Urteil des VG Darmstadt vom 07.08.2008

VG Darmstadt: öffentliche bekanntmachung, treu und glauben, stadt, aufschiebende wirkung, fraktion, tagesordnung, abstimmung, verordnung, magistrat, handlungsfähigkeit

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Gericht:
VG Darmstadt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 E 1009/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 63 Abs 1 S 1 HGO, § 55 Abs
6 HGO
Kommunalrecht
Leitsatz
Hat der Bürgermeister gegen den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung über
die Vorlage der Stadtverordnetenvorsteherin über die Zurückweisung des Widerspruchs
eines Stadtverordneten gegen die Gültigkeit der Wahl eines hauptamtlichen
Beigeordneten gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 HGO Widerspruch eingelegt, hat die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gemäß § 63 Abs. 1 Satz 4 HGO ein
umfassendes Verwirklichungsverbot zur Folge, so dass die
Stadtverordnetenversammlung gehindert ist, den Widerspruch des Stadtverordneten
gemäß § 55 Abs. 6 Satz 2 HGO zu bescheiden.
Hat die Stadtverordnetenversammlung die Beschlussvorlage der
Stadtverordnetenvorsteherin über die Zurückweisung des Widerspruchs eines
Stadtverordneten gegen die Gültigkeit der Wahl eines hauptamtlichen Beigeordneten
abgelehnt und keine Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl getroffen, fehlt es an
einer das Wahlprüfungsverfahren abschließenden Entscheidung der
Stadtverordnetenversammlung im Sinne von § 55 Abs. 6 Satz 2 HGO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben, hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Beanstandungsverfügung
des Beklagten.
Die Klägerin trat nach der Kommunalwahl 2006 zu ihrer ersten Sitzung am
26.04.2006 zusammen. Unter Tagesordnungspunkt 1 beschloss sie, die
Tagesordnungspunkte 5 und 6 von der Tagesordnung abzusetzen. Unter diesen
hatten die vier stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher gewählt und die
Reihenfolge der Stellvertretung beschlossen werden sollen. Danach wählte die
Klägerin unter Tagesordnungspunkt 4 in offener Abstimmung eine
Stadtverordnetenvorsteherin.
In der folgenden Sitzung am 15.05.2006 beschloss die Klägerin unter
Tagesordnungspunkt 1 erneut, die Wahl der stellvertretenden
Stadtverordnetenvorsteher, die unter Tagesordnungspunkt 7 vorgesehen war,
abzusetzen.
Am 12.06.2006 stand unter Tagesordnungspunkt 5 der Sitzung der Klägerin die
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Am 12.06.2006 stand unter Tagesordnungspunkt 5 der Sitzung der Klägerin die
Wahl der/des hauptamtlichen Ersten Stadträtin/Stadtrates an. Zeit, Ort und
Tagesordnung der Sitzung der Klägerin vom 12.06.2006 wurden vom 07.06.2006
bis 14.06.2006 in den fünf städtischen Bekanntmachungstafeln öffentlich
ausgehängt, von denen sich jeweils einer in einem der fünf Stadtteile befindet.
In der Sitzung am 12.06.2006 wählte die Klägerin die Beigeladene D. mit 23 gegen
22 Stimmen erneut zur hauptamtlichen Ersten Stadträtin der Stadt Rodgau. Die
Beigeladene D. nahm die Wahl an und wurde unmittelbar anschließend in das Amt
eingeführt, ernannt, verpflichtet und vereidigt. In derselben Sitzung wählte die
Klägerin dann nach erfolgter Wahl der Beigeladenen D. unter Tagesordnungspunkt
8 die vier Stellvertreter der Stadtverordnetenvorsteherin und unter
Tagesordnungspunkt 11 die sechs ehrenamtlichen Magistratsmitglieder, die dann
unter Tagesordnungspunkt 12 in ihr Amt eingeführt, verpflichtet, ernannt und
vereidigt wurden.
Mit Schreiben vom 05.07.2006, am selben Tag bei der
Stadtverordnetenvorsteherin eingegangen, legte der Beigeladene F. aus der
Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Widerspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der
Beigeladenen D. ein und beantragte, die Ungültigkeit der Wahl festzustellen. Die
Wahl sei rechtswidrig gewesen, da sie vollzogen worden sei, bevor die Klägerin ihre
nach § 57 Abs. 1 HGO obligatorische Konstituierung durch Wahl auch der
Stellvertreter der Stadtverordnetenvorsteherin abgeschlossen habe. Die Wahl der
hauptamtlichen Ersten Stadträtin habe korrekt nach der Gremienbesetzung für die
nächste Legislaturperiode – inklusive Magistrat – erfolgen müssen. Zu diesem
Zeitpunkt wäre auch die Zusammensetzung der Klägerin eine andere gewesen.
Das Schreiben trägt im Briefkopf oben rechts ein Logo mit der Inschrift Bündnis
90/DIE GRÜNEN. Darunter befindet sich der Name des Beigeladenen F., die
Adresse des Rathauses sowie die Telefon- und Telefaxnummer des
Fraktionszimmers. Das Schreiben beginnt nach der Anrede mit den Worten: „die
UnterzeichnerInnen legen bei Ihnen … Widerspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
der hauptamtlichen Ersten Stadträtin … ein … .“ Es trägt die Unterschrift des
Beigeladenen F. und darunter den Zusatz „ F.“.
In der Sitzung der Klägerin vom 04.12.2006 brachte die
Stadtverordnetenvorsteherin eine Beschlussvorlage zur Zurückweisung des
Widerspruchs ein. In der Begründung zu dem Beschlussvorschlag führt die
Stadtverordnetenvorsteherin aus, der Widerspruch sei unzulässig, da er von der
Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN eingelegt worden sei. Fraktionen stehe jedoch
ein Widerspruchsrecht gegen die Gültigkeit von Wahlen nicht zu. Der Widerspruch
sei auch unbegründet, denn die Wahl vom 12.06.2006 sei rechtlich nicht zu
beanstanden.
Während der Beratung und Beschlussfassung der Klägerin über diesen
Beschlussvorschlag verließ der Bruder der Beigeladenen D., der Stadtverordnete
Z. D., zunächst den Sitzungssaal, kehrte dann vor der Abstimmung in den
Sitzungssaal zurück, nahm an einem Teil der Beratung teil und beteiligte sich im
Anschluss an der Abstimmung, bei welcher der Beschlussvorschlag der
Stadtverordnetenvorsteherin mit 22 gegen 23 Stimmen abgelehnt wurde.
Gegen diesen Beschluss legte der Bürgermeister der Stadt Rodgau mit Schreiben
vom 17.12.2006, der Stadtverordnetenvorsteherin ausgehändigt am selben Tag,
Widerspruch gemäß § 63 Abs. 1 HGO ein. Der Beschluss sei rechtswidrig, da die
Beschlussfassung nach Beratung in Anwesenheit des Stadtverordneten Z. D.
erfolgt sei. Als Bruder der von dem Beschluss betroffenen Beigeladenen D. seien
bei ihm die Aspekte der Interessenkollision und Befangenheit zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 18.12.2006 erließ die Stadtverordnetenvorsteherin einen
Widerspruchs- bzw. Abhilfebescheid gemäß § 73 VwGO, den der Beigeladene F.,
alle übrigen Mitglieder der Klägerin sowie die Beigeladene D. erhielten. Darin heißt
es, die Klägerin habe in ihrer Sitzung vom 04.12.2006 der Zurückweisung des
Widerspruchs des Beigeladenen F. mehrheitlich nicht zugestimmt und damit
seinem Widerspruch abgeholfen. Der Widerspruchs- bzw. Abhilfebescheid ergehe
zu diesem Zeitpunkt vorsorglich aufgrund der ausschließlichen Verweisung in § 55
Abs. 6 HGO auf die Vorschriften der VwGO, obwohl die Widerspruchsfristen gemäß
§ 63 HGO noch nicht abgelaufen seien und ein Widerspruch von Bürgermeister
oder Magistrat gegen den Beschluss der Klägerin aufschiebende Wirkung habe.
Am 12.02.2007 befasste sich die Klägerin aufgrund des von Seiten des
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Am 12.02.2007 befasste sich die Klägerin aufgrund des von Seiten des
Bürgermeisters eingelegten Widerspruchs erneut mit dem Wahlwiderspruch des
Beigeladenen F.. Dabei wiederholte sie die Beschlussfassung über den
Beschlussvorschlag der Stadtverordnetenvorsteherin. Diesmal lehnte die Klägerin
unter Tagesordnungspunkt 6 den Beschlussvorschlag mit 21 gegen 23 Stimmen
ab. Der Stadtverordnete Z. D. wirkte bei dieser Abstimmung mit, hatte jedoch
während der vorangegangenen Beratung den Sitzungssaal verlassen.
Mit Schreiben an die Klägerin vom 22.02.2007, der Stadtverordnetenvorsteherin
am selben Tag ausgehändigt, beanstandete der Beklagte den unter
Tagesordnungspunkt 6 gefassten Beschluss der Klägerin vom 12.02.2007, denn er
verletze das Recht, da der Widerspruch des Beilgeladenen F. sowohl unzulässig als
auch unbegründet gewesen sei.
Die Klägerin hat am 15.06.2007 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die
Beanstandungsverfügung vom 22.02.2007 sei rechtswidrig. Der beanstandete
Beschluss der Klägerin verletze nicht das Recht. Der Wahlwiderspruch des
Beigeladenen F. sei zulässig. Es handele sich um den Widerspruch des
Stadtverordneten F. und nicht um einen Widerspruch der Fraktion von Bündnis
90/DIE GRÜNEN. Der Wahlwiderspruch sei auch begründet, da die Wahl der
Beigeladenen D. ungültig gewesen sei. Es liege ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 Satz
1 HGO vor, denn die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Wahl der Beigeladenen D. zur
Ersten Stadträtin nicht ordnungsgemäß konstituiert und damit gehindert gewesen,
gültige Wahlen vorzunehmen. Für die Handlungsfähigkeit der Klägerin sei die
Besetzung der Stellvertreterpositionen der Stadtverordnetenvorsteherin
erforderlich. Weiterhin seien Zeit, Ort und Tagesordnung der Sitzung der Klägerin
vom 12.06.2006 nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Darüber hinaus
sei die Teilnahme des Stadtverordneten D. bei der Beschlussfassung in der
Sitzung am 12.02.2007 nicht zu beanstanden, denn das Mitwirkungsverbot bei
Interessenkollision gelte für die Abstimmung über den Wahlwiderspruch ebenso
wenig wie für die Stimmabgabe bei der Wahl.
Die Klägerin beantragt,
die Beanstandungsverfügung des Magistrats der Stadt Rodgau vom
22.02.2007 gegen den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom
12.02.2007 zu Tagesordnungspunkt 6 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, die Beanstandungsverfügung sei rechtmäßig und
verletze die Klägerin nicht in ihren organschaftlichen Rechten. Die Wiederwahl der
Beigeladenen D. sei gültig und der Widerspruch hiergegen zurückzuweisen. Der
Widerspruch sei bereits unzulässig, da das Widerspruchsrecht nach § 55 Abs. 6
Satz 1 HGO nur einzelnen Gemeindevertretern zustehe, nicht aber Fraktionen. Der
Beigeladene F. habe aber den Widerspruch gerade in seiner Eigenschaft als
Fraktionsvorsitzender und im Namen seiner Fraktion eingelegt. Der Widerspruch
sei auch unbegründet, da die Klägerin mit der Wahl der
Stadtverordnetenvorsteherin am 26.04.2006 ordnungsgemäß konstituiert
gewesen sei. Damit habe auch die Wiederwahl der Beigeladenen D. erfolgen
können. Die Sitzung der Klägerin vom 12.06.2006 sei auch ordnungsgemäß
bekannt gemacht worden. Darüber hinaus verstoße es gegen Treu und Glauben,
wenn die Klägerin einwende, dass die Sitzung nicht ordnungsgemäß bekannt
gemacht worden sei, da die ordnungsgemäße Bekanntmachung nach § 7 der
Hauptsatzung der Stadt Rodgau allein in den Verantwortungsbereich der Klägerin
und ihres Vorsitzes falle. Daher habe auch nur sie für Bekanntmachungsfehler
einzustehen. Die Einwendungen gegen die Bekanntmachungsform seien auch
deswegen unzulässig, weil sie nicht im Wahlwiderspruch erhoben worden seien.
Darüber hinaus sei die öffentliche Bekanntmachung auch nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf den Inhalt der Gerichtsakten 3 E
72/07 (3) und 3 E 73/07 (3) sowie auf den Inhalt der in dem Verfahren 3 E 72/07 (3)
vorgelegten Behördenakte der Klägerin (1 Ordner).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, da die Beanstandung eines
Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung durch den Bürgermeister bzw.
den Magistrat nach ständiger Rechtsprechung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofes einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 des
Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) darstellt (vgl. VGH Kassel,
Urteil vom 10. Dezember 1974 - II OE 36/74 - HessVGRspr. 1976, 1; Beschluss
vom 23. Dezember 1988 - 6 TG 3682/88 -, BWVPr 1989, 256; Beschluss vom
23.11.1995 - 6 TG 3539/95 -, NVwZ-RR 1996, 409). Die Beanstandung erfüllt die
Merkmale des in § 35 Satz 1 HVwVfG geregelten Begriffs des Verwaltungsaktes.
Sie ist eine hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines
Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft. Die Maßnahme ist auch
auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Es trifft zwar zu, dass es im
Fall der Beanstandung eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung nicht
um das Außenrechtsverhältnis geht, das bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
zwischen Gemeinde und Bürger besteht, sondern dass zwei Gemeindeorgane
miteinander streiten. Auch sie können jedoch in einem Außenrechtsverhältnis
zueinander stehen, wenn sie als selbständige Träger von Rechten und Pflichten
betroffen sind. Dies ist der Fall, wenn der Beschluss einer
Stadtverordnetenversammlung durch den Magistrat oder den Bürgermeister
beanstandet wird (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 23.11.1995, a.a.O.). Das
Gesetz geht selbst davon aus, dass die Beanstandung ein Verwaltungsakt ist, da
andernfalls die Regelung des § 63 Abs. 2 Satz 4 HGO leer liefe. Diese verweist
insoweit auf die Verwaltungsgerichtsordnung, mit der Maßgabe, dass ein
Vorverfahren nicht stattfindet. Ein Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO findet aber
nur dann statt, wenn Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt eingelegt wird.
Dass der hessische Landesgesetzgeber im Beanstandungsverfahren von einem
Außenrechtsverhältnis ausgeht, folgt auch aus § 63 Abs. 4 Satz 3 HGO. Danach
haben die Gemeindevertretung und der Gemeindevorstand im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Stellung von Verfahrensbeteiligten. Die
Stellung von Verfahrensbeteiligten ist im Regelfall daran geknüpft, dass der
jeweilige Beteiligte Träger eigener Rechte und Pflichten ist (vgl. VGH Kassel,
Beschluss vom 23.11.1995, a.a.O.).
Die Klage ist auch fristgemäß eingelegt worden. Da die Beanstandungsverfügung
des Beklagten keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, konnte die Klägerin gemäß §§
74 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO innerhalb eines Jahres seit Zustellung der
Beanstandungsverfügung Klage erheben. Ausweislich der Empfangsbestätigung
der Stadtverordnetenvorsteherin (vgl. Bl. 43 der Gerichtsakte) hat diese die
Beanstandung des Beklagten am 22.02.2007 entgegengenommen. Die
Klageerhebung erfolgte am 14.06.2007 und damit innerhalb der Jahresfrist.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Beanstandungsverfügung des
Beklagten vom 22.02.2007. Die Beanstandungsverfügung gemäß § 63 Abs. 4 Satz
1 HGO ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Organrechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO), da der beanstandete Beschluss der Klägerin vom
12.02.2007 zu Tagesordnungspunkt 6, in dem sie die Beschlussvorlage der
Stadtverordnetenvorsteherin zur Zurückweisung des Wahlwiderspruchs des
Beigeladenen F. mehrheitlich abgelehnt hatte, rechtswidrig ist. Denn der
Wahlwiderspruch des Beigeladenen F. ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Der Widerspruch des Beigeladenen F. ist gemäß § 55 Abs. 6 Satz 1 HGO zulässig.
Gemäß § 55 Abs. 6 HGO kann gegen die Gültigkeit von Wahlen, die von der
Gemeindevertretung nach den vorstehenden Vorschriften durchgeführt werden,
jeder Gemeindevertreter innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des
Wahlergebnisses schriftlich oder zur Niederschrift bei dem Vorsitzenden der
Gemeindevertretung Widerspruch erheben. Diese Voraussetzungen liegen hier
vor. Der Beigeladene F. hat den Widerspruch auch in seiner Eigenschaft als
Stadtverordneter und nicht als Fraktionsvorsitzender der Fraktion Bündnis 90/DIE
GRÜNEN eingelegt. Der Wahlwiderspruch ist für einen objektiven Betrachter nicht
als Widerspruch der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN zu verstehen, sondern als
persönlicher Wahlwiderspruch des Stadtverordneten F..
Zwar enthält das vom Beigeladenen F. verwendete Briefpapier im Kopf das Logo
der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Dies allein führt jedoch nicht zu der Annahme,
dass der Widerspruch für die Fraktion eingelegt wurde, welcher der Beigeladene F.
angehört. Anders wäre es nur dann zu beurteilen, wenn sich im Anschluss an das
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angehört. Anders wäre es nur dann zu beurteilen, wenn sich im Anschluss an das
Logo der Partei noch ein Hinweis auf die Funktion des Beigeladenen F. als
Fraktionsvorsitzender gefunden hätte. Dies war hier gerade nicht der Fall.
Stattdessen befindet sich im Briefkopf nur der Name des Beigeladenen F. ohne
einen Hinweis auf seine Tätigkeiten als Fraktionsvorsitzender. Dass der
Beigeladene F. im Briefkopf dann im Anschluss an seinen Namen die Adresse des
Rathauses sowie die Telefon- bzw. Telefaxnummer des Fraktionszimmers angab,
führt auch zu keiner anderen Betrachtungsweise. Dies signalisiert in keiner Weise
eine Fraktionsfunktion. Der Beigeladene F. verfügt als Stadtverordneter im
Rathaus über ein internes Postfach, über welches die form- und fristgebundene
Kommunikation der Stadtverwaltung mit den Organmitgliedern abgewickelt wird.
Die Mitglieder der Fraktion können als Stadtverordnete auch die im
Fraktionszimmer vorhandenen Telekommunikationsgeräte in mit der Ausübung
ihres Mandats zusammenhängenden Angelegenheiten nutzen.
Weiterhin enthalten die Schreiben des Beigeladenen F. üblicherweise im Briefkopf
den Zusatz „Stadtfraktion“ und unter seiner Unterschrift befindet sich der weitere
Zusatz „Fraktionsvorsitzender“, wenn er als Vorsitzender für seine Fraktion tätig
wird. Dies ergibt sich auch aus den beispielhaft vorgelegten Schreiben, die der
Beigeladene F. in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender verfasst hat (vgl. Bl. 92
ff. der Gerichtsakte des Verfahrens 3 E 72/07 (3)). Dort erscheinen im Briefkopf
oben rechts unter dem Logo der Partei der Zusatz „Stadtfraktion“ und am Ende
der Schreiben unter der Unterschrift der Zusatz „Fraktionsvorsitzender“. Dies war
auch sämtlichen Beteiligten bekannt.
Dem steht nicht entgegen, dass der erste Satz des Widerspruchsschreibens von
einer Mehrzahl von Widerspruchsführern spricht („… die UnterzeichnerInnen legen
… Widerspruch ein …“). Dies erklärt sich nachvollziehbar dadurch, dass die vier
Mitglieder der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN ursprünglich beabsichtigten,
gemeinsam zu widersprechen und das Widerspruchsschreiben durch sämtliche
Fraktionsmitglieder unterzeichnen zu lassen. Da diese aber wussten, dass das
Widerspruchsrecht nach § 55 Abs. 6 HGO nur den einzelnen Mitgliedern der
Vertretungskörperschaft zusteht, nicht aber einer Fraktion, befürchteten sie, dass
dieses Schreiben als Widerspruch der Fraktion missdeutet werden könnte.
Deswegen entschlossen sie sich, auf die Unterschriften der weiteren drei
Fraktionsmitglieder zu verzichten und den Widerspruch allein durch den
Beigeladenen F. im eigenen Namen als Stadtverordneter einlegen zu lassen. In
diesem Zuge ist eine Umformulierung des auf dem PC gespeicherten Entwurfes
für das Widerspruchsschreiben von Mehrzahl auf Einzahl unterblieben.
Dementsprechend ist das Widerspruchsschreiben auch nur von dem Beigeladenen
F. unterschrieben worden. Dabei erfolgte die Unterschrift ohne jeglichen Zusatz
auf die Position des Beigeladenen F. als Fraktionsvorsitzender. Insgesamt ist an
keiner Stelle des Schreibens erkennbar, dass der Widerspruch von der Fraktion
eingelegt worden ist.
Im Übrigen wird auch nicht die Verletzung fraktionsspezifischer Rechte geltend
gemacht. In der Begründung des Widerspruchs stellt der Beigeladene F. darauf ab,
dass die Wahl der hauptamtlichen Ersten Stadträtin ungültig gewesen sei, da die
Stadtverordnetenversammlung nicht ordnungsgemäß konstituiert gewesen sei.
Auch die weitere Begründung, dass die Wahl der ersten Stadträtin korrekt nach der
Gremienbesetzung für die nächste Legislaturperiode – inklusive Magistrat – hätte
erfolgen müssen, stellt nicht auf die Verletzung fraktionsspezifischer Rechte ab,
sondern, wie sich auch aus dem Folgesatz im Widerspruchsschreiben ergibt, auf
eine andere Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung. Das
Argument zielt nicht darauf ab, dass die Fraktion erst die Postenverteilung
zwischen den Fraktionen im Präsidium der Klägerin, in den Ausschüssen und im
Magistrat abwarten wollte. Es ging dem Beigeladenen F. vielmehr um die
Zusammensetzung der Klägerin und damit um seine Rechte als Stadtverordneter.
Denn eine andere Zusammensetzung der Klägerin hätte unter Umständen zu
einem anderen Wahlausgang führen können.
Der Widerspruch des Beigeladenen F. ist jedoch unbegründet, da die Wahl der
Beigeladenen D. zur Ersten Stadträtin gültig war. Dabei ist die Überprüfung der
Gültigkeit der Wahl nicht auf solche Fehler beschränkt, die auf das Wahlergebnis
von Einfluss sein können (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 04.01.1989 - 6 UE 530/87 -,
NVwZ-RR 1990, 208). Vielmehr ist jede Wahl für ungültig zu erklären, bei der gegen
Rechtsvorschriften verstoßen worden ist, gleichgültig, ob diese Verstöße das
Wahlergebnis beeinflussen konnten oder nicht (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 16.
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Wahlergebnis beeinflussen konnten oder nicht (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 16.
März 1966 - OS II 99/65 -, ESVGH 16, 197; VGH Kassel, Urteil vom 12. Februar
1980 - II OE 114/79 -, HessVGRspr. 1980, 35). § 26 Abs. 1 Nr. 2 des Hessischen
Kommunalwahlgesetzes (KWG), wonach die Wiederholung der Wahl nur
anzuordnen ist, wenn Unregelmäßigkeiten des Wahlverfahrens von Einfluss
gewesen sein können, ist nicht anwendbar, denn die Wahl der Beigeladenen D. zur
hauptamtlichen Ersten Stadträtin wurde gemäß § 39 a HGO in Verbindung mit § 55
Abs. 1 Satz 1 HGO nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführt. Die
Vorschriften des Hessischen Kommunalwahlgesetzes finden jedoch gemäß § 55
Abs. 4 HGO grundsätzlich nur bei Verhältniswahlen Anwendung (vgl. VGH Kassel,
Urteil vom 04.01.1989, a.a.O.).
Es führt jedoch nicht jeder Verstoß zur Ungültigkeit der Wahl. Vielmehr tritt diese
schwerwiegende Rechtsfolge nur bei wesentlichen Form- und Verfahrensfehlern ein
(vgl. VG C-Stadt, Urteil vom 20.04.1988 - V/1 E 1400/87 -, HGZ 1989, 23; VGH
Kassel, Urteil vom 28.10.1986 - 2 UE 1919/85 -, HGZ 1987, 109; VG Kassel, Urteil
vom 27.02.1984 - III/2 E 4909/81 -, NVwZ 1984, 464).
Zunächst ist die Teilnahme des Stadtverordneten D., dem Bruder der
Beigeladenen D., an der Abstimmung über die Zurückweisung des
Wahlwiderspruchs des Beigeladenen F. in der Sitzung vom 12.02.2007 rechtmäßig.
Der Stadtverordnete D. wirkte bei der Abstimmung mit, hatte jedoch während der
vorangegangenen Beratung den Sitzungssaal verlassen. Letzteres wurde in der
Sitzungsniederschrift versehentlich nicht ausdrücklich vermerkt.
Die Teilnahme des Stadtverordneten D. bei der Beschlussfassung ist nicht zu
beanstanden, denn das Mitwirkungsverbot bei Interessenskollision gilt für die
Abstimmung über den Wahlwiderspruch ebenso wenig wie für die Stimmabgabe
bei der Wahl. Zwar handelt es sich bei der Stimmabgabe im Rahmen der
Entscheidung über einen Wahlwiderspruch nicht mehr um eine „Stimmabgabe bei
Wahlen“ im Sinne des § 25 Abs. 2 HGO, da Wahlen mit der Bekanntmachung des
Wahlergebnisses abgeschlossen sind und die Abstimmung über einen
Wahlwiderspruch erst im Anschluss an die Wahl erfolgt. Insoweit enthält die
Hessische Gemeindeordnung jedoch eine Regelungslücke, die über eine
entsprechende Anwendung des § 25 Abs. 2 HGO bzw. des § 26 Abs. 2 KWG
auszufüllen ist. Letzterer regelt, dass an der Beratung und Beschlussfassung über
die Gültigkeit von Wahlen und Einsprüche gegen die Gültigkeit von Wahlen im
Sinne des Kommunalwahlgesetzes die Mitglieder der Vertretungskörperschaft
auch dann mitwirken können, wenn sie durch die Entscheidung betroffen werden.
Personen, die wegen § 25 Abs. 2 HGO nicht an der Stimmabgabe bei der Wahl
gehindert sind, müssen zur Mitwirkung bei der Beschlussfassung über einen gegen
die betreffende Wahl gerichteten Wahlwiderspruch ebenfalls zugelassen sein. Nur
dadurch kann vermieden werden, dass beim Wahlakt noch stimmberechtigte
Personen bei der Entscheidung über den Wahlwiderspruch wegen Befangenheit
nicht abstimmen dürfen. Würde man die bei der Wahl selbst noch
stimmberechtigte Person dann bei der Abstimmung über den Wahlwiderspruch
nicht teilhaben lassen, könnte das Wahlergebnis durch zielgerichtete
Wahlanfechtungen nachträglich verfälscht werden.
Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Wahl der Beigeladenen D. zur Ersten
Stadträtin auch ordnungsgemäß konstituiert.
Mit der Konstituierung wird die Stadtverordnetenversammlung handlungsfähig. Sie
kann dann mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben beginnen, insbesondere
rechtswirksame Personal- und Sachentscheidungen treffen, wie hier die Wahl der
Ersten Stadträtin. Die Konstituierung der Stadtverordnetenversammlung als
handlungsfähiges Organ erfolgt mit der Wahl des Stadtverordnetenvorstehers bzw.
der Stadtverordnetenvorsteherin und nicht erst mit der Wahl auch ihrer
Stellvertreter. Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 HGO beruft der Vorsitzende die
Gemeindevertreter zu den Sitzungen der Gemeindevertretung. Weiterhin sieht §
58 Abs. 4 HGO vor, dass der Vorsitzende die Verhandlungen der
Gemeindevertretung leitet, die Ordnung in den Sitzungen handhabt und das
Hausrecht ausübt. Darüber hinaus führt er die Beschlüsse der
Gemeindevertretung aus, welche die innere Ordnung der Gemeindevertretung
betreffen. Des Weiteren werden gemäß § 58 Abs. 5 Satz 1 HGO die Tagesordnung
und der Zeitpunkt der Sitzung von dem Vorsitzenden im Benehmen mit dem
Gemeindevorstand festgesetzt. Darüber hinaus vertritt der Vorsitzende die
Gemeindevertretung in den von ihr betriebenen oder gegen sie gerichteten
Verfahren, wenn die Gemeindevertretung nicht aus ihrer Mitte einen oder mehrere
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Verfahren, wenn die Gemeindevertretung nicht aus ihrer Mitte einen oder mehrere
Beauftragte stellt, § 55 Abs. 7 HGO. Weiterhin regelt § 60 Abs. 2 HGO, dass der
Vorsitzende ein Mitglied der Gemeindevertretung bei ungebührlichem oder
wiederholtem ordnungswidrigem Verhalten für einen oder mehrere, höchstens drei
Sitzungstage ausschließen kann.
Nach diesen Regelungen obliegt die Einberufung, Bestimmung der Tagesordnung
und Sitzungsleitung der Gemeindevertretung allein dem Vorsitzenden, nicht aber
dem Präsidium. Die Handlungsfähigkeit nach innen ist durch die Wahl des
Vorsitzenden abgeschlossen. Auch die Vertretung der Gemeindevertretung nach
außen nimmt der Vorsitzende wahr, wie sich aus § 55 Abs. 7 HGO ergibt. Die
Handlungsfähigkeit setzt daher nicht voraus, dass seine Vertreter gewählt werden.
Darüber hinaus regelt § 57 Abs. 1 Satz 3 HGO, dass das an Jahren älteste Mitglied
der Gemeindevertretung den Vorsitz bis zur Wahl des Vorsitzenden führt. Auch
dies spricht dafür, dass mit der Wahl des Vorsitzenden die Handlungsfähigkeit der
Gemeindevertretung hergestellt ist. Die Vertreter haben keine eigenen Rechte
oder Zuständigkeiten. Sie vertreten den Vorsitzenden und haben nur im Fall seiner
Verhinderung dessen Aufgaben wahrzunehmen (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll,
Hessische Gemeindeordnung, Kommentar, Stand Juli 2007, § 57 Rn. 3).
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beschlussfähigkeit der
Gemeindevertretung als Unterfall der Handlungsfähigkeit bereits mit Wahl ihres
Vorsitzenden gegeben ist. So regelt § 53 Abs. 1 Satz 2 HGO, dass der Vorsitzende
die Beschlussfähigkeit bei Beginn der Sitzung feststellt.
Dementsprechend führt der Hessische Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem
Urteil vom 16. März 1966 aus, dass der Teil der ersten Sitzung nach der
Kommunalwahl, während dessen das an Jahren älteste Mitglied der
Gemeindevertretung den Vorsitz führe, noch Bestandteil des
Konstituierungsverfahrens sei, welches erst mit der Wahl des Vorsitzenden der
Gemeindevertretung abgeschlossen sei. Erst mit der Wahl des Vorsitzenden sei
die Gemeindevertretung als gewähltes parlamentarisches Organ gebildet. Es
bestehe insoweit keinerlei Unterschied zu den einzelnen Länderparlamenten und
dem Deutschen Bundestag, bei denen die Sitzungsleitung durch den sog.
Alterspräsidenten ebenfalls noch Bestandteil des Konstituierungsverfahrens sei,
dessen Beendigung erst mit der Wahl des Präsidenten eintrete. Mithin müsse die
Wahl des Vorsitzenden immer der erste Tagesordnungspunkt sein, den eine
neugewählte Gemeindevertretung in ihrer ersten Sitzung zu erledigen habe. Erst
mit dem Abschluss dieses Wahlakts habe sich eine Gemeindevertretung als Organ
konstituiert, erst dann sei sie nach innen und außen für ihre sachlichen Aufgaben
handlungsfähig. Daraus folge, dass eine Gemeindevertretung erst dann den
Bürgermeister und die Beigeordneten wählen dürfe, wenn sie zuvor entsprechend
§ 57 Abs. 1 Satz 1 HGO ihren Vorsitzenden gewählt und sich damit konstituiert
habe (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 16.03.1966 - OS II 99/65 -, ESVGH 16, 197; so
auch Foerstemann, Die konstituierende Sitzung der Gemeindevertretung 1989,
HGZ 1989, 38).
Dass die Stadtverordnetenversammlung zeitweilig handlungsunfähig werden
könnte, wenn der Stadtverordnetenvorsteher verhindert ist und noch keine
Vertreter gewählt wurden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn selbst wenn
Vertreter gewählt worden sind, könnte es sein, dass sowohl der
Stadtverordnetenvorsteher als auch die Vertreter verhindert sind (z.B. wegen
Interessenskollision, Krankheit oder beruflicher Abwesenheit). Dann käme es
ebenfalls zu einer zeitweiligen Handlungsunfähigkeit der
Stadtverordnetenversammlung. Die Hessische Gemeindeordnung sieht selbst
nicht vor, wie viele Vertreter zu wählen sind, sondern dies wird durch die
Hauptsatzung der jeweiligen Gemeinde bzw. Stadt bestimmt. Es ist daher möglich,
dass nur ein Vertreter vorgesehen ist und dementsprechend auch gewählt wird. Es
kann daher schnell zu einem Ausfall von Stadtverordnetenvorsteher und Vertreter
kommen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Stadtverordnetenversammlung
grundsätzlich und ursprünglich handlungsunfähig gewesen ist.
Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Wahl handlungsfähig. Sie wählte bereits in ihrer
ersten Sitzung nach der Kommunalwahl 2006 am 26.04.2006 und damit vor der
Wahl der Beigeladenen D. zur Ersten Stadträtin eine Stadtverordnetenvorsteherin.
Diese leitete auch die Sitzung der Klägerin vom 12.06.2006, in der die Wahl
stattfand.
Die Wahl der hauptamtlichen Ersten Stadträtin hängt erst recht nicht davon ab,
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Die Wahl der hauptamtlichen Ersten Stadträtin hängt erst recht nicht davon ab,
dass alle anderen städtischen Gremien vorher besetzt sind. Dies sieht die
Hessische Gemeindeordnung nicht vor. Der Einwand des Beigeladenen F., dass
nach der Gremienbesetzung die Zusammensetzung der Klägerin eine andere
gewesen wäre und damit die Wahl auch hätte anders ausgehen können, greift
daher nicht.
Demnach ist für die Handlungsfähigkeit der Klägerin die Wahl der Vertreter des
Stadtverordnetenvorstehers nicht erforderlich. Es liegt jedoch ein Verstoß gegen §
57 Abs. 1 Satz 1 HGO vor. Danach wählt die Gemeindevertretung in der ersten
Sitzung nach der Wahl aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und einen oder mehrere
Vertreter. Die Klägerin hat in ihrer ersten Sitzung nach der Wahl nicht die Vertreter
der Stadtverordnetenvorsteherin gewählt. Dies hat sie erst in ihrer dritten Sitzung
getan. Dass die Vertreter in der ersten Sitzung nach der Wahl zu wählen sind, stellt
jedoch eine bloße Ordnungsvorschrift dar, für deren Verletzung die Hessische
Gemeindeordnung keine Sanktionen vorsieht und deren Verletzung im
vorliegenden Fall zumindest nicht die schwerwiegende Rechtsfolge der Ungültigkeit
der Wahl zur Folge hat.
Weiterhin ist die Sitzung der Klägerin vom 12.06.2006, in der die Beigeladene D.
zur Ersten Stadträtin gewählt wurde, auch ordnungsgemäß bekannt gemacht
worden.
Es verstößt bereits gegen Treu und Glauben, wenn sich die Klägerin auf eine ihrer
Ansicht nach fehlerhafte Bekanntmachung ihrer eigenen Sitzung beruft. Das
Argument der Klägerin, die Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung in
der Hauptsatzung der Stadt Rodgau fielen in erster Linie in den
Verantwortungsbereich des Beklagten und nicht in den der mit ehrenamtlich
tätigen Mandatsträgern besetzten Klägerin, die in aller Regel nicht über die
erforderliche Fachkunde verfüge, geht fehl. Form und Verfahren der öffentlichen
Bekanntmachung sind in der Hauptsatzung der Stadt Rodgau geregelt. Nach § 51
Nr. 6 und 7 HGO fällt der Erlass von Satzungen in die ausschließliche Zuständigkeit
der Gemeindevertretung bzw. der Stadtverordnetenversammlung und kann nicht
auf andere Organe der Gemeinde bzw. Stadt übertragen werden (§ 50 Abs. 1 Satz
3 HGO). Diese ausschließliche Zuständigkeit hindert die
Stadtverordnetenversammlung zwar nicht daran, ihre Beschlüsse durch den
Magistrat vorbereiten zu lassen. So sieht § 66 Abs. 1 Nr. 2 HGO ausdrücklich vor,
dass der Magistrat die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung
vorzubereiten hat. Auch wenn es damit grundsätzlich Aufgabe des Magistrats ist,
der Stadtverordnetenversammlung eine Hauptsatzung zur Verabschiedung
vorzulegen, liegt die Verantwortung für den Erlass der Satzung letztendlich bei der
Stadtverordnetenversammlung. Ähnlich vergleichbar ist die Verantwortung des
Parlaments (z.B. Bundestag) für die Verabschiedung von Gesetzen, die als Vorlage
der Bundesregierung vorbereitet werden. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin
nicht auf die Unwirksamkeit irgendeiner, sie nicht betreffende Regelung in der
Hauptsatzung der Stadt Rodgau beruft, sondern sie beruft sich auf die
Unwirksamkeit einer Regelung über die öffentliche Bekanntmachung ihrer eigenen
Sitzungen. Übertragbar ist insoweit die Rechtsprechung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Verwirkung der prozessualen Befugnis zur
Anrufung eines Gerichts in Betracht kommt, wenn sich derjenige durch die
Anrufung der Gerichte zu seinem eigenen früheren Verhalten in einen mit Treu und
Glauben unvereinbarten Widerspruch setzt (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom
15.02.1991 - 3 N 2594/85 -, veröffentlicht in juris). Die Klägerin beruft sich
nunmehr auf die fehlerhafte Regelung der öffentlichen Bekanntmachung ihrer
Sitzungen, obwohl die Hauptsatzung der Stadt Rodgau erstmals zum 30.07.1993
in Kraft trat und sie seit dieser Zeit viele Beschlüsse gefasst hat. Die Sitzungen, in
denen sie die Beschlüsse gefasst hat, wurden entsprechend der Regelung in der
Hauptsatzung durch Aushang bekannt gegeben. Die
Stadtverordnetenversammlung ist die ganzen Jahre von der Wirksamkeit der
Bekanntmachungsregeln ausgegangen, sonst hätte sie Beschlüsse gefasst, die
ihrer Ansicht nach unwirksam sind. Im Übrigen hätte sie die Hauptsatzung ändern
können.
Unabhängig davon ist die Ladung zu der Sitzung der Klägerin am 12.06.2006 aber
auch ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden.
Gemäß § 7 Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt Rodgauwerden die Ladungen zu
den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung durch Aushang in fünf
Bekanntmachungskästen öffentlich bekannt gemacht, wobei sich jeweils einer der
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Bekanntmachungskästen öffentlich bekannt gemacht, wobei sich jeweils einer der
Bekanntmachungskästen in einem der fünf Stadtteile der Stadt Rodgau befindet.
Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 der Hauptsatzung der Stadt Rodgau dürfen die bekannt
zu machenden Schriftstücke frühestens am Tage nach der Sitzung abgenommen
werden. Die Bekanntmachung ist mit dem Ablauf des ersten Tages ihres Aushangs
vollendet, § 7 Abs. 2 Satz 4 der Hauptsatzung der Stadt Rodgau. Der Tag des
Aushangs und der Tag der Abnahme zählen nicht mit, § 3 Abs. 2 Satz 5 der
Hauptsatzung der Stadt Rodgau.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 5 der Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen der
Gemeinden und Landkreise ist auf den bekanntzumachenden Schriftstücken zu
vermerken, von wann bis wann ausgehängt wird, auf den bekanntgemachten
Schriftstücken sind Ort und Zeitpunkt des Aushangs und der Zeitpunkt der
Abnahme unterschriftlich zu bescheinigen.
Diese Regelungen sind bei der öffentlichen Bekanntmachung der Sitzung der
Klägerin vom 12.06.2006 eingehalten worden. Zeit, Ort und Tagesordnung der
Sitzung der Beklagten vom 12.06.2006 wurden vom 07.06.2006 bis 14.06.2006 in
den fünf städtischen Bekanntmachungstafeln öffentlich ausgehängt. Hinsichtlich
der Bescheinigung des Ortes und Zeitpunktes des Aushangs und des Zeitpunktes
der Abnahme reicht es aus, wenn diese Bescheinigung auf der Rückseite
vorgenommen wird. Denn diese dient lediglich Nachweiszwecken. Es soll auch
nach Abnahme des Aushangs nachgewiesen werden können, wo und wie lange der
Aushang erfolgt ist.
§ 7 Abs. 2 der Hauptsatzung der Stadt Rodgau ist auch wirksam.
Gemäß § 58 Abs. 6 HGO sind Ort, Zeit und Tagesordnung der Sitzungen der
Gemeindevertretung vor der Sitzung öffentlich bekannt zu machen. § 7 Abs. 1
HGO schreibt als Regelform der Bekanntmachung für alle hessischen Gemeinden
eine örtlich verbreitete, mindestens einmal wöchentlich erscheinende Zeitung oder
ein Amtsblatt vor. Andere Bekanntmachungsformen – wie z.B. die
Bekanntmachung durch Aushang – können unter bestimmten Voraussetzungen
vom Minister des Innern zugelassen werden, § 7 Abs. 2 HGO. Dementsprechend
regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen
der Gemeinden und Landkreise, dass für Gemeinden mit nicht mehr als 3.000
Einwohnern die Hauptsatzung bestimmen kann, dass die öffentlichen
Bekanntmachungen durch Aushang an Bekanntmachungstafeln erfolgen. Das
gleiche gilt für die Bekanntmachung von Zeit, Ort und Tagesordnung der
Sitzungen der Gemeindevertretung in den übrigen Gemeinden.
Hieraus folgt, dass die öffentliche Bekanntmachung von Zeit, Ort und
Tagesordnung der Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung durch Aushang
an Bekanntmachungstafeln grundsätzlich zulässig ist, auch wenn es sich um eine
Gemeinde bzw. eine Stadt mit mehr als 3.000 Einwohnern handelt. Während § 2
Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinden
und Landkreise bestimmt, dass bei Gemeinden mit nicht mehr als 3.000
Einwohnern durch die Hauptsatzung festgelegt werden kann, dass insgesamt die
öffentlichen Bekanntmachungen durch Aushang an Bekanntmachungstafeln
erfolgen können, sieht Satz 2 vor, dass diese Art und Weise der öffentlichen
Bekanntmachung für die größeren Gemeinden auch für die Bekanntmachung der
Sitzungen der Gemeindevertretung gilt. Die Zulässigkeit der öffentlichen
Bekanntmachung von Zeit, Ort und Tagesordnung der Sitzungen der
Gemeindevertretung durch Aushang an Bekanntmachungstafeln ist damit
gesetzlich gerade nicht an die Einwohnerzahl der jeweiligen Stadt geknüpft und
auch nicht auf kleinere Gemeinden beschränkt. Ansonsten wäre § 2 Abs. 1 Satz 2
der Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinden und
Landkreise überflüssig. Weiterhin ist auch eine Mindestmenge von
Bekanntmachungstafeln für die öffentliche Bekanntmachung von Sitzungen der
Gemeindevertretung gesetzlich gerade nicht vorgeschrieben.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Erlass des Hessischen Ministers des
Innern zu der öffentlichen Bekanntmachung der Gemeinden und Landkreise
(StAnz. 1977, 2140), indem er zu § 2 der Verordnung über öffentliche
Bekanntmachungen der Gemeinden und Landkreise folgendes ausführt: „Die
Verordnung trägt der Rechtsprechung Rechnung, wonach diese
Bekanntmachungsform nur in kleineren Gemeinden ein geeignetes Mittel der
Veröffentlichung des Ortsrechts darstellt. Eine Bekanntmachung reicht nur dann
aus, wenn ihr Standort nach den örtlichen Verhältnissen gewährleistet, daß jeder
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aus, wenn ihr Standort nach den örtlichen Verhältnissen gewährleistet, daß jeder
Bürger ohne größeren Umweg innerhalb der Aushangfrist von den
Bekanntmachungen Kenntnis nehmen kann; dies ist in der Regel nur in
Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern und einem kleinem Wohngebiet der
Fall.“ Diese Ausführungen beziehen sich aber ausdrücklich nur auf die
Veröffentlichung von Ortsrecht und nicht auf öffentliche Bekanntmachungen von
Sitzungen der Gemeindevertretung.
Dass hier Differenzierungen zwischen der öffentlichen Bekanntmachung von
Ortsrecht einerseits und der Sitzungen der Gemeindevertretung andererseits
erfolgen, ist auch nachvollziehbar. Bei dem Erlass von Ortsrecht muss dem
Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, vom Inhalt der Rechtsnormen
verlässlich Kenntnis zu erlangen. Die Bekanntmachung von Ortsrecht dient
vorrangig der Gewährleistung von Rechtssicherheit und -klarheit, da der Bürger
in der Lage sein muss, die für ihn geltenden Rechte und Pflichten in Erfahrung zu
bringen und sein Verhalten darauf zur Vermeidung von Rechtseinbußen oder
Sanktionen einzustellen. Bei der Bekanntmachung von Sitzungen der
Gemeindevertretung steht hingegen die Möglichkeit zur Beobachtung des
Sitzungsverlaufs im Raum, deren Verkürzung zwar die demokratische Teilhabe der
Bürgerschaft und die Kontrolle der kommunalen Volksvertretung durch die
Öffentlichkeit beeinträchtigt, aber keine Rechtsnachteile für den Einzelnen nach
sich zieht. Die Differenzierungen durch den Verordnungsgeber beruhen auch
ersichtlich auf der Erwägung, dass an die Bekanntgabe von Sitzungsterminen
weniger strenge Anforderungen zu stellen sind als bei der Bekanntgabe von
Ortsrecht.
Dies hat die Stadt Rodgau auch in ihrer Hauptsatzung entsprechend umgesetzt
und nicht nur für die Bekanntmachung von Satzungen und Verordnungen, sondern
auch für Beschlüsse, Hinweise, Mitteilungen und Genehmigungen, die im
Zusammenhang mit Rechtsetzungsverfahren oder zum Begründen von
Ansprüchen erforderlich sind, sowie alle übrigen Gegenstände den Abdruck in der
„A-Stadt-Post“ und der „A-Stadt-Zeitung“ vorgesehen, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 der
Hauptsatzung der Stadt Rodgau. Damit werden unter anderem auch die von der
Klägerin gefassten Beschlüsse nicht durch Aushang, sondern durch
Veröffentlichung in den oben benannten Zeitungen bekannt gegeben. Nur die
Ladungen zu den Sitzungen der Klägerin werden durch Aushang öffentlich bekannt
gemacht.
Es liegt auch kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip bzw. die
rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bekanntmachung vor, weil die Stadt
Rodgau mit einer Einwohnerzahl von rund 45.000 nur über fünf
Bekanntmachungskästen, nämlich für jeden Stadtteil einen, verfügt. Denn die
Möglichkeit der Kenntnisnahme von Ort, Zeit und Tagesordnungen der Sitzungen
der Klägerin wird nicht in unzumutbarer Weise erschwert. Die Einwohner der Stadt
Rodgau können mit zumutbarem Aufwand hinreichend Gewissheit über das
Stattfinden der Sitzungen der Klägerin erlangen. Der jeweilige
Bekanntmachungskasten befindet sich zentral im Kern des jeweiligen Stadtteils
und ist für jeden Einwohner leicht zu erreichen. Es ist für einen politisch
interessierten Einwohner der Stadt Rodgau zumutbar, sich innerhalb seines
Ortsteils zu dem Standort des Bekanntmachungskastens zu begeben. Dass er
diesen aufsuchen muss, schadet nicht. Diese Erschwernis ist nicht größer als bei
Behördengängen und geringer als die Teilnahme an den Sitzungen der Klägerin
selbst.
Auch die Regelung in der Satzung betreffend die Dauer des Aushangs ist wirksam.
Nach § 6 Abs. 2 der Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen der
Gemeinden und Landkreise ist die öffentliche Bekanntmachung durch Aushang mit
dem Ablauf des ersten Tages des Aushangs an den dafür bestimmten
Bekanntmachungstafeln, bei Satzungen mit Ablauf einer Woche nach Beginn des
Aushangs vollendet; der Tag des Aushangs und der Tag der Abnahme zählen bei
dieser Frist nicht mit. Sitzungen betreffende Bekanntmachungen dürfen
frühestens am Tag nach der Sitzung abgenommen werden.
Dieser Regelung entsprechend bestimmt § 7 Abs. 2 Satz 3 bis 5 der Hauptsatzung
der Stadt Rodgau, dass die bekannt zu machenden Schriftstücke frühestens am
Tage nach der Sitzung abgenommen werden dürfen. Die Bekanntmachung ist mit
dem Ablauf des ersten Tages ihres Aushangs vollendet. Der Tag des Aushangs
und der Tag der Abnahme zählen nicht mit.
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Auch hier ist zwischen der Bekanntmachung von Satzungen und der
Bekanntmachung von Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung zu
unterscheiden. Für die Bekanntmachung von Satzungen muss die Dauer des
Aushangs mit einer angemessenen, generellen und bestimmten Frist festgelegt
sein. § 6 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen der
Gemeinden und Landkreise schreibt deshalb für Satzungen eine Aushangfrist von
einer Woche vor.
Soweit es sich nicht um Satzungen oder andere Bekanntmachungsgegenstände
handelt, für die eine bestimmte Aushangfrist vorgesehen ist, ist die
Bekanntmachung dagegen mit dem Ablauf des ersten Tages des Aushangs
vollendet, § 6 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen
der Gemeinden und Landkreise. Dies gilt auch für Bekanntmachungen von Ort,
Zeit und Tagesordnung der Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung.
Eine entsprechende Anwendung bzw. Übertragung der Einwochenfrist für die
öffentliche Bekanntmachung von Satzungen auf die öffentliche Bekanntmachung
von Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung kommt aufgrund der
ausdrücklichen Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 der Verordnung über
öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinden und Landkreise nicht in Betracht.
Denn diese Regelung differenziert ausdrücklich zwischen der öffentlichen
Bekanntmachung von Satzungen und sonstigen öffentlichen Bekanntmachungen.
Insofern ist auch kein Raum für eine entsprechende Anwendung der Wochenfrist
für die Hinweisbekanntmachung im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB über Ort
und Dauer der Auslegung der Entwürfe von Bauleitplänen und weiterer
Informationen. Im Übrigen ist die Bekanntmachung von Sitzungen der
Stadtverordnetenversammlung auch nicht mit der Hinweisbekanntmachung des §
3 Abs. 2 Satz 2 BauGB zu vergleichen. Denn die Vorbereitung auf ein
Beteiligungsverfahren nach § 3 Abs. 2 BauGB nimmt regelmäßig mehr Zeit in
Anspruch als die Vorbereitung auf die bloße Teilnahme an einer Sitzung der
Stadtverordnetenversammlung im Rahmen der Öffentlichkeit. Darüber hinaus ist §
3 Abs. 2 BauGB nur ein Teil des differenzierten Verfahrensfehlersystems des
öffentlichen Baurechts. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 BauGB ist zwar gemäß § 214
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB grundsätzlich beachtlich, kann aber gemäß § 215 Abs.
1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich werden.
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der
Beanstandungsverfügung gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 HGO liegen vor. Da die Wahl
der Ersten Stadträtin gültig war, war der Widerspruch des Beigeladenen F.
unbegründet. Dementsprechend verletzte der Beschluss der Klägerin, in dem sie
die Beschlussvorlage zur Zurückweisung des Wahlwiderspruchs des Beigeladenen
F. ablehnte, das Recht. Der Bürgermeister hat diesen Beschluss nicht innerhalb
der vorgesehenen Wochenfrist beanstandet, so dass der Magistrat von seinem
Beanstandungsrecht nach § 63 Abs. 4 HGO Gebrauch machen durfte.
Als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs.
1 VwGO) mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese
gemäß § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen haben. Dies entspricht der Billigkeit,
da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben und somit auch nicht das Risiko
eigener Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen haben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.