Urteil des VG Darmstadt vom 14.03.2008

VG Darmstadt: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, kosmetik, öffentliches interesse, vollziehung, stadt, verwaltungsakt, vollzug, hauptsache, schule

1
2
Gericht:
VG Darmstadt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 L 172/08.DA
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 166 Abs 1 SchulG HE 2005, §
166 Abs 2 SchulG HE 2005, §
167 Abs 1 SchulG HE 2005, §
167 Abs 2 SchulG HE 2005, §
167 Abs 3 SchulG HE 2005
Untersagung der Fortführung einer Berufsfachschule für
Kosmetik; falscher Adressat
Leitsatz
Einzelfall, in dem die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die
Untersagung, eine Berufsfachschule für Kosmetik fortzuführen, angeordnet wurde, weil
die Untersagungsverfügung an den falschen Adressaten gerichtet war.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 04.02.2008
gegen den Bescheid des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Darmstadt-
Dieburg und die Stadt Darmstadt vom 30.01.2008 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
vom 04.02.2008 gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 30.01.2008
verfügte Untersagung, die Berufsfachschule für Kosmetik in A-Stadt als staatlich
anerkannte Ergänzungsschule fortzuführen, ist zulässig, insbesondere nach § 80
Abs. 5 VwGO statthaft. Der Widerspruch der Antragstellerin entfaltet wegen des
angeordneten Sofortvollzugs keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.
4 VwGO. Einem zulässigen Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist dann zu
entsprechen, wenn eine Abwägung der Interessen eines Antragstellers an einer
Aussetzung der Vollziehung einerseits und des öffentlichen Interesses an dem
Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes andererseits unter Berücksichtigung
der Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs ergibt, dass dem Interesse
des Antragstellers, von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, der Vorrang
gebührt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich der von ihm angefochtene
Verwaltungsakt schon nach der - im Eilverfahren allein möglichen - summarischen
Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig darstellt, da an
der Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte von vornherein kein öffentliches
Interesse bestehen kann. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage ist aber dann abzulehnen, wenn die
überschlägige tatsächliche und rechtliche Prüfung ergibt, dass keine
überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen, weil der
beanstandete Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig und sein Vollzug
eilbedürftig erscheint. Ergibt eine summarische tatsächliche und rechtliche
Prüfung, dass der angefochtene Verwaltungsakt weder offensichtlich rechtmäßig
noch offensichtlich rechtswidrig ist, ist unter Abwägung der gegenseitigen Belange
und unter Beachtung des sich abzeichnenden Verfahrensausganges in der
Hauptsache darüber zu befinden, welchem der sich gegenüberstehenden
Interessen im Einzelfall das größere Gewicht beizumessen ist.
Nach Auffassung der Kammer hat der Antrag der Antragstellerin deshalb Erfolg,
weil sie zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides nicht mehr
3
4
5
6
weil sie zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides nicht mehr
Inhaberin der Berufsfachschule für Kosmetik in A-Stadt war und somit nicht mehr
als verantwortliche Schulträgerin in Anspruch genommen werden kann.
Bei der Berufsfachschule für Kosmetik in A-Stadt handelt ist sich um eine staatlich
anerkannte Ergänzungsschule nach §§ 166 Abs. 1, 176 Abs. 1 HSchG.
Ergänzungsschulen als Schulen in freier Trägerschaft können von natürlichen und
juristischen Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts errichtet und
betrieben werden (§ 166 Abs. 2 HSchG). Im vorliegenden Fall war die
Antragstellerin als natürliche Person zum Zeitpunkt der Untersagungsverfügung
am 30.01.2008 nicht mehr Schulträgerin, nachdem die Berufsfachschule für
Kosmetik ab dem 07.08.2007 aufgrund notariellen Vertrages auf Herrn D.
übergegangen war. Dies war dem Antragsgegner auch mit Schreiben vom
15.11.2007 mitgeteilt worden. Zwar war die Antragstellerin vorübergehend als
Schulleiterin eingesetzt, jedoch obliegt die (gesamte) Schulgestaltung,
insbesondere die Festlegung der Lehr- und Unterrichtsinhalte und die Organisation
des Unterrichts der Schulen in freier Trägerschaft, den Trägern dieser Schule (§
167 Abs. 1 HSchG). Daraus folgt, dass die Aufgaben, die eine Schulleiterin oder ein
Schulleiter wahrnimmt, der Aufsicht des Trägers der Schule unterliegen. Adressat
einer Aufsichtsmaßnahme nach § 167 Abs. 3, Abs. 2 in Verbindung mit § 175 Abs.
2 HSchG kann daher allein nur der Schulträger sein. Zwar kann nach § 175 Abs. 3
HSchG unter anderem die Fortführung einer Ergänzungsschule untersagt werden,
um Schäden oder Gefahren abzuwenden, die durch Mängel im Charakter oder in
den Fähigkeiten des Unterhaltsträgers, der Schulleiterin oder des Schulleiters
drohen. Verantwortlich dafür, derartige Mängel abzustellen, ist aber allein der
Schulträger. Dies war - wie ausgeführt - zum Zeitpunkt des Erlasses der
Untersagungsverfügung am 30.01.2008 aber nicht mehr die Antragstellerin.
Da sich der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.01.2008 als offensichtlich
rechtswidrig erweist, weil er gegen den falschen Adressaten gerichtet ist, kann im
Hinblick auf die Antragstellerin dahinstehen, ob die Fortführung der
Berufsfachschule für Kosmetik zu Recht untersagt wurde.
Ohne dass es vorliegend darauf ankäme, weist die Kammer darauf hin, dass bei
allein summarischer Prüfung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sich
der Bescheid vom 30.01.2000 materiellrechtlich als rechtmäßig erweist und auch
der Sofortvollzug Bestand haben kann. Nach dem Vortrag der Antragstellerin und
wie sich auch aus den vorgelegten Behördenakten des Antragsgegners ergibt, hat
die Berufsfachschule für Kosmetik zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
keine Schulleitung. Denn nachdem die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als
kommissarische Schulleiterin durch Frau E. abgelöst worden war und Letztere am
31.01.2008 ebenfalls die Schulleitung niedergelegt hat (Bl. 138 der
Behördenakten), ist davon auszugehen, dass die Berufsfachschule augenblicklich
ohne Schulleiterin ist. Hinzu kommt auch, dass die Anträge auf
Unterrichtserlaubnis für den derzeitigen Inhaber und Schulträger, Herrn D., für die
Lehrkräfte Frau F., Frau G. und Frau H. bisher nicht positiv beschieden sind. Ein
ordnungsgemäßer Schulbetrieb setzt aber voraus, dass nur Lehrkräfte beschäftigt
werden, denen eine Unterrichtserlaubnis erteilt worden ist. Diese Umstände allein
rechtfertigen es nach Auffassung der Kammer, den Schulbetrieb zu untersagen.
Der Antragsgegner hat den Sofortvollzug im Bescheid vom 30.01.2008
hinreichend und nachvollziehbar damit begründet, er liege im überwiegenden
öffentlichen Interesse (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO), und hat dafür schriftlich Gründe
dargelegt, die über die Begründung der Untersagung selbst hinausgehen.
Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des
besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige
Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche
Interesse das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung
zurücktreten muss (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 84 f.; Hess. VGH,
Beschl. v. 12.01.2006 - 7 TG 2858/05 -). Diesen Anforderungen genügt die
Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem
Widerspruchsbescheid vom 18.07.2007. Der Bescheid enthält nicht nur eine
formelhafte Begründung, sondern legt in konkreter Weise dar, weshalb nach
Auffassung des Antragsgegners die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse
anzuordnen war: Der Antragsgegner führt zu Recht aus, dass im Hinblick auf den
Ausbildungsanspruch der Schülerinnen und Schüler gemäß Artikel 56 der
Verfassung des Landes Hessen und im Interesse eines geordneten Schulbetriebs
nicht zu vertreten sei, einer staatlich anerkannten Ergänzungsschule, die nicht in
der Lage ist, einen ordnungsgemäßen und erfolgreichen Unterricht zu erteilen,
7
der Lage ist, einen ordnungsgemäßen und erfolgreichen Unterricht zu erteilen,
auch nur vorübergehend im Rahmen von Verfahren zur Einlegung von
Rechtsmitteln zu gestatten, den Schulbetrieb weiterzuführen. Die Begründung der
Anordnung der sofortigen Vollziehung enthält somit Gesichtspunkte, die nicht den
Erlass des Verwaltungsaktes als solchen rechtfertigen, sondern die Anordnung der
sofortigen Vollziehung betreffen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er unterlegen ist
(§ 154 Abs. 1 VwGO).Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3, 52
GKG. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer ist bei Verfahren auf
vorläufigen Rechtsschutz der halbe Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG)
festzusetzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.