Urteil des VG Cottbus vom 14.03.2017

VG Cottbus: beihilfe, fürsorgepflicht, schutzimpfung, empfehlung, beamtenverhältnis, heilbehandlung, auskunft, ausschluss, wissenschaft, anerkennung

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Gericht:
VG Cottbus 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 K 1323/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 10 Abs 3 BhV , § 45 Abs 3 S 1
BG BB
Beihilfe für HPV-Schutzimpfung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Beihilfe für die Aufwendungen von HPV-
Schutzimpfungen ihrer Töchter.
Die am ... August 1964 geborene Klägerin, die Mutter von Madeline A. (geboren am …
Oktober 1990) und Adriana A. (geboren am ... April 1993) ist, steht im Schuldienst des
Beklagten.
Mit Beihilfeantrag vom 29. Januar 2007 machte die Klägerin unter anderem
Aufwendungen aufgrund zweier Liquidationen des Facharztes für Kinder- und
Jugendmedizin Dr. R. jeweils vom 26. Januar 2007 in Höhe von 445,21 € für die
Behandlung ihrer Tochter Madeline (Beleg Nr. 11) und in Höhe von 308,87 € für die
Behandlung ihrer Tochter Adriana (Beleg Nr. 16) geltend. In diesen Beträgen sind jeweils
Kosten in Höhe von 179,86 € für das Medikament Gardasil und von 9,65 € für eine
Impfung enthalten. Die Impfung erfolgte bei Madelina A. ausweislich der Liquidation am
12. Dezember 2006 und bei Adriana A. am 11. Dezember 2006.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2007 erkannte die C. (im Folgenden: ZBB) von diesen
Aufwendungen 202,61 € (Beleg Nr. 11) und 119,36 € (Beleg Nr. 16) als beihilfefähig an
und gewährte nach Maßgabe eines Beihilfebemessungssatzes von 80 v.H. eine Beihilfe
von 162,09 € und 95,49 €. Zur Begründung der teilweisen Nichtanerkennung der
Beihilfefähigkeit führte die ZBB aus, dass die geltend gemachten Aufwendungen für
Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs entsprechend der öffentlichen Empfehlung der
Ständigen Impfkommission nicht beihilfefähig seien.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 7. Mai 2007 an die ZBB und führte aus,
dass die Kostenübernahme für Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs im Bescheid
vom 6. Februar 2007 mit der Begründung abgelehnt worden sei, diese seien von der
Ständigen Impfkommission noch nicht empfohlen. Laut einem Bericht der Lausitzer
Rundschau vom 12. April 2007 sei nunmehr von einer Empfehlung auszugehen. Sie bitte
um Überprüfung des Sachverhalts.
Die ZBB erklärte mit Schreiben vom 23. Mai 2007, dass nach Prüfung der eingereichten
Unterlagen eine weitere Erstattung von Beihilfe nicht erfolgen könne. Die Beihilfefähigkeit
von Schutzimpfungen richte sich nach den Empfehlungen der Ständigen
Impfkommission. Das Bundesministerium des Innern habe festgelegt, dass gemäß § 10
Abs. 3 BhV die Aufwendungen für Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs ab dem
Behandlungstag 23. März 2007 beihilfefähig seien.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 28. Juni 2007 Widerspruch. Die
Grundvoraussetzungen für die Impfungen erfüllten ihre Töchter. Vor der Entscheidung,
sie impfen zu lassen habe sie sich im November 2006 telefonisch bei der ZBB über die
Modalitäten der Kostenübernahme erkundigt. Sie habe die Auskunft erhalten, dass sie
die entsprechende Rechnung bis zu einem Jahr nach der Erstellung einreichen könne. Zu
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die entsprechende Rechnung bis zu einem Jahr nach der Erstellung einreichen könne. Zu
diesem Zeitpunkt sei bereits abzusehen gewesen, dass einige Krankenkassen im Januar
die Kosten übernehmen würden und dies in überschaubarer Zeit auch für die Beihilfe
zutreffen würde. Sie halte es nicht für rechtmäßig und eine Ungleichbehandlung, eine
Kostenübernahme für die Impfung ihrer Töchter abzulehnen, nur weil sie ca. drei Monate
vor dem Stichtag geimpft worden seien.
Die ZBB wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 als
unbegründet zurück. Im Rahmen der Begründung führte sie unter anderem aus, dass
sich die Beihilfefähigkeit von Schutzimpfungen nach den öffentlichen Empfehlungen der
jeweiligen obersten Landesgesundheitsbehörden auf der Grundlage der
Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission richte. Die Ständige Impfkommission
habe mit Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 die Impfung gegen humane
Papillomaviren für Mädchen von 12 bis 17 Jahren empfohlen. Das Bundesministerium
des Innern habe gleichzeitig festgelegt, dass gemäß § 10 Abs. 3 BhV die Aufwendungen
für die Impfungen für Mädchen von 12 bis 17 Jahren ab 23. März 2007 beihilfefähig seien.
Gemäß dem Erlass des Ministeriums der Finanzen vom 28. März 2007 gelte diese
Regelung entsprechend im Geltungsbereich des Landesbeamtengesetzes ab dem 28.
März 2007. Maßgebliches Datum der beihilferechtlichen Erstattung der Impfung gegen
humane Papillomaviren sei der 28. März 2007. Auf eine telefonische Auskunft könne sich
die Klägerin nicht berufen, da zu diesem Zeitpunkt weder die Ständige Impfkommission
die Empfehlung ausgesprochen habe noch die Beihilfestelle verbindliche Aussagen zum
Zeitpunkt der Kostenübernahme herausgegeben habe.
Die Klägerin hat am 12. Dezember 2007 Klage erhoben. Sie wiederholt ihr
vorgerichtliches Vorbringen und führt ergänzend aus, dass die Kosten der
durchgeführten Schutzimpfungen im Sinne der Beihilfevorschriften rechtlich und
medizinisch notwendig gewesen seien. Zwar habe sich der Beklagte bei der Beurteilung
der Frage, ob Schutzimpfungen medizinisch notwendig seien, an den Verlautbarungen
der Ständigen Impfkommission orientiert. Diese habe aber gerade die generelle Impfung
gegen humane Papillomaviren für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren empfohlen.
Ihre Töchter fielen unter den Kreis der Personen, für die die Impfempfehlung
grundsätzlich gelte und sinnvoll sei. Zudem liege aus medizinischer Sicht durchaus eine
Notwendigkeit vor, die eine Erstattung der angefallenen Kosten begründe, da gerade die
Ständige Impfkommission den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse sowie
der diagnostischen und/oder therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit
und die Wirtschaftlichkeit dieser Leistung positiv beurteile. Hier allein auf das Datum der
Ausführung der Impfungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der
Impfempfehlung abzustellen, entspreche nicht dem eigentlichen Zweck dieser
medizinischen Maßnahme. Gemäß den Vorschriften zur Beihilfefähigkeit seien auch
Kosten für eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilbehandlung auch
ausnahmsweise beihilfefähig, wenn nach dem Stand der Wissenschaft die Aussicht, d.h.
die begründete Erwartung auf wissenschaftliche Anerkennung bestehe, wovon hier in
Bezug auf die fraglichen Impfungen ausgegangen werden könne.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides 6. Februar 2007 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007 zu verpflichten, der Klägerin die
Kosten von 348,99 € für die Durchführung der Schutzimpfungen am 12. Dezember 2006
und 11. Dezember 2006 gemäß den ärztlichen Liquidationen vom 26. Januar 2007 zu
erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 20. November
2007.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. Mai 2009 dem Einzelrichter zur
Entscheidung übertragen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15. Mai 2009 und der
Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Mai 2009 das Einverständnis mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des
Vorbringens der Beteiligten im Übrigen, wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen
Verwaltungsvorgang sowie die Personalakte der Klägerin Bezug genommen. Diese
Unterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
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Entscheidungsgründe
1. Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten
damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung
[VwGO]).
2. Die Klage ist unbegründet. Dabei kommt es letztlich nicht darauf an, ob die Klage
zutreffend - wie von der Klägerin in ihrer Klageschrift vom 12. Dezember 2007
angegeben - gegen den Bescheid vom 6. Februar 2007 gerichtet ist, der allerdings
mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs während der einmonatigen Widerspruchsfrist
bestandskräftig sein dürfte, oder richtigerweise gegen den Bescheid vom 23. Mai 2007 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007 - bei dem es sich um
einen negativen Zweitbescheid handeln dürfte, d.h. um einen Bescheid, der im Rahmen
eines Wiederaufgreifensverfahrens nach (konkludenter) Aufhebung eines
bestandskräftigen Bescheides und erneuter Sachprüfung eine der Regelung im
aufgehobenen Bescheid entsprechende Regelung trifft - zu richten und die Klage im
Rahmen des § 88 VwGO in diesem Sinne auszulegen wäre. Denn die Klägerin hat
jedenfalls gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für ihre
Aufwendungen für die Impfungen ihrer Töchter gegen humane Papillomaviren.
a. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob dies schon daraus folgt, dass es an
einem für den Beihilfeanspruch erforderlichen Beamtenverhältnis der Klägerin fehlt, weil
die Ernennungsurkunde vom 27. August 1999 über die Berufung der Klägerin in das
Beamtenverhältnis auf Probe und die Urkunde vom 16. November 2001 zur
Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit den Zusatz "in
Teilzeitbeschäftigung bei einem Umfang von zwei Dritteln der regelmäßigen Arbeitszeit"
aufweisen (vgl. zu den sich daran anknüpfenden Rechtsfragen: Urt. der Kammer v. 28.
August 2008 - 5 K 1554/02 -; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.
November 2008 - OVG 4 B 18.08 -, zitiert nach juris).
b. Selbst wenn man von einem bestehenden Beamtenverhältnis der Klägerin ausgeht,
hat die Klägerin nach den maßgeblichen Vorschriften des Beihilferechts jedenfalls gegen
den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für ihre Aufwendungen für
die im Dezember 2006 erfolgten Impfungen ihrer Töchter gegen humane Papillomaviren
in Höhe von jeweils 189,51 €, so dass sich die die entsprechende Beihilfegewährung
ablehnenden Bescheide des Beklagten in jedem Fall als rechtmäßig erweisen und die
Klägerin nicht ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
aa. Nach § 45 Abs. 3 S. 1 des Landesbeamtengesetzes für das Land Brandenburg
(Landesbeamtengesetz - LBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober
1999 (GVBl. I S. 446), zuletzt geändert durch das fünfte Gesetz zur Änderung des
Landesbeamtengesetzes vom 22. Juni 2005 (GVBl. I S. 214), erhalten Beamte und
Versorgungsempfänger Beihilfen u.a. in Krankheitsfällen nach den für die Beamten und
Versorgungsempfänger des Bundes jeweils geltenden Vorschriften. Danach ist für das
vorliegende Verfahren die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-,
Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfevorschriften - BhV) in der Fassung der 28. allgemeinen
Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zur Änderung der
Beihilfevorschriften vom 30. Januar 2004 (veröffentlicht in ABl. Bbg. S. 268 ff.)
maßgeblich.
Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Beihilfevorschriften nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 -,
BVerwGE 121, 103) nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des
Gesetzesvorbehalts - nach dem die wesentlichen Entscheidungen über die Leistungen
an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger im Falle von Krankheit und
Pflegebedürftigkeit der Gesetzgeber zu treffen hat - genügt, woran auch die
Inkorporation der Beihilfevorschriften als Landesrecht durch das Landesbeamtengesetz
nichts ändert, da sie dadurch nicht den Charakter von Verwaltungsvorschriften verlieren
(BVerwG, Urt. v. 28. Oktober 2004 - 2 C 34.03 -, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 15; BVerwG,
Urt. v. 25. November 2004 - 2 C 30.03 -, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 16). Für eine
Übergangszeit - gerechnet ab dem Zeitpunkt der vorstehend genannten Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2004 bis zum Ende der laufenden (Bundes-
)Legislaturperiode (vgl. BVerwG, Urt. v. 28. Mai 2008 - 2 C 24.07 -, zitiert nach juris;
BVerwG, Urt. v. 26. Juni 2008 - 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234) - ist von der Weitergeltung
der Beihilfevorschriften als Verwaltungsvorschriften auch im Landesbereich auszugehen,
wenn hierauf durch Bestimmungen des Landes verwiesen wird. Damit ist gewährleistet,
dass die Leistungen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Geburt nach einem
einheitlichen Handlungsprogramm erbracht werden (BVerwG, Urt. v. 17. Juni 2004 - 2 C
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einheitlichen Handlungsprogramm erbracht werden (BVerwG, Urt. v. 17. Juni 2004 - 2 C
50.02 -, BVerwGE 121, 103; BVerwG, Urt. v. 28. Oktober 2004 - 2 C 34.03 -, Buchholz
270 § 5 BhV Nr. 5). Da die Beihilfevorschriften grundsätzlich ein einheitliches,
geschlossenes Programm darstellen, kann sich diese vorübergehende Fortgeltung auch
nicht etwa nur auf die "begünstigenden" Regelungen beziehen, so dass Ausschluss- und
Begrenzungsregelungen von ihr nicht ausgenommen sind (BVerwG, Urt. v. 26. Juni 2008
- 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24. Mai
2006 - 1 A 3633/04 -, zitiert nach juris).
Hiervon ausgehend hat die Klägerin aufgrund der Beihilfevorschriften keinen Anspruch
auf eine Beihilfe für die Aufwendungen für die HPV-Schutzimpfungen ihrer Töchter. Die
Beihilfefähigkeit von Schutzimpfungen richtet sich nach § 10 Abs. 3 BhV. Danach sind
beihilfefähig die Aufwendungen für amtlich empfohlene Schutzimpfungen, jedoch nicht
anlässlich privater Reisen in Gebiete außerhalb der Europäischen Union. Auch eine
Erstattung von Kosten für Schutzimpfungen setzt nach dem für das gesamte
Beihilferecht maßgeblichen Grundsatz des § 5 Abs. 1 S. 1 BhV voraus, dass sie dem
Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind (vgl. Bayerischer VGH,
Urt. v. 2. September 2003 - 3 B 01.199 -, zitiert nach juris; VG Sigmaringen, Urt. v. 24.
Juli 2008 - 6 K 2527/07 -, zitiert nach juris; VG Lüneburg, Urt. v. 31. Januar 2007 - 1 A
213/05 -, zitiert nach juris; VG Ansbach, Urt. v. 7. September 2004 - AN 15 K 04.592 -,
zitiert nach juris). Notwendig sind Maßnahmen, die eine Not abwenden und darum
unerlässlich bzw. unentbehrlich, unvermeidlich oder zwangsläufig sind. Die Kosten
lediglich nützlicher, aber nicht notwendiger Behandlungen muss der Beihilfeberechtigte
selbst tragen. Maßgebend ist, ob die Maßnahme im Einzelfall objektiv medizinisch
notwendig war (VG München, Urt. v. 20. März 2007 - M 5 K 06.3673 -, zitiert nach juris;
VG Ansbach, Urt. v. 7. September 2004 - AN 15 K 04.00592 -, zitiert nach juris; VG
Würzburg, Urt. v. 27. August 2002 - W 1 K 02.689 -, zitiert nach juris). Die medizinische
Notwendigkeit einer Impfung ist - wie sich bereits im Wortlaut des § 10 Abs. 3 BhV
widerspiegelt - dann gegeben, wenn die jeweilige Impfung als Schutzimpfung aufgrund
von § 20 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim
Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) und der öffentlichen Empfehlungen der
obersten Landesgesundheitsbehörden (vgl. § 20 Abs. 3 IfSG) eingeordnet ist (vgl.
Beckmann/Eyer/Heise, Beihilfevorschriften, BhV § 10 Anm. 5 Abs. 1). Da die öffentlichen
Empfehlungen der obersten Landesgesundheitsbehörden gemäß § 20 Abs. 3 IfSG
generell auf der Grundlage der Impfempfehlungen der beim Robert-Koch-Institut
eingerichteten Ständigen Impfkommission (vgl. § 20 Abs. 2 IfSG) ergehen - so auch in
Brandenburg (vgl. Nr. 1 des Runderlasses des Ministeriums für Arbeit, Soziales,
Gesundheit und Frauen über "Öffentlich empfohlene Schutzimpfungen für das Land
Brandenburg" vom 28. Mai 2003 [ABl. Bbg. S. 622], geändert durch Runderlass vom 7.
Juni 2004 [ABl. Bbg. S. 475]) -, ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die Beihilfestelle
hinsichtlich der Notwendigkeit und damit der Beihilfefähigkeit einer Schutzimpfung
bereits im Einzelfall an die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission hält (vgl.
Beckmann/Eyer/Heise, Beihilfevorschriften, BhV § 6 Anm. 5, § 10 Anm. 5 Abs. 1).
Die hier in Rede stehenden Schutzimpfungen der Töchter der Klägerin sind nicht im
vorgenannten Sinn notwendig, denn im für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher
Streitigkeiten maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die
Beihilfen verlangt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. Dezember 2005 - 2 C 35.04 -,
Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17), der sich gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 BhV danach richtet, wann
die sie begründende Leistung erbracht wird, d.h. hier im Dezember 2006, waren
Impfungen gegen humane Papillomaviren nicht von den Impfempfehlungen der
Ständigen Impfkommission umfasst. Erst mit dem Epidemiologischen Bulletin des
Robert-Koch-Instituts Nr. 12 vom 23. März 2007 (S. 97-103) wurde die am 27./28.
Februar 2007 verabschiedete Empfehlung der Ständigen Impfkommission zur generellen
Impfung gegen humane Papillomaviren für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren
einschließlich der Begründung veröffentlicht. Die zuvor erfolgten Impfungen sind daher
nicht beihilfefähig.
bb. Dieses Ergebnis ist mit der Fürsorgepflicht vereinbar.
(1) Der Dienstherr erfüllt seine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten in Krankheits-,
Pflege- und Geburtsfällen regelmäßig durch die Gewährung von Beihilfe; sie soll den
Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in
angemessenem Umfang freistellen (BVerwG, Urt. v. 11. Juni 1964 - 8 C 155.63 -,
BVerwGE 19, 10; Urt. v. 7. Oktober 1965 - 8 C 63.63 -, BVerwGE 22, 160). Die
Beihilfevorschriften konkretisieren in diesen Fällen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht
(vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 23. Juni 1981 - 2 BvR 1067/80 -, BVerfGE 58, 68; BVerwG, Urt.
v. 31. Januar 2002 - 2 C 1.01 -, Buchholz 237.0 § 101 BaWüLBG Nr. 1). Die danach
gewährte Beihilfe ist ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren
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gewährte Beihilfe ist ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren
Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt, um ihm seine
wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht entsprechenden Weise durch Zuschüsse
aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern (BVerwG, Urt. v. 10. August 1971 - 6 C 136.67 -,
Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 35; BVerwG, Urt. v. 20. Oktober 1976 - 6 C 187.73 -,
BVerwGE 51, 193). Dabei ergänzt die Beihilfe nach der ihr zugrundeliegenden Konzeption
die Alimentation des Beamten. Von Verfassungs wegen erfordert die Fürsorgepflicht
nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen
entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang
(vgl. BVerwG, Urt. v. 18. Juni 1980 - 6 C 19.79 -, BVerwGE 60, 212; BVerwG, Beschl. v. 26.
Juli 1984 - 2 B 132.83 -, Buchholz 238.911 Nr. 13 BhV Nr. 5); ebenso wenig verlangt sie,
dass das von der Beihilfe nicht gedeckte Risiko in jedem Falle in vollem Umfang
versicherbar sein muss (BVerwG, Urt. v. 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277).
Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der in mehreren Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts sinngemäß geäußerten Auffassung herleiten, die Beihilfe als
eine die Eigenvorsorge ergänzende Leistung dürfe nicht ohne Rücksicht auf die
vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten ausgestaltet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.
Juni 1980 - 6 C 19.79 -, BVerwGE 60, 212; BVerwG, Entsch. v. 25. Juni 1987 - 2 N 1.86 -,
BVerwGE 77, 345). Denn dies ist nicht in dem engen Sinne zu verstehen, dass das
Beihilfesystem und die private Versicherung "lückenlos" aufeinander abgestimmt sein
müssten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89;
BVerwG, Urt. v. 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277). Die Beihilfe muss allerdings
sicherstellen, dass der Beamte in den genannten Fällen nicht mit erheblichen
Aufwendungen belastet bleibt, die für ihn unabwendbar sind und denen er sich nicht
entziehen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83,
89).
Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, für einzelne Regelungsbereiche die ihm aus
der Fürsorgepflicht dem Beamten gegenüber obliegenden Verpflichtungen durch
Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften zu konkretisieren. Bei der
Ausfüllung des ihm hierbei zustehenden weiten Gestaltungsspielraums (BVerfG, Beschl.
v. 11. Juni 1958 - 1 BvR 1/52, 46/52 -, BVerfGE 8, 1) ist er lediglich insoweit gebunden, als
die beabsichtigte Regelung dem wohlverstandenen Interesse des Beamten gebührend
Rechnung zu tragen hat. Was der Dienstherr dem Beamten danach im Einzelnen
schuldet, lässt sich nur im Hinblick auf den jeweils zu regelnden Sachbereich bestimmen.
Demgemäß hat der Dienstherr Vorkehrungen zu treffen, dass der amtsangemessene
Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch
Krankheits-, Pflege- und Geburtsfälle nicht gefährdet wird. Ob er dieser Pflicht über eine
entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in
sonst geeigneter Weise Genüge tut, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung
überlassen (BVerfG, Beschl. v. 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89;
BVerfG, Beschl. v. 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225).
Die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn geht dabei grundsätzlich nicht über das
hinaus, was dem Beamten durch spezialgesetzliche Regelungen abschließend
eingeräumt ist; im Hinblick auf die Krankheitsvorsorge des Beamten ist sie grundsätzlich
abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert; ein Rückgriff auf die
Generalklausel der Fürsorgepflicht ist daher regelmäßig ausgeschlossen, um die durch
Spezialvorschriften im einzelnen nach Art und Umfang begrenzten Ansprüche zu
erweitern (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 -, BVerwGE 112, 308
m.w.N.). Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Ausschluss einer Beihilfe die
allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn in ihrem Wesenskern verletzt (vgl. BVerwG,
Urt. v. 18. Juni 1980 - 6 C 19.79 -, BVerwGE, 60, 212; BVerwG, Urt. v. 28. April 1988 - 2 C
58.85 -, BVerwGE 79, 249).
Ausgehend hiervon hat sich der Normgeber mit der Bindung der Beihilfefähigkeit von
Schutzimpfungen an die amtlichen Empfehlungen der Landesgesundheitsbehörden und
der Ständigen Impfkommission, im Rahmen des ihm eröffneten und gerichtlich nur
beschränkt überprüfbaren Ermessens gehalten. Der Charakter der Beihilfe als einer
ergänzenden Hilfeleistung belässt dem Dienstherrn einen erheblichen Spielraum,
innerhalb dessen er durch seine Beihilfevorschriften die Voraussetzungen, den Umfang
und die Art und Weise dieser speziellen Fürsorge generalisierend und typisierend
bestimmen kann (vgl. BVerwG, Urt. v.13. März 1980 - 6 C 1.79 -, BVerwGE 60, 88). Ob er
insoweit die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, ist
nicht entscheidend (BVerwG, Urt. v. 29. August 1996 - 2 C 2.95 -, BVerwGE 102, 24).
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Notwendigkeit und damit die
Beihilfefähigkeit einer Schutzimpfung an entsprechende amtliche Empfehlungen
geknüpft werden. Der Dienstherr ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, die Kosten
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geknüpft werden. Der Dienstherr ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, die Kosten
einer Behandlung, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, als beihilfefähig anzuerkennen
(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 9. Februar 2009 - 2 A 11125/08 -, zitiert nach juris). Wie
bereits dargelegt, erstreckt sich die Beihilfegewährung allein auf notwendige
medizinische Maßnahmen, die von lediglich sinnvollen und nützlichen Maßnahmen
abzugrenzen sind, was gerade bei Vorsorgemaßnahmen wie Schutzimpfungen
besondere Schwierigkeiten bereitet. Denn anders als bei einer Heilbehandlung einer
konkreten Erkrankung, bei der eine Therapiemaßnahme zur Erreichung eines
bestimmten Therapieerfolges zum Einsatz kommt, so dass ein
Notwendigkeitszusammenhang zwischen Erkrankung, Behandlungsmaßnahme und
Therapieerfolg im Wesentlichen ohne Probleme festgestellt werden kann, sind bei der
Beurteilung der Notwendigkeit von Schutzimpfungen weitere Fragen einzustellen,
insbesondere die Höhe des Risikos, an einer bestimmten Infektionskrankheit zu
erkranken, gegen die der Impfschutz hergestellt werden soll, der Umfang des durch die
Impfung zu erreichenden Impfschutzes und das Verhältnis, in dem diese Gesichtspunkte
zu den mit der Impfung möglicherweise verbundenen Komplikationen stehen. Dass sich
der Dienstherr für diese Fragen über die Empfehlungen der obersten
Landesgesundheitsbehörden des in der Ständigen Impfkommission gebündelten
besonderen Sachverstandes (vgl. § 20 Abs. 2 S. 4 bis 6 IfSG und die Vorbemerkung zur
Geschäftsordnung der Ständigen Impfkommission [zitiert nach www.rki.de]) und des für
die Erarbeitung vorgesehenen Verfahrens (vgl. § 1 Abs. 3 der Geschäftsordnung der
Ständigen Impfkommission: "Die Kommission gibt ihre Empfehlungen zur Durchführung
von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen
Prophylaxe übertragbarer Krankheiten nach dem Stand der Wissenschaft. Dazu wertet
die Kommission zur jeweiligen übertragbaren Krankheit Daten zu Wirksamkeit und
Verträglichkeit der Impfstoffe oder Mittel der spezifischen Prophylaxe, zu Eigenschaften
und Epidemiologie des Krankheitserregers sowie zu Epidemiologie, Verlauf, sonstigen
Möglichkeiten der Prävention und Möglichkeiten der Therapie der übertragbaren
Krankheit aus, nimmt auf dieser Grundlage eine medizinisch-epidemiologische Nutzen-
Risiko-Abwägung vor und berücksichtigt Belange der praktischen Durchführung. …")
bedient, begegnet gerade mit Blick auf die auch im Rahmen der Beihilfegewährung
zulässige Typisierung und Pauschalierung keinen Bedenken. Dies wird auch mit Blick auf
die Empfehlung der Ständigen Impfkommission zur HPV-Schutzimpfung für Mädchen im
Alter von 12 bis 17 Jahren nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil zeigt gerade die von der
Ständigen Impfkommission gegebene Begründung dieser Empfehlung (vgl.
Epidemiologisches Bulletin des Robert-Koch-Instituts Nr. 12 vom 23. März 2007, S. 98 ff.)
die oben genannten Schwierigkeiten der Beurteilung der Notwendigkeit einer
Schutzimpfung. Zu nennen ist hier vor allem die - gerade wegen des begrenzten
Umfangs der vorhandenen Daten komplexe - Aus- und Bewertung der vorliegenden
medizinischen Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der zugelassenen Impfstoffe,
und die Bestimmung des Personenkreises, für den die Impfung empfohlen werden soll.
(2) Eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht ist vorliegend nicht
festzustellen.
Braucht der Dienstherr - wie oben dargelegt - mit der Gewährung von Beihilfen nur
ergänzend einzugreifen, muss der Beamte wegen des lediglich ergänzenden Charakters
der Beihilfe Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der pauschalierenden und
typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch die Beihilfevorschriften ergeben
und die keine unzumutbare Belastung bedeuten. Eine Verletzung des Wesenskerns der
Fürsorgepflicht kann nur bei unzumutbaren Belastungen bzw. erheblichen
Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich sind und denen er sich nicht
entziehen kann, angenommen werden (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 13. November 1990
- 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89; BVerwG, Urt. v. 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 -,
BVerwGE 112, 308), mithin dann, wenn der Beamte erhebliche Aufwendungen für
medizinisch notwendige und unabdingbare Behandlungen aufgrund des
Beihilfenausschlusses für diese Behandlungen selber tragen müsste und dadurch
wirtschaftlich so belastet würde, dass er dadurch an einer amtsangemessenen
Lebensführung gehindert wäre.
Von einer Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht kann vorliegend schon im
Hinblick auf die Höhe der einmalig entstandenen Kosten nicht ausgegangen werden, da
nicht erkennbar ist und auch nicht substantiiert vorgetragen wird, dass die Klägerin - im
Amt einer Studienrätin (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) - ihre wirtschaftliche
Lebensführung und die ihrer Familie zwecks Tragung der fraglichen Aufwendungen derart
einschränken müsste, dass sie nicht mehr alimentationsgerecht wäre. Nichts anderes
gilt, wenn man die Belastungen durch die jeweils zwei weiteren empfohlenen Impfungen
der Töchter in Blick nimmt, da auch deren Höhe bekannt und absehbar ist und sich die
Klägerin mithin darauf vorbereiten kann.
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cc. Ist der hier streitige Ausschluss demnach mit der Fürsorgepflicht vereinbar, scheidet
auch ein Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach
Art. 33 Abs. 5 GG aus. Denn die Beihilfe in ihrer gegenwärtigen Gestalt gehört nicht zu
den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Das System der Beihilfen
kann jederzeit geändert werden, ohne dass dadurch Art. 33 Abs. 5 GG berührt wird. Eine
verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für
Krankheitsfälle oder vergleichbare Belastungen Unterstützung gerade in Form von
Beihilfen im Sinne der Beihilfevorschriften oder gar von solchen Beihilfen in bestimmter
Höhe zu gewähren, besteht nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7. November 2002 - 2 BvR
1053/98 -, BVerfGE 106, 225; BVerfG, Beschl. v. 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -,
BVerfGE 83, 89).
dd. Die Bestimmungen des § 10 Abs. 3 BhV und der darin geregelte Rückgriff auf die
amtlichen Empfehlungen zur Beurteilung der Notwendigkeit von Impfungen ist auch mit
dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung
der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst
liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise nicht
mehr vereinbar ist, wenn also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich
und seine Eigenart ein vernünftiger einleuchtender Grund für die Regelung fehlt.
Grundsätzlich obliegt es dem Gesetzgeber, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die
er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Auch bei der Regelung des Beihilferechts besteht - wie
schon dargelegt - eine weitgehende Gestaltungsfreiheit des Normgebers. Die Gerichte
können nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich
gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident
sachwidrig erweisen, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffenen
Wertentscheidungen entgegenstehen. Nichts anderes gilt für die Gestaltungsfreiheit der
Verwaltung beim Erlass von Beihilfevorschriften, solange diese Regelungsform noch
übergangsweise hinzunehmen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29. Januar
2007 - OVG 4 N 136.06 -).
Die Anknüpfung der Beihilfefähigkeit von Schutzimpfungen an die amtlichen
Empfehlungen ist nicht willkürlich, sondern im Rahmen des weiten Einschätzungs- und
Gestaltungsspielraums des Beihilfevorschriftengebers sachlich begründet; auf die
vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.
Eine Ungleichbehandlung, wie sie die Klägerin rügt, liegt insbesondere nicht im Verhältnis
zu gesetzlich Versicherten vor. Eine solche Überlegung geht schon deshalb fehl, weil sich
die Systeme der beamtenrechtlichen Krankenfürsorge einerseits und der gesetzlichen
Krankenversicherung andererseits strukturell grundlegend im Hinblick auf die
verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen,
das Leistungsspektrum und die Leistungsformen unterscheiden und je eigenständige
Regelungsmaterien darstellen, ohne dass in irgendeiner Beziehung eine
Anpassungspflicht bestünde. Aus diesem Grund wird das Gebot der Gleichbehandlung
gemäß Art. 3 Abs. 1 GG durch Unterschiede bei der Leistungsgewährung in aller Regel
nicht verletzt (BVerwG, Urt. v. 26. Juni 2008 - 2 C 2.07 -, zitiert nach juris). Auch aus der
Fürsorgepflicht ergibt sich nicht, dass die beamtenrechtliche Krankenfürsorge in keinem
Einzelpunkt für den Betroffenen weniger günstig sein dürfe als die gesetzliche
Krankenversicherung (VG München, Urt. v. 15. Februar 2000 - M 5 K 98.737 -, zitiert
nach juris).
Ein Gleichheitsverstoß liegt auch nicht deshalb vor, weil im Gegensatz zu den vor März
2007 durchgeführten HPV-Schutzimpfungen die danach erfolgten Impfungen
beihilfefähig sind, denn der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG steht, auch
wenn dies eine Ungleichheit zwischen dem bisherigen und dem neu geregelten
Anwendungsfall begründet, einer Änderung der Rechtslage nicht entgegen (vgl. Urt. der
Kammer v. 19. Februar 2004 - 5 K 1992/99 -; Kirchhof in Isensee/Kirchhof, Handbuch des
Staatsrechts, Band V, § 124 Rn. 139; Dürig in Maunz/Dürig, GG, Art. 3 I Rn. 194, 205).
ee. Die Klägerin kann auch aus dem von ihr angeführten Telefonat mit der Beihilfestelle
des Beklagten nichts für sich herleiten. Abgesehen davon, dass schon unklar ist, wann
genau sie mit welchem Gesprächspartner über welche konkreten Fragen gesprochen
haben will (der von ihr im Schreiben vom 28. Juni 2007 wiedergegebene Inhalt der
Auskunft, sie könne eine Rechnung bis zu einem Jahr nach der Erstellung einreichen,
besagt zur Frage der Beihilfefähigkeit der fraglichen HPV-Impfung nichts, sondern verhält
sich nur zur Antragsfrist des § 17 Abs. 9 BhV), vermag eine mündliche Auskunft welcher
Art auch immer eine Bewilligung von Beihilfe entgegen den Beihilfevorschriften nicht zu
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Art auch immer eine Bewilligung von Beihilfe entgegen den Beihilfevorschriften nicht zu
rechtfertigen. Eine insoweit allenfalls hilfreiche Zusicherung im Sinne des § 38 Abs. 1
VwVfGBbg liegt mangels Wahrung der Schriftform jedenfalls nicht vor.
Auch sonst verhelfen irgend geartete Vertrauensschutzgesichtspunkte (die als solche
ohnehin keinen Beihilfeanspruch begründen könnten) der Klägerin insoweit nicht zum
Erfolg. Wie sich den Ausführungen der Klägerin im Schreiben vom 28. Juni 2007, es sei im
Zeitpunkt der Impfung bereits absehbar gewesen, dass auch die Beihilfe in
überschaubarer Zeit die Impfkosten übernehmen würde, entnehmen lässt, war der
Klägerin selbst bewusst, dass es im Moment der Impfungen gerade noch keine Regelung
über die Beihilfefähigkeit der HPV-Schutzimpfungen gab. Dass sie trotz dessen die
Impfungen im Dezember 2006 hat durchführen lassen und die Aufwendungen zum
Entstehen gebracht hat, beruht auf ihrer eigenverantwortlichen Entscheidung und
schließt einen Vertrauensschutz mangels tauglicher Grundlage aus.
ff. Schließlich führt auch der Hinweis der Klägerin im Schriftsatz vom 22. Oktober 2008
auf die Rechtsprechung, nach der auch wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte
sogenannte Außenseitermethoden notwendig sein können, wenn die Aussicht besteht,
dass eine solche Behandlungsmethode noch allgemein anerkannt werden kann (vgl.
hierzu im Einzelnen: BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, zitiert nach juris;
BVerwG, Urt. v. 18. Juni 1998 - 2 C 24.97 -, zitiert nach juris; OVG für das Land Nordrhein-
Westfalen, Urt. v. 1. September 2004 - 1 A 4294/01 -, zitiert nach juris; OVG für das Land
Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 16. April 2008 - 6 A 2242/05 -, zitiert nach juris), vorliegend
nicht weiter.
Es ist aus systematischen Gründen schon zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auf eine
Vorsorgemaßnahme wie eine Schutzimpfung überhaupt übertragbar ist. Denn sie fußt
auf der Bestimmung des § 6 Abs. 2 BhV, nach der das Bundesministeriums des Innern
die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach
einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzen oder
ausschließen kann. Diese wiederum findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Gewährung
von Beihilfen, die aus allgemeinen Steuergeldern finanziert werden, auf der Erwartung
gründet, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende Gewähr für eine
möglichst rasche und sichere Therapie bietet, und es deshalb aus der Sicht des
Dienstherrn nicht ohne Belang ist, ob die von ihm (mit-)finanzierte Behandlung Erfolg
verspricht oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, zitiert nach juris).
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch
die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu
erstatten, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die
Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte
Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg
eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die
wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer
medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der
Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, mithin die
Aussicht, d.h. die begründete Erwartung, auf wissenschaftliche Anerkennung besteht
(vgl. BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, zitiert nach juris). Die von der Klägerin
angeführte Rechtsprechung knüpft an eine erforderliche Heilbehandlung einer konkreten,
bereits vorhandenen Erkrankung an, zu deren Therapie oder Linderung, dann wenn es an
einer erfolgversprechenden anerkannten Behandlungsmethode fehlt, auch
Außenseitermethoden auf Kosten des Dienstherrn zum Einsatz kommen soll. An einer
solchen Konstellation, in der die vorhandene Erkrankung und das konkrete Leiden des
Beamten naturgemäß den Umfang der Fürsorgepflicht mitbestimmen (im
Zusammenhang mit § 6 Abs. 2 BhV zur Begründdung einer Ausnahme vom
grundsätzlichen Ausschluss wissenschaftlich nicht anerkannter Heilmaßnahmen von der
Beihilfefähigkeit), fehlt es von vornherein, wenn es "nur" um die Verhütung künftiger
Krankheiten des Beamten geht.
Jedenfalls aber fehlt es für die Impfung von jungen Mädchen mit dem Medikament
Gardasil zum Schutz vor humanen Papillomaviren nicht an einer wissenschaftlichen
Anerkennung. Dies folgt schon aus der im 20. September 2006 erfolgten Genehmigung
der Europäischen Kommission für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels (Abl. EU C
259 S. 6) für eben dieses Anwendungsgebiet (vgl. die Ausführungen des Ausschusses für
Humanarzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelagentur [EMEA] im Europäischen
Öffentlichen Beurteilungsbericht, zitiert nach: www.emea.europa.eu), die auf dem
Nachweis der Wirksamkeit und dem Nachweis der Immunogenität beruht. Wie oben
bereits ausgeführt, ist allein damit aber eine Notwendigkeit der Schutzimpfung noch
nicht verbunden.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes auf 348,99 €
festgesetzt.
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