Urteil des VG Darmstadt vom 15.01.2004

VG Darmstadt: verbot der echten rückwirkung, unechte rückwirkung, rücknahme der klage, gesetzesänderung, staatliches gericht, juristische person, ordre public, auszahlung, selbstbestimmungsrecht

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Gericht:
VG Darmstadt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 540/99
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 126 Abs 3 BRRG, Art 140 GG,
Art 137 Abs 3 S 2 WRV
Kirchliches Besoldungsrecht ist von staatlichen Gerichten
nur in eingeschränktem Umfang überprüfbar. Eine jährliche
Sonderzuwendung für kirchliche Beamte kann rückwirkend
gekürzt werden, um Personalausgaben zu sparen.
Leitsatz
1. Es kann unentschieden bleiben, ob ein im Februar 1998 verkündetes Gesetz, das am
30.11.1997 in Kraft tritt und eine Minderung der Sonderzuwendung um 25 % zum Inhalt
hat, unechte Rückwirkung entfaltet, denn im konkreten Fall liegen sowohl die
Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer unechten als auch diejenigen einer echten
Rückwirkung vor.
2. Eine angespannte Haushaltslage rechtfertigt eine rückwirkende Kürzung der
Sonderzuwendung.
3. Auch bei der inhaltlichen Prüfung eines Kirchengesetzes ist das
Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu beachten.
Tenor
Im Umfang der Klagerücknahme wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger steht als Kirchenverwaltungsrat im Dienste der Beklagten; er begehrt
die Auszahlung der Sonderzuwendung 1997 in ungekürzter Höhe.
Mit Rundschreiben vom 14.10.1997, das unter anderem an alle Kirchenbeamten
und Kirchenbeamtinnen gerichtet war, teilte die Beklagte mit, die Kirchenleitung
werde im Dezember ein Gesetz einbringen, wonach die Sonderzuwendung
("Weihnachtsgeld") im Jahre 1997 um 25% gekürzt werde. Sollte die Kirchensynode
das Gesetz nicht verabschieden, werde der einbehaltene Betrag nachträglich
ausbezahlt. Zur Begründung dieser vorgesehenen Gesetzesänderung wurde auf
die Entwicklung der Haushaltslage hingewiesen.
In Erwiderung auf dieses Rundschreiben teilte der Kläger unter dem 24.11.1997
mit, er mache vorsorglich einen Anspruch auf Zahlung der Sonderzuwendung in
voller Höhe geltend; er gehe davon aus, dass die entsprechende Auszahlung mit
den laufenden Bezügen für den Monat Dezember erfolge.
Mit weiterem Schreiben vom 03.12.1997 wies der Kläger darauf hin, dass die
inzwischen erfolgte gekürzte Zahlung der Sonderzuwendung nicht zulässig sei, so
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inzwischen erfolgte gekürzte Zahlung der Sonderzuwendung nicht zulässig sei, so
dass er Anspruch auf Zahlung des vollen Betrages erhebe.
Am 02.12.1997 beschloss die Kirchensynode der Beklagten das "Kirchengesetz zur
Änderung des Kirchengesetzes über die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung (Sonderzuwendungsgesetz)". Gemäß Art. 1 Nr. 1 dieses
Gesetzes wurde § 5 Abs. 1 Satz 1 des Sonderzuwendungsgesetzes wie folgt
gefasst:
§ 5
Grundbetrag für Pfarrer, Pfarrer im kirchlichen Hilfsdienst und Kirchenbeamte
(1) Der Grundbetrag wird in Höhe von 75 v.H. der nach dem Besoldungsrecht für
Monat Dezember maßgebenden Bezüge gewährt und zwar auch dann, wenn dem
Berechtigten die Bezüge für diesen Monat nur teilweise zustehen oder in den
Fällen des § 2 Abs. 2 nicht zustehen.
Artikel 2 dieses Gesetzes hat folgenden Wortlaut:
Inkrafttreten
Dieses Kirchengesetz tritt am 30.11.1997 in Kraft.
Veröffentlicht wurde dieses Gesetz im Amtsblatt der Beklagten 2/1998 vom
01.02.1998.
In einem daraufhin von einem Pfarrer gegen die Gültigkeit dieses Gesetzes
eingeleiteten abstrakten Normenkontrollverfahren fand am 22.10.1998 eine
mündliche Verhandlung vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht
statt. Ausweislich des vorliegenden Protokolls dieser Verhandlung erklärte der
Bevollmächtigte der Kirchensynode und der Kirchenleitung / Kirchenverwaltung, die
C. zahle an alle von der Kürzung der Sonderzuwendung 1997 Betroffenen 12,5%,
d.h. die Hälfte des Kürzungsbetrages, nach, außerdem mache sie von der
Möglichkeit der weiteren Kürzung der Sonderzuwendung 1998 durch
Rechtsverordnung auf bis zu 50% keinen Gebrauch.
Mit anschließend verkündetem Urteil wurde der Normenkontrollantrag als
unzulässig zurückgewiesen, da eine Einzelperson für die Herbeiführung einer
Gültigkeitsprüfung eines Kirchengesetzes nicht antragsberechtigt sei.
Mit Bescheid vom 17.02.1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers
zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, gegen die Kürzung der
Sonderzuwendung 1997 hätten insgesamt 47 Betroffene Rechtsbehelfe eingelegt.
Im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens sei ein Kompromiss erzielt
worden, wonach allen Betroffenen die Hälfte des Kürzungsbetrages nachgezahlt
werde. Daraufhin seien alle Verfahren bis auf das Vorliegende einvernehmlich
beendet worden.
Am 18.03.2003 hat der Kläger über seinen früheren Bevollmächtigten Klage vor
dem erkennenden Gericht erhoben. Zur Begründung wurde im wesentlichen
vorgetragen, die Reduzierung der Sonderzuwendung 1997 sei unzulässig, da es
sich hierbei um eine gesetzliche Regelung handele, die echte Rückwirkung entfalte.
Ein derartiges Gesetz sei nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts stets nichtig. Es komme hinzu, dass ein Verstoß
gegen den beamtenrechtlichen Solidaritätsgedanken vorliege, da von der
beanstandeten Regelung lediglich Kirchenbeamte, nicht aber auch Angestellte,
betroffen seien. Im übrigen seien Beamte bis zur Besoldungsgruppe A 11 von der
Kürzung ausgenommen worden, auch dies sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt.
Schließlich hätten die Beamten des Evangelischen Regionalverbandes Z. die
Sonderzuwendung 1997 ungekürzt erhalten, so dass auch eine unzulässige
regionale Differenzierung vorliege.
Der Kläger beantragt unter Rücknahme der Klage im übrigen,
die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 17.02.1999 zu
verurteilen, an den Kläger weitere 418,81 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Das Begehren des Klägers sei unbegründet, denn die vorgenommen Kürzung der
Sonderzuwendung 1997 beruhe auf einer wirksamen gesetzlichen Grundlage.
Dieser Gesetzesänderung stehe höherrangiges kirchliches Recht nicht entgegen,
auch gegen staatliches Verfassungsrecht sei nicht verstoßen worden. Die
Regelungen über die Gewährung einer Sonderzuwendung gehörten nicht zu den
hergebrachten Grundätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5
GG und könnten daher jederzeit geändert werden, sofern eine amtsangemessene
Alimentation erhalten bleibe, was hinsichtlich des Klägers zweifelsfrei zu bejahen
sei; im übrigen entfalte Art. 33 Abs. 5 GG keine unmittelbare Geltung im
kirchlichen Bereich. Die Neuregelung verstoße auch nicht gegen das
Rückwirkungsverbot. Eine derartige Rückwirkung sei ausnahmsweise dann zulässig,
wenn kein Vertrauensschutz gegeben sei. Dies sei vorliegend deshalb zu bejahen,
weil seitens des Klägers kein Vertrauen in den Fortbestand der alten Regelung
habe bestehen können, denn in vielfältiger - näher beschriebener - Weise sei
frühzeitig auf die geplante Gesetzesänderung hingewiesen worden. Es komme
hinzu, dass die erheblichen - ebenfalls näher dargestellten - Haushaltsprobleme
der Beklagten als Grund des gemeinen Wohls eine Rückwirkungsanordnung
rechtfertigten. Schließlich sei die Belastung des Einzelnen tragbar, der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit sei nicht verletzt.
Ergänzend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 14.01.2004 ausgeführt,
ursprünglich sei geplant gewesen, eine Sozialkomponente für die
Besoldungsgruppen bis A 10 vorzusehen. Dies habe dann in dem
Änderungsgesetz jedoch keinen Niederschlag gefunden, da fälschlicherweise
davon ausgegangen worden sei, es gebe keine Kirchenbeamten in den
Besoldungsgruppen bis A 10. Später habe sich herausgestellt, dass es doch einen
Beamten im Bereich der Beklagten gebe, der nach A 10 besoldet werde. Diesem
sei die Sonderzuwendung 1997 ungekürzt ausgezahlt worden, um dem Willen des
Gesetzgebers Genüge zu tun. Im übrigen sei eine Differenzierung nach
verschiedenen Besoldungsgruppen durchaus üblich. Hinsichtlich der Angestellten
sei ebenfalls eine entsprechende Kürzung geplant gewesen. Die hierfür zuständige
arbeitsrechtliche Kommission sei diesem Vorschlag aber nicht gefolgt. Dem Kläger
als Beamten sei es verwehrt, sich auf die die Angestellten betreffende Regelung zu
berufen. Die Tatsache, dass im Bereich des Evangelischen Regionalverbandes
Frankfurt am Main die Sonderzuwendung 1997 ungekürzt ausgezahlt worden sei,
beruhe auf einem technischen Versehen, denn die entsprechende Information sei
dort verspätet an die Auszahlungsstelle weitergeleitet worden, so dass es zu einer
ungekürzten Auszahlung gekommen sei. Eine Rückforderung sei aufgrund der
kirchengesetzlichen Regelungen nicht möglich gewesen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie denjenigen des Protokolls der mündlichen Verhandlung
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Im Umfang der Klagerücknahme war das Verfahren nach Maßgabe des § 92 Abs. 1
VwGO einzustellen.
Für die vorliegende Streitigkeit im übrigen ist der Rechtsweg zu den staatlichen
Gerichten - hier: der Verwaltungsrechtsweg - eröffnet.
Grundsätzlich allerdings ist das nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3
Satz 2 WRV verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der
Religionsgesellschaften zu achten, welches besagt, dass die Kirchen ihre inneren
Angelegenheiten eigenständig und ohne staatliche Mitwirkung regeln können mit
der Folge, dass alle diejenigen innerkirchlichen Maßnahmen und Regelungen, die
nicht unmittelbar in den Staat hineinwirken, durch staatliche Gerichte nicht auf ihre
Rechtmäßigkeit hin überprüft werden dürfen (vgl. hierzu im einzelnen BVerwG,
Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 21/78 -, BVerwGE 66, S. 241, mit zahlreichen
Rechtsprechungsnachweisen). Andererseits ist aus der dem Staat obliegenden
allgemeinen Justizgewährleistungspflicht (Art. 20 Abs.3 GG) abzuleiten, dass das
vorstehend beschriebene Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nur dann
uneingeschränkte Geltung beanspruchen kann, wenn es um die geistlichen
Aufgaben, das kirchliche Selbstverständnis sowie um statusrechtliche
Streitigkeiten der kirchlichen Amtsträger geht (so zutreffend OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 05.07.1996 - 2 A 12622/95 -, abgedruckt in NVwZ 1997, S. 802). Dies
bedeutet, dass das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen einerseits und
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bedeutet, dass das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen einerseits und
andererseits die allgemeinen Gesetze sowie deren Durchsetzung durch die
staatlichen Gerichte in einem wechselseitigen Spannungsverhältnis stehen und
insoweit eine entsprechende Güterabwägung vorzunehmen ist unter besonderer
Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses (vgl. hierzu BVerfG,
Kammerbeschluss vom 18.09.1998 - 2 BvR 1476/94 -, abgedruckt in NJW 1999, S.
349). Demgemäß entspricht es gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, dass
Besoldungsstreitigkeiten ohne statusrechtliche Vorfragen zwischen einem
kirchlichen Dienstherrn und einem Beamten im Kirchendienst nicht dem
verfassungsrechtlich geschützten Autonomiebereich der Kirchen unterfallen;
allerdings gebietet es die von Verfassungs wegen geschuldete Rücksichtnahme
gegenüber dem kirchlichen Selbstverständnis, dass über derartige Streitigkeiten
die staatlichen Gericht jedenfalls nicht vor Ausschöpfung eines insoweit
vorhandenen kirchlichen Rechtsweges entscheiden (vgl. auch hierzu OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.07.1996 - 2 A 12622/95 - a.a.O.; OVG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.07.2001 - 5 A 1516/00 -, abgedruckt in
NVwZ 2002, S. 1527 -; Hess.VGH, Beschluss vom 06.11.2002 - 10 UZ 2439/00 -;
siehe in diesem Zusammenhang auch BGH, Urteil vom 28.03.2003 - V ZR 261/02
-, abgedruckt in NJW 2003, S. 2097).
Nach dieser von dem erkennenden Gericht geteilten Rechtsauffassung sowie in
Ansehung der Regelung des § 5 Satz 1 Nr. 2 des Kirchengesetzes der Beklagten
über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht - KVVG -, wonach das
Gericht nicht zuständig ist für die Anfechtung von Entscheidungen in
vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Kirchenbeamten, insbesondere auf
dem Gebiet des kirchlichen Besoldungsrechts, bestehen vorliegend keine Zweifel
daran, dass das angerufene Gericht als staatliches Gericht für die Entscheidung
des Rechtsstreits zuständig ist, zumal der Kläger - wie oben erwähnt - auch nicht
darauf verwiesen werden kann, zunächst um kirchengerichtlichen Rechtsschutz im
Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens nachzusuchen (§ 2 Nr. 1 in
Verbindung mit § 6 Nr. 1 KVVG).
Gegen die Zulässigkeit der vorliegenden Klage lässt sich auch nicht einwenden,
das Vorverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Allerdings stellt
die in dem Rundschreiben der Beklagten vom 14.10.1997 enthaltene
Ankündigung, es sei eine Kürzung der Sonderzuwendung 1997 beabsichtigt,
zweifelsfrei keinen der Anfechtung zugänglichen Verwaltungsakt dar; gleiches gilt
auch für die Anfang Dezember 1997 erfolgte Auszahlung der um 25%
geminderten Sonderzuwendung. Hieraus folgt indes nicht, dass dem Kläger unter
Hinweis auf § 126 Abs. 3 BRRG entgegengehalten werden könnte, es fehle hier an
der ablehnenden Bescheidung eines an die Beklagte gerichteten ausdrücklichen
Antrages auf Zahlung der ungekürzten Sonderzuwendung 1997 und einem sich
daran anschließenden Widerspruchsverfahren. Mit dem Bundesverwaltungsgericht
(Urteil vom 28.06.2001 - 2 C 48/00 -, BVerwGE 114, S. 350) geht das erkennende
Gericht davon aus, dass es auch in Anbetracht der genannten rahmenrechtlichen
Vorgaben für den Widerspruch, der einer allgemeinen Leistungsklage aus dem
Beamtenverhältnis vorauszugehen hat, keines vorherigen Erlasses eines
Verwaltungsakts durch den Dienstherrn bedarf. Vielmehr kann der
Leistungswiderspruch unmittelbar gegen eine rein tatsächliche Amtshandlung,
aber auch gegen ein behördliches Unterlassen, gerichtet werden. Demgemäß ist
jedenfalls das vom 03.12.1997 datierende Schreiben des Klägers als ein den
Anforderungen des § 126 Abs. 3 BRRG genügender Widerspruch zu bewerten, denn
hierin ist unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden, dass der Kläger
Anspruch auf die Sonderzuwendung 1997 in ungekürzter Höhe erhebt; auf die
Bezeichnung dieses Schreibens als "Widerspruch" kommt es nicht an.
Die nach alledem zulässige Klage ist nicht begründet.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Kirchengesetzes über die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung (Sonderzuwendungsgesetz) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 10.11.1978 (ABl. 1978, S. 185), geändert durch Gesetz
vom 02.12.1997 (ABl. 1998, S. 53), beträgt der Grundbetrag der
Sonderzuwendung 75% der nach dem Besoldungsrecht für den Monat Dezember
maßgebenden Bezüge.
Aufgrund dieser am 30.11.1997 in Kraft getretenen Regelung steht dem Kläger
kein Anspruch auf eine höhere als die bereits gezahlte Sonderzuwendung für das
Jahr 1997 zu; insbesondere teilt das Gericht nicht seine Bedenken hinsichtlich der
Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Regelung auf die Sonderzuwendung 1997.
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Allerdings ist in Übereinstimmung mit dem Kläger zunächst davon auszugehen,
dass das hier zu beurteilende, am 01.02.1998 verkündete Änderungsgesetz vom
02.12.1997 rückwirkende Kraft entfaltet, denn es bewirkt eine Reduzierung des
Anspruchs auf eine Sonderzuwendung für das Jahr 1997 um 25% im Vergleich zu
der zuvor geltenden Regelung.
Die Beschränkung der Zulässigkeit der Rückwirkung von Gesetzen beruht auf dem
Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. Geht es - wie vorliegend - um
Eigentumspositionen, hat der Schutz gegenüber einem rückwirkenden Gesetz in
Art. 14 Abs. 1 GG eine eigenständige Ausprägung gefunden, denn es gehört zu
den Funktionen der Eigentumsgarantie, dem Einzelnen Rechtssicherheit
hinsichtlich der durch sie geschützten Güter zu gewährleisten und das Vertrauen
auf das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum zu
schützen (so BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 -,
BVerfGE 95, S. 64).
Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückwirkung ist zu unterscheiden zwischen
einer so genannten unechten und einer echten Rückwirkung. Eine unechte
Rückwirkung liegt regelmäßig dann vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch
nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft
einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet;
sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (BVerfG, Beschluss vom
15.10.1996 a.a.O.) Wann ein Gesetz in derartiger Weise zurückwirkt, kann nur im
Einzelfall nach dem in Betracht kommenden gesetzlichen Tatbestand ermittelt
werden, denn nur hierdurch wird der erforderliche Zusammenhang zwischen dem
gesetzlichen Tatbestand und dem in der Entwicklung befindlichen Sachverhalt, auf
den das spätere Gesetz einwirkt, aufrecht erhalten. Erforderlich ist demnach, dass
der historische Geschehensablauf, in den die beanstandete Norm eingreift, eine
hinreichend nahe Beziehung zu dem gesetzlichen Tatbestand aufweist, der durch
das spätere Gesetz geändert wird (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23.03.1971 -
, 2 BvL 17/69 -, BVerfGE 30, S. 392).
Die den Sachverhalt "Sonderzuwendung" regelnde Gesetzeslage stellte sich im
Jahr 1997 wie folgt dar:
Nach § 2 Abs. 1 des Sonderzuwendungsgesetzes in der damals gültigen Fassung
war - soweit hier von Bedeutung - Voraussetzung für den entsprechenden
Anspruch,
- dass der Berechtigte am 01.12. des Jahres in einem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis zu der Beklagten stand,
- seit dem ersten nicht allgemein freien Tag des Monats Oktober ununterbrochen
oder im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs Monate bei einem kirchlichen
oder öffentlich-rechtlichen Dienstherrn in einem hauptberuflichen Dienst- oder
Arbeitsverhältnis stand und
- mindestens bis einschließlich 31.März des folgenden Jahres in einem der
vorstehend genannten Dienstverhältnisse verbleibt, es sei denn, dass er ein
früheres Ausscheiden nicht selbst zu vertreten hat.
Hieraus wird deutlich, dass eine Reihe von tatbestandsmäßigen Voraussetzungen
zu erfüllen waren, um einen Anspruch auf den in § 5 Sonderzuwendungsgesetz a.F.
normierten Grundbetrag zu erlangen. Die Besonderheit dieser einzelnen
Tatbestandsmerkmale liegt darin, dass sie an verschiedene Zeitpunkte anknüpfen
bzw. verschiedene Zeiträume umfassen. Insofern mag fraglich erscheinen, ob - wie
der Kläger meint - bereits Anfang Dezember 1997 ein unbedingter Anspruch auf
die Sonderzuwendung in ungekürzter Höhe entstanden war. Zwar erfüllte er zu
diesem Zeitpunkt einzelne der für die Zahlung der Sonderzuwendung 1997
notwendigen Voraussetzungen; erst mit Ablauf des Monats März 1998 stand
jedoch endgültig fest, ob ihm die Sonderzuwendung 1997 zustand oder er zur
Rückzahlung verpflichtet war (vgl. § 2 Abs. 6 Sonderzuwendungsgesetz). Insoweit
wäre zu erwägen, ob im Rahmen einer Gesamtschau von einem historischen
Geschehensablauf - Dienst bei der Beklagten mit einer entsprechenden
Bleibeverpflichtung - gesprochen werden kann, der in seiner Gesamtheit in enger
Beziehung zu der späteren, die Höhe des Grundbetrages betreffenden Änderung
steht, so dass von einer unechten Rückwirkung gesprochen werden könnte, sofern
man die in § 10 Sonderzuwendungsgesetz geregelte Zahlungsweise (Auszahlung
der Sonderzuwendung mit den laufenden Bezügen für den Monat Dezember) als
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der Sonderzuwendung mit den laufenden Bezügen für den Monat Dezember) als
eine rein kassentechnische Handlungsanweisung verstehen wollte.
Sollte man hierbei zu der Auffassung gelangen, es liege eine unechte Rückwirkung
vor, wäre in einem weiteren Schritt dann der Frage nachzugehen, ob eine unechte
Rückwirkung hier ausnahmsweise deshalb unzulässig war, weil die angeordnete
Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet war oder aber die
Bestandsinteressen des Klägers die Veränderungsgründe des Gesetzgebers
überwiegen; in diesem Zusammenhang wäre ferner zu prüfen, ob dem Kläger die
Berufung auf den Schutz seines Vertrauens in den Fortbestand der geltenden
Regelung deshalb verwehrt ist, weil er ein dahingehendes Vertrauen billiger Weise
nicht beanspruchen darf (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996 a.a.O.;
Kammerbeschluss vom 03.12.1998 - 1 BvR 2262/96 -, abgedruckt in DÖD 1999, S.
136).
Diese Fragen wären zum Nachteil des Klägers zu beantworten, denn es kann
keinen Zweifeln unterliegen, dass mit der hier zu beurteilenden Kürzung der
Sonderzuwendung 1997 der Gesetzeszweck - Entlastung der angespannten
Hauhaltslage durch Einsparung von Personalkosten - erreicht werden konnte, denn
nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten konnte durch die
Reduzierung der Sonderzuwendung 1997 ein Betrag in Höhe von rund 3,5 Millionen
DM eingespart werden. Demgegenüber kann sich der Kläger nicht auf
schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der alten Regelung berufen, denn
schon in dem Zeitpunkt, auf den sich die Rückwirkung auswirkte, musste er mit der
dann später eingetretenen Gesetzesänderung rechnen. Dabei mag an dieser
Stelle vernachlässigt werden, dass der Betrag, um den es nach der gesetzlichen
Kürzung letztlich geht (brutto 1.638,26 DM), bei einem Jahresbruttoeinkommen
von 101.529,76 DM derart geringfügig ist, dass selbst bei Annahme des
Vorhandenseins eines schutzwürdigen Vertrauens nicht von einem erheblichen
Eingriff gesprochen werden könnte (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 25.05.1993
- 1 BvR 1509/91 -, BVerfGE 88, S. 384). Entscheidend ist vielmehr, dass auf Seiten
des Klägers Anfang Dezember 1997 kein schutzwürdiges Vertrauen mehr
bestanden haben kann, denn es war der Kläger selbst, der bereits unter dem
24.11.1997 dem vom 14.10.1997 datierenden Informationsschreiben der
Beklagten widersprach, sich also dessen bewusst war, dass er in diesem Jahr nicht
mit einer Sonderzuwendung in der üblichen Höhe würde rechnen können, wobei
hinzu kommt, dass nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen bereits im
Mai und im Juni 1997 Pressemitteilungen sowohl innerkirchlich als auch in
weltlichen Publikationsorganen erschienen waren, in denen auf die beabsichtigten
Sparmaßnahmen im einzelnen hingewiesen wurde. Unter diesen Umständen kann
seitens des Klägers schutzwürdiges Vertrauen, das Vorrang vor dem öffentlichen
Interesse an einer Minderung der Personalkosten zur Konsolidierung des Haushalts
verdienen würde, nicht bestanden haben, zumal der verfassungsrechtliche
Vertrauensschutz nicht so weit geht, den Begünstigten vor jeder Enttäuschung
seiner Erwartungen in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu bewahren
(so BVerfG, Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82 -, BVerfGE 68, S. 287).
Die Frage, ob hier eine unechte Rückwirkung vorliegt, bedarf indes keiner
abschließenden Entscheidung, denn selbst wenn man - auch in Anlehnung an die
Argumentation des Klägers - der am 01.02.1998 verkündeten Gesetzesänderung
deshalb echte Rückwirkung beimisst, weil der Sachverhalt "Sonderzuwendung
1997" mit dem Anspruch auf Auszahlung derselben mit den Dezemberbezügen
1997 bereits abgeschlossen war, vermag dies der Klage nicht zum Erfolg zu
verhelfen.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 23.03.1971
(2 BvL 168/66 u.a. - BVerfGE 30, S. 367) ausgeführt, dass eine Ausnahme vom
Verbot der echten Rückwirkung dann in Betracht komme, wenn das Vertrauen auf
eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig sei, weil es hierfür keine sachliche
Rechtfertigung gebe. Dies sei dann der Fall, wenn
a) in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz
zurückbezogen wird, mit einer solchen Regelung zu rechnen war;
b) die Rechtslage unklar und verworren oder lückenhaft ist oder in einem Maße
systemwidrig und unbillig ist, dass ernsthafte Zweifel an deren
Verfassungsmäßigkeit bestehen;
c) durch eine sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur
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c) durch eine sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur
ganz unerheblicher Schaden verursacht wird;
d) zwingende Gründe des gemeinen Wohls, die dem Vertrauensschutz vorgehen,
die Rückwirkung rechtfertigen können.
Vorliegend ist eine Ausnahme vom Verbot der echten Rückwirkung nach Maßgabe
der unter c) und d) dargestellten Kriterien zu bejahen.
Zur Überzeugung des Gerichts kann nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden,
dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Kirchensynode am 02.12.1997 eine
sachliche Notwendigkeit für die mit Rückwirkung versehene Gesetzesänderung
bestand. Die Beklagte hat insoweit detailliert und nachvollziehbar dargelegt, dass
im Verlaufe des Jahres 1997 die Kirchensteuereinnahmen deutlich hinter der
entsprechenden Veranschlagung im Haushaltsplan zurückblieben und im
Zusammenhang mit der in der Diskussion befindlichen "großen Steuerreform"
weitere erhebliche Einbußen zu erwarten waren. Als erste Maßnahme war bereits
eine Haushaltssperre verhängt worden; darüber hinaus sah sich die Kirchenleitung
gezwungen, durch Kürzungen auch im Bereich der Personalkosten weiteres
Einsparpotential zu erschließen. Dieser sachlich begründeten Notwendigkeit der
angeordneten Rückwirkung kann seitens des Klägers nicht mit Erfolg
entgegengehalten werden, wegen des internen Finanzausgleichs der
Landeskirchen sei es zu einem Rückfluss von ca. 52 Millionen DM gekommen, so
dass eine Rücklagenfinanzierung entbehrlich geworden sei. Zu bedenken ist
nämlich in diesem Zusammenhang, dass seitens der Beklagten in Bezug auf die
weitere Entwicklung der Finanzlage eine Einschätzungsprärogative besteht, die -
sofern keine handgreifliche Fehlerhaftigkeit vorliegt - weder durch eine
abweichende Bewertung des Gerichts noch eine solche des Klägers ersetzt werden
kann. Entscheidend ist daher, dass jedenfalls während des kirchlichen
Gesetzgebungsverfahrens bis hin zur Beschlussfassung durch die Synode
konkreter Anlass zu der Annahme eines beträchtlichen Haushaltsdefizits bestand
und mögliche Rückflüsse aus dem Finanzausgleich noch nicht mehr als spekulative
Erwartungen darstellten. Wenn die Beklagte sich bei dieser Sachlage dafür
entscheidet, durch eine rückwirkende Kürzung der Sonderzuwendung 1997 weitere
Sparmöglichkeiten auszuschöpfen, um - ungeachtet möglicher Rückflüsse aus
dem Finanzausgleich - sich gleichsam auf der sicheren Seite zu bewegen, so ist
hiergegen unter dem Aspekt der sachlichen Notwendigkeit der Rückwirkung
seitens des Gerichts nichts zu erinnern.
Auch die weitere Voraussetzung für eine Ausnahme von dem grundsätzlichen
Verbot der echten Rückwirkung ist erfüllt, denn dem hierdurch beim Kläger
verursachten Schaden in Gestalt der Minderung seiner Einkünfte fehlt es an der
erforderlichen Erheblichkeit.
Wie oben bereits angesprochen, bewirkt die Kürzung der Sonderzuwendung 1997
eine Minderung des klägerischen Eigentums um 1.638,26 DM, was - bezogen auf
sein Jahresbruttoeinkommen - einem Prozentsatz von 1,59 entspricht. Mit diesem
Betrag ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das durch die Gesetzesänderung
bewirkte Einsparvolumen in Höhe von rund 3,5 Millionen DM in Relation zu setzen;
auch hierdurch wird deutlich, dass jedenfalls bei Anlegung des verfassungsrechtlich
gebotenen strengen Maßstabes nicht von einem durch die rückwirkende
Gesetzesänderung bewirkten erheblichen Schaden gesprochen werden kann.
Die vorstehenden Ausführungen belegen darüber hinaus auch das Vorliegen
zwingender Gründe des Gemeinwohls, die selbst dann, wenn man dem Kläger
schutzwürdiges Vertrauen zubilligen wollte, hier Vorrang verdienen würden und
geeignet wären, das grundsätzliche Verbot der echten Rückwirkung zu
durchbrechen. Wie oben bereits ausgeführt, durfte die Beklagte zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung der Kirchensynode von der Notwendigkeit ausgehen, weitere
Einsparungen in Millionenhöhe auch im Bereich der Personalkosten vornehmen zu
müssen. Diese Bemühungen um eine Haushaltskonsolidierung stellen zwingende
Gründe des Gemeinwohls in Form des berechtigten Interesses aller Mitglieder der
Beklagten an einer möglichst ausgeglichenen Haushaltslage dar, die unter den
gegebenen Umständen Vorrang vor der Wahrung des Vertrauensschutzes des
Klägers verdienen.
Zusammenfassend ist insoweit festzuhalten, dass verfassungsrechtliche
Bedenken in Bezug auf die Zulässigkeit der Rückwirkung - sei es eine unechte oder
eine echte - des die Höhe der Sonderzuwendung reduzierenden
Änderungsgesetzes nicht bestehen.
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Aber auch in inhaltlicher Hinsicht vermag das Gericht Anhaltspunkte für die
Annahme, das Änderungsgesetz verstoße gegen verfassungsrechtliche Vorgaben,
nicht zu erkennen.
Hinsichtlich des hierbei anzuwendenden Prüfungsmaßstabes ist wiederum das
Spannungsverhältnis zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und der
staatlichen Justizgewährungspflicht zu berücksichtigen. Dieses
Selbstbestimmungsrecht und die damit einhergehende Ämterautonomie der
Religionsgemeinschaften enthalten auch die Befugnis, eigenverantwortlich und
grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen zu bestimmen, welche Anforderungen
an die kirchlichen Amtsinhaber zu stellen sind und welche Rechte und Ansprüche
des Einzelnen gegen den Dienstherrn bestehen; hiermit verbunden ist auch die
Regelungskompetenz in Bezug auf die Besoldung, weil sie der finanziellen
Sicherstellung des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses dient (so
zutreffend VG Göttingen, Urteil vom 13.02.2002 - 3 A 3138/99 -, abgedruckt in
NVwZ 2001, S. 953). Die den staatlichen Gerichten in diesem Zusammenhang
mögliche Kontrolle (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urteil vom 28.03.2003
a.a.O.) ist demnach auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die zu beurteilende
Maßnahme gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt, wie sie in dem
allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten
(§ 138 BGB) und dem des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag
gefunden haben (BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83 u.a. -,
BVerfGE 70, S. 138).
Derartige Verstöße sind vorliegend nicht erkennbar.
Inhalt des Änderungsgesetzes ist eine lineare Kürzung des Grundbetrages der
Sonderzuwendung um 25%, so dass bereits von daher eine mögliche Verletzung
des Gleichheitssatzes ausscheidet. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang
darauf hinweist, Beamte bis zur Besoldungsgruppe A 11 seien von der Kürzung
ausgenommen worden, vermag dies einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz
bereits deshalb nicht zu begründen, weil eine dahingehende Differenzierung im
Änderungsgesetz nicht vorgesehen ist. Ob die Beklagte aus fürsorgerischen
Erwägungen durch rein faktisches Handeln bestimmte Besoldungsgruppen von der
Kürzung der Sonderzuwendung ausgenommen hat respektive ausnehmen durfte,
mag hier mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt bleiben, weil der
Kläger jedenfalls keinen subjektiven Anspruch darauf hat, abweichend von der
Gesetzeslage begünstigt zu werden.
Insoweit ist auch keine andere Beurteilung mit Blick auf die Verhaltensweise des
Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt am Main geboten, denn es ist nichts
dafür erkennbar, dass im Verantwortungsbereich der Beklagten gleichartige
Sachverhalte normativ unterschiedlich geregelt würden. Ohne Frage gilt das
Sonderzuwendungsgesetz in seiner geänderten Fassung auch für die bei jenem
Regionalverband Beschäftigten. Wenn die Umsetzung des Gesetzes im Jahr 1997
dort infolge kassentechnischer Fehlleistungen unterblieben ist, mag dies
verständlicherweise bei dem Kläger zu Unmut führen; die Verfassungsmäßigkeit
der gesetzlichen Regelung wird hierdurch jedoch nicht in Frage gestellt.
Fehl geht auch der Hinweis des Klägers, es liege ein Verstoß gegen den von ihm so
genannten "beamtenrechtlichen Solidaritätsgedanken" vor, weil lediglich Beamte
der Beklagten, nicht jedoch auch deren Angestellte, betroffen seien. Hierbei
verkennt der Kläger, dass es sich bei den beamtenrechtlichen Dienstverhältnissen
und denjenigen der Angestellten um zwei gänzlich unterschiedliche Systeme
handelt, denen es in vielerlei Hinsicht an einer Vergleichbarkeit mangelt, so dass
es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erheblich sein kann, wie die
tarifvertragliche Regelung der Sonderzuwendung für Angestellte bei der Beklagten
ausgestaltet ist.
Schließlich kann der Kläger seinen Zahlungsanspruch auch nicht auf die Erwägung
stützen, dem geänderten Sonderzuwendungsgesetz fehle es angesichts der von
der Beklagten praktizierten Handhabung an der erforderlichen inneren
Wirksamkeit. Allerdings fällt auf, dass nach dem eigenen Vortrag der Beklagten
keine Rückforderung der an die Bediensteten des Regionalverbandes erfolgten
Überzahlungen stattfand, obwohl dies nach den einschlägigen gesetzlichen
Bestimmungen (vgl. §§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 30 Abs. 2 Pfarrerbesoldungsgesetz, § 1
Kirchenbeamtenbesoldungsgesetz in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr. 2 BBesG, § 26
Abs. 2 Kirchenbeamtenbesoldungsgesetz) möglich gewesen wäre, und darüber
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Abs. 2 Kirchenbeamtenbesoldungsgesetz) möglich gewesen wäre, und darüber
hinaus nach 1997 bis heute die Sonderzuwendung wieder in Höhe von 100% der
für den Monat Dezember maßgebenden Bezüge gewährt wird, ohne dass das
Sonderzuwendungsgesetz entsprechend geändert worden wäre. Das Gericht
verhehlt nicht, dass dieses Verhalten bezüglich der inneren Wirksamkeit des
Änderungsgesetzes als jedenfalls grenzwertig und schwer nachvollziehbar
bezeichnet werden muss, weil hier Bezüge gewährt bzw. belassen werden, obwohl
dies in offenkundigem Widerspruch zur Gesetzeslage steht (vgl. in diesem
Zusammenhang auch § 8 Abs. 1 Kirchenbeamtenbesoldungsgesetz, § 19 Abs. 1
Pfarrerbesoldungsgesetz). Bei der rechtlichen Würdigung einer solchen
Verhaltensweise kann aber wiederum die oben beschriebene Verpflichtung der
staatlichen Gerichte, wegen des verfassungsrechtlich gewährleisteten
Selbstbestimmungsrechts der Kirchen Rücksichtnahme gegenüber dem
kirchlichen Selbstverständnis zu üben, nicht unberücksichtigt bleiben. So mag es
zwar im Bereich der nichtkirchlichen Dienstherren und ihrer Beamten nach den
dort anzuwendenden Grundsätzen kaum nachvollziehbar erscheinen, dass in
breitem Rahmen auf die Rückforderung festgestellter Überzahlungen verzichtet
und darüber hinaus seit 1998 jährlich Sonderzuwendungen in Höhe von jeweils
über 3,5 Millionen DM geleistet werden, ohne dass hierfür eine Rechtsgrundlage
besteht. Wenn dies jedoch im kirchlichen Bereich stattfindet und augenscheinlich -
da eine nachhaltige Verbesserung der Vermögenslage der Beklagten in den
letzten Jahren wohl kaum eingetreten sein dürfte - der Vermeidung weiterer
Auseinandersetzungen mit den Bediensteten dient, so stellt sich dies selbst in
Bezug auf den Kläger dieses Verfahrens, dem der angebotene Abschluss eines
Vergleichs, der zu einer Belastung der Beklagten in Höhe von 209,41 EUR geführt
hätte, versagt wird mit der Begründung, er seinerseits habe sich im Vorfeld des
Verfahrens nicht vergleichsbereit gezeigt, letztlich als Ausformung des kirchlichen
Selbstverständnisses dar, das einer rechtlichen Bewertung durch die weltlichen
Gerichte entzogen ist.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§
154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht
auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Sonstiger Langtext
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung
der Berufung beantragt werden. Über die Zulassung der Berufung entscheidet der
Hessische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof muss sich jeder Beteiligte, soweit er
einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer
deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung
zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den
Antrag auf Zulassung der Berufung.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch
Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im
höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit
Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen
kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören,
vertreten lassen.
In Abgabenangelegenheiten sind vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als
Prozessbevollmächtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen.
In Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts
sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des
Sozialhilferechts sind vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als
Prozessbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Verbänden im Sinne
des § 14 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes und von Gewerkschaften
zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt
sind.
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In Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4
Verwaltungsgerichtsordnung betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten
und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen
oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des
Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind vor
dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof als Prozessbevollmächtigte auch
Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften zugelassen, sofern sie kraft
Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind.
Die beiden vorstehenden Absätze gelten entsprechend für Bevollmächtigte, die als
Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen
Eigentum einer der in den beiden vorstehenden Absätzen genannten
Organisationen stehen, handeln, wenn die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die
Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Berufung ist nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten
aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender
Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung
beruhen kann.
Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt, Havelstraße 7, 64295
Darmstadt (Postanschrift: Postfach 11 14 50, 64229 Darmstadt) zu stellen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe
darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem
Verwaltungsgericht Darmstadt einzureichen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 837,62EUR festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen die Festsetzung des Streitwertes kann Beschwerde eingelegt werden, wenn
der Wert des Beschwerdegegenstandes 50,00 EUR übersteigt.
Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt, Havelstraße 7, 64295
Darmstadt (Postanschrift: Postfach 11 14 50, 64229 Darmstadt) schriftlich oder
zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Sie ist nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der
Hauptsache Rechtskraft erlangt hat oder das Verfahren sich anderweitig erledigt
hat, zulässig.
Soweit der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt
wird, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Streitwertfestsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist
beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingeht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.