächen der ehemals größten
zusammenhängenden Feuchtwiesenbereiche innerhalb des Naturraumes und
auch Standorten mittlerer Feuchte bis hin zu Magerrasenfragmenten zu sichern
und zu erhalten. Das Schutz- und Pflegeziel sei die Extensivierung der
Grünlandnutzung sowie die Grünlanderhaltung und -mehrung in den als
Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen Teilzonen (§ 2 ZellerbruchVO). Nach dem
Rahmenpflegeplan sei das bisher genutzte Gelände als nährstoffarme bis
nährstoffreiche Frisch- und Feuchtwiese dargestellt. Auch Maßnahmen, die nicht
ausdrücklich verboten seien, unterlägen der Beurteilung, ob sie dem Schutzzweck
zuwiderlaufen. Die Prüfung habe ergeben, dass die dauerhafte Nutzung dem
Schutzzweck zuwiderlaufe. Der Bescheid wurde am 14.05.2007 zugestellt.
Auch hiergegen hat der Kläger am 08.06.2007 Klage mit dem Ziel erhoben, eine
Fortsetzung des Modellflugbetriebes auf dem bisherigen Gelände zu erreichen.
Diese Klage hat die Geschäftsnummer 5 E 980/07 (3) erhalten.
Mit Beschluss vom 07.08.2007 sind beide Klagen miteinander verbunden worden
und werden unter der ersten vergebenen Geschäftsnummer fortgeführt.
Der Kläger trägt vor, der Verein bestehe seit 1951. Seit 1957 sei der Flugplatz
Zellhausen eingerichtet, wobei für Modellflieger seit 1967 zunächst ein Areal
innerhalb der Flugplatzrunde genutzt worden sei. Seit Mitte der 70er Jahre habe es
dann befristete Aufstiegserlaubnisse für Flugmodelle bis 20 kg Abfluggewicht für
das seitdem genutzte besondere Gelände westlich der Start- und Landebahn
gegeben. Das Modellfluggelände liege im Landschaftsschutzteil, nicht jedoch im
Naturschutzgebiet der ZellerbruchVO. Nur für das Naturschutzgebiet bestehe
jedoch ein Motorflugverbot. Daraus folge, dass der erlaubnisfreie Betrieb auf dem
bisherigen Gelände erlaubt sei. Welche Belange der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung betroffen seien und gegen eine Genehmigung sprächen, sei unklar. Das
Land habe erst am 16.05.2007 die Verlängerung der benachbarten Start- und
Landebahn des Flugplatzes genehmigt.
Auch hinsichtlich des luftverkehrsrechtlich genehmigungsbedürftigen
Modellflugbetriebs sei auf die Einstufung des Modellfluggeländes als Teil „nur“ des
Landschaftsschutzgebietes, nicht aber des Naturschutzgebietes hinzuweisen. Nur
im Naturschutzgebiet bestehe ein Motorflugverbot (§ 4 Nr. 9 ZellerbruchVO), nicht
hingegen in der Landschatzschutzzone (§ 3 ZellerbruchVO). Daraus sei zu
schließen, dass der Modellflugbetrieb im Landschaftsschutzgebiet nicht unter
naturschutzrechtlichem Erlaubnisvorbehalt stehe. Daher sei es fragwürdig,
gleichwohl aus § 3 Abs. 3 ZellerbruchVO eine Genehmigungsbedürftigkeit
herzuleiten.
Die Differenzierung zwischen Naturschutzgebiet und Landschaftsschutzgebiet sei
bewusst erfolgt. Der Entwurf aus dem Jahre 1991 habe noch keine Zweiteilung
vorgesehen; erst nach einer Äußerung des Klägers im Februar 1992 und dem
Vorschlag einer Herausnahme des Modellfluggeländes aus dem Naturschutzgebiet
sei in der öffentlichen Anhörung am 27.07.1992 von einer Zweiteilung
ausgegangen worden. Auf die Frage nach der Zukunft des Modellfluggeländes
habe der Behördenvertreter in der Anhörung geäußert (Bl. 206R d. A.):
„Die Genehmigung des Modellfluggeländes sei seinerzeit schon mit Vorbedacht
widerruflich ausgesprochen worden. Dieser Sport müsse aus dem NSG
ausgelagert werden. Man wolle sich bemühen, die Erteilung einer Genehmigung
des RP für eine andere Fläche zu erreichen. Diese müsse nach neuen Regelungen
mind. 400 mtr. vom NSG entfernt liegen.“
Aus der Tatsache, dass die Behörde hier nur von einer Auslagerung aus dem
„NSG“ (= Naturschutzgebiet), in dem das Gelände nicht liege, gesprochen habe
und an anderer Stelle im Anhörungsverfahren sehr genau zwischen LSG und NSG
unterschieden habe, sei zu schließen, dass das Modellfluggelände im
Landschaftsschutzgebiet verbleiben könne.
Weshalb die weitere Nutzung des streitigen Geländes der Grünlandmehrung
entgegenstehe, sei zudem nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe eine Reihe von
Naturschutzauflagen zum Vogelschutz auf größeren Flächen zum Ausgleich für die
Verlängerung der Start- und Landebahn erfüllen müssen; demgemäß sei nicht
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Verlängerung der Start- und Landebahn erfüllen müssen; demgemäß sei nicht
nachvollziehbar, wie eine kleine Start- und Landebahn in Form einer kurz
gemähten Wiese in Bezug auf die gewünschte Grünlandmehrung von 100 Metern
Länge und 30 Metern Breite dem Schutzzweck der Verordnung entgegenstehen
soll. Das allgemeine Flugverbot im Frühjahr wurde 1996 zum Schutz der Brutareale
von Kiebitz, Rebhuhn und Wachtel gefordert. Diese Vogelarten kämen laut
ornithologischem Gutachten im Modellfluggelände nicht vor. Die Sperrzeit sei
daher sinnlos geworden.
Die vom Beklagten aufgestellte Behauptung, der Kläger habe Alternativstandorte
nicht akzeptiert, sei enttäuschend. Sechs von der Unteren Naturschutzbehörde
vorgeschlagene Alternativstandorte hätten sich zu dicht an der Wohnbebauung
oder in der Einflugschneise des Flugplatzes befunden. Die Flächen seien, was der
Unteren Naturschutzbehörde nicht bekannt gewesen sei, teilweise als
Bauerwartungsland ausgewiesen. Teilweise seien die Eigentümer der Flächen zur
Verpachtung nicht bereit gewesen. Der Versuch einer Verlagerung (wohl in
Richtung östlich des Geländes, westlich der Startbahn) sei an der Tatsache
gescheitert, dass dieses Gelände ebenfalls im Naturschutzgebiet gelegen habe.
Der letzte Versuch einer Verlagerung in das Gebiet nördlich des bestehenden
Geländes setzte zunächst den Ankauf des Grundstücks voraus, da die Eigentümer
nicht verpachten wollten. Die Mittel hätte der Verein aufbringen können, jedoch
hätte Bereitschaft dazu nur für den Fall der Nutzung ohne Flugverbot während der
Vogelbrutzeit bestanden. Dazu sei allerdings die Obere Naturschutzbehörde nicht
bereit gewesen. Zwei weitere Alternativen seien nicht realisierbar gewesen.
Es sei unklar, worin sich die naturschutzfachliche Ausgangssituation der
Genehmigungen seit den 70er Jahre bis heute geändert habe. Da die zu
schützenden Vogelarten dort nicht vorkämen, sprächen naturschutzfachliche
Argumente für die beantragte Aufstiegserlaubnis weniger als früher.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 29.03.2007 und
10.05.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Modellflugbetrieb
auf dem Gelände im Flur 6, Flurstück 78, der Gemarkung Seligenstadt-Zellhausen
im bisherigen Umfang, jedoch ohne jährliche Sperrzeit, unbefristet zu
genehmigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und trägt vor,
die Klage gegen das Schreiben vom 29.03.2007 (Untersagung des
luftverkehrsrechtlich genehmigungsbedürftigen Modellflugbetriebs) sei bereits
unzulässig, da kein Verwaltungsakt vorliege, sondern die Behörde nur formlos auf
die Rechtslage hingewiesen habe. Gleiches gelte für den klarstellenden Hinweis im
Schreiben vom 18.04.2007, wonach auch der luftverkehrsrechtlich erlaubnisfreie
Modellflug verboten sei.
In Ergänzung zu dem Bescheid vom 10.05.2007 trägt der Beklagte vor, dass laut
einem Gutachten aus dem Jahre 2005 zwar Kiebitz, Rebhuhn und Wachtel in dem
Gebiet nicht mehr vorkämen, wohl aber Wiesenpieper, Feldlerche und
Dorngrasmücke und in den Waldbereichen Grauspecht, Grünspecht, Kleinspecht,
Schwarzmilan, Waldschnepfe und Pirol. Insbesondere der Wiesenpieper sei eine
störempfindliche Art des Offenlandes, der besonders geschützt und stark
gefährdet sei (aufgeführt in der Roten Liste der Vögel Hessens mit weniger als 600
Brutpaaren). Die Störungen durch den Modellflugbetrieb seien höher einzustufen
als die des Segelflugbetriebes; erstere könnten zum direkten Erlöschen des
lokalen Brutbestandes führen. Beeinträchtigungen können auch in jährlich
wiederkehrenden Brutausfällen, geringeren Reproduktionsraten oder Störungen
des Zeit-Energie-Budgets liegen. Das Gebiet könne eine ökologische Falle sein,
weil die Tiere es wegen seiner Beschaffenheit zum Brüten gerade auswählten,
dann aber durch den einsetzenden Modellbetrieb vertrieben werden. Für den
Alternativstandort 57/1 und 57/2 sei eine landschaftsschutzrechtliche
Genehmigung in Aussicht gestellt worden. Der Wiesenpieper sei aber in der
Brutzeit auch dort feststellbar, weshalb die jährliche Sperrzeit bestehen bleiben
müsse. Der Flugplatz, den der Kläger erwähne, liege nicht im fraglichen
Naturschutzgebiet.
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Die vom Gericht um amtliche Auskunft ersuchte Staatliche Vogelschutzwarte für
Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland teilte unter dem 30.07.2008 mit, langfristig
sei aus naturschutzfachlicher Sicht ein Abstand von 500 Metern zum
Naturschutzgebiet herzustellen. Das Kiebitzvorkommen sei im streitigen Bereich
definitiv erloschen, dafür hätten sich aber fünf Wiesenpieperpaare, die in Hessen
stark gefährdet seien, nördlich des Modellfluggeländes angesiedelt. Eine
Ausdehnung des Flugverbots bis 31.08., mindestens bis 31.07., sei daher geboten.
Naturschutzfachlich viel sinnvoller für eine Nutzung als Modellfluggelände sei der
Bereich südöstlich des Geländes, östlich der Start- und Landebahn. Diese gelte
auch, weil nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen motorisierte
Modellflugzeuge im Kurzdistanzbereich ein sehr großes Störpotential darstellten.
Dabei sei der Einfluss von Segelflugmodellen ohne Motor bedeutend geringer.
Modellflugzeuge verdienen besondere Beachtung, weil sie in ihrer Größe und
Wendigkeit am nächsten an Greifvögel herankämen und damit am besten dem
angeborenen Feindschema der Vögel entsprächen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und auf die beigezogenen Behördenakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Behörde handelt es sich bei
der „formlosen“ Untersagung des Modellflugbetriebs um einen Verwaltungsakt i.
S. d. § 35 HessVwVfG. Gemäß § 35 Satz 1 HessVwVfG ist jede Verfügung,
Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung
eines Einzelfalls auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts trifft und die auf
unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, ein Verwaltungsakt. Die hier
allein streitige Frage, ob in der Untersagung des Modellflugbetriebs eine
Entscheidung zu sehen oder nur ein unverbindlicher Hinweis auf das mangels
Erlaubnis bereits kraft Gesetzes bestehende Verbot, ist zugunsten der ersten
Variante zu beantworten. Schon die Wortwahl der Behörde („Untersagung“)
signalisiert dem verständigen Dritten, dass die Behörde mehr nur als die
bestehende Rechtslage zur Kenntnis geben wollte, sondern dem Kläger verbindlich
mitteilen wollte, dass er den Modellflugbetrieb nicht mehr betreiben dürfe. Dass
sich diese Handlungspflicht bereits aus dem Fehlen der erforderlichen
Genehmigung ergibt, ändert an der Qualifizierung des behördlichen Schreibens als
„Entscheidung“ nichts. Denn im Falle eines Verstoßes gegen
Unterlassungspflichten, ist die Behörde berechtigt und verpflichtet, bestehende
Verhaltenspflichten durch Verwaltungsakt zu aktualisieren, um Verstöße im
Verwaltungszwangsverfahren (z. B. durch Verhängung eines Zwangsgeldes) zu
ahnden. Auch in der bloßen Aktualisierung schon bestehender gesetzlichen
Handlungspflichten kann eine selbständige behördliche Entscheidung liegen. Da
somit ein Verwaltungsakt vorliegt, steht wegen Ausschlusses des
Widerspruchsverfahrens (§ 16 a Abs. 1 HessAGVwGO i. V. mit Nr. 12.5 der Anlage
zu § 16 a HessAGVwGO) der Verwaltungsrechtsweg offen.
Auch im Übrigen begegnet die Klage keinen Zulässigkeitsbedenken.
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet, denn der Kläger hat einerseits keinen
Anspruch auf eine neue Aufstiegserlaubnis am bisherigen Standort (nachstehend
zu 1). Andererseits hat die Behörde am 29.03.2007 mit Recht den weiteren
Modellflugbetrieb auf dem streitbefangenen Gelände untersagt, weil der Kläger
hierfür keine Genehmigung hatte, obwohl er sie benötigte (nachstehend zu 2).
1. a) Hinsichtlich des luftverkehrsrechtlich genehmigungsbedürftigen Aufstiegs von
Modellflugzeugen ist Anspruchsgrundlage – da es bei Verpflichtungsklagen auf die
Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt – § 16 Abs. 4 i. V.
mit § 16 Abs. 1 Luftverkehrs-Ordnung – LuftVO – in der aktuellen Fassung der
Bekanntmachung vom 27.03.1999 (BGBl. I S. 580), zuletzt geändert durch
Verordnung v. 17.11.2006 (BGBl. S. 2644).
Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) LuftVO in der Fassung der
Änderungsverordnung vom 17.11.2006 bedarf u. a. der Aufstieg von Flugmodellen
mit mehr als 5 Kilogramm Gesamtmasse der Erlaubnis. Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1
LuftVO wird die Erlaubnis erteilt, wenn die beabsichtigten Nutzungen nicht zu einer
Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung führen können. Für eine Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs ist
nichts ersichtlich. Allein streitig ist die Frage, ob im Falle einer Erlaubnis die
öffentliche Sicherheit gefährdet werden würde. Eine Gefährdung der öffentlichen
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öffentliche Sicherheit gefährdet werden würde. Eine Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch
darin liegen, dass der beabsichtigte Modellflugsport in einer bestimmten Gegend
gegen anderweitige als gegen luftverkehrsrechtliche Rechtsvorschriften verstößt.
Ein im Naturschutzrecht, insbesondere in einer Landschaftsschutzverordnung,
enthaltenes Verbot des Modellflugsportes muss daher stets zur Versagung der
Aufstiegserlaubnis führen, solange es nicht in der dafür vorgesehenen
Verfahrensweise – etwa über eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen
Landschaftspflegebehörde – überwunden worden ist (BVerwG, Urt. v. 10.05.1985 –
4 C 36.82 – NVwZ 1986, 470).
Die gewünschte Aufstiegserlaubnis bedarf einer naturschutzrechtlichen
Genehmigung. Diese ergibt sich zwar nicht, wie die Behörde irrtümlich annimmt,
aus § 3 Abs. 3 ZellerbruchVO. Denn diese Vorschrift bestimmt allein die Maßstäbe,
nach denen eine Genehmigung zu erteilen ist, wenn die
Genehmigungsbedürftigkeit feststeht. § 3 Abs. 3 ZellerbruchVO statuiert selbst
keine Genehmigungsbedürftigkeit.
Eine Genehmigungsbedürftigkeit ergibt sich aber unzweifelhaft aus § 3 Abs. 1 Nr. 1
ZellerbruchVO. Nach dieser Vorschrift muss im Landschaftsschutzgebiet die
Herstellung, Erweiterung, Änderung oder Beseitigung baulicher Anlagen i. S. d. § 2
Abs. 1 HessBauO durch die Obere Naturschutzbehörde genehmigt werden. Der
Modellflugplatz ist eine bauliche Anlage i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 HessBauO,
denn er erfüllt das Merkmal eines Spiel- und/
oder Sportplatzes. Sportplätze gelten stets als bauliche Anlagen, unabhängig
davon, ob sie mit festen Einrichtungen versehen sind. So ist eine ehemals als
Acker und Wiese genutzte, nunmehr planierte und mit Rasen eingesäte Fläche, die
als Golfübungsplatz genutzt wird, baurechtlich als Sportplatz und damit als
bauliche Anlage zu qualifizieren (Hess. VGH, Beschl. v. 19.02.1991 – 4 TH 1130/89
– BRS 52 Nr. 132). Ebenso ist ein ohne jede bauliche Veränderung angelegter
Flugplatz für Modellflugzeuge als „Sportplatz“ eine bauliche Anlage (Pfaff in
Rasch/Schaetzell, HBO, 29. Nachlieferung Dez. 2007, § 2 S. 11; ebenso für das hier
vergleichbare nordrhein-westfälische Landesrecht: OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v.
27.04. 1999 – 10 B 687/99 – BRS 62 Nr. 163). Auch das Merkmal eines
Spielplatzes wird durch das Modellfluggelände erfüllt, da nicht nur Kinderspielplätze
von der Vorschrift erfasst werden (Pfaff in Rasch/Schaetzell, HBO, 29.
Nachlieferung Dez. 2007, § 2 S. 11), sondern alle privaten oder öffentliche
Gelände, wenn sie – wie hier – überwiegend dazu bestimmt sind, der Erfüllung
eines menschlichen Spieltriebs zu dienen.
Die Genehmigungsbedürftigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZellerbruchVO entfällt auch
nicht dadurch, dass die HessBauO Anlagen des nicht öffentlichen Luftverkehrs
einschließlich Zubehör, Nebenanlagen und Nebenbetriebe, mit Ausnahme von
Gebäuden, aus ihrem Geltungsbereich herausnimmt (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 HessBauO).
Denn § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZellerbruchVO regelt zugleich, dass unter einer baulichen
Anlage i. S. d. ZellerbruchVO alle bauliche Anlagen i. S. von § 1 Abs. 2 HessBauO
ungeachtet des in § 1 Abs. 2 HessBauO ausgenommenen
Anwendungsbereichs
des § 1 Abs. 2 HessBauO für die hier vorzunehmende Anwendung
naturschutzrechtlicher Vorschriften aufgehoben.
Eine Genehmigungsbedürftigkeit des Modellflugplatzes ergibt sich auch aus § 3
Abs. 1 Nr. 9 ZellerbruchVO. Nach dieser Vorschrift ist das Fahren mit oder das
Parken von Kraftfahrzeugen aller Art außerhalb der dafür zugelassenen Wege
genehmigungsbedürftig. Es ist unstreitig, dass die bis zu 20 kg schweren
Flugmodelle mit Kraftfahrzeugen zum Modellfluggelände verbracht werden.
Angesichts der aus den Lichtbildern hervorgehenden örtlichen Verhältnisse
erscheint es ausgeschlossen, das Modellfluggelände zu erreichen, ohne entweder
zugleich öffentliche Wege zu blockieren oder das Modellfluggelände oder
benachbarte Grundstücke zum Parken und Rangieren in Anspruch zu nehmen.
Denn der Zufahrtsweg hat lediglich die Breite eines Kraftfahrzeuges. Da das
Halten und Parken auf dem Weg straßenverkehrsrechtlich untersagt ist (§ 12 Abs.
1 Nr. 1 StVO), müssen die Grundstücksflächen jenseits des Weges in Anspruch
genommen werden, um die Modelle zu be- oder entladen, was – wie dargelegt –
naturschutzrechtlich untersagt ist.
Für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, aus dem Umstand, dass das
Starten- und Landenlassen von Modellflugzeugen im Naturschutzgebiet verboten
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Starten- und Landenlassen von Modellflugzeugen im Naturschutzgebiet verboten
sei (§ 4 Nr. 9 ZellerbruchVO), folge im Umkehrschluss – da eine entsprechende
Verbotsvorschrift für die Landschaftsschutzzone fehle – das Erlaubtsein derartiger
Betätigungen, spricht nach Auffassung der Kammer nichts. Dem
Verordnungsgeber steht es frei, für jeden Bereich eigene Verbotstatbestände
aufzustellen, an denen die Zulässigkeit von Handlungen jeweils zu messen ist. Aus
einer etwaigen Unvollständigkeit der Verbotstatbestände des
Landschaftsschutzgebietes lässt sich nichts für die andere Zone herleiten. Erst
recht kann ein solcher Umkehrschluss nicht die aus anderen Gründen bestehende
Genehmigungspflicht aufheben.
Die Behörde hat die erforderliche Genehmigung zu Recht versagt. Gemäß § 3 Abs.
3 ZellerbruchVO ist die nach § 3 Abs. 1 ZellerbruchVO erforderliche Genehmigung
zu versagen, wenn die geplante Maßnahme oder Handlung den Charakter des
Gebietes verändert, das Landschaftsbild beeinträchtigt oder dem besonderen
Schutzzweck zuwiderläuft. Ob durch zeitweilig fliegende Modellflugzeuge schon das
Landschaftsbild beeinträchtigt wird (oder insoweit nur nachhaltige substantielle
Veränderungen des Landschaftsbildes gemeint sind), und ob der Charakter des
Gebietes durch zeitweise startende und landende Modellflugzeuge verändert wird,
bedarf keiner Entscheidung. In jedem Fall läuft die Nutzung als Modellfluggelände
dem Schutzweck, den das Landschaftsschutzgebiet erfüllen soll, zuwider.
Schutz- und Pflegeziel ist die Stabilisierung der Bruch- und Auewälder, die
Erhöhung des Alt- und Totholzanteiles und die Extensivierung der Grünlandnutzung
sowie die Grünlanderhaltung und -mehrung in den als Landschaftsschutzgebiet
ausgewiesenen Teilen zur Verhinderung negativer Einflüsse auf die als
Naturschutzgebiet ausgewiesene Kernzone (§ 2 Satz 2 ZellerbruchVO). Die
Feststellung der Behörde, das Modellfluggelände laufe dem Schutzzweck zuwider,
ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es versteht sich von selbst, dass unter
Gründlanderhaltung und -mehrung nicht das bloße Vorhandensein von Grünland
zu verstehen ist. Geschützt ist vor allem die Nutzbarkeit des Geländes für die
Natur. Seine Funktion, den verschiedenen Vogelarten als Brut- und Nistplatz sowie
als Nahrungsquelle zur Verfügung zu stehen, kann das Areal nicht erfüllen, wenn
lärmende Modellflugzeuge Vogelarten vertreiben und eine dauerhafte Ansiedlung
dieser Arten dort verhindern. Ob und wie viele Arten in dem betroffenen Areal oder
in benachbarten Bereichen bereits ansässig sind und ob bestimmte früher
festgestellte Arten noch existieren oder nicht mehr feststellbar sind, ist nicht
erheblich. Sinn eines Schutzgebietes ist es nämlich auch, die Grundlage für die
Ansiedlung neuer Tier- und Pflanzenarten erst noch zu schaffen. Gemäß § 24 Abs.
1 Nr. 1 HessNatSchG dient die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten auch
Entwicklung oder Wiederherstellung
Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts. Das mit der Unterschutzstellung verfolgte
strukturpolitische Ziel, das streitige Areal diesem Zweck zuzuführen, hat der
Kläger daher als rechtliche Vorgabe und zu respektierende Beschränkung seiner
Modellflugaktivitäten zu beachten.
Es ist auch nicht erkennbar, dass die Nichterteilung der Genehmigung in einer
verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Weise in die Rechte des Klägers
eingreift. Da der Kläger das streitige Gelände von der Stadt Seligenstadt lediglich
gepachtet hat, scheidet die Betroffenheit des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1
GG) aus. Auch das zum Gelände gehörende feste Inventar, soweit es im Eigentum
des Klägers stehen sollte (ein Metallzaun, eine Fahnenstange mit einem Luftsack
und ein mit dem Erdboden fest verbundener Holztisch nebst fest installierten
Holzbänken) erreicht keinen Wert, der im Falle der Nichterteilung der
Genehmigung an einen enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriff denken
lassen könnte. Zu beachten ist vielmehr, dass auch schon die bisher erteilten
Genehmigungen unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs standen und
lediglich befristet erteilt wurden, sodass Bestandsschutz und damit Vertrauen (Art.
20 Abs. 3 GG) auch auf die künftige Nutzbarkeit des Geländes zu
Modellflugzwecken zu keiner Zeit entstehen konnte.
Eine Verpflichtung zur Erteilung der Genehmigung folgt auch nicht aus der
Entstehungsgeschichte der ZellerbruchVO. Aus der Tatsache, dass ursprünglich
die Errichtung eines reinen Naturschutzgebietes vorgesehen war und erst auf
Einwände der Betroffenen eine Aufteilung des Gebietes in eine Landschaftsschutz-
und eine Naturschutzkernzone vorgenommen wurde, lässt sich nichts für die
Behauptung des Klägers entnehmen, die Herabstufung des Modellflugplatzareals
zu einem Teil des Landschaftsschutzgebietes sei auch erfolgt, um den Fortbestand
des Modellflugbetriebes am bisherigen Standort zu garantieren. Die Ausführungen
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des Modellflugbetriebes am bisherigen Standort zu garantieren. Die Ausführungen
der Behördenvertreterin in der mündlichen Verhandlung, Anlass hierfür seien vor
allem Einwände aus dem Kreis der betroffenen Landwirte gewesen, decken sich
mit den in der öffentlichen Anhörung am 27.07.1992 gemachten Ausführungen zu
möglichen Entschädigungen für die nur noch eingeschränkte landwirtschaftliche
Nutzung durch vertragliche Vereinbarungen. Dem Hinweis des Klägers, das
Regierungspräsidium Darmstadt habe im ZellerbruchVO-Aufstellungsverfahren die
Auffassung vertreten, das Modellfluggelände könne an seinem bisherigen Standort
verbleiben, weil dieser im Landschaftsschutzgebiet liege, und weil der
Behördenvertreter in der öffentlichen Anhörung nur von einer
aus dem Naturschutzgebiet
die Kammer nicht. Es ist zwar zutreffend, dass der Behördenvertreter in seinen
Ausführungen genau zwischen Naturschutzgebiet und Landschaftsschutzgebiet
differenziert hat und in der Tat – bezogen auf das Modellfluggelände – lediglich von
einer Verlagerung aus dem Naturschutzgebiet sprach. Hierbei handelt es sich aber
offenkundig um ein sprachliches Versehen. Denn andernfalls sind seine
Ausführungen nicht nachzuvollziehen, warum überhaupt von einer Verlagerung auf
ein Alternativgelände gesprochen wurde, für das Ausgleichsflächen gesucht
werden müssten. Näher hätte dann wohl gelegen, den Fragesteller mit dem
Hinweis zu beruhigen, das Modellfluggelände könne bleiben, wo es ist.
Letztlich ergibt sich ein Anspruch auf eine Genehmigung auch nicht aus dem
Vortrag des 1. Vorsitzenden des Klägers in der mündlichen Verhandlung, auch die
Landwirte in der Nachbarschaft würden in nicht ausreichender Weise auf Bruten im
Bereich des Landschaftsschutzgebietes achten und entgegen den
naturschutzrechtlich zulässigen Mahdzeiten das Gelände bearbeiten und damit
Vogelarten vertreiben. Gegen die Richtigkeit dieser Behauptung spricht, dass
ausweislich des vom Kläger in Auftrag gegebenen ornithologischen Gutachtens
vom Oktober 2005 rund um das Modellfluggelände Vogelarten nachgewiesen
wurden (vgl. Bl. 218 d. A., siehe auch S. 7 des vom Kläger vorgelegten
Landschaftspflegerischen Begleitplans von März 2006). Diese kämen dort sicher
nicht vor, wenn sie durch die Landwirtschaft nachhaltig gestört werden würden.
Umgekehrt fehlt es gerade im näheren Umkreis des Modellfluggeländes an
nachgewiesenen Arten. Ob der Einwand des Verstoßes gegen
naturschutzrechtliche Bestimmungen oder Auflagen durch Dritte sachlich zutrifft,
kann hier auf sich beruhen. Denn aus einem Rechtsverstoß anderer kann der
Kläger keinen Anspruch herleiten, ebenso gegen die Rechtsordnung verstoßen zu
dürfen. Eine „Gleichbehandlung im Unrecht“ gibt es nicht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch, von der Einhaltung der Vorschriften des § 3
ZellerbruchVO befreit zu werden. Gemäß § 6 ZellerbruchVO kann von den
Bestimmungen, die einer Genehmigung entgegenstehen, unter den
Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG Befreiung gewährt
werden. Befreiungsvoraussetzung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der im Zeitpunkt
des Inkrafttretens der ZellerbruchVO geltenden Fassung des BNatSchG (im
Wesentlichen wortgleich mit dem heutigen § 62 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 und 2
BNatSchG) war, dass
1. die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall
a) zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den
Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu vereinbaren ist oder
b) zu einer nicht gewollten Beeinträchtigung von Natur und Landschaft führen
würde oder
2. überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung erfordern.
Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.
Infolgedessen hat die Behörde die begehrte Genehmigung zu Recht versagt.
b) Die Klage hat auch keinen Erfolg, soweit lediglich die Genehmigung des Betriebs
mit luftverkehrsrechtlich erlaubnisfreien Modellen begehrt wird.
Anspruchsgrundlage hierfür ist – da der Betrieb nur naturschutzrechtlich einer
Genehmigung bedarf – allein § 3 Abs. 3 ZellerbruchVO. Insoweit gilt jedoch das
vorstehend bereits Ausgeführte. Auch lärmerzeugende Modellflugzeuge unter 5
Kilogramm Gesamtgewicht beanspruchen Grünland und führen zu einer
Beeinträchtigung der Natur im Landschaftsschutzgebiet und damit im
angrenzenden Naturschutzgebiet. Dass die Ablehnung der Erlaubnis durch das
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angrenzenden Naturschutzgebiet. Dass die Ablehnung der Erlaubnis durch das
Luftverkehrsdezernat des Regierungspräsidiums Darmstadt erging und nicht – wie
es § 3 Abs. 1 ZellerbruchVO ausdrücklich bestimmt – durch die Obere
Naturschutzbehörde ist unbeachtlich. Denn die Aufgaben der Oberen
Naturschutzbehörde werden ebenso durch das Regierungspräsidium Darmstadt
wahrgenommen (§ 49 Abs. 2 HessNatSchG), sodass in einem Tätigwerden des
Dezernats für Luftverkehr allenfalls eine Nichtbeachtung der innerbehördlichen
Geschäftsverteilung liegt, die im Verhältnis zum Bürger ohne rechtliche Relevanz
ist.
2. a) Die Behörde hat am 29.03.2007 zu Recht den weiteren Modellflugbetrieb
untersagt. Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Untersagung des
luftverkehrsrechtlich erlaubten Modellflugbetriebs durch die Obere
Naturschutzbehörde hätte ergehen müssen, ein Tätigwerden des
Luftverkehrsdezernats aber auch insoweit rechtlich unschädlich ist. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können die Naturschutzbehörden
befugt sein, den Betrieb von Segelflugmodellen, die einer luftverkehrsrechtlichen
Erlaubnispflicht nicht unterworfen sind, aus Gründen des Naturschutzes zu
untersagen. Einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung steht Bundesrecht
nicht entgegen (BVerwG, Beschl. v. 04.06.1986 – 4 B 94.86 – NVwZ 1987, 130).
Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung ist daher § 19 Abs. 1 Satz 1
HessNatSchG. Nach dieser Vorschrift hat die Naturschutzbehörde, unbeschadet
der Zuständigkeit anderer Behörden, die Fortsetzung eines rechtwidrigen Eingriffs
in Natur und Landschaft und damit die rechtswidrige (Weiter–)Nutzung
unverzüglich zu untersagen sowie die Einhaltung dieser Verfügung durch
geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Wie bereits dargelegt, lag seit 01.01.2007
keine naturschutzrechtliche Erlaubnis mehr vor, sodass der weitere
Modellflugbetrieb naturschutzrechtlich unzulässig und zu untersagen war.
b) Im Ergebnis gilt nichts anderes für den auch luftverkehrsrechtlich
erlaubnisbedürftigen Teil des Modellflugbetriebs. Ermächtigungsgrundlage ist
insofern § 11 HessSOG i. V. mit § 16 LuftVO. Mangels ersichtlicher spezieller
luftverkehrsrechtlicher Untersagungsvorschriften beruht die
Untersagungsverfügung auf der allgemeinen polizeilichen Generalklausel i. V. mit
der nach § 16 Abs. 1 LuftVO bestehenden Genehmigungsbedürftigkeit eines
Aufstiegs von Flugmodellen. Gemäß § 11 HessSOG können die Gefahrenabwehr-
und Polizeibehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen
Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.
Das Regierungspräsidium Darmstadt kann sich auf diese Vorschrift stützen, da es
als Bezirksordnungsbehörde (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HessSOG)
Gefahrenabwehrbehörde ist (vgl. Überschrift des Zweiten Abschnitts des Zweiten
Teils vor § 82 HessSOG). Infolge der luftverkehrsrechtlichen
Genehmigungslosigkeit trotz Genehmigungsbedürftigkeit für die Zeit ab
01.01.2007 war die Untersagung des weiteren Flugbetriebs gerechtfertigt. Es ist
auch nicht erkennbar, dass mildere Mittel zur Verfügung standen (§ 5 HessSOG)
und die Untersagung unverhältnismäßig im engeren Sinne wäre (§ 4 HessSOG).
Insgesamt bleibt der Klage der Erfolg versagt.
Die Kammer merkt mit Blick auf das kontrovers mit den Beteiligten geführte
Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung abschließend an, dass die
Vielschichtigkeit der Aspekte des Falles (Flugmodellsport, Naturschutz,
Lärmschutz, Luftsicherheit) sich weniger für die Durchführung eines
Verwaltungsstreitverfahrens eignet, das allein auf die Überprüfung der Recht–,
nicht aber unbedingt der Zweckmäßigkeit der behördlichen Entscheidung, auch im
Vor- und Umfeld des konkreten Streites, beschränkt ist. Es wäre wünschenswert,
wenn das Nebeneinander von Naturschutz und Segel- und Modellflugsport am
Standort des Flugplatzes Zellhausen besser als bisher geordnet werden könnte.
Aus Sicht der Kammer wäre es denkbar, das Areal um den Bereich des
Zellerbruchs stärker der Natur zuzuführen, für diesen Zugewinn an Unberührtheit
durch die Beendigung des Modellflugbetriebs am bisherigen Standort aber im
Ausgleich Flächen außerhalb dieses Areals für den Flugbetrieb jahreszeitlich
unbeschränkt zu öffnen, selbst wenn dieser Standort mit geringen Eingriffen in die
Natur verbunden sein sollte.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i. V. mit § 167
VwGO.
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Beschluss
Der Streitwert wird für die Zeit bis zur Verbindung mit dem Verfahren 5 E 980/07
(3) auf 5.0000,00 EUR für die Untersagungsverfügung und 5.000,00 EUR für die
Verpflichtung zur Erteilung der Genehmigung, für die Zeit ab der Verbindung
einheitlich auf 10.000,00 EUR endgültig festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 52, 63 Abs. 2 GKG, wobei das Gericht
bezüglich beider Teilstreitgegenstände von je einem Auffangstreitstreit ausgeht
(zur Höhe vgl. VG Regensburg, Urt. v. 31.07.2007 – RN 11 K 06.1930 – NuR 2007,
768 [774]).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.