Urteil des VG Braunschweig vom 03.04.2014

VG Braunschweig: besoldung, nettoeinkommen, private krankenversicherung, niedersachsen, vergleich, halle, angemessenheit, eigene mittel, öffentliches dienstrecht, erworbenes recht

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Amtsangemessenheit der Alimentation
niedersächsischer Beamter im Jahr 2005
1. Die Entwicklung, welche die Netto Besoldung des Klägers (BesGr A 9
BBesO) in den Jahren 1983 bis 2005 infolge des fast vollständigen Wegfalls
der Sonderzahlung für 2005 und ihres fehlenden wirtschaftlichen
Ausgleichs genommen hat, ist mit dem Anspruch des Beamten auf eine
amtsangemessene Alimentation im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG in seiner bis
zum 31. August 2006 geltenden Fassung unvereinbar.
2. Die Besoldung des Klägers ist in diesem Zeitraum sowohl von der
Einkommensentwicklung vergleichbarer Angestellter im öffentlichen Dienst
als auch von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt
worden.
VG Braunschweig 7. Kammer, Beschluss vom 03.04.2014, 7 A 219/12
§ 1 BBesG, § 20 BBesG, § 27 BBesG, § 39 BBesG, § 40 BBesG, § 51 BBesG, § 67
BBesG, BBVAnpG 2003/2004, § 8 BesG ND, Art 33 Abs 5 GG, HBegleitG ND 2005
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage
eingeholt, ob die auf § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m.
§ 20 Abs. 2 S. 1 nebst Anlage I, § 27 Abs. 1 und 2, § 39 Abs. 1 S. 1 und 2
nebst Anlage V, § 40 Abs. 2, § 51 BBesG, § 8 NBesG beruhende Netto-
Alimentation des Klägers im Kalenderjahr 2005 - bezogen auf die BesGr A 9
BBesO und in den für 2005 maßgebenden Fassungen - mit Art. 33 Abs. 5 des
Grundgesetzes in seiner bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (a.F.)
unvereinbar ist.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine Alimentation im Jahr 2005
nicht amtsangemessen war.
Der im Dezember 19E. geborene Kläger steht als Beamter auf Lebenszeit im
niedersächsischen Landesdienst. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder, für
die ihm jeweils ein Kinderanteil im Familienzuschlag zusteht. Bis Ende Oktober
2003 war er als Steueramtsinspektor nach der Besoldungsgruppe (BesGr) A 9
(mittlerer Dienst, m. D.) der Bundesbesoldungsordnung (BBesO) alimentiert,
bevor er im November 2003 zum Steuerinspektor (BesGr A 9 BBesO,
gehobener Dienst, g. D.) befördert wurde. Seit Februar 2008 ist er
Steueroberinspektor.
Am 29.06.2005 erhob der Kläger bei dem für den Beklagten handelnden
Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV)
Widerspruch gegen die dargestellte Kürzung bzw. Abschaffung der jährlichen
Sonderzahlungen ab dem 01.01.2005 und rügte insbesondere die Verletzung
des Grundsatzes amtsangemessener Alimentation (Art. 33 Abs. 5 GG in seiner
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bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung, a. F.). Er machte geltend, spätestens
infolge dieses weitgehenden Wegfalls der Sonderzahlungen vom 01.01.2005
an sei der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation verletzt. Die
Sonderzahlung sei allein aus Einsparungsbestrebungen des Landes
Niedersachsen faktisch abgeschafft worden; eine Gesamtbetrachtung der
Besoldungssituation habe es in der entsprechenden Gesetzesbegründung
nicht gegeben. Obwohl die Alimentation der Beamten nicht greifbar hinter der
materiellen Ausstattung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst zurückbleiben
dürfe, habe der Besoldungsgesetzgeber erkennbar gegen diesen Grundsatz
verstoßen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09. 2005, zugestellt am 06.09.2005 wies
der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, die
Gewährung einer (höheren) Sonderzahlung sei in Anbetracht der strikten
behördlichen Bindung an die besoldungsrechtlichen Vorschriften nicht
möglich. Zudem sei diese neue gesetzliche Regelung mit höherrangigem
Recht, insbesondere mit dem Grundsatz der amtsangemessenen
Alimentation, dem Vertrauensschutzprinzip sowie mit dem allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz, vereinbar. Weder die Gewährung von Sonderzahlungen
generell noch speziell die Zahlung des sog. Weihnachtsgeldes gehörten zu
den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums; sie seien daher
nicht verfassungsrechtlich geschützt. Durch das Alimentationsprinzip sei keine
Sicherung eines einmal erlangten Besitzstandes oder einer bestimmten
Besoldungsstruktur für die Zukunft geschützt, sondern nur die untere Grenze
einer amtsangemessenen Alimentierung, welche allerdings nicht unterschritten
sei.
Der Kläger hat am 04.10.2005 Klage erhoben (7 A 357/05). Zur Begründung
hat er vorgetragen, die massive Absenkung bzw. gänzliche Streichung der
jährlichen Sonderzahlung durch Art. 5 Nr. 1 § 8 NHhBgG 2005 sei
verfassungswidrig, es fehle der gesetzlichen Änderung an einer notwendigen
sachlichen Rechtfertigung, welche den von der Rechtsprechung dafür
entwickelten Anforderungen genüge. Eine solche Rechtfertigung folge weder
aus dem Gesetz selbst noch aus den Gesetzesmaterialien noch aus den
Gesamtumständen. Die überwiegend bis ausschließlich haushaltspolitischen
Erwägungen seien verfassungsrechtlich nicht ausreichend. Das
Gesetzgebungsverfahren selbst müsse erkennen lassen, dass Überlegungen
zur Angemessenheit der Besoldung auch nach der Kürzung im Vergleich mit
anderen Einkommen angestellt worden seien. Allein finanzielle Erwägungen
seien deshalb nicht ausreichend. Aus den Gesetzesmaterialien sei hingegen
ersichtlich, dass es dem Gesetzgeber allein auf eine Haushaltskonsolidierung
angekommen sei. Das nachträglich behauptete Motiv einer Angleichung von
Tarif- und Besoldungsrecht sei dort nicht ersichtlich. Durch das mit dem
NHhBgG 2005 erreichte Einkommensniveau werde das Recht auf
amtsangemessene Alimentation in seinem Kern verletzt. Auch hätte die
angegriffene Regelung nicht zeitlich unbefristet getroffen werden dürfen.
Infolge seiner Verfassungswidrigkeit sei Art. 5 Nr. 1 § 8 NHhBgG 2005
unanwendbar. Die ihm auf der Grundlage des Bundesbesoldungsgesetzes
geleistete, nach den Kürzungsmaßnahmen des niedersächsischen
Besoldungsgesetzgebers gleichsam verbliebene, Netto-Alimentation für das
Jahr 2005 sei unangemessen niedrig. Der Grundsatz der amtsangemessenen
Alimentation beinhalte, dass die Besoldung der Beamten der Höhe nach keine
beliebig variable Größe sei. Der Gesetzgeber habe die Attraktivität des
Beamtenverhältnisses für qualifizierte Beamte zu sichern und das Ansehen
des Amtes in der Gesellschaft zu festigen sowie dafür Sorge zu tragen, dass
dem Beamten ein Minimum an amtsangemessenem Lebenskomfort verbleibe.
Durch die finanziellen Einschnitte, welche er - der Kläger - insbesondere seit
Beginn des Jahres 2005 hinzunehmen habe, seien diese Grundsätze nicht
mehr gewahrt. Sowohl die relative als auch die absolute Grenze der
amtsangemessenen Alimentation seien verletzt. Der mittlerweile erreichte
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Zustand einer Alimentation nach Haushaltslage sei verfassungswidrig. Die
allgemeine Einkommensentwicklung übertreffe noch immer die Inflation bei
weitem. Im gleichen Zeitraum seien die Bezüge der Beamten real gesunken.
Es sei eine spürbare Absenkung des Besoldungsniveaus erreicht, welche die
Beamten von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt habe und
die absolute Grenze der Amtsangemessenheit unterschreite. Zudem treffe die
weitgehende Streichung der Sonderzuwendungen ausschließlich Beamte,
nicht aber die im öffentlichen Dienst beschäftigten Angestellten und Arbeiter.
Die Alimentation der Beamten dürfe aber nicht hinter der materiellen
Ausstattung der Angestellten und Arbeiter zurückbleiben. Vielmehr sei das
Einkommensniveau der Angestellten und Arbeiter - auch in seiner jeweiligen
Entwicklung - wesentlich für die Bestimmung der Angemessenheit der
Beamtenbesoldung. Infolge der rückläufigen Entwicklung des
Besoldungsniveaus während der letzten Jahre seien zum Nachteil der
Beamten gerade im Vergleich mit der Gruppe der Arbeiter und Angestellten im
öffentlichen Dienst ganz erhebliche Besoldungsverluste entstanden.
Mittlerweile sei ein Besoldungsniveau erreicht das Beamte von der
allgemeinen Einkommensentwicklung unzulässig abkoppele. Selbst bei
Einbeziehung der erheblich reduzierten Sonderzahlungen für die
Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 BBesO sowie der Gewährung minimaler
Sonderzahlungen für berücksichtigungsfähige Kinder sei beispielsweise die
Besoldung nach Besoldungsgruppe A 7 BBesO gerade noch so hoch, dass
keine Leistungsansprüche nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches
(SGB II) bestünden; damit sei die absolute Grenze der amtsangemessenen
Besoldung in verfassungswidriger Weise unterschritten. Bei Berücksichtigung
des sog. Abstandsgebotes gelte für die aufsteigenden Besoldungsgruppen
nichts anderes. So übersteige sein anzurechnendes Familieneinkommen,
nämlich die Alimentation durch das beklagte Land, den sozialhilferechtlichen
Gesamtbedarf i.S.d. SGB II um gerade einmal 30 %, was nicht mehr
angemessen sei.
Nach den im Juli 2005 seitens des Statistischen Bundesamtes veröffentlichten
Berechnungen seien die Löhne und Gehälter der Angestellten in allen
erfassten Wirtschaftszweigen (Tarifindex der Angestellten) zwischen dem
Ende des vierten Quartals 2000 und dem Ende des zweiten Quartals 2005 um
genau 10 Punkte von 101,2 auf 111,2 gestiegen (Quelle: Statist. Bundesamt,
www. destatis.de). In demselben Zeitraum sei von 2002 bis Ende 2005
bundesweit der durchschnittliche Brutto-Jahresverdienst der Arbeitnehmer im
produzierenden Gewerbe, im Handel sowie im Kredit- und
Versicherungsgewerbe um 7,38 % gestiegen (Quelle: Statist. Bundesamt,
Statist. Jahrbuch 2007, S. 523, Ziff. 21.1; www. destatis.de). Die
durchschnittlichen Netto-Jahreseinkommen privater Haushalte - die der
Beamten darin enthalten - stieg zwischen Anfang 2000 und Ende 2005 um 8
% (Quelle: Statist. Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 12/2006, S. 1296, 1305
f.; www. destatis.de).
Das dem Gebot der amtsangemessenen Alimentation innewohnende Prinzip
der linearen Anpassung der Beamtenbesoldung im Einklang mit dem
Tarifbereich werde seit Jahren ignoriert und erfahre durch den Wegfall der
Sonderzahlungen eine weitere, nunmehr verschärfte Verletzung. Eine
sachliche Rechtfertigung für diese Absenkung des Alimentationsniveaus sei
auch nicht dem Umstand zu entnehmen, dass für die Angestellten im
öffentlichen Dienst der Bundesländer die Tarifverträge hinsichtlich der
Sonderzuwendung im Jahr 2003 durch die Tarifgemeinschaft Deutscher
Länder (TdL) gekündigt worden seien. Denn dadurch entfielen die
einschlägigen Tarifbindungen lediglich im Hinblick auf Neueinstellungen sowie
für Vertragsänderungen mit bisherigen Arbeitnehmern des Beklagten. Wegen
der in § 4 Tarifvertragsgesetz (TVG) vorgeschriebenen Nachwirkung von
Tarifverträgen bleibe es ansonsten - insoweit unstreitig - bei den bisherigen
tariflichen Regelungen, d. h. auch bei den Tarifbindungen hinsichtlich der
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Sonderzuwendungen. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass es künftig eine
tarifvertragliche Regelung geben werde, die - entsprechend der die
Landesbeamten belastenden Regelung im NHhBgG 2005 - Sonderzahlungen
überhaupt nicht mehr vorsehen würde. Hierfür spreche auch, dass der Bund
und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände mit den
Gewerkschaften für ihren Bereich den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
(TVöD) abgeschlossen hätten, der in seinem § 20 weiterhin allen
Beschäftigten, die am 1. Dezember eines Jahres in einem Arbeitsverhältnis
stehen, eine Jahressonderzahlung gewähre. Diese belaufe sich auf 60 - 90 %
des durchschnittlich in den Kalendermonaten Juli, August und September
gezahlten Monatsentgelts. Zwar sei einzuräumen, dass der
Besoldungsgesetzgeber nicht verpflichtet sei, Tarifverhandlungsergebnisse
hinsichtlich der Vergütung für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
deckungsgleich für die Beamten zu übernehmen. Allerdings komme dem
Nettoeinkommensniveau der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer, vor
allem eben der Angestellten des öffentlichen Dienstes, eine besondere
Bedeutung für die Bestimmung der Wertigkeit eines Amtes und damit für
diejenige der Amts-angemessenheit der Besoldung zu. Daher habe es
besonderes Gewicht, dass Jahressonderzahlungen weiterhin für nahezu 98 %
aller Arbeitnehmer/-innen in den alten Bundesländern gewährt werden und
zudem 91 % aller Arbeitnehmer/-innen ein zusätzliches Urlaubsgeld erhalten.
Gerade das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt darauf abgestellt, ob
und in welchem Umfang die Besoldung infolge von Leistungskürzungen hinter
der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse
zurückgeblieben sei. Die Höhe der Alimentation müsse somit auch vor dem
Hintergrund zahlreicher Einschränkungen insbesondere bei der Beilhilfe in den
letzten Jahren gesehen werden. Solche Einschränkungen seien für sich
betrachtet jeweils nicht zu beanstanden, reduzierten wegen der erhöhten
Eigenaufwendungen des Beamten aber zwangsläufig dessen verfügbares
Nettoeinkommen.
Unabhängig von der Verfassungswidrigkeit liege im Sinne der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Art. 141 des Vertrages der
Europäischen Gemeinschaft (EGV) eine mittelbare Diskriminierung von
Männern hinsichtlich des Entgelts vor: Da es einen um acht Prozentpunkte
höheren Anteil an tarifbeschäftigten und damit sonderzahlungsberechtigten
Frauen gebe, sei das Risiko für (beamtete) Männer, zu der durch
Nichtgewährung der Sonderzahlung benachteiligten Gruppe zu gehören,
signifikant und ohne rechtfertigenden Grund höher. Im Hinblick darauf ist
zwischen den Beteiligten unstreitig, dass sich bei Zugrundelegung des
Abrechnungsmonats Februar 2007 für die Beschäftigten des beklagten
Landes - aufgeteilt nach Geschlechtern sowie Beamten und Tarifpersonal -
folgende Anteile ergeben:
Tarifbeschäftigte Beamte/Beamtinnen
30,4 % Männer 69,6 % Männer
38,5 % Frauen 61,5 % Frauen
Tarifbeschäftigte/Arbeitnehmer
(= 100 %)
Sonderzahlung(-en) mit
Sonderzahlung(-en) ohne tarifliche
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tariflicher Nachwirkung
Nachwirkung, d.h. wie für Beamte/-innen
geltend
78,0 % Männer
22,0 % Männer
65,3 % Frauen
34,7 % Frauen
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass sein Nettoeinkommen im Jahr 2005
verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er in Ergänzung seines Widerspruchsbescheides vor,
die in Art. 5 NHhBgG 2005 vorgenommene Änderung des § 8 NBesG zum
01.01.2005 sei durch die schwierige Haushaltssituation des Landes
Niedersachsen gerechtfertigt. Zwar würden in den Erläuterungen zu Art. 5 des
NHhBgG 2005 insbesondere fiskalische Gründe angeführt, doch folge
ergänzend aus Reden des Finanzministers Möllring im Niedersächsischen
Landtag am 25.06.2003 und am 27.10.2004 sowie aus den
Gesamtumständen, dass der weitgehende Wegfall der Sonderzahlung(-en) für
Beamte zu einer Annäherung an die Entgeltregelungen für sein Tarifpersonal
habe führen sollen. Die Gesetzesbegründung nenne dieses Ziel nur nicht
ausdrücklich. Dabei habe der Landesgesetzgeber durch die Beibehaltung der
Sonderzahlung für die untersten Einkommensgruppen zu erkennen gegeben,
dass er Überlegungen zur Angemessenheit der Besoldung angestellt habe.
Eine ergänzende Rechtfertigungsfunktion komme den finanziellen
Erwägungen allerdings durchaus zu. Abgesehen davon sei ein - insoweit
unterstelltes - formelles Begründungsdefizit in den Gesetzesmaterialien für sich
ohnehin nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen
gesetzlichen Regelung herbeizuführen. Das NHhBgG 2005 sei jedenfalls
materiell-rechtlich verfassungsgemäß. Auch wenn festgestellt werden könne,
dass die niedersächsischen Beamten in den letzten Jahren eine Netto-
Einkommensentwicklung zu verzeichnen hätten, die hinter der Entwicklung der
Einkünfte der Tarifbeschäftigten zurückbleibe, sei damit weder die relative
noch die absolute Grenze der amtsangemessenen Besoldung unterschritten.
Diese gewähre immer noch einen ausreichenden Lebenszuschnitt, der dem
Dienstrang, der Bedeutung und der Verantwortung des Amtes bei
Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Lebensverhältnisse
Rechnung trage. Die sich infolge der Verminderung bzw. des Wegfalls der
Sonderzuwendung(-en) ab dem Januar 2005 ergebende Differenz der
Nettobezüge für 2005 zu denen des Jahres 2004 betrage etwa 4 % und
vermöge schon deshalb keine Verletzung des Prinzips der
amtsangemessenen Alimentation zu begründen. Diese Reduzierung sei
verhältnismäßig. Bezogen auf die finanzielle Ausstattung des Klägers
verbleibe diesem auch nach Wegfall der Sonderzahlung ein Nettoeinkommen,
das mehr als 40 % - und nicht nur ca. 30 % - über dem Mindestbedarf im Sinne
des SGB II liege. Somit sei nicht nur eine amtsangemessene Alimentation
gegeben, sondern auch das sog. Abstandsgebot gewahrt. Infolge der
Weiterzahlung einer reduzierten Sonderzuwendung in den
Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 BBesO ergebe sich zwar insbesondere im
Vergleich mit der Besoldungsgruppe A 9 eine Verringerung des
Alimentationsabstandes. Immerhin sei aber überhaupt noch ein Abstand
vorhanden, der im Übrigen dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum
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entspreche. Der Kläger rücke einseitig die Entwicklung der Besoldung und der
Arbeitnehmerbezüge in den Vordergrund, vernachlässige aber das jeweilige
Niveau. Die Beamten verfügten weiterhin über höhere Nettobezüge als
vergleichbare Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst; lediglich der Abstand
zwischen beiden Gruppen habe sich aufgrund der Einschnitte zum Nachteil
der Beamten verringert.
Die durch den Kläger ursprünglich in den Vordergrund gerückten
Sonderzahlungen seien weder in Gestalt des sog. Weihnachtsgeldes noch in
der des sog. Urlaubsgeldes durch das Alimentationsprinzip gewährleistet und
ließen sich nicht aus den hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums herleiten. Geschützt sei einzig eine amtsangemessene
Besoldung, welche aus den dargestellten Gründen eben gewahrt sei. Deshalb
sei der Landesgesetzgeber auch durch § 8 NBesG (in der Fassung durch Art.
5 Nr. 1 NhHBgG 2005) nicht gehindert gewesen, die Sonderzahlung bereits
vom 01.01.2005 an überwiegend bis auf Null zu vermindern. Obwohl die
verfassungsrechtliche Alimentierung nicht in dem Sinne variabel sei, dass sie
sich schlicht nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand
verändern ließe, gebe es doch keinerlei Vertrauensschutz oder gar ein Recht
auf Besitzstandswahrung hinsichtlich einer einmal generell geschaffenen oder
persönlich erreichten Besoldungsebene und/oder -struktur. Auch habe die
Sonderzuwendung bereits nach dem bisher maßgeblichen Bundesrecht seit
dem Jahre 1964 eine ständig wechselnde Entwicklung durchlaufen. Seit dem
Jahr 1993 seien die Sonderzahlungen unstreitig nicht mehr absolut erhöht,
sondern bis zum Dezember des Jahres 2002 nominal unverändert belassen
(„eingefroren") worden. Schon diese Entwicklung habe erkennen lassen, dass
bei diesem Besoldungsbestandteil jederzeit mit Änderungen zu rechnen
gewesen sei. Deshalb könne nicht von der Schaffung eines
„Minimalstandards" ausgegangen werden. Vielmehr sei ein „behutsamer
Einstieg in den Ausstieg" zu erwarten gewesen. Auch seien die zuletzt
geplanten zusätzlichen Änderungen frühzeitig öffentlich diskutiert und mit
Verabschiedung des § 67 BBesG im Sommer 2003 für jeden ersichtlich
gewesen. Der Kläger habe mit einer Reduzierung der Sonderzahlung(-en)
rechnen müssen, zumal es in seiner Ausprägung als sog. Weihnachtsgeld in
Niedersachsen in den Jahren 2003 und 2004 stufenweise auf 65 % bzw. ca.
50 % einer Monatszahlung verringert worden sei.
Der klägerische Hinweis auf die Weiterzahlung von Sonderzuwendungen an
Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst gehe ins Leere, weil zwischen
deren Rechtsverhältnissen einerseits und denen der Beamten andererseits ein
erheblicher Unterschied bestehe. Im Gegensatz zu Angestellten und Arbeitern
seien Beamte nicht auf der Grundlage eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages,
sondern in einem gesetzlich ausgestalteten öffentlich-rechtlichen
Sonderstatusverhältnis beschäftigt. Auch sei der Gesetzgeber nicht
verpflichtet, die Ergebnisse der Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer des
öffentlichen Dienstes gleichsam identisch auf die Besoldung der Beamten zu
übertragen. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass die TdL die
Tarifverträge im Hinblick auf die Sonderzuwendungen bereits für das Jahr
2003 gekündigt gehabt habe. Im Hinblick auf Neueinstellungen und
Vertragsänderungen - einschließlich Beförderungen - im Arbeitnehmerbereich
seien demnach die tariflichen Bindungen des Landes entfallen. Dass sich
insoweit mitunter Änderungen im Vergleich zum Zeitpunkt des Erlasses des
NHhBgG 2005 ergeben haben könnten, sei unerheblich, weil dem
Gesetzgeber ein prognostischer Beurteilungsspielraum zugestanden habe.
Zudem werde lediglich für bestehende Arbeitsverhältnisse aufgrund der
Nachwirkung des Tarifvertrages (§ 4 Abs. 5 TVG) weiterhin eine
Sonderzahlung gewährt. Ende des Jahres 2006 hätten allerdings bereits
18.000 Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen eine
Sonderzahlung (nur) nach dem für Beamte aktuell geltenden Recht erhalten.
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Schließlich liege auch keine mittelbare Diskriminierung von Männern
hinsichtlich des Entgelts i.S.d. Rechtsprechung des EuGH zu Art. 141 EGV
vor. Denn der Frauenanteil unter den Tarifbeschäftigten in Niedersachsen sei
nur geringfügig höher als der Männeranteil; demnach sei der Anteil von
Männern, die im Beamtenverhältnis stehen, nur geringfügig höher als derjenige
beamteter Frauen. Das für eine Gruppe existierende Risiko eines geringeren
Entgelts müsse aber mindestens doppelt so hoch sein, um eine mittelbare
Diskriminierung i.S.d. Art. 141 EGV annehmen zu können.
Die Kammer hatte das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 GG
und § 80 BVerfGG mit der Zielsetzung ausgesetzt die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob die gesetzlichen
Regelungen der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §
20 Abs. 2 S. 1 nebst Anlage I, § 27 Abs. 1 und 2, § 39 Abs. 1 S. 1 und 2 nebst
Anlage V, § 40 Abs. 2 und § 51 BBesG mit dem von Art. 33 Abs. 5 des
Grundgesetzes (in seiner bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung, a. F.)
geschützten Anspruch des Klägers auf amtsangemessene Alimentation
vereinbar ist.
Die Kammer hatte dazu ausgeführt:
„Die so als Vorlagegegenstand definierten Vorschriften bestimmen - in ihrer
Gesamtheit sowie jeweils bezogen auf die BesGr A 9 BBesO und in der für
2005 maßgebenden Fassung - die einfachgesetzlich vorgegebene Netto-
Alimentation des Klägers im Kalenderjahr 2005. Der Vorlagegegenstand
umfasst demnach diejenigen Vorschriften, nach denen sich die Besoldung des
Klägers ihrem Grund und ihrer Höhe nach richtet (…).
Die Frage der Anwendbarkeit dieses Vorlagegegenstandes ist
entscheidungserheblich. Denn die Entscheidung über die Klage hängt gerade
davon ab, ob der Vorlagegegenstand verfassungswidrig oder
verfassungsgemäß ist. Im Falle einer Verfassungswidrigkeit dieses
Regelungskomplexes wegen eines Verstoßes gegen das aus Art. 33 Abs. 5
GG (a. F.) folgende Alimentationsprinzip ist der Klage stattzugeben: Nur wenn
der Vorlagegegenstand durch das Bundesverfassungsgericht für
verfassungswidrig erklärt wird, kann diese Klage Erfolg haben. Ist der
Vorlagegegenstand hingegen verfassungsgemäß, so ist die Klage
abzuweisen.
Nach Auffassung der Kammer wird die Klage Erfolg haben.
Die Klage ist zulässig, insbesondere als Feststellungsklage statthaft. Vor allem
steht die grundsätzliche Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber einer
(allgemeinen) Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO) der Statthaftigkeit jener
nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu in seinem Urteil vom
20. März 2008 (2 C 49/07, zitiert nach juris, Rn. 29) wörtlich ausgeführt:
„Aufgrund des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes und des
Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers können Beamten auch dann,
wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage steht, keine
Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht
vorgesehen sind. Vielmehr sind sie darauf verwiesen, ihren
Alimentationsanspruch dadurch geltend zu machen, dass sie Klagen auf
Feststellung erheben, ihr Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu
niedrig bemessen."
Dieser Rechtsprechung - welcher sich die Kammer anschließt - hat der Kläger
mit der Umstellung seines Klageantrages Rechnung getragen. Das gemäß §
126 Abs. 3 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) und § 192 Abs. 1, 3 und 4
NBG auch für diese Klageart erforderliche Vorverfahren ist ordnungsgemäß
durchgeführt worden. Ein Leistungs- oder Feststellungswiderspruch kann,
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ohne dass vorher vom Dienstherrn ein Verwaltungsakt erlassen werden muss,
unmittelbar gegen eine Amtshandlung ohne Verwaltungsaktcharakter oder
gegen ein behördliches Unterlassen gerichtet werden. Ein derartiger Fall liegt
hier vor. Auch ist die einmonatige Klagefrist des § 74 VwGO eingehalten
worden.
Die vorliegende Feststellungsklage ist zutreffenderweise gegen das Land
Niedersachsen gerichtet worden. Das beklagte Land ist im Hinblick auf den
geltend gemachten Feststellungsanspruch passivlegitimiert. Denn seit der
Föderalismusreform, welche am 1. September 2006 wirksam geworden ist, ist
es Sache der Landesgesetzgeber, eine verfassungswidrig zu niedrige
Alimentation der Landesbeamten zu beseitigen (BVerwG, Urt. v. 20. März
2008, 2 C 49/07, zitiert nach juris, Rn. 30). Das Bundesverwaltungsgericht hat
dazu ausgeführt:
„Der gemäß Artikel 74 a GG a.F. für die Besoldung und Versorgung
aller Beamten zuständige Bundesgesetzgeber könnte schwerlich
gezwungen werden, durch Erhöhung der Bezüge
verfassungsrechtlich relevante Alimentationslücken auszugleichen,
die ein Landesgesetzgeber durch die Einführung pauschaler
Beihilfekürzungen oder die Absenkung der jährlichen
Sonderzuwendung herbeigeführt hatte (vgl. OVG Münster, Urt. vom
12.11.2003 - 1 A 4755/00 - …). Der Grundsatz der
bundeseinheitlichen Besoldung und Versorgung ist aber durch die
Aufhebung des Artikels 74 a GG a.F. durch das Gesetz zur Änderung
des Grundgesetzes vom 28.08.2006 (BGBl. I S. 2034) mit Wirkung
vom 1. September 2006 aufgegeben worden. Nach dem neu
eingefügten Artikel 74 Abs. 1 Nr. 27 GG sind nunmehr ausschließlich
die Länder für die Regelung der Besoldung und Versorgung der
Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des
öffentlichen Rechts zuständig.
Zwar gilt gemäß Artikel 125 a Abs. 1 Satz 1 GG das
Bundesbesoldungsgesetz für die Landesbeamten fort; es kann aber
nach Satz 2 dieser Vorschrift jederzeit durch ein Landesgesetz ersetzt
werden. Die Fortgeltungsklausel verlängert nicht die Zuständigkeit des
Bundesgesetzgebers, sondern soll lediglich eine Regelungslücke bis
zum Inkrafttreten des Landesgesetzes vermeiden
(… - m.w.N., …).
Damit liegt die Zuständigkeit für die Besoldung der Landesbeamten
einschließlich des Rechts der Beihilfen und der jährlichen
Sonderzuwendung in der Hand der Landesgesetzgeber. Nur sie sind
im Stande, ein verfassungskonformes Alimentationsniveau der
Landesbeamten aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Im Falle
eines verfassungswidrigen Alimentationsdefizits ist es Sache der
Landesgesetzgeber, dieses durch ein Landesbesoldungsgesetz zu
beheben (BVerwG, a.a.O., Rn. 31 bis 33).“
Dieser Rechtsauffassung schließt sich die Kammer an.
Inhaltlich steht dem Erfolg der Klage nicht das Erfordernis der zeitnahen
Geltendmachung einer unangemessen niedrigen Alimentation entgegen (vgl.
dazu VGH Mannheim, Urt. v. 19. Juni 2007, 4 S 1927/05, juris). Der Kläger hat
sich am 29. Juni 2005, d. h. im Verlaufe des hier betroffenen Haushaltsjahres
2005, an das für das beklagte Land handelnde NLBV gewandt und die Rüge
seiner Unteralimentation erhoben. Dabei hat er hervorgehoben, infolge des
gänzlichen Wegfalls der Sonderzuwendungen für den Zeitraum vom 1. Januar
2005 an in einer mit Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.) nicht mehr vereinbaren Weise
alimentiert zu werden. Das beklagte Land musste vom Zeitpunkt des Eingangs
jenes klägerischen Antrages mit einer entsprechenden Mehrbelastung seines
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Die Kammer kann dem klägerischen Begehren jedoch nur dann stattgeben,
wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des
Vorlagegegenstandes - als der besoldungsrechtlichen Grundlage für die
Alimentation des Klägers im Jahr 2005 - feststellt. Das vorlegende Gericht ist
aus den nachfolgend darzulegenden Gründen von der Verfassungswidrigkeit
des Vorlagegegenstandes überzeugt.
Die Kammer hält den im Tenor dieses Beschlusses bezeichneten
Vorlagegegenstand für unvereinbar mit den hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.), d. h. in dessen
zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des NHhBgG 2005 gültigen Fassung, und
damit für verfassungswidrig. Denn einerseits bewirkt das NHhBgG 2005, dass
§ 8 NBesG n. F. die noch im Jahr 2004 gezahlten monatlichen
Sonderzahlungsbeträge in Höhe von 4,17 v.H. der berücksichtigungsfähigen
Bezüge der Beamten, Richter und Versorgungsempfänger sowie den zuletzt
im Juli 2004 geleisteten Zusatzbetrag ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr
vorsieht, während zugleich andererseits das BBesG keinen finanziellen
Ausgleich für diesen gravierenden Einschnitt vornimmt.
Nach Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.) ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter
Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu
regeln. Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne
des Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.) ist der Kernbestand von Strukturprinzipien
gemeint, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren,
traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von
Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218, 237, m. w. N.).
Hierzu gehört auch das Alimentationsprinzip. Dabei entstand erst in den
Jahren nach 1949 die Übung, Beamten ein sog. Weihnachtsgeld wie auch ein
sog. Urlaubsgeld zu gewähren. Erstmals mit dem Gesetz über die Gewährung
einer jährlichen Sonderzuwendung vom 15. Juli 1965 (BGBl. I S. 609) wurde
die bis dahin gewährte Weihnachtszuwendung, der tarifvertraglichen Regelung
folgend, zu einer jährlichen Sonderzuwendung ausgebaut (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 29. November 1967, 2 BvR 668/67, JZ 1968, 61).
Allerdings ist nach Überzeugung dieser Kammer spätestens durch den
gänzlichen Wegfall der Sonderzahlung(-en) und deren mangelnde
Kompensation insgesamt die untere Grenze einer amtsangemessenen
Alimentation des Klägers unterschritten worden und somit ein Verstoß gegen
Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.) gegeben. Dabei zählt die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung für sich betrachtet nicht zu den hergebrachten
Grundsätzen des Berufsbeamtentums i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG (a.F.; BVerfG,
Beschl. v. 30. März 1977, 2 BvR 1039, 1045/75, BVerfGE 44, 249, 263;
BVerwG, Urt. v. 15. Juli 1977, VI C 24.75, juris; OVG Münster, Urt. v. 10.
September 2007, 1 A 4955/05 - juris; BayVGH, Beschl. v. 26. Oktober 2007, 3
ZB 06.1908 - juris; VGH Mannheim, Urt. v. 05. Mai 1980, IV 3095/78, DÖD
1981, 91; VG Braunschweig, Urt. v. 25. April 2006, 7 A 142/04; VG Arnsberg,
Vorlagebeschl. v. 27. Dezember 2007, 2 K 480/06 - juris; VG Oldenburg, Urt. v.
07. Februar 2006, 6 A 1193/04, juris; VG Berlin, Beschl. v. 16. Dezember 2003,
7 A 386/03, ZBR 2004, 180; VG Düsseldorf, Urt. v. 11. März 2005, 26 K
3098/04, juris; VG Magdeburg, Urt. v. 06. September 2005, 5 A 60/05, juris; VG
Hannover, Urt. v.16. November 2006, 2 A 50/04, juris). Gehört die Gewährung
einer Sonderzahlung demnach nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums, so steht sie als solche zur freien Disposition des
Normengebers im Rahmen der allgemeinen grundgesetzlichen Bindungen.
Folglich sind insoweit geringere Anforderungen an die Rechtfertigung von
Leistungsveränderungen oder -kürzungen zu stellen als dies bei
Besoldungsbestandteilen der Fall ist, die zur Kernalimentation gehören. Dem
Gesetzgeber ist insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum politischen
38
Ermessens eingeräumt. Insbesondere gibt es keinen verfassungsrechtlich
garantierten Anspruch, der den Beamten oder Richtern den einmal
erworbenen Anspruch auf eine summenmäßig bestimmte Besoldung sichern
würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15. Juli 1999, 2 BvR 544/97, NVwZ 1999, 1328).
Grenzen der Gestaltungsfreiheit bzw. indisponible Direktiven setzt das
Alimentationsprinzip dem Besoldungs- wie dem Fürsorgegesetzgeber in allen
beamtenrechtlichen Zusammenhängen. Dies gilt vor allem bei generellen
Einsparungsbemühungen der öffentlichen Hand. Finanzielle Erwägungen und
das Bemühen, Ausgaben zu sparen, sind für sich genommen in aller Regel
nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung anzusehen. So
begründen allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte, die
Herausforderungen durch die Globalisierung, der demographische Wandel
und die finanziellen Nachwirkungen der Wiedervereinigung Deutschlands
keine Einschränkung des Grundsatzes amtsangemessener Besoldung. Denn
die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach
beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaftlichen
Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach politischen
Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang der Bemühungen um die
Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt. Die
Alimentation des Beamten und seiner Familie ist etwas anderes als staatliche
Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und/oder eines
sozialen Standards für alle. Sie findet ihren Rechtsgrund nicht im
Sozialstaatsprinzip, sondern in Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.). Schon deshalb ist als
Prüfungsmaßstab die Frage ungeeignet, ob der Kläger in Anbetracht der ihm
für das Jahr 2005 noch gewährten Besoldung „ein Leben deutlich oberhalb
des sozialhilferechtlichen Existenzminimums führen“ kann (vgl. aber OVG
Münster, Urt. v. 20. Juni 2007, 21 A 1634/ 05, a. a. O.; offenlassend OVG
Magdeburg, Urt. v. 25. April 2007,1 L 453/05, a. a .O.). Der Anspruch auf
Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation wurzelt – für jeden
Beamten jeder Besoldungsgruppe – in Art. 33 Abs. 5 GG (alter wie neuer
Fassung) und nicht im Sozialstaatsprinzip. Sozialhilferechtliche Erwägungen
taugen nur dann als evidenter Kontrollmaßstab, wenn die gewährte Besoldung
nicht einmal das Existenzminimum sichert (vgl. zu den unzureichenden
familienbezogenen Bezügebestandteilen BVerfG, Beschl. v. 24. November
1998, 2 BvL 26/91 u. a., a. a. O.). Ansonsten ist das sozialhilferechtlich
gewährleistete Existenzminimum schlechthin ungeeignet, als Parameter für die
Amtsangemessenheit der Beamtenbesoldung zu dienen. Sozialhilfe dient der
Sicherung menschenwürdiger Existenz für eine Bevölkerungsgruppe, die sich
diese aus eigener Kraft, namentlich wegen fehlender eigener Mittel aus
Erwerbstätigkeit, nicht selbst verschaffen kann. Damit in keinerlei
Zusammenhang steht die Frage, welche „Gegenleistung“ einem Beamten
geschuldet wird, dem die „volle Hingabe an seinen Beruf“ (§§ 36 S. 1 BRRG,
62 S. 1 NBG) abverlangt wird. Vergleichsgruppe ist demgemäß nicht die auf
Inanspruchnahme von Sozialhilfe – jetzt Arbeitslosengeld II - angewiesene
Gruppe der Erwerbslosen, sondern diejenige Gruppe von Erwerbstätigen, die
nach ihrer Ausbildung, nach den Anforderungen an ihr jeweiliges „Amt“ sowie
im Hinblick auf ihre dienstliche Verantwortung mit den entsprechenden
Beamten(-gruppen) vergleichbar ist. Jene Gruppe gibt bei notwendig
pauschalierender Sicht den nach den Zeitläufen unterschiedlichen
Lebensstandard vor, an dem die Beamtenbesoldung zu orientieren ist (vgl.
BVerfG, Urt. v. 27. September 2005, 2 BvR 1387/02, a. a. O.); die gedankliche
Bezugnahme auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum in dem Beschluss
des Bundes-verfassungsgerichts v. 12. Februar 2003, 2BvL 3/00, a. a. O., ist
danach als überholt zu erachten und betrifft im Übrigen außergewöhnliche
Umstände (vgl. OVG Münster, Urt. v. 10. September 2007, 1 A 4955/05, juris).
Könnte andererseits die finanzielle Situation der öffentlichen Hand bereits für
sich eine Veränderung des Grundsatzes der amtsangemessenen
Alimentierung rechtfertigen, so wäre diese dem uneingeschränkten Zugriff des
Gesetzgebers eröffnet. Die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.) liefe
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ins Leere (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. September 2005, 2 BvR 1387 /02, juris,
sowie Beschlüsse v. 20. März 2007, 2 BvL 11/04, IÖD 2007, 125, v. 20. Juni
2006, 2 BvR 361/03, IÖD 2006, 237, und v. 12. Februar 2003, 2 BvL 3/00,
BVerfGE 107, 218; Lindner, ZBR 2007, 221, 224; sowie OVG Münster, Urt. v.
10. September 2007, 1 A 4955/05, juris). Gleichwohl stehen das Alimentations-
wie auch das Fürsorgeprinzip finanziellen Einsparungsbemühungen nicht
schlechthin abwehrend gegenüber; sie müssen jedoch im Ergebnis und zu
jedem Zeitpunkt die Amtsangemessenheit der Alimentation unberührt lassen.
Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine
Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem
Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach
Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit
entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und
finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen
angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.
September 2007, 2 BvR 1673/03 u. a, juris; Beschl. v. 12. Februar 2003, 2 BvL
3/00, BVerfGE 107, 218, 237, und v. 03. Juli 1985, 2 BvL 16/82, BVerfGE 70,
251, 267 jeweils m. w. N.).
Das Berufsbeamtentum kann seine Aufgabe nur dann erfüllen, wenn die
Beamten und ihre Familien nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich
gesichert sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. Oktober 1957, 1 BvL 1/57, BVerfGE
7, 155, 163; BVerwG, Beschl. v. 27. September 2007, 2 C 21.06, 2 C 26.06
und 2 C 29.07, juris). Die Angemessenheit der Alimentation bestimmt sich
abstrakt nach der Wertigkeit des Amtes. Ob die Dienstbezüge einschließlich
der Alters- und Hinterbliebenenversorgung ausreichend im Sinne von Art. 33
Abs. 5 GG (a. F.) sind, lässt sich nur anhand des Nettoeinkommens beurteilen.
Dieses ist das Einkommen, das dem Beamten zufließt und über welches er –
nach Abzug der Steuern – verfügen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30. März
1977, 2 BvR 1039/75, 2 BvR 1045/75, juris). Der Entwicklung der
Nettoeinkommen der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer, vor allem der
Angestellten des öffentlichen Dienstes, kommt eine besondere Bedeutung für
die Bestimmung der Wertigkeit des Amtes und damit der Angemessenheit der
Besoldung zu. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu erst jüngst (Beschl. v.
24. September 2007, 2 BvR 1673/03 u. a., DVBl. 2007, 1435 sowie juris)
hervorgehoben:
„Als Bestimmungsfaktoren (für die Entwicklung der allgemeinen
wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse) sind dabei - neben den
Einkünften der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst - insbesondere
diejenigen Einkommen zu berücksichtigen, die für vergleichbare und auf
der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachter Tätigkeit außerhalb
des öffentlichen Dienstes erzielt werden."
Demnach dürfen die Beamten - und damit auch der Kläger - nicht von der
Entwicklung der Einkünfte dieser Vergleichsgruppen innerhalb und außerhalb
des öffentlichen Dienstes „abgekoppelt" werden.
Die Angemessenheit der Alimentation bestimmt sich einerseits maßgeblich
nach innerdienstlichen, unmittelbar auf das Amt bezogenen Kriterien wie dem
Dienstrang, nach der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und nach der
Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit. Durch das Gebot,
bei der Besoldung dem Dienstrang des Beamten Rechnung zu tragen, soll -
dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG folgend - sichergestellt
werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der
Ämter abgestuft sind; in dieser Hinsicht bestimmt sich die
Amtsangemessenheit im Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer
Beamtengruppen. Andererseits kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt
eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln
muss. Diese Wertigkeit wird durch die Verantwortung des Amtes und die
Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt BVerfG, Beschl. v. 30. März
43
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1977, 2 BvR 1039/75, 2 BvR 1045/75, juris).
In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht dazu
festgehalten (Beschl. v. 27. September 2005, 2 BvR 1387/02, BVerfGE 114,
258):
„Bezugsrahmen für die betragsmäßige Konkretisierung dieses abstrakten
Wertes der vom Beamten erbrachten Leistung sind die Einkommen der
Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung, Verantwortung und
Tätigkeit, vor allem des öffentlichen Dienstes. Die Bereitschaft des
Beamten, sich mit ganzem Einsatz seinem Dienst zu widmen, und seine
Immunität gegenüber politischer und finanzieller Einflussnahme durch
Dritte hängen nicht zuletzt davon ab, dass die von ihm geleisteten
Dienste adäquat gewürdigt werden. Maßstab hierfür wie auch für das
Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft sind nicht zuletzt die
Einkünfte, die er mit seinen Fähigkeiten und Kenntnissen erzielt, im
Vergleich zu den Einkommen ähnlich ausgebildeter Arbeitnehmer mit
vergleichbarer beruflicher Verantwortung."
Bei der Bestimmung der Höhe der amtsangemessenen Besoldung hat sich der
Gesetzgeber vor allem an der Entwicklung der einschlägigen wirtschaftlichen
und finanziellen Verhältnisse sowie an dem allgemeinen Lebensstandard zu
orientieren (BVerfG, Beschl. v. 6. März 2007, 2 BvR 556/04, BVerfGE 117,
330). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber das Beamtenverhältnis für
qualifizierte Kräfte anziehend ausgestalten muss (BVerfG, Beschl. v. 27.
September 2005, a. a. O., 258; Beschl. v. 30. März 1977, 2 BvR 1039/75, 2
BvR 1045/75, juris). Dies setzt auch voraus, dass der öffentliche Dienst mit
Konditionen wirbt, die insgesamt einem Vergleich mit denen der privaten
Wirtschaft standhalten können. Denn die Alimentation dient nicht allein dem
Lebensunterhalt des Beamten, sondern hat zugleich eine qualitätssichernde
Funktion (BVerfG, Urt. v. 27. September 2005, 2 BvR 1387/02, a.a.O.).
Im Hinblick auf die Substantiierungspflichten des Beamten bei behaupteter
Unteralimentation ist aus der jüngsten Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts der - primär die Absenkung des Beihilfestandards
betreffende - Beschluss vom 2. Oktober 2007 (2 BvR 1715/03 u. a., ZBR 2007,
416) hervorzuheben, in dem u. a. Folgendes ausgeführt ist:
„Das System von Beihilfeleistung einerseits und aus allgemeiner
Alimentation finanzierter Eigenvorsorge andererseits ist daher in einem
Ergänzungsverhältnis wechselseitig aufeinander bezogen. Den
Beschwerdeführern ist somit zuzugeben, dass eine Minderung der
Beihilfeleistungen - sei es durch jeweils im Einzelfall für bestimmte
Aufwendungen angeordnete Selbstbehalte oder durch eine
pauschalierte jährliche Abzugspauschale - im Ergebnis eine Absenkung
des Standards bewirkt, den sich der Beamte oder
Ruhegehaltsempfänger tatsächlich aus seinen Bezügen leisten kann.
Allein aus dieser Folgewirkung kann indes die Verfassungswidrigkeit der
Bestimmung nicht abgeleitet werden; maßgeblich ist vielmehr, ob die
Alimentation auch in Ansehung dieser Regelung noch als
amtsangemessen bewertet werden kann. Die Alimentationsverpflichtung
des Dienstherrn ist eine Gesamtleistung, die sich von ihrer Grundlage her
prinzipiell nicht aufteilen lässt und dem seiner Struktur nach als
umfassende Einheit zu verstehenden Dienstverhältnis entspricht (vgl.
BVerfGE 71, 39, 60). Sie muss die rechtliche und wirtschaftliche
Sicherheit und Unabhängigkeit des Beamten gewährleisten und ihm über
die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen seinem Amt
angemessenen Lebenskomfort ermöglichen (vgl. BVerfG, Urteil des
Zweiten Senats vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 -, Umdruck, S. 30;
stRspr). Hierfür sind die Nettobezüge maßgeblich, mithin das, was sich
der Beamte von seinen Bezügen tatsächlich leisten kann (vgl. BVerfG
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114, 258, 286; stRspr). Abschläge bei der Beihilfengewährung, wie sie in
§ 87c NBG a.F. enthalten sind, erweisen sich bei diesem, als einem die
Eigenvorsorge ergänzend konzipierten Beihilfesystem vielmehr nur als
problematisch, wenn sie nicht in zumutbarer Weise durch die
Alimentation bestritten werden können und der Beamte so mit
erheblichen Aufwendungen belastet bleibt. In Betracht kommt daher eine
mittelbare Verletzung des Alimentationsprinzips im Hinblick auf eine
Missachtung des Zusammenhangs zwischen den Dienstbezügen und
den eingeschränkten Beihilfeleistungen, weil durch die
Kostendämpfungspauschale der für die Behandlung von Krankheiten
und Ähnliches typischerweise aufzubringende Unterhalt verteuert wird
(vgl. BVerfGE 83, 89, 99). Bei einer solchen Sachlage wäre jedoch
verfassungsrechtlich nicht eine Anpassung der nicht
verfassungsverbürgten Beihilfesätze geboten, sondern eine
entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze (vgl.
BVerfGE 58, 68,77 f.; 106, 225, 233), die von den betroffenen Beamten
durch einen Antrag auf erhöhte Alimentation verfolgt werden müsste (vgl.
BVerfGE 99, 300, 330). Für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit
wären daher Darlegungen dafür erforderlich, dass die Alimentation
angesichts der neuerlichen Belastung durch die in § 87c NBG a. F.
enthaltenen Abschläge insgesamt nicht mehr ausreichend gewesen
wäre. Dies ist angesichts der in der jüngeren Vergangenheit
vorgenommenen Leistungskürzungen und Einsparmaßnahmen im Recht
der Beamten und Versorgungsempfänger bei einer Gesamtschau zwar
nicht von vornherein ausgeschlossen. Um einen bereits durch die
Kostendämpfungspauschale bewirkten Verstoß gegen das
Alimentationsprinzip annehmen zu können, bedürfte es jedoch
substantiierter Aufstellungen, welche Maßnahmen im Einzelnen die
bestehende Alimentation in welchem Umfang geschmälert haben. Nur
aus einer dergestalt bilanzierten und in konkreten Zahlen bezifferten
Auflistung der veränderten Gesamtumstände könnten sich
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Alimentation bestimmter
Beamtengruppen insgesamt nicht mehr den verfassungsrechtlichen
Vorgaben entspricht. Der pauschale Verweis auf die generellen
Sparmaßnahmen zu Lasten der Beamten genügt hierfür nicht."
Der durch das Bundesverfassungsgericht somit hervorgehobene
Gesichtspunkt der Gesamtbetrachtung der im Bereich des Besoldungs-,
Versorgungs- und Beihilferechts vorgenommenen Einschnitte einerseits und
der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation andererseits wird -
sinngemäß - auch in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.
September 2007, 2 BvR 1673/03 u. a. -, a.a.O., angesprochen. Dort ist
ausgeführt:
„Soweit die Beschwerdeführer rügen, die Regelungen des § 14a
Bundesbesoldungsgesetz und die hieran anknüpfenden
Verminderungen der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen durch
die Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetze 1999 und
2000 führten im Zusammenspiel mit den anderen Einschnitten im Bereich
des Besoldungs-, Versorgungs- und Beihilferechts zu einer
Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation
und damit zu einem Eingriff in den Kernbestand der Alimentation, sind
ihre Verfassungsbeschwerden bereits unzulässig. Allerdings erscheint es
nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die in den letzten Jahren
erfolgten finanziellen Einschnitte in die Alimentation der Beamten dazu
geführt haben, dass einzelne Beamtengruppen oder sogar die
Beamtenschaft insgesamt nicht mehr angemessen alimentiert werden."
Bei Anlegung des sich daraus ergebenden Prüfungsmaßstabs führt der
einleitend dargelegte Wegfall der Sonderzahlungen und deren mangelnde
51
finanzielle Kompensation für den Kläger vom 1. Januar 2005 an zu einem mit
Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.) nicht mehr zu vereinbarenden, mithin
verfassungswidrigen Zustand, weil er - im Zusammenhang mit anderen, die
Beamtenbezüge negativ beeinflussenden Maßnahmen des beklagten Landes
- in den Kernbestand der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation
eingreift. Die für den Kläger nahezu vollständige „Streichung" der
Sonderzahlungen durch das NHhBgG 2005 - diese beschränkten sich für
jedes Kind des Klägers auf jährlich 25,56 EUR - und der gleichzeitig seitens
des Bundesbesoldungsgesetzgebers unterlassene Ausgleich dieses
Alimentationsverlustes stellen sich als eine (weitere) Maßnahme dar, die im
unmittelbaren und bewussten Zusammenhang mit zahlreichen nachhaltigen
finanziellen Einbußen der niedersächsischen Besoldungsempfänger seit dem
Jahr 2002 steht. In der (materiell-rechtlich) gebotenen Zusammenschau führen
die Einbußen zu einer greifbaren Abkopplung der Alimentation des Klägers
von der allgemeinen Einkommensentwicklung. In dieser Situation bewirkt der
Wegfall der Sonderzahlung(-en) in Verbindung mit dem unterlassenen
Ausgleich dieses Alimentationsverlustes eine weitere spürbare Minderung des
dem Kläger zur Bestreitung seines allgemeinen Lebensunterhalts zur
Verfügung stehenden Einkommens. Der Anspruchsverlust führt im Ergebnis zu
einem unzulässigen Eingriff in den Kernbestand der zu gewährenden
Alimentation. Die unterste Grenze der Alimentation, deren Unterschreitung
durch den Gesetzgeber und Dienstherrn ohne jede einzustellende Prärogative
zu einer Verfassungswidrigkeit der Maßnahme führt, ist nach Überzeugung
dieser Kammer nicht mehr gewahrt. Die demgegenüber erforderliche
Auseinandersetzung seitens des beklagten Landes mit der Frage der
amtsangemessenen Alimentation stellte sich jedoch um so dringlicher, als der
bis dahin allein als Besoldungsgesetzgeber zuständige Bund bis zum Jahr
2002 offenbar seine Prärogativen dahingehend ausgeübt hatte, die von ihm
bis Ende 2002 vorgenommene Berechnungsweise als Gewährung einer
amtsangemessenen (Netto-) Gesamtbesoldung anzusehen. Noch mit dem
BBVAnpG 2000 hat dieser durch Besoldungsanpassungen im Zeitraum von
1999 bis 2002 langfristig für alle Statusgruppen im öffentlichen Dienst - also
Beamte/Richter und tariflich Beschäftigte - eine gleichgerichtete Entwicklung
der Bezüge sichern und die Einheit des öffentlichen Dienstes stärken wollen
(BT-Drucks. 14/5198, S. 9). Nach § 14 Abs. 1 BBesG wird die Besoldung
entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und
finanziellen Verhältnisse sowie unter Berücksichtigung der mit den
Dienstaufgaben verbundenen Verantwortung durch Bundesgesetz regelmäßig
angepasst. Auch § 14a Abs. 5 BBesG verpflichtet bei der Beurteilung der
Auswirkungen der Versorgungsrücklagen zur Berücksichtigung der
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse. Das beklagte Land
hat an dieser laufenden Verantwortung - seit dem Jahr 2003, zunächst
vermittelt über die ihm seit 2003 eingeräumte Kompetenz hinsichtlich der
Gewährung von Sonderzahlungen - (wieder) teil (vgl. für Nordrhein-Westfalen:
OVG Münster, Urt. v. 10. September 2007, 1 A 4955/05, juris).
Der Bund als damals alleiniger Besoldungsgesetzgeber war in der Zeit ab dem
Jahr 1990 mehrfach genötigt, sich mit der Amtsangemessenheit der
Besoldung zu befassen. Die Festlegung der Besoldungshöhe für in den neuen
Bundesländern verwendete Besoldungsempfänger setzte notwendigerweise
eine Bewertung der bislang im Übrigen gewährten Alimentation hinsichtlich
ihrer Amtsangemessenheit voraus. Der Besoldungsgesetzgeber gab, indem er
diese als Bezugspunkt festsetzte, zu erkennen, dass er die im bisherigen
Bundesgebiet gewährte Alimentation für amtsangemessen ansah, angesichts
der ausdrücklich in Bezug genommenen wirtschaftlichen und finanziellen
Verhältnisse im Beitrittsgebiet dort jedoch Abschläge für (amts)angemessen
erachtete. Der Besoldungsgesetzgeber ging demnach nicht ansatzweise von
einer Überalimentation der im bisherigen Bundesgebiet beschäftigten
Besoldungsempfänger aus, die ggf. Abschläge gegenüber neu beschäftigten
Beamten, Soldaten und Richtern im Beitrittsgebiet hätte rechtfertigen können.
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Dies belegen die gleichzeitig vorgenommenen deutlichen linearen
Einkommenserhöhungen durch die Bundesbesoldungs- und
Versorgungsanpassungsgesetze der Jahre 1991, 1992 und 1993. Sie
betrugen 6,0 %, 5,4 % und 3,0 %. Diesen Befund teilt in der Sache auch das
Bundesverfassungsgericht, das für die Jahre 1978 bis 1996 jedenfalls eine
Überalimentation nicht hat erkennen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.
November 1998, 2 BvL 26/91 u. a., juris; an diese Bewertung anschließend:
OVG Münster, Urt. v. 20. Juni 2007, 21 A 1634/05, juris; OVG Münster, Urt. v.
10. September 2007, 1 A 4955/05, juris).
Der Bund als Besoldungsgesetzgeber ist sich im Sinne der Rechsprechung
des Bundesverfassungsgerichts insbesondere bei einer Betrachtung der Jahre
ab 1991 des Umstands bewusst gewesen, dass die Besoldung der Beamten
an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen ist, wie sie u. a. in den
Tarifabschlüssen für den öffentlichen Dienst ihren Ausdruck fand. Er hat ferner
seine Prärogativen bei der Bestimmung der Amtsangemessenheit der
Besoldung dementsprechend (zunächst) ausgeübt. Die Bezüge wurden, wenn
auch nicht unter identischer Übernahme, was verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden ist, (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Dezember 2002, 2 C 34.01, juris; Urt.
v. 27. September 2005, 2 BvR 1387/02, juris; OVG Münster, Urt. v. 10.
September 2007, 1 A 4955/05, juris) so aber doch regelmäßig jedenfalls „unter
Berücksichtigung" der Tarifabschlüsse für den Arbeitnehmerbereich des
öffentlichen Dienstes angepasst (Gesetzentwürfe der Bundesregierung zu den
BBVAnpG der Jahre 1991 bis 1995, 1996/97, 1998 bis 2000 und 2003/2004,
BT-Drucks. 12/732, S. 1, 23; 12/3629, S. 1, 25; 12/5472, S. 1; 12/7706, S. 1,
23; 13/2210, S. 1, 22; 13/5983, S. 1, 7; 13/10722, S. 1, 7; 14/1088, S. 1, 9;
14/5198, S. 1, 9, und 15/1186, S. 1, 64). So sind für die Zeit von 1991 bis 1999
die Tarifabschlüsse für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Blick auf die
linearen Steigerungsraten prinzipiell unverändert übernommen worden.
Allerdings waren bereits seit 1991 gelegentlich und seit 1999 durchgängig
zeitliche Verschiebungen der jeweiligen Erhöhung um einige Monate zu
verzeichnen (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 10. August 2007, 2 A 10516/07, a. a.
O.; OVG Münster, Urt. v. 10. September 2007, 1 A 4955/05, juris).
Bereits hiermit sollten die Beamten nach den Gesetzesmaterialien einen
Beitrag zu allgemeinen Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen erbringen (BT-
Drucks. 12/7706, S. 23; 13/5983, S. 7; 14/5198, S. 1, 9), die zum Teil im
Zusammenhang mit den besonderen wirtschaftlichen Belastungen im Rahmen
der Wiedervereinigung Deutschlands als erforderlich angesehen wurden (BT-
Drucks. 12/732, S. 1, 23), die zum Teil ihren Grund aber auch in der
Gegenfinanzierung der Umsetzung bundesverfassungsgerichtlicher
Entscheidungen hatten (erhöhter Familienzuschlag für kinderreiche
Beamtenfamilien, vgl. BT-Drucks. 14/1088, S. 1, 9). Erstmals hinsichtlich des
Jahres 1999 wurde für den Beamtenbereich die lineare Steigerungsrate des
Tarifabschluss für eben dieses Jahr 1999 nicht in (linear) voller Höhe
übernommen. Begründet wurde dies mit den hieraus zu erbringenden
Beiträgen der Beamten für die Ausstattung des Sondervermögens
„Versorgungsrücklagen des Bundes und der Länder" (BT-Drucks. 14/1088, S.
1, 9; 14/5198, S. 1, 9; vgl. OVG Münster, Urt. v. 10. September 2007, 1 A
4955/05, juris).
Die jeweilige Erhöhung der Besoldung im Zeitraum von 1991 bis 2002 war
bereits nach der Vorstellung des damals allein zuständigen
Bundesgesetzgebers allenfalls eine unvollständige Anpassung an die
allgemeine Einkommensentwicklung. Schon sie führte dazu, dass die
Alimentation der Beamten mit der allgemeinen Einkommensentwicklung nicht
mehr Schritt halten konnte. Gleichwohl ist eine greifbare Abkopplung von der
allgemeinen Einkommensentwicklung im Tarifbereich der im öffentlichen
Dienst Beschäftigten unter Berücksichtigung der Entwicklung der allgemeinen
wirtschaftlichen Verhältnisse damals noch nicht erkennbar gewesen; sie war
55
56
57
durch den Besoldungsgesetzgeber auch ausdrücklich nicht beabsichtigt. Nach
dessen zum Ausdruck gebrachten Intention fand weiterhin ein Ausgleich für
die allgemeine Preissteigerung und ein (Noch-)Schritthalten mit den
Ansprüchen an eine Lebensführung statt, wie sie die Entlohnung für
vergleichbare Tätigkeiten im sonstigen öffentlichen Dienst ebenso ermöglicht.
Der Bund ist ersichtlich davon ausgegangen, dass er bis zum Jahr 2002 seiner
Alimentationspflicht in einem dem absoluten Mindestmaß zumindest
genügenden Umfang nachgekommen ist. Die Bundesregierung hat anlässlich
der parlamentarischen Beratungen zum BBVAnpG 2000 betont, in einer
Gesamtschau der Jahre 1999 bis 2002 würden die Dienst- und
Versorgungsbezüge mit den vorgeschlagenen Erhöhungen um 2 % und 2,4 %
(jeweils unter Einbehalt von 0,2 % für die Versorgungsrücklage) um insgesamt
7,5 % linear angehoben und damit an die Entwicklung der allgemeinen und
wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst. Hierbei sei das Tarifergebnis für die
Arbeiternehmer des öffentlichen Dienstes Grundlage und Leitziel der
vorgeschlagenen Erhöhungen. Diese Anknüpfung sichere langfristig für alle
Statusgruppen im öffentlichen Dienst eine gleichgerichtete Entwicklung der
Bezüge und stärke damit die Einheit des öffentlichen Dienstes. Zusammen mit
der Steuerentlastung und der Erhöhung des Kindergeldes seien die
Nettoeinkommen der Beamten real deutlich gestiegen und würden auch weiter
angemessen steigen (BT-Drucks. 14/5198, S. 14; vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.
Oktober 2003, 2 BvL 19/02, ZBR 2004, 47.; OVG Münster, Urt. v. 10.
September 2007, 1 A 4955/05, juris).
Entscheidend haben sich die Verhältnisse demgegenüber seit dem Jahr 2003
geändert. Die bis zum Jahr 2002 verfolgten, im allgemeinen Konsens - auch
unter den Bundesländern - angewandten und verfassungsrechtlich fundierten
Parameter sind seither ausdrücklich verworfen worden: Der Bund hat mit dem
BBVAnpG 2003/2004 das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember
1998 (BGBl. I S. 3642; SZG) aufgehoben und darin ferner bestimmt, dass
diese Gesetze (lediglich) bis zum Inkrafttreten (anderer) bundes- oder
landesgesetzlicher Regelungen zur Gewährung von jährlichen
Sonderzahlungen weiter anzuwenden sind. Zur Begründung hat der
Innenausschuss des Bundestages auf die beabsichtigte Stärkung der
Länderkompetenzen im Bereich u. a. der Beamtenbesoldung verwiesen. Den
Ländern werde mehr Gestaltungsspielraum eingeräumt, um eigenständige
Regelungen im Bereich des Weihnachts- und Urlaubsgeldes erlassen zu
können. Unter Beibehaltung einheitlicher Standards in der Besoldung erfolge
eine auf den Bereich des Weihnachts- und Urlaubsgeldes begrenzte
Flexibilität, die von den Ländern ausdrücklich gewünscht werde
(Beschlussempfehlung vom 2. Juli 2003, BT-Drucks. 15/1347, S. 1, 27). Der
Bundesrat hatte zuvor einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht, zu
dessen Begründung auf die schwierige, teils extrem belastete Situation der
Landeshaushalte und auf die regionalen, sozialen und leistungsbezogenen
Handlungsmöglichkeiten verwiesen worden ist. Die den Ländern
einzuräumenden Regelungsmöglichkeiten sollten der unterschiedlichen
finanziellen Leistungskraft in begrenzter, dabei dem Alimentationsprinzip
allerdings entsprechender Weise Rechnung tragen (BT-Drucks. 15/1021, S. 7;
vgl. OVG Münster, Urt. v. 10. September 2007, 1 A 4955/05, juris).
Von dieser Möglichkeit hat das Land Niedersachsen (erstmals) durch das
Gesetz zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften
und des Ministergesetzes vom 31.10.2003 (Nds. GVBl. S. 372) Gebrauch
gemacht. In der Folgezeit ergibt sich - wie bereits ausgeführt wurde - eine
kontinuierliche Absenkung der Höhe der Sonderzahlung, bis diese schließlich
mit der durch Art. 5 Nr. 1 des NHhBgG 2005 verbundenen Änderung des § 8
NBesG (n. F.) komplett weggefallen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ergibt sich für die Besoldung
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des Klägers folgendes Bild, welches zur Überzeugung dieser Kammer nur als
eine generelle Abkoppelung der Besoldung des Klägers von der allgemeinen
wirtschaftlichen Entwicklung - insbesondere der Entwicklung der
Nettoeinkommen vergleichbarer Angestellter - qualifiziert werden kann: Die
Netto-Besoldung eines mit dem Kläger wirtschaftlich vergleichbaren Beamten
in der BesGr A 9 BBesO (m.D., verheiratet, zwei Kinder) stieg in dem Zeitraum
von 2002 bis 2005 insgesamt um lediglich 0,05 % (Steigerung von 29.352
EUR auf 29.366,02 EUR, = 100,05 %). Sodann ist in weiteren Berechnungen
des Beklagten diese Nettoeinkommensentwicklung - unter Annahme einer
Krankenversicherung bei der AOK Niedersachsen - derjenigen eines ebenfalls
verheirateten Angestellten im öffentlichen Dienst mit zwei Kindern, vergütet
nach der Endstufe in VergGr V b BAT - nach seiner Ausbildung und seinem
Verantwortungsbereich einem Beamten der BesGr A 9 vergleichbar -
gegenübergestellt worden. Die Netto-Einkünfte dieses (nachfolgend auch so
bezeichneten) „Vergleichsgruppen-Angestellten" haben sich danach in dem
Betrachtungszeitraum um 8,16 % erhöht. Auf der Grundlage dieses
statistischen Datenmaterials geht die Kammer davon aus, dass sich bei einer
lebensnahen Berücksichtigung der jeweiligen Krankenversicherungsbeiträge
die Netto-Bezüge eines solchen Angestellten einerseits und diejenigen eines
nach BesGr A 9 BBesO besoldeten Beamten andererseits sogar noch stärker -
zum Nachteil des Beamten und damit des Klägers - auseinander entwickelt
haben: Denn das beklagte Land hat im Rahmen seiner ansonsten nicht
anzuzweifelnden Berechnungen zum einen die durchschnittlichen, auch durch
Beihilfekürzungen verursachten Beitragserhöhungen für die private
Krankenversicherung des Beamten über den gesamten Vergleichszeitraum
vollkommen außer Betracht gelassen, während es für die Berechnung der
Nettogehälter des „Vergleichsgruppen-Angestellten" jeweils die relativ hohen
Krankenversicherungsbeiträge der AOK Niedersachsen, d.h. des teuersten
gesetzlichen Krankenversicherers in Niedersachsen, in Ansatz gebracht. In
Anbetracht der seit Jahren bestehenden Möglichkeit, mindestens einmal
jährlich zu der jeweils preisgünstigsten gesetzlichen Krankenkasse bzw.
Ersatzkasse zu wechseln, sind bei lebensnaher Betrachtung - statistisches
Material war der Kammer insoweit nicht verfügbar - zahlreiche, wenn nicht die
meisten dieser „Vergleichsgruppen-Angestellten" eben nicht bei der AOK
Niedersachsen, sondern bei einer gesetzlichen Kranken- oder Ersatzkasse mit
niedrigerem Beitragssatz versichert. Legt man insoweit einen im Mittel um
einen Prozentpunkt günstigeren Beitragssatz zugrunde, wird der betreffende
„Vergleichsgruppen-Angestellte" um seinen entsprechenden
Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag, d.h. um weitere 0,5 %
seines Jahreseinkommens entlastet. Um diese 0,5 Prozentpunkte erhöht sich
demnach für die überwiegende Anzahl der „Vergleichsgruppen-Angestellten"
deren Netto-Vergütung; diese weist demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit
eher einen Anstieg von 8,50 % bis 8,55 % im Betrachtungszeitraum auf. Die
ohnehin unstreitige Erhöhung von 8,16 % stellt daher den minimalen Netto-
Steigerungssatz im Betrachtungszeitraum dar.
Ein zusätzliches Indiz für die Richtigkeit dieser Ergebnisse gewinnt die
Kammer auf der Grundlage einer ergänzenden Berechnung, welche der
Kläger auf der Basis des beklagtenseits erstellten Rechenwerks für einen
„Vergleichsgruppen-Angestellten" der VergGr V b BAT vorgenommen hat. Im
Gegensatz zu diesem berücksichtigt jene Berechnung auch die Leistungs-
und Lebensaltersstufen, wobei letztgenannte zur Vereinfachung durchgängig
komplett für das gesamte Jahr zugrunde gelegt worden sind. Danach
entwickelte sich das Netto-Gehalt dieses „Vergleichsgruppen-Angestellten"
folgendermaßen:
Tarifbeschäftigter
2003
2004
2005
Grundgehalt
21.812,28
EUR
23.052,72
EUR
23.438,44
EUR
24.247,80
EUR
Ortszuschlag
9.080,04
EUR
9.297,96
EUR
9.453,48
EUR
9.484,80
EUR
Stellenzulage
1.316,64
EUR
1.348,20
EUR
1.370,68
EUR
1.396,80
EUR
VwLeistungen
79,80
EUR
79,80
EUR
79,80
EUR
79,80
EUR
Einmalzahlung
0,00
185,00
EUR
50,00
EUR
0,00
Urlaubsgeld
255,56
EUR
255,56
EUR
255,56
EUR
255,56
EUR
Sonderzuwendung
2.302,94
EUR
2.353,02
EUR
2.353,04
EUR
2.403,13
EUR
Brutto-Gesamt
34.847,26
EUR
36.572,26
EUR
37.001,00
EUR
37.867,89
EUR
abzügl. Steuern
(LSt, KiSt, SoliZu)
3.578,84
EUR
4.110,98
EUR
3.680,12
EUR
3.885,24
EUR
Zwischen-Netto
31.268,42
EUR
32.461,28
EUR
33.320,88
EUR
33.982,65
EUR
abzügl. KrankV
2.722,07
EUR
2.852,64
EUR
2.886,08
EUR
2.953,70
EUR
abzügl. PflV
296,64
EUR
310,86
EUR
314,51
EUR
321,88
EUR
abzügl. RentenV
3.332,80
EUR
3.565,80
EUR
3.607,60
EUR
3.692,12
EUR
abzügl. ArbLV
1.134,20
EUR
1.188,60
EUR
1.202,53
EUR
1.230,71
EUR
vergleichbares Netto-
Gesamt
23.782,71
EUR
24.543,38
EUR
25.310,16
EUR
25.784,24
EUR
Erhöhung zu 2002
---
760,67
EUR
1.527,45
EUR
2.001,53
EUR
60
61
62
63
64
Erhöhung in %
---
3,198
%
6,422
%
8,416
%
Auf der Grundlage dieser Berechnung haben demnach die Netto-Bezüge
eines „Vergleichsgruppen-Angestellten" im Betrachtungszeitraum einen
Anstieg von sogar 8,42 % erfahren.
Unerheblich ist in Anbetracht dieser Einkommensentwicklung eine ggf. ab dem
Jahr 2004 zum Zuge kommende allgemeine (einkommen)steuerliche
Entlastung, auch wenn es in Alimentationsfragen grundsätzlich auf die
gewährte Nettobesoldung ankommt. Die hier in Betracht zu ziehenden
steuerlichen Entlastungen wirken sich für Beamte und tariflich Beschäftigte des
Landes gleichermaßen aus, ändern also an dem Befund einer greifbaren
Abkopplung der Einkommen nichts und lassen damit bei der hier
anzustellenden vergleichenden Betrachtung die Bewertung der
Amtsangemessenheit der Alimentation unberührt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 10.
September 2007,1 A 4955/05, juris).
Zudem sind in dem Zeitraum 2002 bis 2005 nach dem Verbraucherpreisindex
des Statistischen Bundesamtes die Preise um rund 4,9 Punkte (vom 103,4 auf
108,3 Punkte) gestiegen. Dies entspricht einer Preissteigerung von 4,74 %
(vgl. Statistisches Bundesamt; Preise 2005 - Verbraucherpreisindex und Index
der Einzelhandelspreise - Jahresdurchschnitte ab 1948). Schon anhand dieser
Zahlen wird deutlich, dass die Besoldungsentwicklung mit der
Preisentwicklung nicht ansatzweise Schritt halten konnte. Für die Beamten
ergibt sich damit ein realer Einkommensverlust durch den Verlust an Kaufkraft.
Hingegen gilt dies nicht für die Entwicklung der Gehälter der Angestellten im
öffentlichen Dienst. Anhand der oben genannten Modellrechnung im Hinblick
auf einen Angestellten der Tarifgruppe BAT V b Endstufe ist belegt, dass für
diese Gruppe der Netto-Lohnzuwachs im Betrachtungszeitraum , d h.
zwischen 2002 und 2005, in Höhe von mindestens 8,16 % die allgemeine
Preissteigerung klar übersteigt.
Zum gleichen Ergebnis führt der Blick auf die Gehaltsentwicklung der
Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe. Zwischen 2002 bis 2005 haben
sich deren Brutto-Verdienste insgesamt von monatlich 2.816,00 EUR auf
3.024,00 EUR erhöht (vgl. Jahrbuch des Statistischen Bundesamtes 2007,
523). Dies entspricht einer Steigerung von 7,38 %. Statistische Zahlen zu den
Netto-Verdiensten dieser Gruppe liegen nicht vor.
Eine erhebliche Diskrepanz in der Entwicklung von Netto-Gehältern und Netto-
Besoldung bleibt auch, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen der
Beihilfekürzungen und des dadurch verursachten Anstiegs der Beiträge zur
privaten Krankenversicherung in die Betrachtung einbezogen werden.
Letzteres hat das NLBV nach dem Rechenwerk wie auch nach dem
unwidersprochenen Vortrag des Klägers gänzlich unterlassen. Die durch den
Wegfall der Sonderzahlungen bewirkte Absenkung des Alimentationsniveaus
ist zwar formell als eine Einzelmaßnahme zu qualifizieren, die inhaltlich
allerdings mit zahlreichen anderen, nachhaltigen finanziellen Einbußen der
Besoldungsempfänger des Landes einhergeht. In dieser Situation bewirkt der
Wegfall der Sonderzahlung quasi verstärkend eine weitere spürbare
Minderung des den Beamten zur Bestreitung des allgemeinen
Lebensunterhalts frei zur Verfügung stehenden Einkommens, die schon für
sich betrachtet zu einer Unteralimentierung führt. Bei der gebotenen
materiellen Betrachtung können - wie bereits einleitend dargestellt - die in den
letzten Jahren festzustellenden wirtschaftlichen Auswirkungen des
Beihilferechts nicht außer Acht gelassen werden. Durch verschiedene
Einschnitte ist es auch insoweit dauerhaft zu erheblichen Belastungen der
Beamten gekommen, welche die oben geschilderte wirtschaftliche Lage der
65
66
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Beamten weiter verschärft haben: Durch den Wegfall der freien Heilfürsorge,
die Einführung der Kostendämpfungspauschale, den Wegfall der
Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für stationäre Wahlleistungen, die
Erhöhung der Eigenbehalte bei Medikamenten sowie die Übertragung der
Regeln einer Praxisgebühr aus dem Bereich der gesetzlichen
Krankenversicherung in die Beihilfevorschriften ist es insgesamt zu nicht
unerheblichen Einschnitten gekommen.
Weil die Gewährung von Beihilfe als solche - ebenso wie die Sonderzahlung -
nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt, kann
das System der Beihilfe zwar grundsätzlich jederzeit geändert werden, ohne
dadurch überhaupt Art. 33 Abs. 5 GG (a. F.) zu berühren. Doch muss der
Gesetzgeber Vorkehrungen dafür treffen, dass der amtsangemessene
Unterhalt der Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch
Krankheits-, Pflege-, Geburts- der Todesfälle nicht gefährdet ist (BVerfG,
Beschl. v. 7. November 2002, 2 BvR 1053/98, juris).
Von einer solchen Gefährdung des amtsangemessenen Unterhalts muß nach
Überzeugung der Kammer im Hinblick auf den Kläger allerdings ausgegangen
werden. Bei Einbeziehung des durch den Kläger vorgelegten und
unbestrittenen Zahlenmaterials ergaben sich für jenen - standardisiert unter
Berücksichtigung seiner familiären Situation - in den Jahren 2002 bis 2005 die
folgenden jährlichen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung.
2002
2003
2004
2005
PKV
2.815,06
EUR
2.602,44
EUR
2.683,92
EUR
2.688,60
EUR
PKV-Anteil bgzl.
Wahlleistungen
277,80
EUR
277,80
EUR
283,20
EUR
287,88
EUR
PKV bgzl. Tagegeld
35,64 EUR 35,64 EUR 35,64 EUR 33,84 EUR
Praxisgebühren
0,00 EUR 0,00 EUR 80,00 EUR 80,00 EUR
Pflegeversicherung
148,80
EUR
147,12
EUR
147,12
EUR
144,48
EUR
Gesamt:
3.277,30
EUR
3.063,00
EUR
3.229,88
EUR
3.234,44
EUR
Bei Abzug dieser jeweiligen Krankenversicherungsbeiträge ergibt sich für die
Jahre 2002 bis 2005 im Hinblick auf die frei verfügbare Netto-Besoldung des
Klägers folgendes:
Jahr 2002 Netto-Besoldung 29.367,28 EUR
abzüglich 3.277,30 EUR
= 26.089,98 EUR
2003 Netto-Besoldung 29.870,33 EUR
70
71
abzüglich 3.063,00 EUR
= 26.807,33 EUR
2004 Netto-Besoldung 30.489,62 EUR
abzüglich 3.229,88 EUR
= 27.259,74 EUR
2005 Netto-Besoldung 29.983,63 EUR
abzüglich 3.234,44 EUR
= 26.749,19 EUR
Um die Aufwendungen des Klägers für seine Kranken- und
Pflegeversicherung bereinigt hat sich dessen frei verfügbares Netto-
Einkommen von 26.089,98 EUR im Jahr 2002 auf 26.749,19 EUR im Jahr
2005, d. h. nominal um 659,21 EUR oder 2,526 % erhöht. Allerdings sind von
diesem Erhöhungsbetrag alle Aufwendungen abzuziehen, die dem Kläger
selbst oder seinen Familienangehörigen in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen
Gesundheitszustand entstehen, die aber infolge der Absenkung des
Beihilfestandards nicht einmal mehr versicherbar sind.
Entgegen der beklagtenseits vertretenen Rechtsauffassung konnte sich der
niedersächsische Gesetzgeber im Hinblick auf die mit dem NHhBgG 2005 -
insbesondere mit dessen Art. 5 Nr. 1 - verbundenen Einsparungsbemühungen
nicht mit Erfolg auf die Haushaltslage des Landes berufen. Das Land befand
sich zwar zumindest seit 2002 in einer dauernden Haushaltsnotlage, weil sich
seine Nettokreditaufnahme oberhalb der in Art. 71 Satz 2 der
Niedersächsischen Landesverfassung (NV) verankerten Verschuldensgrenze
bewegte. Nach den durch den Niedersächsischen Staatsgerichtshof (vgl. Urt.
v. 10. Juli 1997, StGH 10/95, Nds. StGHE 3, 279 ff. sowie auch juris)
entwickelten Grundsätzen zur Darlegungslast des Gesetzgebers im Rahmen
der Ausnahmevorschrift des Art. 71 Satz 3 NV waren die in den
Haushaltsplänen zugelassenen Kreditaufnahmen teilweise verfassungswidrig.
Trotz eines umfangreichen ressortübergreifenden Konsolidierungsprogramms,
das für 2005 zu Einsparungen im Haushalt von insgesamt 1,3 Mrd. EUR
führte, wies der Haushaltsplan für dieses Jahr eine Nettokreditaufnahme aus,
die die Summe der eigenfinanzierten Investitionen und
Investitionsmaßnahmen um 1.266,6 Mio. EUR überstieg (vgl. die
Entwurfsbegründung zum Haushaltsgesetz 2005, Nds. LT-Drs. 15/1330, S. 18
f.). Auch für 2006 wurde zum Ausgleich des Haushaltsplans in Einnahmen und
Ausgaben eine Nettokreditaufnahme festgesetzt, die um 852,7 Mio. EUR die
Grenze des Art. 71 Satz 2 NV überstieg. Der Landesgesetzgeber war sich
dabei bewusst, dass die Höhe der Nettokreditaufnahme in diesen beiden
Jahren am Maßstab des Art. 71 Satz 3 NV nicht zu rechtfertigen war. Ziel der
andauernden Konsolidierungsmaßnahmen war die Wiederherstellung
verfassungsmäßiger Haushalte (vgl. die Entwurfsbegründung zum
Haushaltsgesetz 2006, Nds. LT-Drs. 15/2111; S. 18; ferner den Bericht des
Niedersächsischen Finanzministeriums vom 4. Juli 2007, S. 4). Gemessen an
den in den Haushaltsplänen festgestellten Gesamtausgaben betrug der
prozentuale Anteil der verfassungsrechtlich unzulässig gedeckten Ausgaben
5,8 % für das Jahr 2005 und 3,8 % für das Jahr 2006 (Niedersächsischer
Staatsgerichtshof, Urt. v. 7. März 2008, 2/05, juris - zu Art. 1. Nr. 1
Haushaltsbegleitgesetz 2005). Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte ist
zwar ein Faktor, der bei der Festsetzung der Besoldung
berücksichtigungsfähig ist (Mayer, in: Schwegmann/Summer,
Bundesbesoldungsgesetz, § 14 BBesG Rn. 3; Schinkel/Seifert, in:
Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Band III, Besoldungsrecht des
Bundes und der Länder, K § 14 Rn. 5). Vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 5
72
73
GG (a. F.) darf sich der Gesetzgeber allerdings bei der Bemessung der - nach
Wegfall der Sonderzahlungen - letztlich verbleibenden Alimentation nur
insoweit an der Finanzlage der öffentlichen Haushalte orientieren, als sie die
wirtschaftliche Gesamtsituation widerspiegelt (BVerfG, Beschl. v. 12. Februar
2003, 2 BvL 3/00, juris.; OVG Münster, Urt. v. 10. September 2007, 1 A
4955/05, juris). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall. Insoweit spiegelt die
Haushaltslage des Landes Niedersachsen nicht die allgemeine wirtschaftliche
Gesamtsituation wider. Es ist im Gegenteil von einer anhaltend positiven
Entwicklung der wirtschaftlichen Gesamtsituation auszugehen. Die
Bruttojahresverdienste der Arbeitnehmer sind insgesamt sowohl im
Bundesdurchschnitt als auch im Land im Zeitraum von 2002 bis 2005
regelmäßig stärker gestiegen als die Preise (Statistisches Bundesamt; Preise
2005 - Verbraucherpreisindex und Index der Einzelhandelspreise -
Jahresdurchschnitte ab 1948; Statistisches Bundesamt Jahrbuch 2007, 523;
Statistische Monatshefte Niedersachsen 2006, 128 und 310; 2005, 157; 2004,
139; vgl. OVG Münster, Urt. v. 10. September 2007, 1 A 4955/05, juris). Auch
die Nettohaushaltseinkommen weisen insoweit eine kontinuierliche
Steigerungstendenz auf. Sogar die Einnahmen der nichterwerbstätigen
Haushalte steigerten sich in dem Zeitraum (vgl. Jahrbuch des Statistischen
Bundesamtes 2006, 1305).
Unabhängig davon müssten - was bereits ausgeführt wurde - zu den
finanziellen Erwägungen des Gesetzgebers in aller Regel weitere Gründe
hinzukommen, die Einschnitte in die Beamtenalimentation als sachlich
gerechtfertigt erscheinen lassen. Derartige Rechtfertigungsgründe vermag die
Kammer nicht zu erkennen: Der Gesetzgeber hat durch die weitere
Gewährung von rudimentären Leistungen für die unteren Besoldungsgruppen
sowie für die Bezieher von Kinderanteilen im Familienzuschlag lediglich im
Ansatz ausgedrückt, dass er Überlegungen zur Angemessenheit der
verbleibenden Besoldung vorgenommen hat. Davon abgesehen ergibt sich
aus den Gesetzesmaterialien zum NHhBgG 2005 allein der Hinweis auf die
„überaus angespannten haushaltswirtschaftlichen Verhältnisse und .. (die)
damit verbundene Verschärfung der Konsolidierungserfordernisse“ (vgl.
Landtags-Drucksache 15/1340, S. 7). Es handelt sich dabei um die allgemeine
Begründung zu Anlass und Ziel dieses Haushaltsbegleitgesetzes. Dessen Art.
5 wird insofern noch mit der Bemerkung kommentiert, die Streichung der
Sonderzahlungen führe zu Einsparungen in Höhe von jährlich 256 Mio. EUR.
Ein Hinweis auf eine Annährung der Alimentierung an die Regelungen des
Tarifpersonals ergibt sich daraus hingegen eindeutig nicht. Insoweit fehlt es am
Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 27. September 2005, 2 BvR
1387/02, juris, sowie Beschlüsse v. 20. März 2007, 2 BvL 11/04, IÖD 2007,
125, v. 20. Juni 2006, 2 BvR 361/03, IÖD 2006, 237 und v. 12. Februar 2003, 2
BvL 3/00, BVerfGE 107, 218;), die über ausschließliche finanzielle
Erwägungen hinausgehen und durch den Gesetzgeber selbst auch zum
Ausdruck gebracht worden sein müssen.
Mit diesem Vorlagebeschluss setzt sich die Kammer nicht in Widerspruch zum
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 1967 (2 BvR
668/67, JZ 1968, 61). Die dieser Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht
zugrunde liegenden Rahmenbedingungen sind nicht mit denen vergleichbar,
die vorliegend in Rede stehen: Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, die
der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde
lag, war die Weihnachtszuwendung für Beamte in Baden-Württemberg, die seit
1962 aufgrund des Landesbeamtengesetzes gewährt und deren Höhe durch
Rechtsverordnungen festgelegt wurde. Seit Dezember 1964 wurde als
Grundbetrag ein Drittel der für den Monat Dezember maßgebenden Bezüge
gezahlt (GABl BW 1964 S. 455). Mit der Vierten Verordnung des
Finanzministeriums Baden-Württemberg über die Gewährung einer
Weihnachtszuwendung an Beamte und Versorgungsempfänger vom 12.
74
75
76
Oktober 1967 (GABl BW S. 240) wurde diese Regelung für das Jahr 1967
dahingehend geändert, dass der Grundbetrag nur noch bis zu einem
Höchstbetrag von 60,00 DM gewährt wurde (dazu BVerfG, Beschl. v. 28.
September 2007, 2 BvL 5/05 u. a., juris).
Es ist nicht ersichtlich, dass zu dem Zeitpunkt, als das Weihnachtsgeld in dem
damaligen Fall in dem genannten Umfang verringert wurde, in Baden-
Württemberg eine Abkopplung der Alimentation der Beamten von der
allgemeinen Einkommens- und Wirtschaftsentwicklung gegeben war.
Dementsprechend hatte damals die Kürzung des Weihnachtsgeldes auch
keine weitere Minderung einer von der allgemeinen Einkommensentwicklung
ohnehin schon abgekoppelten Beamtenalimentation zur Folge. Der Annahme,
dass bei einer derartigen Ausgangslage die damalige Verringerung des
Weihnachtsgeldes für baden-württembergische Beamte den Art. 33 Abs. 5 GG
(a. F.) nicht verletzte, hätte sich auch diese Kammer wohl nicht verschlossen.
Doch führt jene im vorliegenden Fall nicht weiter und gebietet insbesondere
nicht, eine Verfassungsverletzung zu verneinen. Denn die für den
vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Tatsachenlage, insbesondere das
zwischen den Beteiligten unumstrittene Zahlenmaterial, ist in Bezug auf den
Gesichtspunkt der Abkopplung von der allgemeinen Einkommensentwicklung
eine wesentlich andere als die, die der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts seinerzeit zugrunde lag.
Ob das hier angegriffene mitgliedstaatliche Recht mit Art. 141 EGV vereinbar
ist, braucht vorerst nicht entschieden zu werden. Die Frage, ob insoweit eine
mittelbare Diskriminierung beamteter Männer hinsichtlich des Entgelts im Sinne
jener europarechtlichen Vorschrift gegeben ist, wäre allein von dem EuGH zu
beantworten. Die dafür vorgesehene Vorlage an diesen zwecks Einholung
einer Vorabentscheidung nach Art. 234 EGV ist gegenwärtig nicht erforderlich,
weil die Möglichkeit besteht, dass die Klage bereits wegen der Unvereinbarkeit
der angegriffenen Besoldungsregelung mit dem Grundgesetz Erfolg hat.“
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorlage mit Beschluss vom 03.05.2012
(- 2 BvL 17/08 - juris) als unzulässig zurückgewiesen. Das
Bundesverfassungsgericht hat bemängelt, dass im Tenor des
Vorlagebeschlusses nicht alle Normen genannt seien, auf denen die
Besoldung des Klägers im Jahr 2005 beruhe, insbesondere nicht die
Vorschriften, auf denen der Wegfall der Sonderzahlungen beruhe. Die
Tatsachengrundlagen seien nicht hinreichend aufbereitet, weil keine detaillierte
Aufschlüsselung der jährlichen Netto-Besoldung in den Jahren 2002 bis 2005
erfolgt sei. Es sei unklar, welche Besoldungsbestandteile durch welche
Rechenschritte in den Blick genommen worden seien. Es sei nicht hinreichend
deutlich, ob der Familienzuschlag und andere Zuschläge in die Berechnung
eingeflossen seien, obwohl die §§ 39, 40 und 51 BBesG im Tenor des
Beschlusses genannt seien. Auch sei dem Beschluss nicht eindeutig zu
entnehmen, welche Abzugsposten in Ansatz gebracht worden seien,
insbesondere, ob Beiträge zur privaten Krankenversicherung bei der
Ermittlung der Netto-Besoldung abgezogen worden seien. Der
Vorlagebeschluss betrachte hinsichtlich der Besoldungsentwicklung lediglich
den Zeitraum der Jahre 2002 bis 2005. Für eine dem § 80 Abs. 2 S. 1
BVerfGG genügende Aufbereitung des Streitstoffes sei die Betrachtung eines
größeren Zeitraumes erforderlich. Der von der Kammer angestellte
Gehaltsvergleich mit der Privatwirtschaft sei nicht tragfähig. Es seien keine
Aussagen zur Vergleichbarkeit von Ausbildung und Tätigkeit des Klägers mit
Arbeitnehmern außerhalb des öffentlichen Dienstes getroffen. Darüber hinaus
lasse das Gericht auch außer Acht, dass wegen des Charakters des
Beamtenverhältnisses als wechselseitiges Dienst- und Treueverhältnis die
Konditionen nur insgesamt vergleichbar sein müssten. Auch sei die für die
Feststellung einer Unteralimentation erforderliche Feststellung, dass die
gewährten Bezüge evident unzureichend seien, nicht erfolgt. Das
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Evidenzkriterium sei weder nach dessen Wortlaut noch sinngemäß für eine
Prüfung am Maßstab des Art. 33 GG herangezogen worden. Das Gericht stelle
vielmehr auf die greifbare Abkoppelung der Beamtenbesoldung von der
allgemeinen Entwicklung ab, was einer näheren Entfaltung bedurft hätte.
Schließlich sei auch eine hinreichende Auseinandersetzung mit
Rechtsprechung und Schrifttum zur Verfassungskonformität der Alimentation
nach der Neuregelung des Sonderzahlungsrechtes nicht erfolgt. Insbesondere
sei eine Auseinandersetzung mit der die Verfassungsmäßigkeit der
Neuregelung bejahenden Rechtsprechung niedersächsischer
Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 16.11.2006 - 2
A 50/04 -) unterblieben.
Der Kläger hat das Verfahren fortgeführt (7 A 219/12). Er weist darauf hin, dass
sich seine Netto-Besoldung aus seinem Schriftsatz vom 14.05.2008 ergebe.
Sie sei nach Abzug verschiedener Positionen von seiner Brutto-Besoldung zu
ermitteln. Seine Brutto-Besoldung stelle sich in den Jahren 2002 bis 2005 wie
folgt dar:
2002
2003
2004
2005
Grundgehalt
26.513,40 27.608,76 28.095,95 28.329,60
Verheirateten Anteil
Familienzuschlag
1.209,36 1.231,14 1.252,96 1.263,36
Kinderanteil Familienzuschlag
2.069,04 2.106,30 2.143,46 2.161,20
Stellenzulage
736,20
736,41
847,57
854,64
VwL
79,80
79,80
79,80
79,80
Einmalzahlung
185,00
50,00
Zwischensumme
30.607,80 31.974,41 32.470,38 32.688,60
Urlaubsgeld
255,56
255,56
Sonderzuwendung
2.290,52 1782,63 1348,60
Sonderzuwendung Kinderanteil 51,12
51,12
51,12
51,12
Summe:
33.205,00 34.063,72 33.870,10 32.739,72
Von der Brutto-Besoldung seien Lohnsteuer, Kirchensteuer und
Solidaritätszuschlag abzuziehen. Auch die private Krankenversicherung sei zu
berücksichtigen, da sie maßgeblichen Einfluss auf die Netto-Besoldung habe.
Dies gebiete auch die Vergleichbarkeit mit den gesetzlich versicherten
Angestellten, bei denen sich die Beiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung selbstverständlich auf das Netto-Entgelt auswirkten.
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Danach stelle sich seine Netto-Besoldung wie folgt dar:
2002
2003
2004
2005
Summe Brutto
33.558,00 34.318,08 33.870,10 32.797,40
Lohnsteuer
3.771,32 3.955.95,08 3.302,77 2.786,33
Kirchensteuer
89,88
103,28
58,27
0,00
Solidaritätszuschlag
36,96
32,12
1,54
26,78
Nettogehalt
29.659,84 30.226,73 30.507,52 29.984,29
PKV
2.815,06 2.602,44
2683,92 2.688,50
PKV Wahlleistung
277,80
277,80
283,20
287,20
PKV Tagegeld
35,64
35,64
35,64
33,48
Abzgl. Praxisgebühr
80,00
80,00
Abzgl. Pflegeversicherung
148,80
147,12
147,12
144,48
Vergleichbares Nettogehalt
Seine Netto-Besoldung sei nicht mehr amtsangemessen, weil sie „greifbar“ von
der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt sei. Von einer
„greifbaren Abkoppelung“ sei nicht erst auszugehen, wenn die Abweichung 10
Prozent betrage. Die Besoldungsgruppe A9 sei mit der Leistungsgruppe II des
Statistischen Jahrbuches (kaufmännische und technische Angestellte mit
mehrjähriger Berufserfahrung oder besonderen Fachkenntnissen, die
selbstständig arbeiteten, jedoch in der Regel keine Verantwortung für die
Tätigkeit anderer trügen) vergleichbar. In dieser Gruppe habe sich das
Bruttoeinkommen von 4042,27 im Jahr 2000 auf 4598,00 Euro im Jahr 2005
verbessert (Differenz 13,75 %). Dieser Wert müsse fiktiv in Nettoeinkommen
umgerechnet werden.
Der Beklagte hat im Verfahren 7 A 219/12 nicht erwidert, hält aber an seinem
klagabweisenden Antrag fest.
II.
Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 GG und § 80 BVerfGG
auszusetzen und es ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu
der Frage einzuholen, ob die gesetzlichen Regelungen der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 S. 1 nebst Anlage I, § 27
Abs. 1 und 2, § 39 Abs. 1 S. 1 und 2 nebst Anlage V, § 40 Abs. 2 und § 51
BBesG, § 8 NBesG (im Folgenden: Vorlagegegenstand) mit dem von Art. 33
Abs. 5 des Grundgesetzes (in seiner bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung,
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a. F.) geschützten Anspruch des Klägers auf amtsangemessene Alimentation
vereinbar ist. Die so als Vorlagegegenstand definierten Vorschriften
bestimmen - in ihrer Gesamtheit sowie jeweils bezogen auf die BesGr A 9
BBesO und in der für 2005 maßgebenden Fassung - die einfachgesetzlich
vorgegebene Netto-Alimentation des Klägers im Kalenderjahr 2005. Der
Vorlagegegenstand umfasst demnach diejenigen Vorschriften, nach denen
sich die Besoldung des Klägers ihrem Grund und ihrer Höhe nach richtet.
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2014
Gelegenheit gehabt, zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht
Stellung zu nehmen.
Die Frage der Anwendbarkeit dieses Vorlagegegenstandes ist
entscheidungserheblich. Denn die Entscheidung über die Klage hängt gerade
davon ab, ob der Vorlagegegenstand verfassungswidrig oder
verfassungsgemäß ist. Im Falle einer Verfassungswidrigkeit dieses
Regelungskomplexes wegen eines Verstoßes gegen das aus Art. 33 Abs. 5
GG (a. F.) folgende Alimentationsprinzip ist der Klage stattzugeben: Nur wenn
der Vorlagegegenstand durch das Bundesverfassungsgericht für
verfassungswidrig erklärt wird, kann diese Klage Erfolg haben. Ist der
Vorlagegegenstand hingegen verfassungsgemäß, so ist die Klage
abzuweisen.
Nach Auffassung der Kammer wird die Klage Erfolg haben. Das vorlegende
Gericht ist aus den nachfolgend darzulegenden Gründen von der
Verfassungswidrigkeit des Vorlagegegenstandes überzeugt.
Das Verwaltungsgericht Halle (Beschluss vom 28.09.2011 - 5 A 206/09 HAL -,
juris Rn 45 -60) hat zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen ausgeführt:
„Die Alimentation ist an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen. Diese Norm sichert
den Kernbestand der Strukturprinzipien der hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums, die der Gesetzgeber nicht nur zu berücksichtigen,
sondern strikt - als Rahmen - zu beachten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom
19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 [263] m. w. N.; Wolff,
ZBR 2005, S. 361). Eines der anerkannten (und auch nicht bestrittenen)
Strukturprinzipien ist das Alimentationsprinzip.
Das Alimentationsprinzip zählt zum Kernbestand der Strukturprinzipien der
hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG). Es
enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber und begründet ein
grundrechtsgleiches Recht der Beamten und Richter, soweit - wie hier -
deren subjektive Rechtsstellung betroffen ist. Es verpflichtet den
Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu
alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, der mit seinem Amt
verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des
Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des
allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu
gewähren.
Der Beamte oder Richter muss über ein Nettoeinkommen verfügen, das
seine rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit
gewährleistet und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse nach
Nahrung, Kleidung und Unterkunft hinaus im Hinblick auf den allgemeinen
Lebensstandard und die allgemeinen Verbrauchs- und
Lebensgewohnheiten nicht nur ein Minimum an Lebenskomfort, sondern
einen im Ergebnis (amts-)angemessenen Lebenskomfort ermöglicht. Hierzu
gehören zum Beispiel die Ausstattung des Haushalts mit den üblichen
elektrischen Geräten einschließlich ihrer Unterhaltung, Radio- und
Fernsehgerät samt laufender Kosten, Zeitungs- und Zeitschriftenbezug,
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Theaterbesuch und Besuch ähnlicher Veranstaltungen, Kraftwagen,
Urlaubsreise, Bausparvertrag, Lebens- und Krankenversicherung,
Ausgaben für Fortbildung, soziale und politische Aktivitäten sowie
vernünftige Freizeitbeschäftigung.
Alimentation in der Wohlstandsgesellschaft bedeutet mehr als
Unterhaltsgewährung in Zeiten - etwa in der Nachkriegszeit -, die für weite
Kreise der Bürgerschaft durch Entbehrung und Knappheit gekennzeichnet
waren. Der Besoldungsgesetzgeber hat auch die Attraktivität des
Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das
Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die Verantwortung des
Amtes sowie die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine
Beanspruchung zu berücksichtigen. Es geht somit nicht um einen fest
begrenzten (Mindest-)Standard, sondern um den dem Amt angemessenen
Lebenskomfort (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 1/52 u.
a. - BVerfGE 8, 1 [16], vom 14. Juni 1960 - 2 BvL 7/60 - BVerfGE 11, 203
[210], vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u. a. - BVerfGE 99, 300 [314 f.]
und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 [269];
BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114,
258 [287 f.]; Bamberger, ZBR 2008, S. 361 ff.; Lindner, ZBR 2007, S. 221 f.).
Der Gesetzgeber hat bei der Konkretisierung der aus Art. 33 Abs. 5 GG
resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentierung einen weiten
Gestaltungsspielraum. Die Alimentation ist ein Maßstabsbegriff, der nicht
statisch, sondern entsprechend den jeweiligen Zeitverhältnissen zu
konkretisieren ist. Die einfachgesetzliche Verpflichtung in § 14 Abs. 1
BBesG, die Bezüge der Beamten durch eine Erhöhung oder Verminderung
an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen
Verhältnisse anzupassen, stellt sich als Konkretisierung des
Alimentationsgrundsatzes aus Art. 33 Abs. 5 GG dar. Hiermit korrespondiert,
dass der Beamte grundsätzlich keinen Anspruch darauf hat, dass ihm die
für die Bemessung der Bezüge maßgeblichen Regelungen, unter denen er
in das Beamtenverhältnis eingetreten ist, unverändert erhalten bleiben. Art.
33 Abs. 5 GG garantiert vor allem nicht die unverminderte Höhe der
Bezüge. Der Gesetzgeber darf die Bezüge vielmehr kürzen, wenn dies aus
sachlichen Gründen gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September
2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 [289]; BVerfG, Beschlüsse vom
27. September 2007 - 2 BvR 2267/03 u. a. - DVBl. 2007, S. 1435 [1436 f.]
m. w. N., und vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256
[310] m. w. N.).
Allerdings muss die innere und äußere Unabhängigkeit des Beamten oder
Richters gewährleistet bleiben und darf Widerspruch nicht das Risiko einer
Bedrohung der Lebensgrundlagen des Amtsträgers und seiner Familie in
sich bergen. Nur dann kann realistischer Weise erwartet werden, dass ein
Beamter auch dann auf eine rechtsstaatliche Amtsführung beharrt, wenn sie
(partei-)politisch unerwünscht sein sollte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.
September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 [261]).
Das Alimentationsprinzip ist dabei nicht nur Grundlage, sondern auch
Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. Insoweit wird der
Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers eingeengt. Dem Beamten
steht, wenn auch nicht hinsichtlich der Höhe und sonstigen Modalitäten, so
doch hinsichtlich des Kernbestands seines Anspruchs auf
amtsangemessenen, in der früher verwendeten Terminologie
standesgemäßen, Unterhalt ein durch seine Dienstleistung erworbenes
Recht zu, das durch Art. 33 Abs. 5 GG ebenso gesichert ist wie das
Eigentum durch Art. 14 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2
BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 [289] m. w. N.). Entscheidend ist, dass
das Alimentationsprinzip zum Kernbestand der Strukturprinzipien der
hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gehört, die vom
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Besoldungsgesetzgeber nicht nur zu berücksichtigen, sondern strikt zu
beachten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF
3/02 - a. a. O., m. w. N.).
Dementsprechend setzt das Alimentationsprinzip dem
Besoldungsgesetzgeber verbindliche Grenzen bei der Wahrnehmung
seiner Gestaltungsfreiheit. Dies gilt vor allem bei generellen
Einsparungsbemühungen der öffentlichen Hand. Finanzielle Erwägungen
und das Bemühen, Ausgaben zu sparen, sind für sich genommen in aller
Regel nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung anzusehen. So
begründen allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte, die
Herausforderungen durch die Globalisierung, der demographische Wandel
und die finanziellen Nachwirkungen der Wiedervereinigung keine
Einschränkung des Grundsatzes einer amtsangemessenen Besoldung.
Die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach
beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaftlichen
Möglichkeiten der öffentlichen Hand, politischen Dringlichkeitsbewertungen
oder dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen
Sozialstaatsprinzips bemessen lässt. Alimentation des Beamten und seiner
Familie ist etwas anderes und Eindeutigeres als staatliche Hilfe zur
Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen
Standards für alle und findet ihren Rechtsgrund nicht im Sozialstaatsprinzip,
sondern in Art. 33 Abs. 5 GG. Könnte die finanzielle Situation der
öffentlichen Hand für sich allein bereits eine Kürzung der Besoldung bei
Wahrung ihrer Amtsangemessenheit rechtfertigen, so wäre die Besoldung
dem uneingeschränkten Zugriff des Gesetzgebers eröffnet. Die
Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG liefe ins Leere (vgl. BVerfG, Urteil vom
27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 [291]; BVerfG,
Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 [388];
OVG Münster, Urteil vom 10. September 2007 - 1 A 4955/05 - juris, Rn. 65).
Gleichwohl sind bei der Besoldung der Beamten und Richter
Einsparungsbemühungen nicht schlechthin ausgeschlossen, solange sie
im Ergebnis und zu jedem Zeitpunkt die Amtsangemessenheit der
Alimentation unberührt lassen.
Der Schutz des Alimentationsprinzips erstreckt sich weiter nicht auf
bestimmte Strukturelemente der Besoldung und selbstverständlich nicht auf
solche Bestandteile, die erst nach der maßstabsbildenden Zeit eingeführt
wurden. So ist insbesondere die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung als solche nicht als hergebrachter Grundsatz des
Berufsbeamtentums über Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschützt
(vgl. OVG Münster, Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 4240/05 - juris - Rn.
54 f. m. w. N.). Vorschriften über derartige Besoldungsteile können daher
jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Gleichwohl dürfen
Bestandteile der Besoldung wie die Sonderzahlung bei der Bestimmung
dessen, was eine amtsangemessene Besoldung darstellt, aufgrund ihrer
mangelnden verfassungsrechtlichen Verbürgung nicht unberücksichtigt
bleiben. Anders als vor Jahrzehnten (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom
29. November 1967 - 2 BvR 668/67 - JZ 1968, S. 61) stellen nämlich
(zumindest) in den Jahren ab 1991 Sonderzahlungen keine "Draufgaben"
auf die amtsangemessene Alimentation dar. Sie wurden vom
Besoldungsgesetzgeber als Bestandteil des Systems der Besoldung
verstanden. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Beamter oder Richter
amtsangemessen besoldet wird, sind die Leistungen der Kernbesoldung,
aber auch die anderen vom Dienstherr zu erbringenden Leistungen zu
berücksichtigen, ohne dass es darauf ankommt, ob die anderen Leistungen
nach Art und Form ebenfalls vom Alimentationsprinzip gewährleistet
werden. Damit kommt einzelnen Besoldungsleistungen, wenn sie
hinsichtlich ihres Bestandes und ihrer Höhe keinen verfassungsrechtlichen
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Schutz genießen, mittelbar verfassungsrechtliche Bedeutung als
Berechnungsfaktoren für die Ermittlung des Nettoeinkommens zu (vgl. OVG
Magdeburg, Beschluss vom 6. Februar 2009, 1 L 101/08, a. a. O.). Deshalb
ist jede Erhöhung oder Kürzung und Streichung von Leistungen außerhalb
der Kernalimentation bei der Prüfung der Amtsangemessenheit der
Besoldung mit einzurechnen. Wird eine zur Besoldung im weiteren Sinne
zählende Leistung gestrichen oder gekürzt, so muss sich der
Besoldungsgesetzgeber vergewissern, ob damit die Untergrenze der
Amtsangemessenheit unterschritten ist. Mit anderen Worten, es muss
gleichwohl sichergestellt sein, dass das dadurch verringerte
Nettoeinkommen insgesamt noch ausreicht, um einen amtsangemessenen
Lebensunterhalt zu gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai
1985 - 2 BvL 24/82 - BVerfGE 70, 69 [79]). Ist das nicht der Fall, so ist der
Gesetzgeber verpflichtet, einen Ausgleich für die Kürzung zu schaffen und
durch eine Erhöhung ein amtsangemessenes Niveau zu erreichen. Auf
welche Art und Weise das geschieht, obliegt allein der Ausgestaltung des
Besoldungsgesetzgebers. Von der Verfassung vorgegeben ist das Ziel,
aber nicht mit welchen Mitteln das Ziel zu erreichen ist.
Die durch Art. 33 Abs. 5 GG geforderte Amtsangemessenheit der
Alimentation beurteilt sich nach dem Nettoeinkommen der Beamten. Hierfür
ist bei aktiven Beamten und Richtern die Summe der Besoldungsleistungen,
bestehend aus Grundgehalt, Familienzuschlag, allgemeiner Stellenzulage, -
soweit gewährt - jährlicher Sonderzuwendung und Urlaubsgeld, sowie
etwaigen sonstigen Einmalzahlungen zu ermitteln. Von diesem
Bruttoeinkommen sind Lohn- und Kirchensteuer sowie der
Solidaritätszuschlag abzuziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.
November 1998 - 2 BvL 26/91 u. a. - BVerfGE 99, 300 [321]). Ob die
Dienstbezüge ausreichen, lässt sich nur anhand des so ermittelten
Jahresnettoeinkommens beurteilen, das dem Beamten oder Richter zufließt
und das er ausgeben kann, um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen und
einen angemessenen Lebenskomfort zu bestreiten (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u. a. - BVerfGE 44, 249 [265 f.]; OVG
Koblenz, Urteil vom 10. August 2007 - 2 A 10516/07 - NVwZ 2008, S. 97
[98]).
Der Beamte und Richter hat im Rahmen der amtsangemessenen
Alimentation zugleich einen Anspruch auf Partizipation an den allgemeinen
Verhältnissen. Damit bedeutet Alimentation der Höhe nach in der
Wohlstandsgesellschaft mehr als in Zeiten der Entbehrung und Knappheit.
Der Gesetzgeber darf die Beamtenbesoldung von einer allgemeinen
positiven Entwicklung nur dann ausnehmen, wenn dies durch spezifische,
im Beamtenverhältnis wurzelnde Gründe gerechtfertigt ist. Den Beamten
und Richtern dürfen dagegen keine Sonderopfer zur Konsolidierung der
öffentlichen Haushalte auferlegt werden. Die Besoldung ist nicht mehr
amtsangemessen, wenn die finanzielle Ausstattung der Beamten und
Richter greifbar hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung
zurückbleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007, 2 BvR 11/04,
BVerfGE 117, 372 [388]; BVerfG, Urteil vom 27. September 2005, 2 BvR
1387/02, BVerfGE 114, 258 [293 f.]; BVerwG, Urteile vom 20. März 2008, 2
C 49.07, a. a. O. und vom 19. Dezember 2002, 2 C 34.01, BVerwGE 117,
305 [309]; OVG Münster, Urteil vom 10. September 2007, 1 A 4955/05, a. a.
O., Rn. 67).
Die Bereitschaft des Beamten oder Richters, sich mit ganzem Einsatz
seinem Dienst zu widmen, und seine Immunität gegenüber politischer und
finanzieller Einflussnahme durch Dritte hängen nämlich maßgeblich davon
ab, dass die von ihm geleisteten Dienste adäquat gewürdigt werden. Hinzu
kommt, dass der Gesetzgeber das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte
anziehend ausgestalten muss. Dies setzt unter anderem voraus, dass der
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öffentliche Dienst mit Konditionen wirbt, die insgesamt einem Vergleich mit
denen der privaten Wirtschaft standhalten. Denn die Alimentation dient nicht
allein dem Lebensunterhalt des Beamten. Sie hat zugleich eine Qualität
sichernde Funktion (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005, 2 BvR
1387/02, BVerfGE 114, 258 [293 f.]; OVG Münster, Urteil vom 10.
September 2007, 1 A 4955/05, a. a. O., Rn. 71).
Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet den Gesetzgeber, ein verfassungswidrig zu
niedriges Alimentationsniveau anzuheben. Damit korrespondiert ein
grundrechtsgleiches Recht der Beamten und Richter. Allerdings folgen aus
dem Alimentationsgrundsatz keine konkreten Handlungsaufträge für den
Gesetzgeber. Verfassungsrechtlich vorgegeben ist nur das Ergebnis; die
Wahl der Mittel bleibt dem Gesetzgeber überlassen. Ihm ist bei der
Gestaltung des Besoldungsrechts ein weiter Spielraum politischen
Ermessens eröffnet, der grundsätzlich erst durch Maßnahmen überschritten
wird, die sich als evident sachwidrig erweisen.“
Das Bundesverwaltungsgericht hat jüngst (Urteil vom 27.02.2014 - 2 C 1/13 ,
juris Rn 67) zur Frage, wann von einer Abkoppelung der Beamtenbesoldung
auszugehen sein dürfte, ausgeführt: Dies dürfte der Fall sein, wenn der
Gesetzgeber die Besoldungsentwicklung an Parameter knüpft, die die
Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst nicht mehr in den Blick nehmen
(BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258
<293 f.>)
Bei der Frage, ob die dem Kläger zustehende Alimentation amtsangemessen
ist, ist vom Regelbild des verheirateten Beamten mit zwei Kindern
auszugehen. Das Verwaltungsgericht Halle (a.a.O. Rn 69 - 75) hat dazu
ausgeführt:
„Hinsichtlich des anzuwendenden Vergleichsmaßstabes hat das Gericht
zunächst zu bestimmen, welche persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse sowie welchen Zeitpunkt und Zeitraum es der Beurteilung der
Amtsangemessenheit der Alimentation zugrunde zu legen hat. Das Gericht
stellt hier in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November
1998, 2 BvL 26/91 u. a., juris, Rn. 51; BVerfG, Beschluss vom 22. März
1990, 2 BvL 1/86, juris, Rn. 51; siehe auch OVG Magdeburg, Urteil vom 25.
April 2007, 1 L 453/05, juris, Rn. 98) auf den verheirateten Richter oder
Staatsanwalt mit zwei Kindern ab. Das entspricht der bei der Alimentation
vom Gesetzgeber gewählten grundsätzlichen Typisierung.
Der Gesetzgeber hat diese Grundentscheidung, eine so
zusammengesetzte Familie als für die Alimentation des Beamten typisch
anzusehen, nicht aufgegeben. Erforderlich wäre dazu nach Ansicht der
Kammer eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die auch in den
Materialien einen Niederschlag hätte finden müssen. Dann wäre auch ein
eventuell gefundenes neues Leitbild darzustellen gewesen. Hierzu findet
sich in den Materialien allerdings nichts (vgl. Gesetzentwürfe
Landesregierung vom 3. März 2010, Drs. 5/2477, 10. Juni 2009, Drs.
5/2020, 19. Februar 2008, 5/1128, und 15. Mai 2007, Drs. 5/674, sowie
Gesetze vom 8. Februar 2011, GVBl. 68, 9. Dezember 2009, GVBl. 598, 12.
August 2008, GVBl. 290, und 25. Juli 2007, GVBl. 236). Eine solche
Änderung hätte zudem auch Veränderungen in der Besoldungsstruktur
nach sich ziehen müssen. Würde das Leitbild z.B. auf den kinderlosen
verheirateten Beamten verändert, so müsste das zur Erhöhung des
Familienzuschlages führen, weil der Bedarf für zwei Kinder dann nicht mehr
weitgehend in der Grundalimentation enthalten ist, sondern gesondert
erbracht werden müsste. Eine Erhöhung des Familienzuschlages oberhalb
der allgemeinen, prozentualen Anhebungen ist aber nur für das dritte und
weitere Kinder erfolgt. Damit hat der Gesetzgeber nur die Entscheidung des
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Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, die wiederum auf dem Leitbild
verheirateter Beamter mit zwei Kindern beruht, was eine Bestätigung des
Leitbildes ist.
Dasselbe gilt für den Verheiratetenzuschlag, der aufgrund seiner Höhe nicht
in der Lage ist, den Bedarf des Ehegatten zu decken. Er reicht in der Regel
nicht einmal aus, eine beihilfekonforme Krankenversicherung für den
Ehegatten zu unterhalten.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich auch keine Veränderung
des zu berücksichtigenden Leitbildes aufgrund allgemeiner Veränderung
der Verhältnisse. Das Leitbild ist durch den Gesetzgeber zu bestimmen,
Veränderungen obliegen allein seiner Entscheidung. Einem normativen
Ansatz kann aber nicht eine tatsächliche Entwicklung entgegengehalten
werden. Aus dem Sein kann eben nicht auf das Sollen geschlossen
werden. Die vom Beklagten angeführten Umstände - wie eine erhöhte
Erwerbstätigkeit von Ehefrauen - sind damit im Grundsatz nicht geeignet,
eine allgemeine Absenkung der Besoldung über eine Änderung des
Leitbildes zu rechtfertigen. Der Ansatz wäre so allerdings auch dem
Besoldungsgesetzgeber verwehrt. Er verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen
Verfassungsrecht. So betrachtet der Beklagte nur die Erwerbsquote von
Ehefrauen, nicht aber die von Ehemännern. Sein Leitbild ist historisch das
des verheirateten männlichen Beamten mit nicht erwerbstätiger Ehefrau.
Das Bild ist nicht nur längst überholt, sondern ignoriert die Voraussetzungen
des Art. 3 Abs. 2 GG. Die Überlegung blendet auch aus, dass die
Besoldung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe selbstverständlich nicht
nur dem verheirateten Beamten, sondern auch der verheirateten Beamtin
zu gewähren ist. Die Überlegung enthält zugleich auch einen Verstoß
gegen das Alimentationsprinzip. Der Dienstherr und niemand anderes hat
für den Unterhalt des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Zwar ist die
Verpflichtung gegenüber den Familienangehörigen geringer, so dass diese
auf eigene Mittel - auch solche nichtstaatlicher Kassen - verwiesen werden
dürfen. Das ist allerdings eine Entscheidung, die ausschließlich dem
Gesetzgeber vorbehalten ist. Verwiesen werden darf aber nur auf
vorhandene Mittel oder solche, die ohne weiteres in Anspruch genommen
werden können. Dazu gehört aber nicht, dass der Ehepartner eines
Beamten verpflichtet wird, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen oder dass
pauschal die Erzielung eines Durchschnittseinkommens angenommen wird.
Eine höhere Erwerbsquote vermag für den Einzelfall nichts zu besagen, die
Erwerbstätigkeit des Ehegatten kann aus einer Vielzahl von Gründen
unmöglich sein (Kindererziehung, Behinderung, Arbeitslosigkeit, Probleme
beim Wiedereinstieg in den Beruf nach der Kindererziehung).
Nach Überzeugung der Kammer führt das dazu, die Amtsangemessenheit
des Grundgehalts sowie der weiteren Leistungen anhand des so
bestimmten Leitbildes, eines Musterbeamten zu prüfen und zu klären, ob
seine Besoldung amtsangemessen ist. Dabei kommt es - obwohl in den
parallelen Vorlageverfahren einer der Kläger genau dem Leitbild entspricht -
nicht entscheidend auf die Frage an, ob der Kläger tatsächlich in den
typisiert zugrundeliegenden Familienverhältnissen lebt.
Der Maßstab ist auch bei Beamten, die weniger als 2 Kinder haben
und/oder nicht verheiratet sind, nicht zu verändern. Würde bei
abweichenden Familienverhältnissen ein Abschlag bei der Bestimmung der
Mindestbesoldung vorgenommen, würde das Gericht letztlich mit einer
geltungserhaltenden Reduktion die Verfassungsmäßigkeit eines Systems in
Einzelfällen bejahen. Letztlich würde damit nicht mehr überprüft, ob das vom
Gesetzgeber geschaffene System defizitär ist, sondern ob der Gesetzgeber
mit einem anderen, von ihm aber nicht gewählten Besoldungssystem im
konkreten Einzelfall (aufgrund fehlender Unterhaltspflichten oder einem
zulässigen Verweis auf andere Einnahmen) dasselbe Ergebnis hätte
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erzielen können.“
Dem schließt sich die erkennende Kammer an (ebenso VG Koblenz,
Beschluss vom 12.09.2013 - 6 K 445/13.KO -, juris).
In den Blick nimmt die Kammer, nachdem das Bundesverfassungsgericht den
Zeitraum 2002 bis 2005 als nicht ausreichend beanstandet hat (Beschluss
vom 09.09.2008 – 2 BvL 17/08 -, juris), den Zeitraum von 1983 bis 2005. Das
Verwaltungsgericht Koblenz (a.a.O. Rn 51-71) hat dazu ausgeführt:
„Eine Situation, in der die Alimentation in der Vergangenheit das
verfassungsrechtlich zulässige Mindestmaß erreicht hatte, lässt sich für das
Jahr 1983 feststellen.
Das Verwaltungsgericht Halle hat in seinem Vorlagebeschluss vom 28.
September 2011 (a. a. O., Rn. 81 ff.) für die Kammer überzeugend
dargelegt, dass die Alimentation im Jahr 1983 durch den Gesetzgeber auf
die Mindestalimentation festgesetzt worden ist. Dies ergibt sich aus
folgenden Erwägungen:
Im Jahr 1983 hat der Bund als damals noch zuständiger
Besoldungsgesetzgeber durch das Gesetz über Maßnahmen zur
Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der
Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung
der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 22.
Dezember 1983 (BGBl I S. 1532) § 19a in das Bundesbesoldungsgesetz
eingefügt. Mit dieser Vorschrift, die ausdrücklich der Konsolidierung der
öffentlichen Haushalte ohne eine Steuererhöhung diente, wurde die
Eingangsbesoldung für Berufsanfänger unter Hinweis auf das geringere
Maß an vorhandener Berufserfahrung abgesenkt. Trotz des ausweislich
dieser Maßnahme bestehenden Konsolidierungsdrucks hatte der
Bundesgesetzgeber indessen noch mit dem Gesetz über die Anpassung
von Dienst- und Versorgungsbezügen 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl
I S. 1870) die Grundgehälter aller Besoldungsgruppen mit Wirkung zum 1.
Juli 1983 um 2 v. H. erhöht. Hieraus ergibt sich in der Zusammenschau,
dass der Gesetzgeber bei Erlass des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 im
Dezember 1983 davon ausgegangen sein muss, eine flächendeckende
Kürzung der Besoldung werde zur Unteralimentation führen, weil nunmehr
ein (nach in den Vorjahren vorgenommenen Kürzungen) nicht mehr
absenkbares Mindestmaß erreicht sei. Anders lässt sich nicht erklären,
dass der Gesetzgeber die von ihm als notwendig angesehene
Konsolidierung des Haushalts im Bereich der Beamtenbesoldung trotz der
noch kurz zuvor beschlossenen Erhöhung der Grundgehälter lediglich auf
einzelne Beamte – Berufsanfänger ohne Berufserfahrung – erstreckt, das
Alimentationsniveau insgesamt jedoch unberührt gelassen hat.
Eine spätere Neubestimmung des Alimentationsniveaus durch die
jeweiligen Besoldungsgesetzgeber lässt sich nicht mit hinreichender
Sicherheit belegen. Dies gilt sowohl für das Alimentationsniveau insgesamt
als auch für die Einordnung der Besoldungsgruppe R 3 in das
Besoldungsgefüge.
In den Jahren nach 1983 beschränkten sich die gesetzgeberischen
Erwägungen soweit ersichtlich zunächst lange Zeit auf die Übernahme der
Tarifabschlüsse für die Angestellten im öffentlichen Dienst. Später hat sich
der Gesetzgeber mit den Fragen einer zeitlich verzögerten Übernahme der
Tarifabschlüsse sowie der Nichtübernahme von Einmalzahlungen
auseinandergesetzt. Für eine Befassung mit der Frage der Sicherung der
verfassungsrechtlich gewährleisteten Mindestalimentation ist
demgegenüber nichts erkennbar.
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123
Im Jahr 1998 hat der auch damals noch zuständige Bund sodann mit dem
Gesetz zur Umsetzung des Versorgungsberichts
(Versorgungsreformgesetz 1998) vom 29. Juni 1998 (BGBl I S. 1666, ber. S.
3128) durch die Einfügung von § 14a in das Bundesbesoldungsgesetz eine
Versorgungsrücklage eingeführt. Hierbei ging es letztlich jedoch vor dem
Hintergrund der im Versorgungsbericht aufgezeigten, als besorgniserregend
angesehenen zukünftigen Steigerung der Versorgungslasten allein darum,
den öffentlichen Haushalten die Zahlung der zu erwartenden
Versorgungsansprüche durch Beiträge der aktiven Beamten zu erleichtern
(vgl. dazu den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22. Dezember
1997, BT-Drucks. 13/9527). Konkrete Anhaltspunkte für eine damit
einhergehende alimentationsrechtliche Vergewisserung des Gesetzgebers
in Bezug auf das verbleibende Niveau der Besoldung sind auch insoweit
nicht ersichtlich.
Nichts anderes gilt im Hinblick auf die sich anschließende
Versorgungsreform durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20.
Dezember 2001 (BGBl I S. 3926). Dessen Gegenstand war lediglich eine
Absenkung des hier nicht relevanten Ruhegehaltssatzes mit dem Ziel, in
der gesetzlichen Rentenversicherung beabsichtigte Kürzungen
wirkungsgleich und systemgerecht auf die Beamtenversorgung zu
übertragen (vgl. hierzu den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24.
Oktober 2001, BT-Drucks. 14/7223). Hinweise auf eine Neubestimmung
des Alimentationsniveaus durch den Gesetzgeber sind auch insoweit nicht
erkennbar.
Eine entsprechende Überprüfung lässt sich ferner nicht aus Anlass der
Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes durch Art. 18 Abs. 1 des
Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in
Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher
Vorschriften (Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz
2003/2004) vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) feststellen. Insoweit
hat der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden
Gesetzgebungskompetenz nur noch in Form der Bestimmung einer
Höchstgrenze für die Sonderzahlung insgesamt und der Regelung weiterer
Einzelfragen Gebrauch gemacht und damit eine beschränkte
Regelungsbefugnis für die Länder eröffnet. Dies war aber nicht die einzige
Änderung. Sie war Teil eines Gesetzgebungsverfahrens, in dem der
Bundesgesetzgeber die Notwendigkeit der Erhöhung der Alimentation um
insgesamt 4,4 v. H. in drei Stufen in den Jahren 2003 und 2004 gesehen
und umgesetzt hat. Da der Bundesgesetzgeber jedoch zu diesem Zeitpunkt
noch nicht wissen konnte, wie die Länder von ihrer
Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen würden, kann er mit dem
Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 auch keine
abschließende Überprüfung oder gar Neubestimmung des
Alimentationsniveaus vorgenommen haben.
Abweichendes lässt sich auch den nachfolgenden Änderungen des
Besoldungsrechts nicht entnehmen. Nachdem mit dem Gesetz zur
Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) die
Besoldung und Versorgung der Landesbeamten in die ausschließliche
Gesetzgebung der Länder überführt worden ist, hat das beklagte Land in
verschiedener Weise von seiner neuen Kompetenz Gebrauch
gemacht (…).
Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der
verfassungsrechtlichen Bewertung das Jahr 1983 als Basisjahr zugrunde
zu legen ist. Die Besoldungsgesetzgeber haben das Alimentationsniveau
seither nicht neu festgesetzt.
Soweit in der Rechtsprechung und der Literatur andere Zeitpunkte als
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125
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129
maßgebliche Ausgangsbasis für die anzustellende Vergleichsbetrachtung
angesehen werden, hält die Kammer dies nicht für überzeugend.
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom
10. September 2007 – 1 A 4955/05 –, DVBl. 2007, 1297 [1302], und
Beschluss vom 9. Juli 2009, a. a. O., Rn. 289 ff.) nimmt insoweit die
Entwicklung der Beamtenbesoldung ab 1991 in den Blick. Dies rechtfertige
sich daraus, dass sich der Bund als damals alleiniger
Besoldungsgesetzgeber aus Anlass der Herstellung der Einheit
Deutschlands nach 1990 mehrfach mit der Amtsangemessenheit der
Besoldung habe befassen müssen. Die Festlegung der Besoldungshöhe
für die im Beitrittsgebiet verwendeten Besoldungsempfänger habe
notwendigerweise eine Bewertung der bislang im Übrigen gewährten
Alimentation hinsichtlich ihrer Amtsangemessenheit vorausgesetzt. Indem
er die im bisherigen Bundesgebiet gewährte Alimentation als Bezugspunkt
festgesetzt habe, habe der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er
diese als amtsangemessen angesehen, angesichts der ausdrücklich in
Bezug genommenen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse im
Beitrittsgebiet dort jedoch Abschläge für amtsangemessen erachtet habe.
Diese Schlussfolgerung erscheint nach Auffassung der Kammer
keineswegs zwingend. Wenn der Besoldungsgesetzgeber ohnehin – so
das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen – angesichts
der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse im Beitrittsgebiet dort eine
gegenüber dem Besoldungsniveau im bisherigen Bundesgebiet
vorübergehend auf bis zu 60 Prozent abgesenkte Alimentation als
amtsangemessen erachtet hat, bestand für ihn keine Veranlassung, sich mit
der Amtsangemessenheit der Besoldung im bisherigen Bundesgebiet näher
auseinanderzusetzen.
Im Übrigen weist das Verwaltungsgericht Halle in seinem Vorlagebeschluss
vom 28. September 2011 (a. a. O., Rn. 97) zu Recht darauf hin, dass gegen
eine Neubestimmung der Mindestalimentation auf ein niedrigeres Niveau,
also die Kürzung der Alimentation, auch die sich in den damaligen Jahren
stellenden besonderen Anforderungen sprechen. Nach dem Beitritt der
ehemaligen DDR zum 1. Oktober 1990 und der zeitgleichen Gründung der
neuen Bundesländer war es vordringliche Aufgabe, dort eine
rechtsstaatliche Verwaltung aufzubauen und die Justiz den Anforderungen
des neuen Wirtschafts- und Sozialsystems anzupassen. Dies hat zu einem
erheblichen Bedarf der neuen Länder an qualifiziertem Personal geführt,
welcher weitgehend durch Beamte und Richter aus den alten
Bundesländern – zuerst durch Abordnungen, später auch durch
Versetzungen – gedeckt werden musste, was zudem zwangsläufig in den
alten Bundesländern einen Nachbesetzungsbedarf zur Folge hatte.
Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 25.
April 2007 – 1 L 453/05 –, juris Rn. 142 ff.) und der Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg (Urteil vom 16. Oktober 2008 – 4 S 725/06 –, juris Rn.
46 f., der darüber hinaus auch noch eine bestätigende Betrachtung mit dem
Jahr 1980 als Ausgangspunkt anstellt) gehen in ihrer Prüfung
demgegenüber vom Jahr 1998 aus, ohne dies näher zu begründen.
Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Jahr 1998 eine
Vergewisserung des Besoldungsgesetzgebers hinsichtlich der
Amtsangemessenheit der Alimentation oder gar eine Neubestimmung des
Alimentationsniveaus stattgefunden hätte, fehlen jedoch. Insbesondere
lässt sich eine solche – wie bereits dargelegt – nicht aus Anlass der
Einführung einer Versorgungsrücklage durch das Versorgungsreformgesetz
1998 feststellen.
Gegen 1998 als maßgebliches Jahr spricht auch die Rechtsprechung des
130
131
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133
134
Bundesverfassungsgerichts. In seinem Beschluss vom 24. November 1998
(a. a. O. [316 ff.]) stellt dieses ausdrücklich fest, dass im zu beurteilenden
Zeitraum von 1988 bis 1996 nicht von einer Überalimentation der den
Maßstab bildenden vierköpfigen Beamtenfamilie ausgegangen werden
könne. Eine Verschlechterung der allgemeinen Lebensverhältnisse, die auf
das dem Beamten zu gewährleistende „Minimum an Lebenskomfort“
durchgegriffen hätte, sei in diesem Zeitraum nicht eingetreten; eine
Neubestimmung dieses Minimums sei deshalb nicht geboten. Auch sei die
Besoldung im fraglichen Zeitraum lediglich entsprechend den allgemeinen
finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen erhöht worden. Aus dieser
Feststellung einer fehlenden "Überalimentation" ergibt sich bereits nach
dem allgemeinen Sprachgebrauch nur, dass die Alimentation einer
vierköpfigen Beamtenfamilie im betrachteten Zeitraum jedenfalls nicht über
der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation lag.
Demgegenüber enthält die Entscheidung keine Aussage dahingehend,
dass insoweit das verfassungsrechtliche Alimentationsminimum noch
gewährleistet sei. Von daher erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass
bereits vor 1998 die Besoldung auch im Hinblick auf eine vierköpfige
Beamtenfamilie – möglicherweise nur noch nicht in einem insoweit allein
relevanten evidenten Umfang – hinter den Mindestanforderungen des Art.
33 Abs. 5 GG zurückgeblieben ist.
In Rechtsprechung und Literatur wird zum Teil auf das Jahr 2002 als
Basisjahr abgestellt (so VG Berlin, Urteil vom 6. November 2012 – 28 K 5.12
–, juris Rn. 26 ff., und VG Braunschweig, Beschluss vom 9. September
2008 – 7 A 357/05 –, juris Rn. 56 ff.; so wohl auch Battis, Rechtsgutachten
zur amtsangemessenen Besoldung [Art. 33 GG], insbesondere in den
Ländern Berlin und Rheinland-Pfalz, vom 3. April 2013, der einerseits die
Festlegung des „Nullpunktes“ durch die Rechtsprechung auf die Jahre 1983
bzw. 1991 als „plausibel“ bezeichnet [S. 23], sodann jedoch seiner Prüfung
der Sache nach das Jahr 2002 zugrunde legt [S. 38 f.]). Anhaltspunkte für
eine Vergewisserung des Besoldungsgesetzgebers hinsichtlich der
Amtsangemessenheit der Alimentation oder eine Neubestimmung des
Alimentationsniveaus werden jedoch auch hier nicht aufgezeigt.
Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der Ansicht des Beklagten, der unter
Hinweis auf die Föderalismusreform und den dadurch bewirkten Übergang
der Besoldungsgesetzgebung für die Landesbeamten und -richter in seine
Zuständigkeit das Jahr 2006 als mögliches Basisjahr nennt. Eine solche
Betrachtungsweise würde nämlich die Möglichkeit, dass die bis dahin
bundesrechtlich geregelte Besoldungshöhe bereits im Zeitpunkt des
Überganges der Gesetzgebungszuständigkeit das nach Art. 33 Abs. 5 GG
zu gewährleistende Minimum unterschritten hat, von vornherein außer Acht
lassen.
Ein früheres Basisjahr für die anzustellende Betrachtung als 1983 kommt
ebenfalls nicht in Betracht. Auch insoweit ist keine Auseinandersetzung des
Besoldungsgesetzgebers mit der Frage erkennbar, ob – bezogen auf einen
verheirateten Beamten mit zwei Kindern – durch die Besoldung zu einem
bestimmten Zeitpunkt jedenfalls die verfassungsrechtlich gebotene
Mindestalimentation gewährleistet gewesen ist.“
Dem schließt sich die erkennende Kammer an.
Ist im Jahr 1983 das verfassungsrechtliche Minimum der Alimentation
festgestellt, ist anhand eines Vergleiches mit der Einkommensentwicklung
relevanter Gruppen festzustellen, ob die Alimentation auch im Jahr 2005 noch
diesen Anforderungen genügt. Als relevant sind die allgemeine
Einkommensentwicklung, die Entwicklung der Einkommen der tariflich
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und die Entwicklung derjenigen
Einkommen, die für vergleichbare Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen
135
136
Dienstes gezahlt werden, in den Blick zu nehmen (VG Koblenz, a.a.O. Rn 77).
Die Entwicklung der Einkommen der Tarifbeschäftigten im öffentlichen
Dienst stellt sich wie folgt dar (vgl. VG Halle, a.a.O. Rn 182 ff., VG Koblenz,
a.a.O. Rn 90 ff.):
Jahr Erhöhung öD
BAT
Erhöhung öD - gewichteter Index 1983 =
100
1983 2,5
100,00
1984 0,5
100,50
1985 3,2
103,72
1986 3,5
107,35
1987 3,4
111,00
1988 2,4
113,66
1989 1,4
115,25
1990 1,7
117,21
1991 6,0
124,24
1992 5,4
130,95
1993 3,0
134,88
1994 2,0
137,58
1995 3,2
141,98
1996 0
141,98
1997 1,3
143,83
1998 1,5
145,98
1999 3,1
150,51
2000 2,0
153,52
137
138
2001 2,4
157,20
2002 0
157,20
2003 2,4
160,98
2004 2,0
164,20
2005 0
164,20
Die allgemeine Einkommensentwicklung der Arbeitnehmerentgelte hat das VG
Koblenz (a.a.O. Rn 88) wie folgt ermittelt:
Jahr Veränderung
in v.H.
Index
(1983 = 100)
1983 2,2
100,00
1984 3,9
103,90
1985 4,0
108,06
1986 5,3
113,78
1987 4,5
118,90
1988 4,2
123,90
1989 4,6
129,60
1990 7,8
139,70
1991 8,3
151,30
1992 8,4
164,01
1993 2,3
167,78
1994 2,5
171,98
1995 3,5
178,00
1996 0,8
179,42
139
140
141
142
143
1997 0,3
179,96
1998 2,0
183,56
1999 2,5
188,15
2000 3,7
195,11
2001 1,9
198,81
2002 0,6
200,01
2003 0,2
200,41
2004 0,3
201,01
2005 - 0,7
199,60
Ferner sind noch die Einkommen vergleichbar Beschäftigter außerhalb des
öffentlichen Dienstes zu betrachten. Das Verwaltungsgericht Halle (a.a.O. Rn
141, 142) hat dazu ausgeführt:
„Die Einkommensentwicklung der ähnlichsten Vergleichsgruppe kann dem
Referenzsystem nicht zugrunde gelegte werden. Die dafür erforderlichen
Zahlenreihen sind nämlich nicht niedergelegt. Es gibt auch keine allgemein
zugänglichen Quellen, aus denen diese Zahlen ermittelt werden können.
Vielmehr handelt es sich um eine Gruppe von Personen, die entweder
selbstständig ist oder außerhalb eines Tarifvertrages aufgrund einer
einzelvertraglichen Vereinbarung bezahlt wird. Solch
Einkommensverhältnisse sind vertraulich und werden meist nicht offen
gelegt. Bestenfalls erhalten Berufsgeheimnisträger dementsprechende
Informationen zur Erstellung eines Gutachtens. Für lange Zeiträume sind
solche Gutachten aber nicht erhältlich und auch nicht erstellbar.
Nach der Überzeugung der Kammer kann und muss daher auf vorhandene
Daten zurückgegriffen werden. Das ergibt sich nicht nur aus den
praktischen Notwendigkeiten, sondern auch aus dem rechtlichen Ansatz.
Die Frage der amtsangemessenen Alimentation muss durch den
Gesetzgeber regelmäßig geprüft und beantwortet werden. Das kann aber
auch im Gesetzgebungsverfahren nur anhand der vorhandenen Daten
geschehen. Damit muss es sein Bewenden haben.“
Dem schließt sich die erkennende Kammer an und legt deshalb die
Entwicklung der Entgelte nach den Tarifverträgen der Versicherungen zu
Grunde. Das Verwaltungsgericht Halle (a.a.O. Rn 185) hat die Entwicklung dort
wie folgt festgestellt:
Jahr Erhöhung nach dem
Tarifvertrag der
Versicherungen in %
gewichteter
Durchschnitt in %
(auf eine Stelle
gerundet)
Index aus dem
gewichteten
Durchschnitt 1983
= 100
1983 3,4
3,4
100,00
1984 3,2
3,2
103,20
1985 3,6
3,6
106,92
1986 3,2
3,2
110,34
1987 3,0
3,0
113,65
1988 3,4
3,4
117,51
1989 3,8
3,8
121,98
1990 2,5
2,5
125,03
1991 6,2
6,2
132,78
1992 5,8
5,8
140,48
1993 3,5
3,5
145,39
1994 1,8
1,8
148,01
1995 2,6
2,6
151,86
1996 2,5
2,5
155,61
1997 0,8
1,9
158,61
1998 1,8
2,4
162,42
1999 2,4
1,8
165,34
2000 2,5
3,8
171,63
2001 2,5
3,1
176,95
2002 2,9
2,8
181,90
2003 2,5
2,0
185,54
2004 1,8
3,0
191,11
144
145
2005 1,0
1,7
194,36
Die Besoldungsentwicklung hingegen hat das Verwaltungsgericht Koblenz
(a.a.O. Rn 134; ebenso VG Halle a.a.O. Rn 167) für die R 1 Besoldung wie
folgt ermittelt:
Anpassungsstichtag Veränderung
v.H.
Index
(01.07.1983 = 100)
01.07.1983
2,00
100,00
1984
0,00
100,00
01.01.1985
3,20
103,20
01.01.1986
3,50
106,81
01.01.1987
3,40
110,44
01.03.1988
2,40
113,09
01.01.1989
1,40
114,68
01.01.1990
1,70
116,83
01.03.1991
6,00
123,62
01.06.1992
5,40
130,30
01.05.1993
3,00
134,21
1994
0,00
134,21
01.01.1995
2,00
136,89
01.05.1995
3,20
141,27
1996
0,00
141,27
01.03.1997
1,30
143,11
01.01.1998
1,50
145,26
146
147
148
1999
0,00
145,26
01.01.2000
2,90
149,47
01.01.2001
1,80
152,16
01.01.2002
2,20
155,51
01.07.2003
0,091
155,65
01.04.2004
- 0,542
154,81
01.08.2004
1,00
156,36
2005
0,00
156,36
Diese Zahlen sind auf die Besoldungssituation des Klägers als Beamten des
Landes Niedersachsen übertragbar, da die Entscheidung über die Höhe der
Besoldung bis einschließlich des hier streitigen Jahres 2005 dem Bund oblag.
Die so ermittelten Werte der Bruttoeinkommen bzw. Brutto-Besoldung sind für
die Frage der amtsangemessenen Alimentation nach den sich ergebenden
Nettoeinkünften zu betrachten. Das VG Koblenz (a.a.O. Rn. 127 ff.) hat dazu
ausgeführt:
„Die vorliegenden Statistiken zur Entwicklung der Arbeitnehmerentgelte
allgemein sowie der Gehälter in verschiedenen Bereichen innerhalb und
außerhalb des öffentlichen Dienstes geben die jährlichen
Bruttoveränderungen wieder. Ob die den Beamten gewährte Alimentation
amtsangemessen ist, beurteilt sich demgegenüber nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa Beschlüsse
vom 3. Mai 2012, a. a. O., Rn. 25 ff., und vom 24. November 1998, a. a. O.
[315]) nach dem Nettoeinkommen. Umfassendes Zahlenmaterial zur
Entwicklung der entsprechenden Nettoeinkommen im
Betrachtungszeitraum steht – soweit ersichtlich – nicht zur Verfügung. Zwar
mag es vom Grundsatz her durchaus möglich sein, unter Zugrundelegung
eines verheirateten Einkommensbeziehers mit zwei Kindern als
idealtypischem Regelfall ein Nettoeinkommen jeweils fiktiv zu berechnen.
Insoweit wäre die anzustellende Vergleichsbetrachtung sodann jedoch
erneut mit Unwägbarkeiten behaftet und dadurch letztlich in ihrer
Aussagekraft in Frage gestellt. So erscheint beispielsweise problematisch,
ob und ggf. in welcher Weise bei der Ermittlung der Nettobesoldung
Krankenversicherungsbeiträge zu berücksichtigen sind. In den
Berechnungsschritten des Bundesverfassungsgerichts zur
amtsangemessenen Alimentation von Beamtenfamilien mit drei oder mehr
Kindern (Beschluss vom 24. November 1998, a. a. O. [321]) sind diese
Kosten nicht als Abzugsposten genannt. Ließe man diese
dementsprechend bei der Berechnung der Nettobesoldung außer Betracht,
so läge es der Vergleichbarkeit halber nahe, die
Krankenversicherungsbeiträge der in den Vergleichsgruppen erfassten
Arbeitnehmer bei der Ermittlung von deren Nettoeinkommen ebenfalls
unberücksichtigt zu lassen (vgl. zu dieser Problematik auch BVerfG,
Beschluss vom 3. Mai 2012, a. a. O., Rn. 27). Eine solche Handhabung
stünde in eindeutigem Widerspruch zum Begriffsinhalt des
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„Nettoeinkommens“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch. Zudem
würden dadurch weitere Probleme aufgeworfen, so etwa die Frage nach der
korrekten rechnerischen Behandlung der übrigen Sozialabgaben in diesem
Zusammenhang.
Die Kammer hält danach im Grundsatz am Modell einer Nettobetrachtung
fest. Rechnerisch geht sie dabei jedoch zunächst von Bruttowerten aus.
Diese Vorgehensweise erscheint für die hier anzustellende vergleichende
Betrachtung einer Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg
zulässig. Aus den vorliegenden Bruttozahlen lässt sich nämlich in
hinreichend aussagekräftiger Weise ableiten, wie sich die Netto-
Alimentation der Beamten seit 1983 im Vergleich zu den Nettoeinkommen
der in das Referenzsystem eingestellten Arbeitnehmergruppen entwickelt
hat. Dem liegen die folgenden Überlegungen zugrunde:
Die Differenz zwischen Brutto- und Nettobesoldung ergibt sich aus der bei
Zugrundelegung des einschlägigen Regelbildes – verheirateter
Besoldungsempfänger mit zwei Kindern – zu zahlenden Einkommensteuer.
Überdies wären – je nachdem welche Auffassung man in dieser Frage
vertritt – sodann möglicherweise noch die Aufwendungen für eine
beihilfekonforme Krankenversicherung abzusetzen. Bei den die
Referenzgruppe bildenden Arbeitnehmern ist ebenfalls die entsprechende
Regelfamilie zugrunde zu legen; zur Berechnung des Nettoeinkommens
sind vom Bruttogehalt die Einkommensteuer sowie die Aufwendungen für
die soziale Sicherung (Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und
Pflegeversicherung) abzuziehen.
Danach ergibt sich – letztlich unabhängig davon, ob man nun die
Krankenversicherungsbeiträge von der Bruttobesoldung absetzt oder nicht
– im Wesentlichen ein Gleichlauf zwischen Nettobesoldung und
Nettoeinkommen jedenfalls insoweit, als die in den einzelnen Systemen zu
berücksichtigenden Abzugsposten über den Betrachtungszeitraum hinweg
in einem bestimmten, annähernd konstant gebliebenen Verhältnis
zueinander gestanden haben. Mit anderen Worten: soweit tatsächlich oder
durch eine entsprechende rechnerische Sicherheitsmarge ausgeschlossen
werden kann, dass bei der Referenzgruppe Gehaltserhöhungen anteilig in
einem stärkeren Maße durch eine höhere Einkommensteuer bzw. höhere
Aufwendungen für die soziale Sicherung aufgezehrt worden sind, als dies
bei der Beamtenbesoldung der Fall gewesen ist, kann der Schluss gezogen
werden, dass eine im Verhältnis zur Entwicklung der Alimentation von
Beamten und Richtern höhere Steigerung bei den Bruttogehältern auch zu
einer dementsprechend höheren Steigerung der Nettogehälter gegenüber
der Netto-Alimentation geführt hat.
Diese Bedingungen sind hier jedenfalls unter Berücksichtigung einer
rechnerischen Sicherheitsmarge erfüllt, die im Folgenden noch zu ermitteln
ist.“
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat diese Sicherheitsmarge im Allgemeinen
mit 5, für die R3 Besoldung mit 3 Prozent angesetzt (a.a.O. Rn 145/146). Das
Verwaltungsgericht Halle hält eine Sicherheitsmarge für überflüssig, stellt nach
Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bzw. privaten
Krankenversicherung, deren Abzug es für gerechtfertigt hält, einen „Gleichlauf
zwischen Nettoeinkommen und Nettobesoldung“ fest (a.a.O. Rn 157) und hält
deshalb einen Rückgriff auf die Bruttowerte für ausreichend. Die Kammer
braucht diese Frage nicht zu entscheiden, da auch bei Anwendung einer
Sicherheitsmarge von 5 Prozent von einer „Abkoppelung“ der
Beamtenbesoldung von der allgemeinen Einkommensentwicklung
auszugehen ist. Dies ergibt sich aus Folgendem: Die ermittelten Werte für die
drei Vergleichsgruppen (vgl. oben S. 52 - 54) sind mit je einem Drittel zu
gewichten (Verwaltungsgericht Koblenz a.a.O. Rn 165) und mit der
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Beamtenbesoldung zu vergleichen. Die Beamtenbesoldung hat – wie bereits
im Einzelnen dargestellt – von einem Index von 100 im Jahr 1983 ausgehend
im Jahr 2005 einen Indexwert von 156,36 erreicht. Demgegenüber beträgt der
entsprechende Indexwert für das Referenzsystem 186,05. Er ergibt sich auf
der Grundlage der jeweils mit einem Drittel gewichteten Einzelindizes für die
Entwicklung der Arbeitnehmerentgelte (199,60), der Einkommen der
Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes (164,20) und der Einkommen
vergleichbarer Beschäftigter außerhalb des öffentlichen Dienstes (194,36).
Damit beträgt die Abweichung zum Referenzsystem 29,69 Prozent. Bringt man
eine Sicherheitsmarge von 5 Prozent in Abzug verbleibt eine Abweichung von
24,69 Prozent. Damit liegt ein Eingriff in den unantastbaren Kerngehalt der
beamtenrechtlichen Alimentation vor. Zwar ist bei der Überprüfung der
beamtenrechtlichen Alimentation auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 33 Abs. 5 GG
dem weiten Gestaltungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers durch eine
zurückhaltende, am Maßstab evidenter Sachwidrigkeit orientierten Kontrolle
der einfachgesetzlichen Regelung Rechnung zu tragen. Die Beamtenbezüge
sind aber evident unzureichend, wenn der unantastbare Kerngehalt der
Alimentation als Untergrenze nicht mehr gewahrt ist. Maßgeblich ist eine
Gesamtschau der insoweit relevanten, bereits dargelegten Kriterien unter
Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen (vgl.
zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 03.05.2012, aaO. Rn. 29 ff.). Die
fachgerichtliche Rechtsprechung stellt diesbezüglich vielfach auf das Kriterium
einer „greifbaren Abkopplung“ der Beamtenbesoldung von der allgemeinen
Entwicklung ab (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 23.07.2009 - 2 C 76.08 -, juris
Rn 7 und vom 20.03.2008, aaO. juris Rn 26). Hierbei handelt es sich um einen
unbestimmten Rechtsbegriff, der bisher weder vom Bundesverfassungsgericht
noch vom Bundesverwaltungsgericht näher konkretisiert worden ist. Wann
eine derartige Abkopplung vorliegen soll, wird in der Judikatur unterschiedlich
beantwortet.
So hat etwa das Verwaltungsgericht Lüneburg (Urteil vom 30.04.2009 - 1 A
300/05 -, juris Rn. 34) eine greifbare Abkopplung der Nettobesoldung von den
Nettoeinkommen vergleichbarer Angestellter erst bei einer Abweichung von
mehr als 10 v. H. angenommen. Diese Grenze werde im öffentlichen Recht
häufig zugrunde gelegt, um nur geringfügige Eingriffe oder Belastungen zu
kennzeichnen, welche angesichts der Gesamtsituation vernachlässigbar
seien, beispielsweise bei der Abgrenzung eines „geringen Teils“ in § 155 Abs.
1 Satz 3 VwGO. Dieser Ansatz lässt sich auch dem Urteil des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20.06.2007 -
21 A 1634/05 - (juris Rn. 68) entnehmen, wonach gegenüber der
Beamtenbesoldung um 9,54 v. H. bzw. 10,07 v. H. höhere Lohnzuwächse bei
vergleichbaren Angestellten noch keine zu verfassungsrechtlichen Bedenken
Anlass gebende Diskrepanz darstellen sollen.
Demgegenüber halten etwa das Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 09.07.2009 (aaO. Rn. 402 ff.)
und das erkennende Gericht (Beschluss vom 09.09.2008, aaO. Rn. 56 ff.) eine
greifbare Abkopplung von der allgemeinen Einkommensentwicklung schon bei
einer Abweichung von deutlich weniger als 10 v. H. für gegeben. Hierfür
spricht, dass derartige Unterschiede im Allgemeinen nur schrittweise und über
einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren entstehen. Wollte man während
dieses Zeitraumes abwarten und die Verfassungswidrigkeit der Alimentation
erst nach Eintritt einer Differenz von 10 v. H. oder mehr feststellen, so würde
dies dazu führen, dass sich die Schere zwischen den Besoldungsempfängern
einerseits und den Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst bzw.
vergleichbaren Angestellten in der freien Wirtschaft andererseits immer weiter
öffnet, ohne dass von Verfassung wegen Abhilfe geboten wäre. Dies hätte
einen enormen Ansehensverlust des Berufsbeamtentums und eine geringere
Attraktivität für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte zur Folge, würde also
Belange beeinträchtigen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für
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die Bestimmung der Amtsangemessenheit der Alimentation von Bedeutung
sind (vgl. auch OVG NW, Beschluss vom 09.07.2009, aaO. Rn 411).
Vorliegend kann zwar letztlich offen bleiben, welchem dieser beiden Ansätze
zu folgen ist, wobei die Kammer den rechtlichen Ausgangspunkt Ihres
Beschlusses vom 9. September 2008 weiterhin für zutreffend hält. Angesichts
des festgestellten, sich selbst bei Zugrundelegung einer Reihe von für den
Beklagten günstigen Annahmen immer noch auf 24,69 v. H. summierenden
Zurückbleibens der Alimentationshöhe gegenüber der allgemeinen
Entwicklung liegt eine greifbare Abkopplung nach beiden dargestellten
Auffassungen eindeutig vor.
Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die Rechtsprechung der
Verwaltungsgerichte Hannover und Lüneburg in Frage gestellt. In den
Entscheidungen wird der Frage, wann von einer „greifbaren Abkopplung“ der
Beamtenbesoldung auszugehen ist, nicht im Einzelnen nachgegangen.
Das Verwaltungsgericht Hannover (Urteil vom 16.11.2006 - 2 A 50/04 -, juris
Rn 28) vergleicht lediglich die Bruttoeinkünfte eines Angestellten, dessen
Einkünfte sich nach der Anlage 1a BAT berechnen, mit der Brutto-Besoldung
eines Beamten der Besoldungsgruppe A 15 in der höchsten Dienstaltersstufe
und stellt fest, dass die ausgezahlten Bezüge des Beamten jedenfalls im
Regelfall nicht hinter denen des Angestellten zurückblieben. Anschließend
wird lediglich festgestellt, dass beim Vergleich der Besoldungserhöhungen seit
dem Jahr 1980 mit den Preissteigerung der allgemeinen
Lebenshaltungskosten ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG nicht festgestellt
werden könne (aaO. Rn 30). In einer späteren Entscheidung (Urteil vom
18.05.2010 - 2 A 7963/06 -, juris) hat das Verwaltungsgericht Hannover zwar
festgestellt, dass weder das Bundesbesoldungs- und
Versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 noch das Niedersächsische
Besoldungsänderungsgesetz und das Niedersächsische
Haushaltsbegleitgesetz 2005 verfassungswidrig seien. In dieser Entscheidung
hat sich das Verwaltungsgericht Hannover jedoch nicht mit der Frage der
amtsangemessenen Alimentation befasst, weil der Kläger eine solche
Feststellung nicht begehrte (aaO. Rn 55).
Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat mit Urteil vom 30.04.2009 - 1 A 300/05 -,
juris) entschieden, dass für das Jahr 2005 eine verfassungswidrige
Unteralimentation niedersächsischer Beamter nicht festzustellen sei. Es hat
ausgeführt, dass eine solche Unteralimentation bei einer Abweichung von 8,11
Prozent der Einkommenssituation eines Beamten im Vergleich zu den anderen
relevanten Gruppen, wie sie das erkennende Gericht im Beschluss von
09.09.2008 - 7 A 357/05 – angenommen habe, nicht ausreiche. Für das
Feststellen des Kriteriums der „greifbaren Abkoppelung“ der
Beamtenbesoldung müsse auf die im öffentlichen Recht bei „finanziellen
Bewertungen“ häufig angenommen „Geringfügigkeitsgrenze“ von 10 Prozent
abgestellt werden.
Die Kammer legt nach alldem unter Beachtung des Beschlusses des
Bundesverfassungsgerichtes vom 03.05.2012 - 2 BvL 17/08 - das Verfahren
erneut vor. Die aufgeworfenen Fragen sind nach Auswertung der zur
Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zusammenfassend dahingehend zu
beantworten, dass die Kammer für die Beurteilung der Frage der
Amtsangemessenheit der Alimentation des Klägers den Zeitraum von 1983 bis
2005 unter Einbeziehung sämtlicher Besoldungsbestandteile in den Blick
nimmt. Abzustellen ist auf die Nettobesoldung, wobei jedoch zur Frage des
Auseinanderentwickelns von Beamtenbesoldung und Vergleichsgruppen bei
Anwendung einer Sicherheitsmarge von 5 Prozent auf die Bruttoverdienste
abgestellt werden kann. Als Vergleichsgruppen kommen, ohne den Maßstab
an die Anforderungen einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach
Art. 100 GG zu überspannen, die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst, die
Arbeitnehmerschaft insgesamt und die Beschäftigten der
160
Versicherungswirtschaft als Vergleichsgruppen in Betracht. Die
Beamtenbesoldung bleibt bei dieser Betrachtung um 24,69 Prozent hinter der
Entwicklung der Vergleichsgruppen zurück. Eine Entscheidung, ob das sog.
Evidenzkriterium auch bei einer Abweichung von weniger als 10 Prozent
erreicht sein kann, ist daher entbehrlich.
Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.