Urteil des VG Cottbus vom 15.03.2017

VG Cottbus: altersgrenze, bedürftigkeit, unverzüglich, berufsausbildung, schulausbildung, hochschule, behinderung, abschlussprüfung, verordnung, fachschule

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Gericht:
VG Cottbus 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 K 1102/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 10 Abs 3 BAföG, § 2 Abs 5 S 2
BAföG
Ausbildungsförderung: Altersgrenze bei Vorliegen eines
berufsqualifizierenden Abschlusses
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die am 11. November 19.. geborene Klägerin, die 1993 die Schulausbildung mit der
Fachoberschulreife abgeschlossen, anschließend eine Berufsausbildung zur
Hotelfachfrau absolviert hatte und in der Folge wechselnd in verschiedenen kurzfristigen
Beschäftigungsverhältnissen gestanden hatte und arbeitsuchend gewesen war,
beantragte am 24. August 2006 erstmals beim Beklagten die Gewährung von
Ausbildungsförderung für eine im August 2006 begonnene Ausbildung zur
Sozialassistentin bei der Beruflichen Schule für Sozialwesen des Deutschen
Erwachsenen-Bildungswerks in Brandenburg e.V.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 27. Oktober 2006 für den
Zeitraum von August 2006 bis Juli 2007 sowie - nach einem entsprechenden Folgeantrag
vom 9. Juli 2007 - mit Bescheid vom 30. August 2007 für den Zeitraum von August 2007
bis Juli 2008 Leistungen der Ausbildungsförderungen für diese Ausbildung.
Unter dem 16. Juli 2008 schloss die Klägerin die Ausbildung als Staatlich geprüfte
Sozialassistentin ab.
Mit beim Beklagten am 5. August 2008 eingegangenem Antrag begehrte die Klägerin die
Gewährung von Ausbildungsförderung für die am 1. September 2008 bei der Beruflichen
Schule für Sozialwesen des DEB in Brandenburg e.V. aufgenommene Ausbildung zur
Heilerziehungspflegerin. Mit Schreiben vom 11. Juni 2008 erklärte die Klägerin zu diesem
Antrag, dass die erfolgreiche Absolvierung der Sozialassistentinnenausbildung
Zugangsvoraussetzung für weiterqualifizierende Ausbildungen (hier:
Heilerziehungspflegerin) sei. Der Abschluss zur Sozialassistentin ermögliche die
Zulassung zu einer höheren Fachschule. Zu Beginn der Sozialassistentinnenausbildung
sei ihr die fachliche Ausrichtung bewusst gewesen. Um die formale
Zugangsvoraussetzung zum Heilerziehungspfleger zu erfüllen, sei sie aufgefordert
gewesen, die Ausbildung zur Sozialassistentin mit Erfolg abzuschließen. Dies bedeute,
dass die eine Ausbildung die andere bedinge. Nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau
sei ihre berufliche Perspektive auch in dieser Richtung fokussiert gewesen. Leider sei es
ihr nicht vergönnt gewesen, nach Abschluss der Ausbildung ein dauerhaftes
Arbeitsverhältnis beginnen zu können. Sie habe versucht, sich eine neue Perspektive zu
erarbeiten, und sei deshalb in den Verkauf gewechselt. Nachdem auch dieses
Arbeitsverhältnis gekündigt worden sei, habe sie sich 2005 entschlossen, sich beruflich
neu zu orientieren. Hierbei habe sie ihr Interesse für die soziale Arbeit entdeckt. Durch
ihr ehrenamtliches Engagement habe sie rasch einen tieferen Einblick in die
verschiedenen Arbeitsfelder erhalten. Um sich hier zu qualifizieren, habe sich ihr das
Ausbildungsangebot des Sozialassistenten und des Heilerziehungspflegers angeboten.
Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 25. August 2008 ab, da die
Klägerin die Voraussetzungen des § 10 BAföG nicht erfülle. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 1
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Klägerin die Voraussetzungen des § 10 BAföG nicht erfülle. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 1
BAföG werde Ausbildungsförderung nicht geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn
des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30.
Lebensjahr vollendet habe. Dieser Satz gelte gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 BAföG nicht,
wenn der Auszubildende infolge einer einschneidenden Veränderung seiner persönlichen
Verhältnisse bedürftig geworden sei und noch keine Ausbildung, die nach diesem Gesetz
gefördert werden könne, berufsqualifizierend abgeschlossen habe. Voraussetzung für
diese Ausnahmeregelung sei, dass der Auszubildende die Ausbildung unverzüglich nach
Wegfall der Hinderungsgründe oder dem Eintritt der Bedürftigkeit infolge
einschneidender Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse aufnehme. In ihrer
Stellungnahme zum Antrag vom 11. Juni 2008 habe die Klägerin ihre persönlichen
Veränderungen, die zu einer Neuorientierung der beruflichen Perspektive geführt hätten,
beschrieben. Dabei habe der Verlust des Arbeitsplatzes eine einschneidende
Veränderung der persönlichen Verhältnisse dargestellt. Auch die Voraussetzung der
unverzüglichen Aufnahme der Ausbildung sei erfüllt worden. Allerdings sei zu beachten,
dass die Klägerin das 30. Lebensjahr vollendet und bereits die Ausbildung zur
Sozialassistentin, die nach dem BAföG gefördert werden könne, abgeschlossen habe.
Der Aspekt, dass die Sozialassistentinnenausbildung die formale Zugangsvoraussetzung
zum Heilerziehungspfleger sei, bleibe dabei unberücksichtigt. Daher sei die
Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 BAföG nicht erfüllt.
Die Klägerin erhob mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. September 2008 Widerspruch,
zu dessen Begründung sie mit späterem Schriftsatz ausführte, dass sie ausweislich
einer Bestätigung des DEB als Zugangsvoraussetzung für die Fachrichtung
Sozialpädagogik und Heilerziehungspflege der Fachhochschulreife, der Allgemeinen
Hochschulreife oder aber der Fachoberschulreife oder einer sonst gleichwertigen
Schulausbildung mit entsprechender einschlägiger Berufserfahrung bedürfe. Der von ihr
1993 erreichte Abschluss reiche mithin zur Aufnahme der Ausbildung zur
Heilerziehungspflegerin nicht aus, so dass die Ausbildung zur Sozialassistentin zunächst
habe vorgehen müssen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2008
als unbegründet zurück. Es sei zu prüfen, ob die Klägerin aus persönlichen oder
familiären Gründen, insbesondere der Erziehung von Kindern bis zu zehn Jahren
gehindert gewesen sei, den Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu beginnen. Diese
Ausnahme sei allerdings nur dann anwendbar, wenn der Auszubildende die Ausbildung
unverzüglich nach dem Wegfall der Hinderungsgründe aufnehme. Nach den Erklärungen
der Klägerin sei diese in den vergangenen Jahren nicht Mutter geworden, so dass eine
Verhinderung der Ausbildungsaufnahme vor dem 30. Lebensjahr wegen der Betreuung
eines Kindes bis zu zehn Jahren nicht vorliege. Andere persönliche Gründe seien nicht
benannt worden. Allein die Tatsache der immer wiederkehrenden befristeten
Beschäftigungsverhältnisse und der vorübergehenden Arbeitslosigkeitszeiten
rechtfertigten keine Gewährung der Leistung aufgrund der Ausnahmeregelung des § 10
BAföG.
Die Klägerin hat am 22. Dezember 2008 Klage erhoben, die sie unter Vertiefung ihres
vorgerichtlichen Vorbringens begründet.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25. August 2008 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2008 zu verpflichten, der Klägerin
Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für ihre Ausbildung zur
Heilerziehungspflegerin nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft seine Ausführungen aus den angefochtenen Bescheiden.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13. Mai 2009 auf den Einzelrichter
übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des
Vorbringens der Beteiligten im Übrigen, wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen
Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Förderung
ihrer am 1. September 2008 begonnenen Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Der
Bescheid des Beklagten vom 25. August 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. November 2008 ist daher rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
[VwGO]).
Einem Anspruch der Klägerin auf Ausbildungsförderung steht die Vorschrift des § 10 Abs.
3 S. 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung
(Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) in der Fassung der Bekanntmachung
vom 6. Juni 1983 (BGBl. I S. 645), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember
2008 (BGBl. I S. 2846), entgegen. Nach dieser Norm wird Ausbildungsförderung nicht
geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er
Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr vollendet hat. Dies ist bei der am
11. November 1976 geborenen Klägerin der Fall.
a. Bei der Ausbildung an der Beruflichen Schule für Sozialwesen des Deutschen
Erwachsenen-Bildungswerks in Brandenburg e.V. (einer anerkannten Ersatzschule) in der
Fachrichtung Heilerziehungspflege handelt es sich um einen neuen
Ausbildungsabschnitt, der mit der vorangegangenen Berufsfachschulausbildung zur
Sozialassistentin keine Einheit bildet. Nach der für das gesamte
Bundesausbildungsförderungsgesetz maßgeblichen (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal,
BAföG, § 2 Rn. 109) gesetzlichen Definition des Begriffs in § 2 Abs. 5 S. 2 BAföG ist ein
Ausbildungsabschnitt die Zeit, die an Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart
einschließlich der im Zusammenhang hiermit geforderten Praktika bis zu einem
Abschluss oder Abbruch verbracht wird. Da im Fall der Klägerin die vorangegangene
Ausbildung zum Erwerb des staatlichen Berufsabschlusses Sozialassistentin (vgl. § 1
Abs. 1 der Verordnung über den Bildungsgang der Berufsfachschule Soziales
[Berufsfachschulverordnung Soziales] vom 20. Mai 2004 [GVBl. II S. 466]) führte, liegt
ein berufsqualifizierender Abschluss vor und war damit der Ausbildungsabschnitt
beendet worden (vgl. § 15b Abs. 3 BAföG).
Am Vorliegen eines (berufsqualifizierenden) Abschlusses ändert auch das Vorbringen
der Klägerin nichts, dass sie von vornherein den Fachschul-Abschluss der
Heilerziehungspflegerin angestrebt habe und sie mit dem Abschluss als
Sozialassistentin lediglich die formale Zugangsvoraussetzung für diese Ausbildung
erfüllen wollte. Ob ein (berufsqualifizierender) Abschluss vorliegt, ist nach objektiven
Gesichtspunkten zu beurteilen; die subjektiven Vorstellungen des Auszubildenden sind
hingegen nicht maßgebend (BVerwG, Urt. v. 2. Februar 1989 - 5 C 2.86 -, BVerwGE 81,
242; BVerwG, Urt. v. 14. November 1996 - 5 C 35.95 -, BVerwGE 102, 232; BVerwG, Urt.
v. 15. Mai 2008 - 5 C 18.07 -, zitiert nach juris). Ausschlaggebend ist, ob der
Auszubildende in dem von ihm durchlaufenen Ausbildungsgang einen Ausbildungsstand
erreicht hat, der ihm die Aufnahme eines Berufes ermöglicht. Das ist stets dann der Fall,
wenn durch eine Abschlussprüfung die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung
eines Berufes erfüllt oder beim Fehlen solcher Rechtsvorschriften die hierfür tatsächlich
erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt worden sind. Demzufolge ist ein
berufsqualifizierender Abschluss gegeben, wenn der Auszubildende eine als
Zugangsvoraussetzung für einen Beruf durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften des
Staates oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft vorgesehene Prüfung bestanden
hat, und darüber hinaus auch dann anzunehmen, wenn der Auszubildende eine
Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 BAföG besucht und am Ende der Ausbildung
an dieser Ausbildungsstätte Kenntnisse und Fertigkeiten erworben hat, die ihn, ohne
dass dies in einer Prüfung nachgewiesen werden muss, zur Aufnahme eines Berufes
befähigen (BVerwG, Urt. v. 15. Mai 2008 - 5 C 18.07 -, zitiert nach juris; BVerwG, Urt. v.
19. April 1988 - 5 C 12.85 -, Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 71; BVerwG, Beschl. v. 19.
Januar 1989 - 5 B 198.88 -, Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 80). Die von der Klägerin
absolvierte Ausbildung zur Sozialassistentin wird nach Maßgabe der
Berufsfachschulverordnung Soziales abgelegt und schließt mit einer entsprechenden
Prüfung ab, die in staatlichen Rechtsvorschriften geregelt ist. Diese Ausbildung führt zur
einem staatlichen Berufsabschluss nach Landesrecht und vermittelt die "erforderlichen
theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten und erweitert die allgemeine
Bildung" (vgl. § 1 Abs. 1 Berufsfachschulverordnung Soziales), so dass mit dem
erfolgreichen Bestehen der Abschlussprüfung der Berufsfachschule Soziales am 16. Juli
2008 ein im Sinne des Ausbildungsförderungsrechts berufsqualifzierender Abschluss
vorliegt.
Die Kammer vermag auch nicht zu ersehen, dass mit diesem Abschluss eine
ausreichende Lebensgrundlage im Allgemeinen nicht erzielt werden könnte (vgl. zu
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ausreichende Lebensgrundlage im Allgemeinen nicht erzielt werden könnte (vgl. zu
diesem Kriterium: BVerwG, Urt. v. 19. April 1988 - 5 C 15.85 -, NVwZ-RR 1988, 86).
Die Ausbildung zur Sozialassistentin und die nachfolgend aufgenommene Ausbildung zur
Heilerziehungspflegerin können auch nicht als einheitlich zu fördernde Ausbildung
verstanden werden. Dagegen spricht schon, dass die sie regelnden staatlichen
Vorschriften - die Berufsfachschulverordnung Soziales einerseits und die Verordnung
über die Bildungsgänge für Sozialwesen in der Fachschule (Fachschulverordnung
Sozialwesen) vom 24. April 2003 (GVBl. II S. 219) andererseits - diese als selbständige
Ausbildungen verstehen und ausgestalten; folgerichtig gibt es auch keine einheitliche
Ausbildungs- und/oder Prüfungsordnung. Der Umstand, dass die Klägerin mit der
Ausbildung zur Sozialassistentin auch die Zugangsvoraussetzung zum Bildungsgang der
Fachrichtung Heilerziehungspflege nach § 4 Abs. 1 Fachschulverordnung Sozialwesen
erfüllt hat (s. auch § 1 Abs. 2 Berufsfachschulverordnung Soziales), macht diese nicht zu
einem integrativen Bestandteil der Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin.
b. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ausbildungsförderung auf Grund eines der in §
10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 bis 4 BAföG geregelten und ein Überschreiten der Altersgrenze
rechtfertigenden Ausnahmetatbestandes zu. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 BAföG gilt Satz 1
der Vorschrift nicht, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu
fördernde Ausbildung in einer Fachoberschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossene
Berufsausbildung voraussetzt, an einer Abendhauptschule, einer Berufsaufbauschule,
einer Abendrealschule, einem Abendgymnasium, einem Kolleg oder durch eine
Nichtschülerprüfung oder eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule erworben hat (Nr.
1), der Auszubildende ohne Hochschulzugangsberechtigung auf Grund seiner beruflichen
Qualifikation an einer Hochschule eingeschrieben worden ist (Nr. 1a), der Auszubildende
aus persönlichen oder familiären Gründen, insbesondere der Erziehung von Kindern bis
zu 10 Jahren, gehindert war, den Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu beginnen (Nr. 3)
oder der Auszubildende infolge einer einschneidenden Veränderung seiner persönlichen
Verhältnisse bedürftig geworden ist und noch keine Ausbildung, die nach diesem Gesetz
gefördert werden kann, berufsqualifizierend abgeschlossen hat (Nr. 4). Gemäß § 10 Abs.
3 S. 3 BAföG gilt Satz 2 Nr. 1, 3 und 4 nur, wenn der Auszubildende die Ausbildung
unverzüglich nach Erreichen der Zugangsvoraussetzungen, dem Wegfall der
Hinderungsgründe oder dem Eintritt einer Bedürftigkeit infolge einschneidender
Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse aufnimmt. Diese Voraussetzungen
müssen - wie sich aus der einleitenden Wendung ("Satz 1 gilt nicht, wenn …") ergibt - in
dem Ausbildungsabschnitt, für den Förderung begehrt wird, vorliegen (vgl. BVerwG, Urt.
v. 10. Oktober 1985 - 5 C 14.83 -, Buchholz 436.36 § 10 BAföG Nr. 10).
aa. Soweit es die in ihrem Wortlaut vorstehend bereits wiedergegebene Vorschrift des §
10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BAföG angeht, ist diese Norm vorliegend schon deshalb nicht
einschlägig, weil die Klägerin nach Lage der Dinge die Zugangsvoraussetzungen für die
hier in Rede stehende Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin nicht über eine
Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungsweges, wie sie in § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BAföG
vorrangig genannt werden, oder durch eine Nichtschülerprüfung oder eine
Zugangsprüfung erworben hat. Auch wenn die Aufzählung der Ausbildungsstätten des
Zweiten Bildungsweges in § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BAföG nicht abschließend ist (vgl. OVG
für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20. März 2000 - 16 A 3330/99 -, zitiert nach
juris; Roggentin in Rothe/Blanke, BAföG, § 10 Rn. 11), fällt die Berufliche Schule für
Sozialwesen hier nicht darunter, weil die Ausbildung zur Sozialassistentin nicht die für
eine Ausbildung im Zweiten Bildungsweg typischen Merkmale aufwies (vgl. hierzu OVG
für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20. März 2000 - 16 A 3330/99 -, zitiert nach
juris; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12. März 1992 - 16 A 860/91 -, zitiert
nach juris; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, § 10 Rn. 6; Roggentin in Rothe/Blanke,
BAföG, § 10 Rn. 11), da die Klägerin damit einen berufsqualifizierenden Abschluss
erworben hat.
bb. Das Überschreiten der Altersgrenze ist auch nicht etwa auf Grund der Bestimmung
des § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1a BAföG unbeachtlich, denn es geht vorliegend nicht um eine
Ausbildung an einer Hochschule.
cc. Im vorliegenden Fall gibt es auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass das
Überschreiten der Altersgrenze aufgrund der Vorschrift des § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BAföG
unbeachtlich sein könnte. Danach ist der Auszubildende im Sinne der genannten
Vorschrift an der rechtzeitigen Aufnahme seiner Ausbildung gehindert, wenn er aus von
ihm nicht zu vertretenden, in seinen persönlichen Lebensverhältnissen liegenden
Gründen eine objektiv gegebene Chance, eine seiner Neigung und Eignung
entsprechende Ausbildung zu beginnen, bis zum Erreichen der Altersgrenze nicht
wahrnehmen konnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Auszubildenden die Aufnahme
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wahrnehmen konnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Auszubildenden die Aufnahme
der Ausbildung zu einem früheren Zeitpunkt entweder nicht möglich oder nicht
zumutbar war. Dabei ist für die Frage, ob der Auszubildende den späten
Ausbildungsbeginn zu vertreten hat, auf den gesamten Zeitraum bis zu dieser Grenze
abzustellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6. November 1991 - 5 B 121.91 -, Buchholz 436.36 §
10 BAföG Nr. 18; BVerwG, Beschl. v. 8. März 1989 - 5 B 17.89 -, NVwZ-RR 1989, 560).
Nicht ausreichend ist, wenn die Aufnahme der Ausbildung nach Vollendung des 30.
Lebensjahres (lediglich) als verständlich und vernünftig erscheint (vgl. dazu auch:
Hamburgisches OVG, Beschl. v. 11. April 1989 - Bs V 21/89 -, zitiert nach juris).
Gemessen an diesen Kriterien ist – auch im Ergebnis der mündlichen Verhandlung -
nicht erkennbar, dass der Klägerin in der Zeit nach Abschluss ihrer Schulausbildung im
Jahr 1993 die Aufnahme der Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin (gegebenenfalls
auch unter Einschluss der vorherigen Ausbildung zur Sozialassistentin) bis zur
Vollendung des 30. Lebensjahres im Jahr 2006 aus persönlichen oder familiären Gründen
unmöglich oder unzumutbar gewesen ist.
dd. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 BAföG sind
im Fall der Klägerin ebenfalls nicht gegeben. Zu den persönlichen Verhältnissen im Sinne
dieser Norm gehören alle subjektiven und objektiven Umstände, die die Lebensführung
in wirtschaftlicher, beruflicher und sonstiger persönlicher Weise prägen. Eine Änderung
der persönlichen Verhältnisse ist einschneidend, wenn sie durch ein Ereignis
herbeigeführt wird, das den Auszubildenden zu einem Neubeginn und zur völligen
Änderung seiner Lebensführung zwingt. Erforderlich ist das Bestehen einer Kausalität
zwischen dem Eintritt des Ereignisses und der dadurch herbeigeführten Änderung der
Lebensführung. Das die einschneidende Veränderung herbeiführende Ereignis muss
nicht "plötzlich und unerwartet" eintreten. Ein die Lebensverhältnisse einschneidend
veränderndes Ereignis kann auch ein Arbeitsplatzverlust wegen krankheitsbedingter
Behinderung sein. Insoweit genügt jedoch nicht allein der Verlust des bisherigen
Arbeitsplatzes, sondern es ist weiter erforderlich, dass es dem Betroffenen wegen seiner
gesundheitlichen Einschränkung nicht (mehr) möglich ist, in seinem erlernten und in
dem zuletzt ausgeübten Beruf zu arbeiten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12. Dezember 2002 -
5 C 38.01 -, NVwZ-RR 2003, 499; BVerwG, Beschl. v. 2. Juni 1989 - 5 B 19.89 -, Buchholz
436.36 § 10 BAföG Nr. 16). Des Weiteren muss der Betroffene infolge der
einschneidenden Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse bedürftig geworden sein.
Der Begriff der Bedürftigkeit ist im Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht näher
bestimmt. Nach der Rechtsprechung ist "bedürftig" in diesem Sinne nur derjenige, dem
ausreichende Mittel zur Lebensführung fehlen und der außer Stande ist, sich diese Mittel
zu beschaffen (BVerwG, Urt. v. 4. Juli 1985 - 5 C 55.82 -, zitiert nach juris). Dabei muss
die Bedürftigkeit kausal auf die einschneidende Veränderung der persönlichen
Verhältnisse zurückzuführen sein (BVerwG, Urt. v. 4. Juli 1985 - 5 C 55.82 -, zitiert nach
juris). Ungeachtet der Frage, ob im Fall der Klägerin überhaupt ein einschneidendes
Ereignis im vorstehend beschriebenen Sinne gegeben ist - die von ihr im Schreiben vom
11. Juni 2008 angeführte wiederholte Arbeitslosigkeit dürfte dafür kaum in Betracht
kommen, da die Klägerin dadurch wohl nicht zu einem Neubeginn und zur völligen
Änderung ihrer Lebensführung wurde -, scheidet diese Vorschrift schon
deshalb aus, weil die Klägerin mit der Ausbildung zur Sozialassistentin bereits eine nach
dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähige und übrigens auch
tatsächlich geförderte Ausbildung berufsqualifizierend abgeschlossen hat.
c. Für ein anderes, für die Klägerin günstigeres Ergebnis gibt die von ihr im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes 5 L 356/08 angeführte Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Göttingen vom 10. März 2006 - 2 B 568/05 - (abgesehen davon,
dass sich der dort vertretene rechtliche Ansatz, dass die Privilegierung nach § 10 Abs. 3
S. 2 BAföG die gesamte Ausbildung und nicht nur den einzelnen Ausbildungsabschnitt
erfasse, als nicht tragfähig erweisen dürfte [vgl. auch Urt. der Kammer v. 17. Juli 2008 - 5
K 1216/05 -]) schon deshalb nichts her, weil sie einen gänzlich abweichenden
Sachverhalt (u.a. Abfolge von Bachelor- und Master-Studium, für die es
Sonderregelungen wie § 2 Abs. 5 S. 3 und § 7 Abs. 1a BAföG gibt) betrifft. Zudem ist die
zitierte Entscheidung durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht aufgehoben
worden (Beschl. v. 21. Juni 2006 - 12 ME 129/06 -, zitiert nach juris).
d. Die pauschale Rüge der Klägerin im Schriftsatz vom 19. Januar 2009 im Verfahren 5 L
356/08, die Zurückweisung des BAföG-Antrags wegen der Vollendung des 30.
Lebensjahres stelle eine Diskriminierung wegen des Alters dar, greift nicht durch.
aa. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht
festzustellen.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu
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Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu
behandeln (BVerfG, Beschl. v. 18. November 1986 - 1 BvL 29/83 u.a. -, BVerfGE 74, 9),
und verpflichtet die Grundrechtsadressaten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln
(vgl. BVerfG, Urt. v. 23. Oktober 1951 - 2 BvG 1/51 -, BVerfGE 1, 14). Er ist verletzt, wenn
die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit
Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am
Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn
also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein
vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt, kurzum, wenn die Maßnahme
als willkürlich bezeichnet werden muss (vgl. BVerfG, Urt. v. 23. Oktober 1951 - 2 BvG
1/51 -, BVerfGE 1, 14; BVerfG, Beschl. v. 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83,
89). Ausgehend von diesen Prämissen ist die mit der Festsetzung der Altersgrenze
verbundene Ungleichbehandlung bei der Leistungsgewährung unter dem Gerichtspunkt
des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie beruht insbesondere auf
sachlichen Erwägungen und ist damit nicht willkürlich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.
September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, 404). Der Gesetzgeber hat die
Altersgrenze von 30 Jahren für erforderlich gehalten, weil nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz in erster Linie die Ausbildung junger Menschen
gefördert werden soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 1980 - 5 C 64.78 -, BVerwGE 61,
87). Weiter ist er bei der Festsetzung der Altersgrenze in § 10 Abs. 3 BAföG davon
ausgegangen, dass bei einer Ausbildung, die erst nach der Vollendung des 30.
Lebensjahres begonnen wird, das Interesse der Allgemeinheit an der Ausschöpfung von
Bildungsreserven im Hinblick auf die zu erwartende, nur noch relativ kurze Berufsdauer
gering ist. Das begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschl.
v. 15. September 1980 - 1 BvR 715/80 -, FamRZ 1981, 404). Der Gesetzgeber ist aber
auch davon ausgegangen, dass im Allgemeinen jeder Auszubildende bis zum 30.
Lebensjahr eine Chance gehabt hat, eine seiner Neigung und Eignung entsprechende
Berufsausbildung zu beginnen. Nur wenn diese Möglichkeit ausnahmsweise nicht
bestanden hat, ist auch bei verspätetem Ausbildungsbeginn die Gewährung von
Ausbildungsförderung noch gerechtfertigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 1980 - 5 C
64.78 -, BVerwGE 61, 87). Diese Öffnung ermöglichen die Fallgruppen des § 10 Abs. 3 S.
2 BAföG. Eine solche sachgerechte Typisierung, die auch durch den konkreten
Bildungsweg der Klägerin nicht in Frage gestellt wird, ist dem Gesetzgeber nicht
verwehrt. Gerade in Bereichen der Massenverwaltung darf sich der Gesetzgeber
grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten durch
Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Daher ist es auch nicht geboten, in
Konstellationen wie der Vorliegenden die Ausnahmeregelungen des § 10 Abs. 3 S. 2
BAföG derart auszugestalten, dass in jedem Fall auch eine in mehrere Abschnitte
gegliederte Ausbildung absolviert werden kann. Nicht zu verkennen ist zwar, dass bei
den Betroffenen insofern höhere Anforderungen an eine eigenverantwortliche
Ausbildungsplanung gestellt werden, als auch die Zeiten der weiteren
Ausbildungsabschnitte vorausberechnend berücksichtigt werden müssen. Diese
Benachteiligung wird jedoch schon dadurch ausgeglichen, dass die Lebensaltersgrenze
des § 10 Abs. 3 BAföG großzügig bemessen ist. Es steht deshalb auch demjenigen, der
den Zugang zur erstrebten Ausbildung im üblichen Alter zu erreichen keine Chance
hatte, noch eine ausreichend lange Zeit zur Verfügung, sich um diese Qualifizierung zu
bemühen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 1980 - 5 C 64.78 -, BVerwGE 61, 87).
bb. Ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August
2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I.
S. 2840), scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil dieses auf den hier zu
beurteilenden Fall nicht anzuwenden ist. Gemäß § 2 Abs. 2 AGG gilt für Leistungen nach
dem Sozialgesetzbuch ausschließlich die Bestimmung des § 33c des Ersten Buches
Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I). Zu diesen Leistungen zählt gemäß § 68 Nr.
1 SGB I auch die Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.
Nach § 33c S. 1 SGB I darf bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte niemand aus
Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung
benachteiligt werden; eine an das Alter anknüpfende Differenzierung ist danach nicht
ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus
§ 188 S. 2 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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