Urteil des VG Darmstadt vom 11.12.2008

VG Darmstadt: aufenthaltserlaubnis, asylverfahren, duldung, besitz, altes recht, unterbrechung, anerkennung, vollstreckung, asylbewerber, fristberechnung

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Gericht:
VG Darmstadt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 K 60/08.DA
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 55 Abs 3 AsylVfG 1992, §
102 Abs 2 S 2 AufenthG 2004,
§ 26 Abs 4 S 3 AufenthG 2004
(Niederlassungserlaubnis; Voraufenthaltszeiten; Zeit der
Absolvierung eines Asylverfahrens; Folgeverfahren)
Leitsatz
Die Vorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG steht der Anrechnung von Aufenthaltszeiten
eines vorangegangenen Asylverfahrens nicht entgegen.
Bei der Berechnung der Aufenthaltszeiten kann nur ein Asylverfahren berücksichtigt
werden. Dieses muss der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangen sein.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
Der am 28.05.1971 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger und
reiste am 15.12.1995 in die Bundesrepublik Deutschland. Am 04.01.1996
beantragte er die Anerkennung als Asylberechtigter. Am gleichen Tag wurde ihm
eine Aufenthaltsgestattung erteilt. Sein Asylantrag wurde mit Urteil des VG Gießen
vom 01.12.2000 (AZ.: 5 E 30369/96.A[2]), rechtskräftig seit dem 20.08.2003,
abschlägig beschieden. In der Folgezeit wurden dem Kläger Duldungen erteilt, um
es ihm zu ermöglichen, sich einen Pass zu beschaffen.
Der von ihm am 09.08.2004 gestellte Asylfolgeantrag wurde mit Bescheid des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20.08.2004
abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Urteil des VG Frankfurt vom
25.04.2006 unanfechtbar, rechtskräftig seit dem 02.06.2006, abgelehnt.
Mit Ausstellung eines Nationalpasses wurde dem Kläger am 19.02.2007 eine
befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Am 19.06.2007 beantragte der Kläger die
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Mit Bescheid vom 12.12.2007 wurde diese
mit der Begründung abgelehnt, der Kläger erfülle die zeitlichen Voraussetzungen
einer Niederlassungserlaubnis erst am 20.02.2014. Die Zeit vom 01.01.2005 bis
zum 19.02.2007, während der der Kläger nur im Besitz einer Duldung gewesen sei,
könne weder angerechnet, noch nach § 85 AufenthG geheilt werden. Dadurch sei
eine Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthaltes entstanden, so dass die Frist
für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab dem 19.02.2007 neu beginne.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit bei Gericht am 14.01.2008
eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben und trägt zur Begründung vor, die
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eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben und trägt zur Begründung vor, die
Aufenthaltszeiten vor dem 01.01.2005, insbesondere die Zeiten des Durchlaufens
eines Asylverfahrens, ergäben zusammen die erforderliche
Aufenthaltserlaubniszeit von sieben Jahren, weshalb ihm die
Niederlassungserlaubnis zu erteilen sei. Er habe von 1995 bis 2003 bereits die
sieben Jahre Aufenthaltszeit zusammen. Der Bevollmächtigte des Klägers vertritt
insofern die Ansicht, dass nach § 26 Abs. 4 AufenthG das Erfordernis der sieben-
jährigen Aufenthaltserlaubnis dadurch erweitert werde, dass vor Erhalt der
Aufenthaltserlaubnis, hier am 19.02.2007, Zeiten des Asylverfahrens durchlaufen
worden seien, die angerechnet würden, als wäre eine Aufenthaltserlaubnis erteilt
gewesen. Es komme nicht auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts an, sondern
lediglich auf den Besitz des Aufenthaltstitels. Dieser Besitz werde durch die Zeiten
des vorangegangenen Asylverfahrens durchbrochen. Die Bestimmung der
Übergangsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG besage in diesem
Zusammenhang, dass die Zeiten der Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem
01.01.2005 angerechnet würden. Diese Regelung sei erforderlich gewesen, da das
Gesetz zuvor nicht gültig gewesen sei und in der Neuregelung des § 26 Abs. 4
AufenthG im Gegensatz zum § 35 Abs. 1 AuslG als Zeiten der Duldung nicht
berücksichtigt worden seien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 12.12.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gem. §
26 Abs. 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Bescheid vom 12.12.2007 und
führt ergänzend aus, dass einem Ausländer gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG eine
Niederlassungserlaubnis erteilt werden könne, wenn er seit sieben Jahren eine
Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitze. Dabei würden die
Aufenthaltszeiten des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen
Asylverfahrens abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG auf die Frist angerechnet. Bei
der Fristberechnung blieben Aufenthaltszeiten ohne rechtmäßigen Aufenthalt, z.B.
Zeiten einer Duldung außer Betracht. Zeiten zwischen der Beendigung des
Asylverfahrens und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis seien anzurechnen,
wenn es sich um eine nach Sinn und Zweck der Aufenthaltserlaubnis gleichwertige
rechtmäßige Zeit des Aufenthalts handele, nicht dagegen Zeiten der Duldung. Im
Falle einer Aufenthaltsgestattung nach Satz 3 sei nur diejenige Aufenthaltszeit
anzurechnen, die im letzten Asylverfahren vor der Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis vorangegangen sei, Aufenthaltszeiten von früheren, erfolglos
betriebenen Asylverfahren könnten bei der Berechnung der
aufenthaltsverfestigenden Frist nicht berücksichtigt werden. Nach § 102 Abs. 2
AufenthG werde auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach §
26 Abs. 4 AufenthG die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer
Duldung vor dem 01. Januar 2005 angerechnet. Der Kläger erfülle die zeitlichen
Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG in Verbindung mit § 102 Abs. 2
AufenthG nicht, da er erst seit dem 19.02.2007 im Besitz einer
Aufenthaltserlaubnis sei und die Zeiten vor dem 01.01.2005 wegen einer
Unterbrechung von über zwei Jahren nicht angerechnet werden könnten. Die
Bestimmung des § 85 AufenthG komme nicht zum Tragen, da der Zeitraum weit
über einem Jahr liege. Im Übrigen auch deshalb, weil Duldungszeiten nach dem
01.01.2005 nicht mehr angerechnet würden. Bei der Vorschrift des § 102 AufenthG
handele es sich um eine Übergangsvorschrift, die durch die Regelungen im
Aufenthaltsgesetz, hier insbesondere die im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes
eingeführte Aufenthaltsgewährung aus völkerrechtlichen, humanitären oder
politischen Gründen, für Fälle nach dem 31.12.2004 ohne Bedeutung sei. Durch
die Anrechnung der Duldungszeiten vor dem 01.10.2005 solle verhindert werden,
dass Ausländer benachteiligt würden, die nach dem Aufenthaltsgesetz Anspruch
auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hätten, jedoch nach dem Ausländerrecht
(altes Recht) lediglich eine Duldung erhalten hätten. Erfasst seien insbesondere
Ausländer, die nach altem Recht wegen Vorliegens von Abschiebungshindernissen
nach § 53 AuslG oft über Jahre geduldet worden seien, während das
Aufenthaltsgesetz für derartige Fälle regelmäßig die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis vorsehe.
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Es sei auch nicht möglich, die Zeiten vor dem 01.01.2005 getrennt zu sehen. Bei
Verpflichtungsklagen müssten die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung vorliegen und nicht zu einem fiktiven Zeitpunkt
vor dem Jahre 2005.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf
die zu den Akten gereichten Schriftsätze. Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten
(1 Heft) sind beigezogen und zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Bescheid des Landrates des Kreises Offenbach vom 12.12.2007 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO). Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis gem. § 26 Abs. 4 AufenthG noch ein Anspruch auf
erneute Bescheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis zu.
Der Landrat des Beklagten hat zu Recht die beantragte Niederlassungserlaubnis
versagt, weil der Kläger nicht die erforderlichen Bestandszeiten gem. § 26 Abs. 4
AufenthG erfüllt.
Nach § 26 Abs. 4 AufenthG kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine
Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis
erteilt werden. Dabei wird gemäß § 26 Abs. 4 S. 3 AufenthG die Aufenthaltszeit des
der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens
abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG auf die Frist angerechnet.
Allerdings kann der Ansicht des Beklagten, eine Berücksichtigung der
Aufenthaltszeiten des Asylverfahrens des Klägers könne deshalb nicht erfolgen,
weil der Kläger erst seit dem 19.02.2007 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei
und die Zeiten vor dem 01.01.2005 wegen einer Unterbrechung von über zwei
Jahren nicht angerechnet werden könnten, da er seit sieben Jahren
ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sein muss, nicht
gefolgt werden. Denn die Zeiten eines vorangegangenen Asylverfahrens sind bei
der Berechnung der Aufenthaltszeiten gem. § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG
anzurechnen, ohne dass es auf die Frage einer Unterbrechung ankäme (VG
Darmstadt, Urt. vom 11.12.2008 – 7 E 1457/07).
Zwar wird in der Rechtssprechung die Auffassung (VGH Baden-Württemberg,
Beschl. v. 19.05.2008 – 11 S 942/08, a.a.O; Hess VGH, Beschl. v. 16.07.2007 –
11TP 1155/07, a.a.O. ; VG Wiesbaden, Urt. v. 19.12.2007 – 4 E 1199/07, a.a.O.)
vertreten, dass unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG
eine Anrechung von Duldungszeiten nur bei einem ununterbrochen Aufenthalt
möglich ist. Jedoch geht es vorliegend weder um die Anrechnung von
Duldungszeiten, noch kann die als Übergangsvorschrift konzipierte Norm des §
102 Abs. 2 AufenthG entsprechend auf die Aufenthaltszeiten des Asylverfahrens
angewandt werden.
Nach § 102 Abs. 2 AufenthG wird auf die Frist des § 26 Abs. 4 AufenthG die Zeit
des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005
angerechnet. Duldungszeiten bis zum 01. Januar 2005 sollen danach nur dann
angerechnet werden, wenn sich ihnen nahtlos eine Aufenthaltserlaubnis
angeschlossen hat oder wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 1. Januar 2005
nach nur unbedeutender Unterbrechung von weniger als einem Jahr, also noch im
Jahr 2006, erteilt wurde. Daher erlangt die Regelung des § 102 Abs. 2 AufenthG nur
für eine Übergangszeit von weniger als einem Jahr ab dem 01. Januar 2005
Bedeutung (VG Wiesbaden, Urt. v. 19.12.2007 – 4 E 1199/07, a.a.O.). Diese
Auslegung ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auch gerechtfertigt.
Mit ihr soll nämlich sichergestellt werden, dass diejenigen Ausländer, die durch die
Neuregelungen des Aufenthaltsgesetzes erstmals einen Anspruch auf
Aufenthaltserlaubnis erlangten, während sie bei unverändertem Sachverhalt zuvor
nach den Regelungen des Ausländergesetzes lediglich geduldet werden durften,
diesen einheitlich zu beurteilenden zusammenhängenden Zeitraum bei der
Berechnung der 7-Jahres-Frist angerechnet bekommen. Dieser Rechtsgedanke ist
aber auf die Vorschrift des § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nicht übertragbar. Für die
im Rahmen des § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG vorzunehmende Berücksichtigung
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im Rahmen des § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG vorzunehmende Berücksichtigung
der Asylverfahrenszeiten findet sich gerade keine Regelung, aus der ein
Ausschluss der Anrechnung von Voraufenthaltszeiten abgeleitet werden könnte.
Einer grundsätzlichen Berücksichtigung der Aufenthaltszeiten des Asylverfahrens
steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zwischen dem Asylverfahren und der
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt lediglich im Besitz
einer Duldung war. Da das Asylverfahren der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
vorangegangen sein muss, lässt der Wortlaut die Auslegung zu, dass zwischen
dem anrechenbaren Asylverfahren und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine
nicht in Form der Aufenthaltserlaubnis geregelte Zeitspanne liegen kann. Der
Wortlaut verlangt nicht eine unmittelbare zeitliche Aufeinanderfolge des
Asylverfahrens und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (so auch für den
wortgleichen § 35 AuslG: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.10.1995 – 13 S
628/95 – InfAuslR 1996, 205).
Auch der Sinn und Zweck der Regelung gebietet keinen unmittelbaren Anschluss
der Erteilung eines Titels an das anzurechnende Asylverfahren. Der Zweck des §
26 Abs. 4 AufenthG besteht darin, nach langjährigem legalem Aufenthalt die
Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung zu eröffnen (s.a. HessVGH, Beschl. v.
16.07.2007 – 11 TP 1155/07 – juris -; für den wortgleichen § 35 Abs. 1 AuslG: BT-
Drucks. 11/6321 [68]) und berücksichtigt, dass der Ausländer die Verfahrensdauer
des Asylverfahrens mangels begrenztem Einfluss nicht zu vertreten hat (Burr in
GK, § 26 AufenthG Rdnr. 28). Dieser Zweck entfällt nicht dadurch, dass die
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sich nicht unmittelbar an das Asylverfahren
anschließt.
Jedoch erfüllt der Kläger auch unter Berücksichtigung der Aufenthaltszeiten des
vorangegangenen Asylverfahrens die erforderlichen Bestandszeiten nicht. Der
Kläger ist seit dem 10.02.2007 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Im Zeitpunkt
der Beantragung einer Niederlassungserlaubnis am 19.06.2007 war er daher erst
seit knapp vier Monaten im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Auch wenn dieser
Zeit die Aufenthaltszeit während seines Asylfolgeverfahrens vom 09.08.2004 bis
zum 20.08.2004 hinzurechnen ist, sind die erforderlichen Bestandzeiten nicht
erfüllt. Denn die Aufenthaltszeit seines ersten Asylverfahrens kann bei dieser
Berechnung nicht berücksichtigt werden.
Gemäß § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG ist lediglich die Aufenthaltszeit des
Asylverfahrens anzurechnen, das der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
vorangegangen ist.
Im Hinblick auf den Wortlaut der Bestimmung, nämlich der Verwendung des
Singulars - "des Asylverfahrens" - können die Zeiten mehrerer Asylverfahren nicht
zusammengerechnet werden (BVerwG, Urt. v. 15.07.1997 – 1 C 15/96,
Kanein/Renner, AuslR, 8. Aufl., § 26 AsylVfG Rdnr. 11). Der insoweit eindeutige
Wortlaut lässt keine andere erweiternde Auslegung zu, insbesondere nicht
dahingehend, dass mehrere Asylverfahren angerechnet werden können (für die
insoweit wortgleiche Vorschrift des § 35 AuslG: BVerwG, Urt. v. 15.07.1997 – a.a.o.;
Hailbronner, Ausländerecht, § 35 AuslG Rdnr. 7; Kanein/Renner, AuslR, § 35 AuslG
Rdnr. 4). Der Grund der Anrechenbarkeit der Zeit des vorangegangenen
Asylverfahrens liegt darin, dass die vom Asylbewerber nicht zu vertretende lange
Dauer des Asylverfahrens berücksichtigt werden soll, nicht aber eine Mehrzahl von
Verfahren (BVerwG, Urt. v. 15.07.1997 – 1 C 15/96 -, a.a.O.). Die Beschränkung
der Anrechenbarkeit auf ein einziges Asylverfahren soll verhindern, dass ein
zusätzlicher Anreiz geschaffen wird, unbegründete Asylanträge zu stellen, die
lediglich der vorübergehenden Aufenthaltssicherung dienen. Nur die vom
Asylbewerber nicht zu vertretende lange Dauer des vorangegangenen
Asylverfahrens soll bei der Beurteilung der Verfestigung des Aufenthalts, die
Voraussetzung für ein rechtlich gesicherten Aufenthalt ist, mit berücksichtigt
werden. Zwar kann daher auch grundsätzlich ein durch einen Folgeantrag
eingeleitetes Asylverfahren anrechenbar sein, denn was unter "Asylverfahren" zu
verstehen ist, ist nach dem Sinn der Vorschrift in ihrem Kontext zu ermitteln. Ein
Folgeantragsverfahren ist daher dann mit dem Erstverfahren als „ein
Asylverfahren“ anzusehen, wenn es gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG zur Durchführung
eines weiteren Asylverfahrens geführt hat. In diesem Fall ist auch die Dauer eines
durch einen Folgeantrag ausgelösten Asylverfahrens, etwa bei einer Veränderung
der Verhältnisse im Heimatland, ein Umstand, der vom Antragsteller nicht zu
vertreten ist.
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Nach diesen Grundsätzen kann entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht die
Aufenthaltszeit seit Stellung des Asylantrages berücksichtigt werden, sondern nur
die Aufenthaltszeit während seines Asylfolgeverfahrens. Der am 09.08.2004
gestellte Asylfolgeantrag führte nicht zur Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens, sondern wurde mit Bescheid des Bundesamtes am 20.08.2004
abgelehnt. Mithin ist dieses Asylverfahren als das der Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis vorangegangene anzusehen, ohne dass das erste
Asylverfahren noch von den Aufenthaltszeiten zu berücksichtigen wäre.
Mangels Erreichen der zeitlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG kann
dem Kläger daher noch keine Niederlassungserlaubnis erteilt werden.
Die Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 154 Abs. 1 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m.
§§ 709, 711 Satz 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.