Urteil des VG Darmstadt vom 11.09.2003

VG Darmstadt: recht des beamten, stadt, behörde, ausbildung, belastung, zahl, anwärter, verfügung, klagebefugnis, ermessensausübung

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Gericht:
VG Darmstadt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 346/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 85b Abs 2 S 1 BG HE, § 85b
Abs 2 S 2 BG HE, § 85b Abs 1
Nr 3 BG HE, § 85b Abs 2 S 3
BG HE, § 42 Abs 2 VwGO
(Altersteilzeit: Klagebefugnis aus § 85b BG HE (hier offen
gelassen) - Entgegenstehen dringender dienstlicher Belange)
Leitsatz
1. Angesichts der Ausgestaltung des § 85 b HBG bestehen Bedenken, ob ein
subjektives, einklagbares Recht des Beamten auf Bewilligung von Altersteilzeit besteht.
2. Zur Wirksamkeit der "Hauswirtschaftlichen Regelungen von Altersteilzeit für
Beamtinnen und Beamten des Landes Hessen" vom 26.06.2001.
3. "Dringende dienstliche Belange" stehen dann der Bewilligung von Altersteilzeit
entgegen, wenn die Einstellung einer Ersatzkraft unabweisbar ist, eine solche jedoch
nicht zur Verfügung steht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Der 1941 geborene Kläger steht als Obergerichtsvollzieher bei dem Amtsgericht A-
Stadt im Dienst des beklagten Landes. Unter dem 02.02.2002 stellte er einen
Antrag auf Altersteilzeit nach dem so genannten Blockmodell, beginnend am
01.03.2002. Der Präsident des Amtsgerichts A-Stadt äußerte sich hierzu positiv
unter der Prämisse, dass Ersatz gestellt und ein entsprechendes Budget
zugewiesen werde; auch die Frauenbeauftragte befürwortete den Antrag.
Nach vorheriger Anhörung des Klägers lehnte die Präsidentin des
Oberlandesgerichts X. am Main den Antrag mit Bescheid vom 21.08.2002 ab. In
der Begründung wurde ausgeführt, angesichts der hohen Belastung im
Gerichtsvollzieherdienst müsse davon ausgegangen werden, dass die
Nachbesetzung der Stelle des Klägers mit dessen Eintritt in die Freistellungsphase
erforderlich sein werde. Bereits derzeit belaufe sich die Belastung im
Gerichtsvollzieherdienst bei dem Amtsgericht A-Stadt auf 128,18%. Durch
voraussichtlich zwei weitere Personalausfälle werde sie auf 147,90% steigen; der
Ausfall des Klägers mit Beginn der Freistellungsphase führe zu einer weiteren
Erhöhung der pro-Kopf-Belastung. Eine Ersatzgestellung sei daher dringend
geboten, da ansonsten eine ordnungsgemäße Erledigung der Aufgaben des
Gerichtsvollzieherdienstes bei dem Amtsgericht A-Stadt erheblich gefährdet wäre.
Die Bereitstellung einer Ersatzkraft könne jedoch nicht gewährleistet werden. Zwar
sei die Zahl der Bewerbungen in den vergangenen Jahren leicht angestiegen,
jedoch habe die Entwicklung der Bewerberzahlen mit dem sprunghaften Anstieg
des Personalbedarfs im Gerichtsvollzieherdienst nicht Schritt halten können. Im
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des Personalbedarfs im Gerichtsvollzieherdienst nicht Schritt halten können. Im
Jahr 2002 hätten von 21 Bewerbern und Bewerberinnen lediglich 13 zugelassen
werden können, was verdeutliche, dass die Zulassungen zur Ausbildung nicht
ausreichend seien, um den aktuellen Bedarf zu decken. Auch die Zahl der
Absolventen der Laufbahnprüfung im mittleren Justizvollzugsdienst lasse eine
Änderung der Bewerbersituation nicht erwarten, so dass als sicher anzusehen sei,
dass die Nachwuchskräfte schon nicht ausreichten, um diejenigen Abgänge zu
ersetzen, auf die der Dienstherr keinen Einfluss habe. Bis 2005 vollendeten 11
Beamte des Gerichtsvollzieherdienstes das 65. Lebensjahr. Darüber hinaus ende
in diesem Zeitraum die fünfjährige Beauftragung von 18,5 Beamtinnen und
Beamten des gehobenen Justizdienstes; hinzu komme die "normale" Fluktuation.
Da somit nicht gewährleistet sei, dass dem Amtsgericht A-Stadt zu Beginn der
Freistellungsphase des Klägers eine Ersatzkraft zugewiesen werden könne,
stünden der Bewilligung von Altersteilzeit dringende dienstliche Belange entgegen.
Dem könne der Kläger nicht entgegenhalten, gegenwärtig würden bei dem
Amtsgericht A-Stadt zwei Anwärter ausgebildet, so dass Ersatz für ihn vorhanden
sei, denn die Verteilung der geprüften Beamtinnen und Beamten erfolge nach
Bedarfsgesichtspunkten und unabhängig davon, bei welchem Gericht sie
ausgebildet worden seien. Im übrigen entspreche die Ablehnung des Antrages
auch pflichtgemäßer Ermessensausübung, da in diesem Zusammenhang auch
fiskalische Erwägungen angestellt werden dürften. Insoweit sei festzustellen, dass
die Finanzierbarkeit einer Ersatzkraft für den Kläger in keiner Weise sichergestellt
sei, denn rein rechnerisch reiche die Ersparnis während der Arbeitsphase des
Klägers bei weitem nicht aus, um während der Freistellungsphase, bei der ihm
weiterhin 83% der Bezüge zu zahlen seien, die erforderliche Ersatzkraft zu
finanzieren. Die entstehenden Mehrkosten hätte die Beschäftigungsbehörde zu
tragen, die hierzu angesichts der zu leistenden Einsparungen im Personalbereich
und im Hinblick auf das knapp bemessene Personalkostenbudget nicht in der Lage
sein werde. Auch diese Erwägungen stünden der Bewilligung von Altersteilzeit
entgegen, zumal persönliche Gründe des Klägers, die die dargestellten
öffentlichen Interessen überwiegen könnten, nicht gegeben seien.
Gegen diesen am 19.09.2002 zugestellten Bescheid erhob der Kläger unter dem
26.09.2002 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Präsidentin des
Oberlandesgerichts X. am Main vom 22.01.2003 als unbegründet zurückgewiesen
wurde.
Dieser Widerspruchsbescheid wurde am 04.02.2003 zugestellt.
Am 21.02.2003 hat der Kläger über seine Bevollmächtigte Klage vor dem
erkennenden Gericht erhoben. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus,
seiner Ansicht nach sei die Gestellung einer Ersatzkraft zu Beginn seiner
Freistellungsphase möglich, da gegenwärtig zwei Anwärter bei dem Amtsgericht A-
Stadt entsprechend ausgebildet würden. Weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass
die Bewerberzahlen für den Gerichtsvollzieherdienst schon seit Jahren rückläufig
seien und daher bereits jetzt die Notwendigkeit bestehe, Beamte des gehobenen
Dienstes mit Gerichtsvollziehertätigkeiten zu beauftragen; dies könne dann auch
während seiner Freistellungsphase geschehen. Grundsätzlich sei der Hinweis auf
fiskalische Interessen zwar zulässig, eine unzureichende Budgetierung sei jedoch
"hausgemacht" und könne nicht zu seinen Lasten gehen. Schließlich sei sein
angegriffener Gesundheitszustand zu bedenken, der eine ihm günstige
Ermessensausübung gebiete.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 21.08.2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2003 den Beklagten zu
verpflichten, dem Kläger Altersteilzeit ab 01.03.2002 bis 28.02.2006 zu gewähren,
hilfsweise,
den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es nimmt Bezug auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren und weist
ergänzend darauf hin, dass sich die Geschäftsbelastung im
Gerichtsvollzieherdienst im Zuge der Insolvenzrechtsreform ab 01.01.1999
sprunghaft erhöht habe, ohne dass die erwartete Entlastung infolge des
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sprunghaft erhöht habe, ohne dass die erwartete Entlastung infolge des
Rückgangs der Einzelvollstreckung eingetreten sei. Dies habe es notwendig
gemacht, Ende 1999 / Anfang 2000 zahlreiche Bedienstete des
Rechtspflegerdienstes mit der Wahrnehmung von Aufgaben des
Gerichtsvollzieherdienstes zu beauftragen. Gegenwärtig seien dies noch 38,67
Kräfte, deren Beauftragung jedoch Ende 2004 / Anfang 2005 auslaufen werde. Eine
Verbesserung der Situation im mittleren Justizdienst sei kurzfristig nicht zu
erwarten, denn aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben hätten in den letzten
Jahren weniger Anwärterinnen und Anwärter eingestellt werden können, so dass
auch die Bewerberzahlen für den Gerichtsvollzieherdienst zurück gegangen seien.
Zwar sei eine Öffnung der Laufbahn unter Verzicht auf eine vorangegangene
Ausbildung beabsichtigt, dies könne jedoch frühestens zum 01.07.2004 zu einer
Verbesserung der Bewerberlage führen, so dass die entsprechenden Kräfte erst im
März 2006 zur Verfügung stünden. Dem stehe aber das Auslaufen der
Beauftragungen eines Großteils der Bediensteten des gehobenen Justizdienstes
Anfang des Jahres 2005 gegenüber. Eine Verlängerung der Beauftragungen
komme nicht ohne weiteres in Betracht. Zum einen sei mittlerweile die Belastung
im Rechtspflegerdienst wieder gestiegen, zum anderen müsse gerade der
Justizdienst einen großen Teil der Mehrbelastungen tragen, die sich aus der
Modernisierung der Justiz ergeben würden. Es könne daher nicht verantwortet
werden, die Zahl der Personalausfälle im Gerichtsvollzieherdienst, auf die der
Dienstherr keinen Einfluss nehmen könne, durch die Bewilligung von Altersteilzeit
noch zu erhöhen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Dem Gericht liegen zwei Bände
Personalakten, den Kläger betreffend, vor; diese sind zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist auch ansonsten zulässig.
Dies gilt zunächst mit Blick auf die erforderliche Klagebefugnis im Sinne des § 42
Abs. 2 VwGO. Allerdings lassen die Ausgestaltung der hier maßgeblichen Norm - §
85 b HBG - sowie deren Zielrichtung insofern gewisse Zweifel aufkommen, als
fraglich erscheinen kann, ob mit der landesrechtlichen Einführung der Möglichkeit
der Bewilligung von Altersteilzeit im Beamtenbereich tatsächlich subjektive,
einklagbare Rechte des Beamten begründet wurden. So heißt es in Abs. 2 Satz 1
der Norm, dass auf die Bewilligung von Altersteilzeit kein Anspruch besteht. Dieser
Aussage, die im übrigen der entsprechenden Regelung der Altersteilzeit im
Bundesbeamtengesetz - dort § 72 b - fremd ist, kommt nach Auffassung des
Gerichts nicht lediglich eine in Ansehung des Abs. 1 letztlich überflüssige
deklaratorische Bedeutung zu. Sie ist vielmehr im Rahmen einer Gesamtschau
des Regelungswerkes des § 85 b HBG und der damit einhergehenden
Implikationen zu würdigen. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist daher, dass
zur Überzeugung des Gerichts Altersteilzeit im Bereich der Beamten ersichtlich
ganz überwiegend - wenn nicht gar ausschließlich - als Instrument des Dienstherrn
zur flexiblen Personalsteuerung bis hin zum Personalabbau zu verstehen ist. Dies
folgt aus der im Vergleich zu den entsprechenden tarifvertraglichen
Vereinbarungen für Arbeiter und Angestellte gänzlich anderen Belastung des
Dienstherrn, der im Falle der Bewilligung von Altersteilzeit für einen
vollzeitbeschäftigten Beamten diesem - ohne dass ihm ein Ausgleich seitens der
Arbeitsverwaltung gewährt würde - nicht nur für die gesamte Bewilligungsdauer 83
% der Dienstbezüge zu zahlen hat (§ 6 Abs. 2 BBesG in Verbindung mit § 2 ATZV),
obwohl der Beamte insgesamt nur 50 % seiner Dienstleistung erbringt, sondern
darüber hinaus auch verpflichtet ist, die gesamte Zeit der Altersteilzeit zu 90% als
ruhegehaltfähige Dienstzeit anzurechnen (§ 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG). Es kommt
hinzu, dass der Dienstherr gemäß § 85 b Abs. 2 Satz 2 HBG von der Anwendung
der Altersteilzeitregelung gänzlich absehen oder sie auf bestimmte
Verwaltungsbereiche beschränken kann, ohne dass insoweit irgendwelche
normativen Vorgaben bestünden. Auch dies legt die Annahme nahe, dass
subjektive Rechte der Landesbeamten mit der Vorschrift des § 85 b HBG nicht
begründet werden, weil dem Dienstherrn ein extrem weiter personalwirtschaftlicher
Organisationsspielraum ohne jegliche gesetzliche Einschränkung eingeräumt wird.
Gleichwohl bejaht das Gericht die Klagebefugnis des Klägers, weil dieser in
Anbetracht der Regelung des § 85 b Abs.1 HBG, wonach unter näher bezeichneten
Voraussetzungen auf Antrag Altersteilzeit bewilligt werden kann, jedenfalls einen
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Voraussetzungen auf Antrag Altersteilzeit bewilligt werden kann, jedenfalls einen
subjektiven Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie, ausschließlich an sachlichen
Kriterien orientierte und den Gleichheitssatz beachtende Bescheidung seines
Begehrens hat.
Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch nicht deshalb
unzulässig, weil der Kläger eine rückwirkende Bewilligung der Altersteilzeit ab dem
01.03.2002 begehrt. Eine (Teil-) Erledigung ist nicht eingetreten, denn dem
Begehren des nach wie vor in Vollzeit tätigen Klägers kann im Falle eines
Obsiegens in diesem Verfahren dergestalt Rechnung getragen werden, dass seine
Dienstbezüge rückwirkend ab dem 01.03.2002 auf 83% reduziert werden und er
erfolgte Überzahlungen zurückerstattet. Etwas anderes gilt erst dann, wenn die
Freistellungsphase beginnt, weil eine danach ergehende (stattgebende)
Gerichtsentscheidung nicht mehr umgesetzt werden kann.
Die nach alledem zulässige Klage ist indes nicht begründet, denn der Kläger kann
nicht verlangen, dass ihm ab dem 01.03.2002 Altersteilzeit nach dem Blockmodell
bewilligt wird; auch steht ihm kein Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts zu.
Dies folgt jedoch nicht bereits daraus, dass nähere Bestimmungen der
Landesregierung zur Altersteilzeit nicht vorliegen und somit Altersteilzeit im
Bereich der Landesverwaltung generell nicht gewährt werden kann (§ 85 b Abs. 2
Satz 3 HBG). Ob allerdings insoweit auf die "Hauswirtschaftlichen Regelungen zur
Altersteilzeit für Beamtinnen und Beamten des Landes" vom 26.06.2001 (StAnz.
2001, S. 2602) abgestellt werden kann, erscheint fraglich. Von Gesetzes wegen
erforderlich sind - wie dargestellt - Bestimmungen der Landesregierung; die
Landesregierung (das Kabinett) besteht aus dem Ministerpräsidenten und den
Ministern (Art. 100 HV). Die zitierten hauswirtschaftlichen Regelungen sind jedoch
durch das Hessische Ministerium der Finanzen bekannt gegeben worden, ohne
dass erkennbar gemacht wäre, ob zuvor eine inhaltliche Befassung des Kabinetts
stattgefunden hat. Dem soll an dieser Stelle aber nicht weiter nachgegangen
werden. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass das Hessische Ministerium der
Finanzen bereits unter dem 20.12.2000 (StAnz. 2001, S. 372) hauswirtschaftliche
Regelungen zur Altersteilzeit für Beamtinnen und Beamten des Landes bekannt
gegeben hatte, die - so der Vorspann - von der Landesregierung am 28.11.2000
beschlossen worden waren. Von daher kann unterstellt werden, auch die unter
dem 26.06.2001 bekannt gegebenen Regelungen beruhten auf einer
entsprechenden Beschlussfassung der Landesregierung; ebenso denkbar ist aber
auch, dass das Ministerium der Finanzen anlässlich der ursprünglichen
Beschlussfassung der Landesregierung ermächtigt wurde, notwendig werdende
Ergänzungen eigenständig zu veranlassen.
Selbst wenn man aber zu der Auffassung gelangen sollte, die unter dem
26.06.2001 bekannt gegebenen Regelungen seien unwirksam, stünde dies nicht
generell der Gewährung von Altersteilzeit entgegen, weil dann auf die weiter
geltenden und zweifelsfrei ordnungsgemäß beschlossenen Regelungen vom
Dezember 2000 zurück zu greifen wäre; insofern könnten sich dann allenfalls
inhaltliche Unterschiede bei der Bewertung des Einzelfalles ergeben.
Unbegründet ist die Klage jedoch deshalb, weil die von der Behörde zur
Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung genannten Gründe diese zu tragen
vermögen.
In dem vom 21.08.2002 datierenden Bescheid hat die Behörde zunächst
ausgeführt, bereits dringende dienstliche Belange stünden hier der Bewilligung von
Altersteilzeit entgegen.
Bei dem Begriff der "dringenden dienstlichen Belange" im Sinne des § 85 b Abs. 1
Nr. 3 HBG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der
uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Nach Auffassung des
erkennenden Gerichts wird von der Bewilligung von Altersteilzeit
entgegenstehenden dringenden dienstlichen Belangen jedenfalls immer dann
gesprochen werden können, wenn die Funktionsfähigkeit des maßgeblichen
Verwaltungsbereichs nachhaltig beeinträchtigt wird, wenn also eine
ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht mehr gewährleistet ist.
Dies ist vorliegend hinsichtlich des Gerichtsvollzieherdienstes bei dem Amtsgericht
A-Stadt ohne jede Einschränkung zu bejahen.
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Die Behörde hat in dem angefochtenen Ausgangsbescheid detailliert die aktuelle
Belastungssituation im Gerichtsvollzieherdienst beschrieben, dies durch
Zahlenmaterial, dessen inhaltliche Richtigkeit anzuzweifeln für das Gericht keine
Veranlassung besteht, belegt und hiermit deutlich gemacht, dass der Eintritt des
Klägers in die Freistellungsphase eine Ersatzgestellung dringend erforderlich
machen würde. Dieser Schluss ist für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar,
denn wenn bereits bei den heute abzusehenden weiteren Personalausfällen die
pro-Kopf-Belastung weit über den Landesdurchschnitt, der bei 142,67% liegt,
ansteigt, begründet dies die dringende Notwendigkeit, zusätzlichem
Personalausfall in diesem Bereich entgegenzuwirken; dies gilt um so mehr, als es
quantitativ um durchschnittliche Überlastungen des einzelnen Gerichtsvollziehers
um annähernd 50% geht - dass bei diesen Gegebenheiten der
Gerichtsvollzieherdienst schon jetzt an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit
stößt, mithin jeder weitere Personalausfall zu nachhaltigen Beeinträchtigungen des
Dienstbetriebes führen muss, ergibt sich für das Gericht aus dem behördlichen
Vorbringen überaus deutlich.
In einem zweiten Schritt ist sodann behördlicherseits dargestellt worden, dass und
weshalb die nach dem zuvor Gesagten unabdingbare Ersatzgestellung nicht
gewährleistet werden kann. Auch hiergegen ist seitens des Gerichts nichts zu
erinnern, denn die aktuelle Situation stellt sich demnach wie folgt dar:
Bereits in der Vergangenheit - und ohne dass die Problematik der Altersteilzeit
hierbei eine maßgebliche Rolle gespielt hätte - war die Justizverwaltung wegen der
nicht ausreichenden Bewerberzahlen außer Stande, für den
Gerichtsvollzieherdienst geeignetes Personal des mittleren Dienstes in
ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Vielmehr war es erforderlich,
Beamte und Beamtinnen des gehobenen Justizdienstes zeitlich befristet mit der
Wahrnehmung der Aufgaben des Gerichtsvollzieherdienstes zu beauftragen, weil -
was wiederum durch entsprechendes Zahlenmaterial plausibel belegt ist -
angesichts des weiterhin hohen Personalbedarfs im Gerichtsvollzieherdienst und
dem schon heute absehbaren Ausscheiden weiterer Gerichtsvollzieher aus
Gründen, die vom Dienstherrn nicht zu beeinflussen sind, trotz eines leichten
Anstiegs der Bewerberzahlen freie Stellen nicht in dem erforderlichen Umfang
zeitnah wieder besetzt werden können. Hierbei hat die Behörde auch den
Umstand berücksichtigt, dass zahlreiche der befristeten Beauftragungen von
Bediensteten demnächst enden und auch unter diesem Aspekt Lücken auftreten
werden, die angesichts der realistischer Weise zu erwartenden Zahl von
"Nachwuchskräften" keineswegs in dem erforderlichen Umfang geschlossen
werden können.
Bei dieser Sachlage steht für das Gericht außer Frage, dass der Bewilligung von
Altersteilzeit für den Kläger dringende dienstliche Belange im Sinne des § 85 b
Abs. 1 Nr. 3 HBG entgegenstehen.
Die hiergegen erhobenen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
Soweit er darauf abhebt, derzeit würden am Amtsgericht A-Stadt zwei
Gerichtsvollzieheranwärter ausgebildet, so dass von daher bei Beginn seiner
Freistellungsphase Ersatz zur Verfügung stünde, vermag sich das Gericht dem
nicht anzuschließen. Die Behörde hat hierzu ausgeführt, es entspreche ständiger
Praxis, dass die Ausbildungsamtsgerichte auch im Gerichtsvollzieherdienst die
Anwärter für alle in Betracht kommenden hessischen Dienststellen ausbilden
würden; die Verteilung nach Abschluss der Ausbildung erfolge dann nach
Bedarfsgesichtspunkten. Diese Handhabung erscheint dem Gericht nicht nur
plausibel, sondern auch sachgerecht, weil zu Beginn der entsprechenden
Ausbildung naturgemäß weder verbindlich gesagt werden kann, wie viele der in
Ausbildung befindlichen Anwärterinnen und Anwärter diese erfolgreich abschließen,
noch lässt sich über die Dauer der Ausbildung hinweg verlässlich prognostizieren,
wie sich der Geschäftsanfall und die jeweilige Personalsituation hessenweit letztlich
entwickeln werden.
Nicht gefolgt werden kann dem Kläger auch hinsichtlich seiner Argumentation, der
Personalmangel im Gerichtsvollzieherdienst sei seit längerem bekannt, ebenso die
nicht ausreichende Zahl geeigneter Nachwuchskräfte, so dass es unumgänglich
sein werde, auch weiterhin auf Bedienstete des gehobenen Justizdienstes
zurückzugreifen mit der Folge, dass auf diese Weise auch seine Planstelle bei
Beginn der Freistellungsphase wieder besetzt werden könne; im übrigen handele
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Beginn der Freistellungsphase wieder besetzt werden könne; im übrigen handele
es sich hier um "hausgemachte" Probleme, die sich nicht zu seinen Lasten
auswirken dürften.
Diesen Ausführungen soll seitens des Gerichts in tatsächlicher Hinsicht nicht
widersprochen werden; unzutreffend sind jedoch die vom Kläger aus dieser
Situationsbeschreibung gezogenen Schlussfolgerungen. Wie eingangs erwähnt,
begründet die Vorschrift des § 85 b HBG keinen Rechtsanspruch des Beamten auf
Bewilligung von Altersteilzeit; der Dienstherr kann von der Anwendung dieser
Regelung insgesamt absehen oder sie auf bestimmte Verwaltungsbereiche
beschränken. Zwar sind, was den Bereich des Gerichtsvollzieherdienstes
anbelangt, bislang Beschränkungen der zuvor beschriebenen Art nicht verfügt
worden. Dies bedeutet jedoch im Wege des Umkehrschlusses nicht etwa, dass der
Dienstherr dann gehalten wäre, durch entsprechende Personalmaßnahmen -
konkret: vermehrte Neueinstellungen, Ausschöpfen sämtlicher Ressourcen an
anderer Stelle - verpflichtet wäre, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass
(auch) im Bereich des Gerichtsvollzieherdienstes Altersteilzeit in Anspruch
genommen werden kann. Eine dies bejahende Argumentation würde den
grundlegenden Unterschied zwischen der für den Bereich der Landesbeamten
geschaffenen Altersteilzeitregelung und der im tarifvertraglichen Bereich
vereinbarten Regelung negieren, denn es ist nochmals zu betonen, dass nach
Auffassung des erkennenden Gerichts die Ausgestaltung des § 85 b HBG die
Annahme nahe legt, Altersteilzeit im Beamtenbereich diene nicht der Entlastung
des Arbeitsmarktes, sondern eröffne die durch einen entsprechenden Antrag
ausgelöste (kostenintensive) Möglichkeit der Personalsteuerung - zumindest aber
wird keine Verpflichtung des Dienstherrn begründet, Stellen zu schaffen und zu
bevorraten, um möglichen Anträgen auf Altersteilzeit entsprechen zu können.
Dieses Ergebnis mag aus der Sicht der Beamtenschaft, die sich insoweit eine
Gleichstellung mit den Bediensteten im tarifvertraglichen Bereich versprochen hat,
zu bedauern sein, verhält es sich doch im Ergebnis tatsächlich so, dass letztlich
der Haushaltsgesetzgeber darüber befindet, ob und in welchen Bereichen
Altersteilzeit gewährt werden kann. Dies ist jedoch die sich aus dem
Regelungswerk des § 85 b HBG ergebende Konsequenz; an dieser Rechtslage hat
sich das Gericht bei seiner Entscheidung zu orientieren.
Schließlich - ohne dass es indes für die hier zu treffende Entscheidung noch darauf
ankäme - sind auch die von der Behörde gleichsam hilfsweise angestellten
Ermessenserwägungen frei von Fehlern, denn sie hat nachvollziehbar dargelegt,
dass die Finanzierung der mit Beginn der Freistellungsphase des Klägers
unverzichtbaren Ersatzkraft weder aus den eingesparten Mitteln seiner Planstelle
noch aus dem eng bemessenen Personalkostenbudget des Amtsgerichts A-Stadt
sichergestellt werden kann.
Hinsichtlich des hiergegen vom Kläger sinngemäß erhobenen Einwandes, es
bedürfe dann eben einer entsprechenden besseren Ausstattung des Budgets, ist
auf die obigen Ausführungen zu verweisen; mangels eines Rechtsanspruchs auf
Altersteilzeit kann auch eine hierfür benötigte Bereitstellung finanzieller Mittel nicht
eingeklagt werden.
Soweit der Kläger darüber hinaus auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen
verweist und geltend macht, jedenfalls im Rahmen pflichtgemäßer
Ermessensausübung sei ihm aus Fürsorgegründen die "Wohltat" der Altersteilzeit
zu gewähren, sind dies wiederum Erwägungen, die bei der Einführung der
Altersteilzeit im tarifvertraglichen Bereich eine Rolle gespielt haben mögen; im
Rahmen des § 85 b HBG vermögen sie jedoch vorhandene fiskalische Interessen
des Dienstherrn nicht zu überwiegen.
Die Klage war daher sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch des Hilfsantrages
abzuweisen.
Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§
154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten
beruht auf
§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.