Urteil des VG Darmstadt vom 11.10.2004
VG Darmstadt: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, verfügung, mangel, angemessene frist, aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, befreiung, verordnung, zustellung, vollziehung
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Gericht:
VG Darmstadt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 G 1756/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 13 Abs 1 HeimG, § 14
HeimMindBauV, § 15 Abs 1 Nr
3 HeimMindBauV, § 30 Abs 1
HeimMindBauV, § 31 Abs 1
HeimMindBauV
(Verpflichtung eines Kurzzeitpflegeheims zur dauerhaften
Vorhaltung eines Raums zur vorübergehenden Nutzung)
Leitsatz
Auch ein Kurzzeitpflegeheim muss einen Raum zur vorübergehenden Nutzung
dauerhaft vorhalten und kann diesen nicht zweckentfremdend als Bewohnerzimmer
nutzen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin betreibt seit 1995 ein Kurzzeitpflegeheim in Dornheim.
Im Oktober 1998 bestätigte die Heimaufsicht der Antragstellerin aufgrund deren
Anzeige, dass sie den Anforderungen des Heimgesetzes genüge, gleichzeitig
wurde festgestellt, dass 11 Bewohner aufgenommen und gepflegt werden
könnten. Der Raum zur vorübergehenden Nutzung befinde sich im Souterrain mit
der Zimmernummer 4. Dieser Raum sei zur Wahrung der Interessen und
Bedürfnisse der in der Einrichtung lebenden Kurzzeitpflegegäste vorzuhalten, da
die übrigen Räume, die zur Aufnahme pflegebedürftiger alter Menschen zur
Verfügung stünden, Mehrbettzimmer seien.
Auf die Einhaltung der Aufnahmekapazität sowie die Einrichtung eines Raumes zur
besonderen Nutzung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 HeimMindBauV wurde die
Antragstellerin im Mai 1999 erneut hingewiesen. Im Oktober 2000 erklärte die
Antragstellerin, das Zimmer Nr. 4 werde nicht mehr zur Aufnahme von
Kurzzeitpflegegästen genutzt.
Im November 2001 wies die Heimaufsicht die Antragstellerin darauf hin, dass ab
Januar 2001 die HeimMindBauV auch für Kurzzeitpflegeheime Anwendung fände.
Hieraus ergebe sich zwangsläufig die Notwendigkeit zu Veränderungen im
Baubereich. So könne auch das Zimmer Nr. 6 im Souterrain nicht mehr wie bisher
als 3-Bett-Zimmer genutzt werden, da es zu klein sei.
Bei einer Nachschau im Mai 2002 war das Zimmer Nr. 4 wieder mit einem
Kurzzeitpflegegast belegt, in der Einrichtung wurden insgesamt 11
Kurzzeitpflegegäste betreut. Darauf äußerte die Antragstellerin gegenüber der
Heimaufsicht, der Raum werde nur bei Streitigkeiten unter den Bewohnern bzw. bei
einem sehr schlechten Allgemeinzustand eines Bewohners belegt.
Anlässlich der Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes der
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Anlässlich der Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung in Hessen (MDK) im Juni 2002 stellte dieser fest, dass die
Baulichkeiten im Vergleich zur Vorbegutachtung im Oktober 2001 unverändert
geblieben seien. Zur Begehungszeit sei das Heim mit 11 Kurzzeitpflegeplätzen
belegt gewesen. Im Souterrain sei der zur besonderen Verfügung vorzuhaltende
Raum wiederum mit einem Bewohner belegt.
Aufgrund einer Anhörung zur Untersagung des Heimbetriebes im Juli 2002, in der
unter anderem auch die Belegung mit 11 Gästen gerügt wurde, erklärte der
damalige Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin am 30.08.2002, die
Belegungssituation entspreche dem aktuellen Bescheid der
Heimaufsichtsbehörde. Das Heim der Antragstellerin sei mit 11
Kurzzeitpflegebewohnern belegt. Des Weiteren werde ein Raum zur besonderen
Verfügung lediglich bei Streitigkeiten unter den Bewohnern bzw. bei einem sehr
schlechten Allgemeinzustand eines Bewohners belegt. Die Anzahl der belegten
Betten werde dadurch jedoch nicht erhöht.
Bei einer Qualitätsprüfung des MDK Hessen im Oktober 2003 war das Heim mit 12
Kurzzeitpflegegästen überbelegt, wobei auch das Zimmer zur vorübergehenden
Nutzung belegt war. Es wurden gravierende Mängel in der pflegerischen
Versorgung festgestellt, als Sofortmaßnahme wurde die Freihaltung des Zimmers
zur vorübergehenden Nutzung vereinbart. Dennoch war bei einer Nachschau am
09.01.2004 dieser Raum mit einem Kurzzeitpflegegast belegt.
Im April 2004 erklärte die Antragstellerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten
gegenüber der Heimaufsicht, die Antragstellerin verfüge nach wie vor über einen
Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen für 11 Kurzzeitpflegeplätzen. Hiervon
unabhängig halte die Einrichtung fünf Doppelzimmer und ein Einzelzimmer vor.
Das Einzelzimmer werde als Zimmer zur vorübergehenden Nutzung im Sinne des
§ 15 Abs. 1 Nr. 3 HeimMindBauV benutzt. Soweit der Antragstellerin eine
Überbelegung mit 11 Personen vorgeworfen werde, sei dies unberechtigt.
Keinesfalls würde ein Doppelzimmer mit drei Bewohnern belegt. Die Bewohnerin im
Einzelzimmer habe an einer hochansteckenden Krankheit gelitten, weshalb die
Unterbringung in einem Einzelzimmer geboten gewesen sei. Dass die Bewohnerin
unmittelbar nach Einzug in dieses Zimmer aufgenommen worden sei, stelle kein
Fehlverhalten dar. Die Bewohner hielten sich in der Kurzzeitpflegeeinrichtung stets
nur vorübergehend auf, weshalb auch das „Zimmer zur vorübergehenden
Nutzung“ nur vorübergehend belegt werde.
Im Mai 2004 wurde erneut eine Überbelegung des Heims mit insgesamt 12
Kurzzeitpflegegästen festgestellt.
Mit Schreiben vom 08.06.2004 bat die Antragstellerin die Heimaufsicht zunächst
um Beratung, ob ein Zimmer zur vorübergehenden Nutzung überhaupt gesetzlich
erforderlich sei. Für den Fall, dass das Zimmer gefordert werde, beantragte die
Antragstellerin Befreiung, da bei einer derzeitigen Belegung ein Zimmer zur
vorübergehenden Nutzung nicht zur Verfügung stehe und die Vorhaltung des
Zimmers 4 als solches wirtschaftlich unzumutbar sei.
Das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Darmstadt wies die
Antragstellerin am 08.06.2004 nochmals darauf hin, dass die Voraussetzungen
des § 14 HeimMindBauV auch von Heimen, die der vorübergehenden Aufnahme
Pflegebedürftiger dienten, eingehalten werden müssten. Darüber hinaus werde ein
Zimmer bzw. ein Raum, der dieser Nutzung zuzuführen sei, auf der Grundlage des
§ 2 Abs. 1 Ziff. 1 HeimG unabdingbar für erforderlich erachtet. In dem Heim der
Antragstellerin sei zunächst unbestritten ein Raum zur vorübergehenden Nutzung
durch Gäste vorhanden gewesen. Auf das Schreiben der Heimaufsicht vom
26.10.1998 werde verwiesen. Bei späteren Erörterungen sei gerade diese Frage
mehrfach Gegenstand der Erörterung gewesen. Gerade bei Einrichtungen, die der
vorübergehenden Aufnahme dienten, werde dieser Raum häufig genutzt. Sehr oft
zeige es sich, dass vorgenommene Zimmerbelegungen in Mehrbettzimmern nicht
miteinander harmonierten oder ein nicht vorhersehbarer Pflege- und
Betreuungsaufwand oder Verhaltensmuster von Gästen eine Nutzung dieses
Raumes erforderlich machten. Dies sei von der Antragstellerin auch mit
anwaltlichem Schreiben vom 30.08.2002 so beurteilt worden, in dem mitgeteilt
worden sei, dass das Zimmer Nr. 4 lediglich dann belegt werde, wenn zwei
Bewohner nicht miteinander zurecht kämen oder wenn es einem Bewohner sehr
schlecht gehe. Gleichzeitig wies die Heimaufsicht darauf hin, dass das Fehlen eines
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schlecht gehe. Gleichzeitig wies die Heimaufsicht darauf hin, dass das Fehlen eines
solchen Zimmers einen Mangel im Sinne von § 16 Abs. 1 HeimG darstelle. Das
Amt forderte die Antragstellerin daher auf, das Zimmer wieder seiner
ursprünglichen Nutzung zuzuführen. Für den Fall, dass der Mangel nach dem
21.07.2004 weiterhin bestehen sollte, hörte die Heimaufsicht die Antragstellerin
zum Erlass einer Anordnung nach § 17 HeimG mit der Maßgabe an, der
Antragstellerin aufzugeben, einen Raum zur vorübergehenden Nutzung durch
Gäste vorzuhalten.
Die Antragstellerin erklärte daraufhin, sie sei während des Verfahrens über die
Antragstellung nach § 31 Abs. 2 HeimMindBauV für die beantragten Tatbestände
von der Verpflichtung zur Angleichung vorläufig befreit.
Mit Schreiben vom 05.07.2004 erklärte die Antragstellerin, dass die Einrichtung
über einen Versorgungsvertrag für 11 Pflegeplätze verfüge. Ohne die Nutzung des
streitgegenständlichen Zimmers könnten jedoch nur 10 Bewohner untergebracht
werden. Da aber die gesamte Vergütungsvereinbarung auf eine Auslastung von 98
% bei 11 Plätzen zugeschnitten sei, würde die Freihaltung des Einzelzimmers dazu
führen, dass die Einrichtung nicht mehr in der Lage wäre, ihre Gestehungskosten
zu erwirtschaften. Dies würde einen Eingriff in Art. 14 GG bedeuten. Selbst bei
ständiger Vollbelegung wäre maximal eine Auslastung von 90,9 % zu erzielen.
Mit Bescheid vom 19.07.2004 lehnte die Heimaufsicht den Antrag auf Befreiung
nach § 31 HeimMindBauV von den Vorschriften des § 15 Abs. 1 Ziff. 3
HeimMindBauV ab (Nr. 1) und ordnete gleichzeitig an, einen Raum zur
vorübergehenden Nutzung, der den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Ziff. 3
HeimMindBauV entspricht, mit sofortiger Wirkung, d. h. ab Zustellung des
Bescheides, zur Nutzung für die in der Einrichtung lebenden Menschen
freizuhalten. Sie untersagte der Antragstellerin weiter, Kurzzeitpflegegäste oder
andere Bewohnerinnen und Bewohner von Außen direkt in dieses Zimmer
aufzunehmen (Nr. 2). Für die Anordnung unter Nr. 2 ordnete die Heimaufsicht die
sofortige Vollziehung an (Nr. 3). Gleichzeitig drohte sie für den Fall, dass die
Antragstellerin keinen Raum zur vorübergehenden Nutzung durch Bewohner
freihalte, zunächst für den Zeitraum vom 26.07. bis 25.08.1004 ein Zwangsgeld in
Höhe von 5.000,00 EUR an (Nr. 4). Die Ablehnung der Befreiung wurde damit
begründet, die Voraussetzungen für eine Befreiung seien nicht gegeben. Es sei
technisch möglich, diesen Raum einzurichten, dies ergebe sich bereits daraus,
dass mit Bestätigungsschreiben vom 26.10.1998 das Zimmer Nr. 4 als Raum zur
vorübergehenden Nutzung festgelegt worden und dieser früher auch als solcher
vorhanden gewesen sei. Die Erfüllung der Anforderung sei auch wirtschaftlich
zumutbar, da der Betrieb in den letzten Jahren auch unter Vorhandensein des
Raums zur vorübergehenden Nutzung zu führen gewesen sei. Die Erfüllung der
Anforderung sei auch wirtschaftlich zumutbar. Der Heimaufsicht komme
hinsichtlich des Fehlens eines derartigen Raumes auch kein Ermessen zu, da § 15
HeimMindBauV als Mussvorschrift ausgestaltet sei. Allenfalls hinsichtlich der
Raumgröße könnten Befreiungen von den Anforderungen des HeimMindBauV
erteilt werden. Beim Wegfall des Raumes handele es sich nicht um eine nur
geringfügige Abweichung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei
erforderlich, um die permanent bestehende Rechtsbeeinträchtigung der bei der
Antragstellerin aufgenommenen alten und pflege- und betreuungsbedürftigen
Kurzzeitpflegegäste im vollen Umfang zu beseitigen und eine unmittelbar
bevorstehende Rechtsbeeinträchtigung neuer Gäste, die zukünftig aufgenommen
werden sollten, vorbeugend zu verhindern. Wegen der besonderen
Schutzwürdigkeit der pflegebedürftigen Menschen sei ein sofortiges Handeln
erforderlich. Die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin müssten hiergegen
zurücktreten.
Mit Schreiben vom 02.08.2004 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen diesen
Bescheid ein und hat gleichzeitig einen Antrag auf gerichtlichen vorläufigen
Rechtsschutz gestellt. Diesen begründet sie damit, die
Tatbestandsvoraussetzungen für eine Anordnung nach § 17 Abs. 1 HeimG seien
nicht erfüllt. Diese könne erst erlassen werden, wenn festgestellte Mängel nicht
abgestellt worden seien. Vorrangig sei daher stets eine Mängelberatung. Eine
solche habe jedoch noch nicht stattgefunden. Auch das Schreiben der
Antragsgegnerin vom 08.06.2004 stelle aufgrund des fehlenden Mangels keine
Mängelberatung dar, da zu diesem Zeitpunkt über den Befreiungsantrag noch
nicht entschieden gewesen und die Antragstellerin daher von der Einhaltung der
Anforderungen befreit gewesen sei, daher kein Mangel vorgelegen habe. Im
Übrigen sei die Anordnung rechtswidrig, da bisher kein Einvernehmen mit den
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Übrigen sei die Anordnung rechtswidrig, da bisher kein Einvernehmen mit den
betroffenen Pflegesatzparteien (Pflegekassen, Sozialhilfeträger) angestrebt
worden sei, da die Reduzierung auf 10 Heimplätze unabdingbar eine Erhöhung der
Entgelte bedeuten würde. Das Zimmer Nr. 4 sei zudem von der Antragstellerin zu
keinem Zeitpunkt als Raum zur vorübergehenden Nutzung festgelegt worden. Dies
sei lediglich von der Antragsgegnerin im Schreiben vom 28.10.1998 so festgesetzt
worden. Unabhängig davon habe die Antragstellerin kein Zimmer zur
vorübergehenden Nutzung vorzuhalten. Da die Einrichtung sowieso nur
Kurzzeitpflegegäste aufnehme, welche maximal drei Monate in der Einrichtung
verblieben, könne die Aufnahme auch von außen als normales Bewohnerzimmer
erfolgen. Anders als bei Einrichtungen der stationären Dauerpflege sei der
Aufenthalt in der Einrichtung an sich schon vorübergehend. Im Übrigen fände die
HeimMindBauV erst sei dem 01.01.2002 auf das Heim der Antragstellerin
Anwendung. Die Antragsgegnerin hätte der Antragstellerin daher eine
angemessene Frist nach § 30 Abs. 1 HeimMindBauV zur Angleichung zu setzen
gehabt, dies sei nicht erfolgt. Der Antragstellerin sei es nicht möglich, von einem
auf den anderen Tag ihre Vergütung umzustellen und die Wirtschaftlichkeit der
Einrichtung auf die Vorhaltung eines Zimmers zur vorübergehenden Nutzung
einzustellen.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom
03.08.2004 gegen den Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und
Soziales Darmstadt vom 19.07.2004 wieder herzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die HeimMindBauV, die seit dem 01.01.2002 auch für Kurzzeitpflegeheime
Anwendung finde, unterscheide zwischen Bewohner- und Funktions- und
Zubehörräumen. Der Raum zur vorübergehenden Nutzung stelle einen
Funktionsraum dar. Gleichwohl hätten bereits zuvor von der Heimaufsicht einzelne
Regelungen aufgrund der HeimMindBauV vom Träger der Einrichtung gefordert
werden können. Dementsprechend sei im Bescheid vom 26.10.1998 den
Bedürfnissen und Interessen der Bewohner Rechnung getragen worden, indem die
Freihaltung des Zimmers Nr. 4 als Funktionsraum festgelegt worden sei. Die
Notwendigkeit dieses Zimmers ergebe sich aus der Tatsache, dass in der
Einrichtung nur Doppel- bzw. zum damaligen Zeitpunkt auch Dreibett-Zimmer zur
Verfügung stünden. Es sei mit der Würde von Kurzzeitpflegegästen nicht vereinbar,
wenn diesen bei Krisensituationen, wie Krankheit, Infektionsgefahr oder Streit etc.
nicht die Möglichkeit offen stehe, in ein anderes Zimmer umzuziehen. Die
erforderliche Mängelberatung habe zudem in der Vergangenheit des Öfteren
stattgefunden. Die Heimaufsicht habe mehrfach darauf hingewiesen, dass das
Zimmer als Funktionsraum zur Verfügung stehen müsse. Hinsichtlich der Frist zur
Angleichung weist der Antragsgegner darauf hin, dass zum Zeitpunkt 01.01.2002,
dem Inkrafttreten der Anwendbarkeit der HeimMindBauV auf Kurzzeitpflegeheime,
ein Raum zur vorübergehenden Nutzung zur Verfügung gestanden habe. Die
Frage der Angleichung habe sich daher überhaupt nicht gestellt. Der Antrag auf
Befreiung sei zu Recht abgelehnt worden. Zwar bestehe ein Versorgungsvertrag
mit dem Landesverband für Pflegekassen für 11 Plätze, die Antragstellerin habe es
jedoch versäumt, nach Bekanntwerden der neuen Ist-Situation im Dezember 2002
zu neuen Entgeltvereinbarungen aufzurufen. Im Übrigen habe eine Rückfrage beim
Kreissozialamt A-Stadt ergeben, dass bei der Entgeltberechnung für 11 Plätze ein
Auslastungsgrad von 89,96 % zugrunde gelegt worden sei. Dies bedeute, das die
Einrichtung keine finanziellen Nachteile erleide, sondern 100 % erwirtschafte, wenn
9,9 Kurzzeitpflegegäste dort betreut und gepflegt würden. Eine Einbindung des
Kostenträgers vor Erteilung des Bescheides vom 19.07.2004 sei nicht erforderlich
gewesen, da durch die Anordnung faktisch keine Erhöhung des Entgelts eintrete,
sondern lediglich die Wiederherstellung des vorher rechtmäßigen Zustandes
durchgesetzt werde.
II.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (Nr. 2 des
Bescheides vom 19.07.2004) ist zulässig, im Übrigen ist der Antrag hinsichtlich der
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bezüglich der
Zwangsgeldandrohung (Nr. 4 des Bescheides) bereits unzulässig.
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Die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 4 des Bescheides vom 19.07.2004 hat sich
bereits durch Zeitablauf erledigt. Denn die Heimaufsicht hat die Festsetzung eines
Zwangsgeldes von 5.000,00 EUR zunächst nur für den Zeitraum vom 26.07. bis
25.08.2004 angedroht. Da dieser bereits abgelaufen ist, entfaltet die
Zwangsgeldandrohung keine Rechtswirkungen mehr und es bedürfte zur
Festsetzung eines Zwangsgeldes einer erneuten Androhung des Zwangsmittels.
Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, jedoch unbegründet. Vorläufigen
Rechtsschutz gewährt die Kammer immer dann, wenn das private
Aufschubinteresse das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes
überwiegt. Ist ein Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, ist dem Antrag
stattzugeben, da am Vollzug eines solchen Verwaltungsaktes kein öffentliches
Interesse besteht. Ist dagegen ein Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig und
eilbedürftig, überwiegt grundsätzlich das öffentliche Vollzugsinteresse das private
Aufschubinteresse. Ist ein Verwaltungsakt weder offensichtlich rechtmäßig noch
offensichtlich rechtswidrig, so entscheidet das Gericht allein aufgrund einer
Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse an der Aussetzung der
Vollziehung und dem öffentlichen Vollzugsinteresse.
Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Nr. 2
des Bescheides vom 19.07.2004 ist dieser insoweit offensichtlich rechtmäßig.
Die Heimaufsicht hat unter Nr. 2 des Bescheides angeordnet, dass die
Antragstellerin ab Zustellung des Bescheides einen Raum zur vorübergehender
Nutzung, der den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Ziff. 3 HeimMindBauV entspricht,
für die in der Einrichtung lebenden Menschen freizuhalten hat. Die Heimaufsicht
hat damit der Antragstellerin gegenüber zu verstehen gegeben, dass sie nicht
einen neuen Raum schaffen soll, sondern das vorhandene Zimmer Nr. 4, wie dies
auch zur Zeit der Nutzung des Zimmers Nr. 6 als Dreibettzimmer der Fall war,
weiterhin der ursprünglichen Nutzung zuzuführen hat. Zur Klarstellung ordnet die
Heimaufsicht unter Nr. 2 weiterhin an, dass der Antragstellerin es daher untersagt
ist, Kurzzeitpflegegäste oder andere Bewohnerinnen und Bewohner von Außen
direkt in dieses Zimmer aufzunehmen. Dies ist in Zusammenhang mit der
Begründung des Bescheides und dem Inhalt der Behördenakten nur so zu
verstehen, dass das Zimmer Nr. 4 nicht als zusätzliches Bewohnerzimmer genutzt
werden darf, und daher nicht durch einen elften Pflegegast belegt werden darf,
auch wenn dieser aufgrund einer ansteckenden Krankheit sowieso in ein separates
Einzelzimmer verbracht werden müsste, wie dies im Juli 2003 der Fall war.
Rechtsgrundlage für die Anordnung, das vorhandene Einzelzimmer Nr. 4 als
Funktionsraum der den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Ziff. 3 HeimMindBauV
entspricht, mit sofortiger Wirkung, d. h. ab Zustellung des Bescheides, zur
vorübergehenden Nutzung für die in der Einrichtung lebenden Menschen
freizuhalten, ist § 13 Abs. 1 HeimG. Danach kann die zuständige Behörde, falls
festgestellte Mängel nicht abgestellt werden, gegenüber den Trägern der Heime
Anordnungen erlassen, die u. a. zur Beseitigung einer eingetretenen oder
Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der
Bewohnerinnen und Bewohner, zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger
gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten erforderlich
sind.
Bei dem Nichtfreihalten des zur vorübergehenden Nutzung nach § 15 Abs. 1
HeimMindBauV bestimmten Raumes durch die Antragstellerin als Trägerin des
Kurzzeitpflegeheims handelt es sich um einen Mangel, den die Antragstellerin trotz
Kenntnis nicht abgestellt hat. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 HeimG, der aufgrund §§ 3
Abs. 2 Nr. 1, 1 Abs. 3 HeimG seit dem 01.01.2002 auch auf Kurzzeitpflegeheime
Anwendung findet, muss in jeder Einrichtung mit Mehrbettzimmern ein
Einzelzimmer im Sinne des § 14 HeimMindBauV zur vorübergehenden Nutzung
durch Bewohner vorhanden sein. Hierbei handelt es sich um ein über die normalen
Bewohnerzimmer hinaus vorzuhaltendes Funktionszimmer, das die
situationsbezogen erforderliche Verlegung eines Heimbewohners aus dem von
ihm benutzten Bewohnerzimmer ermöglichen soll. Dies ist insbesondere der Fall,
wenn es zu Unstimmigkeiten zwischen Bewohnern eines Mehrbettzimmers kommt
oder ein Pflegegast plötzlich derart erkrankt, dass es erforderlich ist, ihn von
anderen Bewohnern zu trennen. Der Auffassung der Antragstellerin, da sich die
Bewohner in einem Kurzpflegeheim sowieso nur maximal drei Monate, somit nur
vorübergehend, aufhalten würden, bedürfe es nicht einer Ausweisung eines
separaten Einzelzimmers zur vorübergehenden Nutzung, kann nicht gefolgt
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separaten Einzelzimmers zur vorübergehenden Nutzung, kann nicht gefolgt
werden. Sie verkennt, dass es sich bei dem gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3
HeimMindBauV bereitzustellenden Raum um einen Funktionsraum und nicht um
ein Bewohnerzimmer handelt, wie sich bereits aus der Überschrift der Norm ergibt.
Auch in einem Kurzzeitpflegeheim kann es ebenso wie in einem Dauerpflegeheim
erforderlich werden, in dem Heim aufgenommene Pflegegäste, die sich in einem
Mehrbettzimmer aufhalten, von anderen Bewohnern zu trennen. Auch für die
kurze Pflegezeit von drei Monaten muss die Möglichkeit bestehen, bei Bedarf einen
Pflegegast in einem Einzelzimmer unterbringen zu können. Dass es sich bei der
Aufnahme in einem Kurzzeitpflegeheim nur um eine vorübergehende Pflege
handelt, ist unerheblich.
Unstreitig wird gegenwärtig das Zimmer Nr. 4 nicht zur vorübergehenden Nutzung
im Kurzzeitpflegeheim der Antragstellerin freigehalten, sondern von der
Antragstellerin als Bewohnerzimmer verwendet. Dies stellt, entgegen der
Auffassung der Antragstellerin, auch derzeit einen Mangel im Sinne von § 17 Abs.
1 HeimG dar. Es bedurfte nämlich keiner weiteren Beratung durch die
Heimaufsicht nach Ablehnung des Befreiungsantrages, ebenso wenig bedurfte es
einer Frist zur Angleichung der tatsächlichen Gegebenheiten nach § 30 Abs. 1
HeimMindBauV nach Inkrafttreten dieser Verordnung.
Nach § 30 Abs. 1 HeimMindBauV hatte die zuständige Behörde Einrichtungen, die
bei Inkrafttreten der Verordnung im Betrieb, im Bau oder im baureifen
Planungsstadium waren und die die Mindestanforderungen der §§ 2 bis 29
HeimMindBauV nicht erfüllten, zur Angleichung an die einzelnen Anforderungen
angemessene Fristen einzuräumen. Einer Angleichung der Räumlichkeiten,
nämlich einer baulichen Veränderung des Kurzzeitpflegeheimes, bedarf es
vorliegend nicht. Der Raum zur vorübergehenden Nutzung stand und steht als
Zimmer Nr. 4 zur Verfügung, bei dem es sich um ein den Anforderungen des § 15
Abs. 1 Ziff. 3 HeimMindBauV entsprechendes Einzelzimmer handelt. Die
Antragstellerin nutzt diesen Raum lediglich zu anderen Zwecken. Einer
Angleichung bedarf es daher nicht. Ob die Vorschrift des § 30 HeimMindBauV
überhaupt auf das Kurzzeitpflegeheim der Antragstellerin Anwendung findet, da
dieses bei Inkrafttreten der Verordnung, nämlich am 01.08.1978, noch gar nicht
existierte, bedarf vorliegend keiner weiteren Klärung. Gegen eine analoge
Anwendung spricht, dass die Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Denn bei
Aufnahme des Heimbetriebs durch die Antragstellerin im Jahre 1995 war die
HeimMindBauV bereits in Kraft. Die Heimaufsicht hat auch in entsprechender
Anwendung dieser Verordnung der Antragstellerin Auflagen hinsichtlich des
Betriebs ihres Kurzzeitpflegeheimes erteilt und die Antragstellerin auf die
Einhaltung der Anforderungen nach der HeimMindBauV hingewiesen. Diese
Auflagen hat die Antragstellerin akzeptiert, Rechtsbehelfe hat sie gegen den
Bescheid vom Oktober 1998 nicht eingelegt.
Der Mangel der Fehlbelegung besteht zudem schon seit dem 01.01.2002, seit die
HeimMindBauV insgesamt auch auf Kurzzeitpflegeheime kraft Gesetzes
Anwendung findet. Zuvor wurde der vorhandene Funktionsraum, nämlich das
Zimmer Nr. 4 im Souterrain des Heimes der Antragstellerin, zweckentsprechend
genutzt. Hieran hat sich zunächst auch durch die Anwendbarkeit der
HeimMindBauV nichts geändert. Denn der Raum stand weiterhin als Einzelzimmer
zur Verfügung und hätte als Funktionsraum genutzt werden können. Probleme
entstanden vielmehr dadurch, dass die Antragstellerin aufgrund der
einzuhaltenden Mindestgröße das Dreibettzimmer nicht mehr als solches sondern
nur als Doppelzimmer nutzen konnte. Hierdurch standen die mit den Pflegekassen
in der Vergütungsvereinbarung zugrunde gelegten 11 Pflegeplätze tatsächlich
nicht mehr zur Verfügung. Die Antragsgegnerin hat nunmehr unzulässigerweise
versucht, unter Umgehung des § 15 Abs. 1 HeimMindBauV diese 11 Pflegeplätze
aufrecht zu erhalten. Ein derartiges Vorgehen verstößt jedoch gegen die
Vorschriften der HeimMindestBauV und führt zu einem Mangel in der
Heimführung. Hierauf ist die Antragstellerin auch wiederholt und eindringlich, unter
anderem auch in den mehreren Einleitungen von Untersagungsverfahren,
hingewiesen worden. Dennoch hat es die Antragstellerin nicht für nötig erachtet,
diesen Mangel abzustellen, vielmehr hat sie sich auf den Standpunkt gestellt, sie
halte die Anforderungen des § 15 Abs. 1 Nr. 3 HeimMindBauV ein. So wird in
Schreiben von Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im April 2002 und
am 30.08.2002 ausgeführt, dass nach wie vor ein Zimmer zur vorübergehenden
Nutzung vorgehalten werde, obwohl dies bereits zu diesem Zeitpunkt aufgrund der
Belegungen mit meist 11, zeitweise sogar 12 Personen, gar nicht zutreffend sein
konnte.
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Auch die Stellung eines Befreiungsantrags nach § 31 Abs. 1 HeimMindBauV ändert
an dem Vorliegen eines Mangels, der nicht abgestellt wird, nichts. Zwar ist, wie die
Antragstellerin vorträgt, nach § 31 Abs. 2 HeimMindBauV der Träger einer
Einrichtung vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung über den
Antrag für die beantragten Tatbestände von der Verpflichtung zur Angleichung
vorläufig befreit. Aufgrund dieser Vorschrift ist die Antragstellerin aber nicht bereits
von dem Vorhalten des streitgegenständlichen Funktionsraumes überhaupt
befreit, denn dieser Funktionsraum war und ist bereits in der Einrichtung
vorhanden, wird aber zweckwidrig als Bewohnerraum verwendet. Die Vorschrift des
§ 31 Abs. 2 HeimMindBauV dient dazu, den Träger vor unnötigen, durch eine
notwendige bauliche Angleichung entstehende Kosten zu bewahren, falls im
Nachhinein eine Befreiung erteilt wird. Diese Situation liegt gerade nicht vor. Da
der Antragstellerin dieser Mangel bereits seit Jahren bekannt war und sie auch
nicht zur Beseitigung des Mangels bereit war und ist, bedurfte es auch keiner
weiteren Mängelberatung durch die Heimaufsicht.
Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit unter Nr. 3 des Bescheides vom
19.07.2004 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Anordnung ist aus den im
Bescheid aufgeführten Gründen eilbedürftig, wirtschaftliche Interessen müssen
hinter den Interessen der Pflegegäste an einer ordnungsgemäßen Betreuung
zurückstehen, zumal die Heimbewohner und –bewohnerinnen auf die
Betreuungskräfte angewiesen sind und daher besonders schutzwürdig sind.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin als Unterlegene in diesem
Verfahren zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 GKG n. F., wobei das Gericht
mangels konkreter Anhaltspunkte das Interesse der Antragstellerin an einer
Entscheidung mit dem Auffangstreitwert bewertet und diesen angesichts des
vorläufigen Charakters des Eilverfahrens auf die Hälfte reduziert hat.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.