Urteil des VG Braunschweig vom 23.01.2013

VG Braunschweig: gemeinde, bestattungskosten, ersatzvornahme, öffentliche sicherheit, urne, geschwister, angehöriger, niedersachsen, verwaltungsakt, androhung

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Zu den Voraussetzungen einer Bestattungsanordnung
nach § 8 Abs. 3 NBestattG
Sofern die Gemeinde weiterhin (vgl. Nds. OVG, U. v. 10.11.2011 - 8 LB 238/10 -,
juris Rn. 32 ff.) unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung der
Ersatzvornahme zur Beisetzung einer Urne auffordert, darf sie eine solche
Beisetzungsanordnung nur an den bzw. die höchstrangig
bestattungspflichtigen Angehörigen richten. Gleichzeitig an alle bekannten
Verwandten des Verstorbenen gerichtete Beisetzungsanordnungen bewirken
eine von § 8 Abs. 3 NBestattG nicht vorgesehene und der dort geregelten
Rangfolge widersprechende gleichrangige Verpflichtung aller
Bestattungspflichtiger. Die Regelung des § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG sieht die
Möglichkeit des "Nachrückens" nur hinsichtlich der Kosten, nicht aber für die
Pflicht, die Bestattung zu veranlassen, vor.
VG Braunschweig 5. Kammer, Urteil vom 23.01.2013, 5 A 45/11
§ 8 Abs 3 BestattG ND, § 8 Abs 4 BestattG ND, § 70 SOG ND, § 66 SOG ND, § 65
SOG ND, § 64 SOG ND, § 11 SOG ND
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 25.02.2011 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig
vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsanspruchs abwenden, wenn nicht
der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 399,- EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung, die Urne seines verstorbenen
Bruders beisetzen zu lassen.
Am 06.02.2011 verstarb der am E. geborene F. im Klinikum Salzgitter-
Lebenstedt. Die Beklagte ermittelte als Angehörige des Verstorbenen drei
Kinder und als Geschwister den Kläger und seine Schwester.
Nachdem die Schwester am 09.02.2011 telefonisch gegenüber der Beklagten
erklärt hatte, die Bestattung nicht in Auftrag geben zu wollen, informierte die
Beklagte die Kinder des Verstorbenen und den Kläger mit Schreiben vom
09.02.2011 über den Todesfall, verwies auf deren Bestattungspflicht nach dem
Niedersächsischen Bestattungsgesetz (NBestattG) und bat darum, sich
unverzüglich mit ihr bezüglich der Bestattung in Verbindung zu setzen. Der
Kläger erklärte der Beklagten am 11.02.2011 telefonisch, die Bestattung seines
Bruders nicht in Auftrag zu geben. Die Kinder des Verstorbenen lehnten es
ebenfalls ab, die Bestattung in Auftrag zu geben.
Am 14.02.2011 erteilte die Beklagte dem Bestattungsinstitut G. in Salzgitter den
Auftrag, den Verstorbenen einzuäschern. Die Einäscherung fand am 21.02.2011
statt.
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Mit Bescheid vom 25.02.2011 forderte die Beklagte sodann den Kläger unter
Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die Urne des Verstorbenen bis zum
17.03.2011 beisetzen zu lassen und drohte für den Fall, dass er der
Aufforderung nicht fristgerecht nachkomme an, die Beisetzung im Wege der
Ersatzvornahme durchführen zu lassen. Zur Begründung bezog sie sich darauf,
dass die Urne nach § 9 Abs. 2 NBestattG innerhalb eines Monats beizusetzen
und der Kläger als Angehöriger im Sinne von § 8 Abs. 3 NBestattG
bestattungspflichtig sei sowie die Kosten hierfür zu tragen habe.
Am 15.03.2011 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er verweist darauf, dass
er die Kosten der Bestattung nicht tragen könne, weil er von Leistungen der
ARGE lebe.
Er beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert:
Die Kinder und die Schwester des Verstorbenen hätten gleichlautende
Beisetzungsanordnungen wie der Kläger erhalten. Da weder der Kläger noch
die anderen Angehörigen die Urne in der gesetzten Frist hätten beisetzen
lassen, habe sie (die Beklagte) die Urnenbeisetzung am 18.03.2011 selbst in
Auftrag gegeben. Zwischenzeitlich habe sie die drei Kinder des Verstorbenen
mit Leistungsbescheid zur Übernahme der Bestattungskosten herangezogen.
Beide Töchter hätten jeweils einen Antrag auf Ratenzahlung gestellt und ihre
Raten mittlerweile beglichen. Der Sohn des Verstorbenen habe nicht gezahlt,
weshalb gegen ihn Vollstreckungsmaßnahmen laufen würden. Sein Antrag auf
Übernahme der Bestattungskosten beim Fachdienst Soziales sei wegen
fehlender Mitwirkung abgelehnt worden. Da somit fraglich sei, ob die
Bestattungskosten von den vorrangig Verpflichteten vollständig beglichen
würden, sei eine Aufhebung der Beisetzungsanordnung gegenüber dem Kläger
derzeit nicht möglich. Die Beisetzungsanordnung sei zwingend erforderlich, um
gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG die Kosten von den nächstrangig
Verpflichteten zu fordern, soweit sich diese von den vorrangig Verpflichteten
nicht erlangen lassen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage ist zulässig.
Obwohl der Verstorbene bereits auf Veranlassung der Beklagten im Wege der
Ersatzvornahme beigesetzt wurde, hat sich der angefochtene Bescheid vom
25.02.2011 noch nicht erledigt. Die in ihr getroffene Anordnung der Bestattung
gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 6 des Niedersächsischen Bestattungsgesetzes
(NBestattG) hat noch rechtliche Wirkungen (so auch VG Oldenburg, U. v.
05.09.2012 - 5 A 1368/11 -, juris Rn. 16; VG Osnabrück, U. v. 27.08.2010 - 6 A
200/09 -). Allein der Vollzug eines Handlungspflichten auferlegenden
Verwaltungsaktes muss nicht bereits zu dessen Erledigung führen, selbst wenn
hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden. Die Erledigung eines
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Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist,
rechtliche Wirkungen zu erzeugen. Von einem Verwaltungsakt, mit dem
Handlungspflichten auferlegt werden, die im Wege der Ersatzvornahme
vollstreckt wurden, gehen auch weiterhin rechtliche Wirkungen für das
Vollstreckungsverfahren aus. Denn der „Grundverwaltungsakt“ bildet zugleich
die Grundlage für den Kostenbescheid (BVerwG, U. v. 25.09.2008 - 7 C 5/08 -,
juris Rn. 13), hier für den Leistungsbescheid, mit dem die Bestattungskosten
festgesetzt werden.
Die streitgegenständliche Bestattungsanordnung ist auch nicht deshalb erledigt,
weil die Beklagte bereits Leistungsbescheide gegen die nach § 8 Abs. 3 Nr. 2
NBestattG vorrangig vor dem Kläger verpflichteten Kinder des Verstorbenen
erlassen hat. Im System des § 8 NBestattG ist bei Ausfall der Kinder des
Verstorbenen der Erlass eines Leistungsbescheides gegen die nächstrangig
Verpflichteten und damit auch gegen die Geschwister des Verstorbenen möglich
(Abs. 4 Sätze 3 und 4).
Ob durch die Zahlung der Bestattungskosten die Erledigung der
Bestattungsanordnung eintritt, kann hier dahingestellt bleiben. Der Sohn des
Verstorbenen hat bislang das gegen ihn festgesetzte Drittel der
Bestattungskosten nicht gezahlt. Auch wenn im Hinblick auf die in § 8 Abs. 4
Satz 2 NBestattG geregelte gesamtschuldnerische Haftung der vorrangig
Bestattungspflichtigen die Beklagte zunächst versuchen muss, den noch
offenen Kostenanteil von den beiden Töchtern des Verstorbenen zu erhalten,
besteht die Möglichkeit, dass diese nicht zahlen und der Kläger als Verpflichteter
der nächsten Rangstufe in Anspruch genommen wird (vgl. Horn, Nds. BestattG,
Kommentar, § 8 Anm. 6 d).
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25.02.2011 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Rechtsgrundlage für den Anordnungsbescheid der Beklagten ist § 11 Nds. SOG
i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 6 NBestattG und für die gleichzeitige Androhung der
Ersatzvornahme §§ 64, 65, 66, 70 Nds. SOG.
Die Gemeinde kann weiterhin die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme
nach §§ 64, 66 Nds. SOG veranlassen und von den primär
Bestattungspflichtigen auf der Grundlage des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG die
Erstattung entstandener Kosten verlangen. Das Niedersächsische
Oberverwaltungsgericht (Nds. OVG) hat allerdings mit Urteil vom 10.11.2011 (8
LB 238/10, www. rechtsprechung.niedersachsen.de) seine bisher vertretene
Auffassung, die Heranziehung des vorrangig Bestattungspflichtigen zu den
Bestattungskosten setze stets eine zwangsweise Durchsetzung der
gesetzlichen Pflichten im Wege der Ersatzvornahme voraus, ausdrücklich
aufgegeben und dazu ausgeführt:
„Der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Gemeinde ist es
zwar durchaus möglich, die sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 NBestattG
ergebende Bestattungspflicht gegenüber den nach § 8 Abs. 3 NBestattG
primär gesetzlich Bestattungspflichtigen im Wege des Verwaltungszwangs
nach den Bestimmungen im 6. Teil 1. Abschnitt des Niedersächsischen
Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG -
durchzusetzen. Erfüllen die nach § 8 Abs. 3 NBestattG primär Pflichtigen
die ihnen obliegende, gegebenenfalls durch einen auf § 11 Nds. SOG
gestützten (Grund-)Verwaltungsakt zu konkretisierende gesetzliche
Bestattungspflicht nicht, kann die zuständige Gemeinde etwa im Wege der
Ersatzvornahme nach §§ 64, 66 Nds. SOG die Bestattung veranlassen
und von den primär Bestattungspflichtigen dann auf der Grundlage des §
66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG die Erstattung entstandener Kosten verlangen
(vgl. Senatsbeschl. v. 21.11.2006, a.a.O.). Dass der Gesetzgeber mit den
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Regelungen in § 8 Abs. 4 NBestattG diese generell eröffnete Möglichkeit
der zwangsweisen Durchsetzung ordnungsrechtlicher Pflichten der
Bestattungspflichtigen beschränken und die für den Sterbe- oder
Auffindungsort zuständige Gemeinde auf die Erfüllung einer zwar
subsidiären, aber eigenen Bestattungspflicht verweisen wollte, kann weder
dem Wortlaut oder der Systematik des Gesetzes noch den
Gesetzesmaterialien entnommen werden (vgl. Senatsbeschl. v.
21.11.2006, a.a.O.; Barthel, Nds. Bestattungsgesetz, 2. Aufl., § 8 Anm. 4.3;
a.A. Horn, Nds. Bestattungsgesetz, 2. Aufl., § 8 Anm. 6.a.; ders., Die
Bestattungspflicht nach dem Niedersächsischen Bestattungsgesetz, in:
NdsVBl. 2007, 321, 325).
Neben dieser Möglichkeit, die Bestattungspflicht der nach § 8 Abs. 3
NBestattG primär gesetzlich Pflichtigen im Wege des Verwaltungszwangs
durchzusetzen, begründet § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG aber auch eine
subsidiäre Bestattungspflicht der für den Sterbe- oder Auffindungsort
zuständigen Gemeinde (vgl. Fraktionen der CDU und FDP, Entwurf eines
Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG),
LT-Drs. 15/1150, S. 15; Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Gesetzes
über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG), LT-Drs.
15/2584, S. 10 f.). Handelt die zuständige Gemeinde auf der Grundlage
des § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG, sorgt sie folglich nicht im Wege des
Verwaltungszwangs für die Erfüllung fremder Pflichten, hier der primär
Bestattungspflichtigen nach § 8 Abs. 3 NBestattG. Sie erfüllt vielmehr eine
ihr selbst obliegende gesetzliche Pflicht zur Bestattung (vgl. Barthel, a.a.O.,
§ 8 Anm. 4.1; Repkewitz, Ordnungsbehördliche Bestattungen, in: VBlBW
2010, 228, 230; Stelkens/Seifert, Die Bestattungspflicht und ihre
Durchsetzung: Neue und alte Probleme, in: DVBl. 2008, 1537, 1541). Die
bei der Erfüllung dieser Pflicht verursachten Bestattungskosten schuldet
die Gemeinde selbst. Die primär gesetzlich Bestattungspflichtigen nach § 8
Abs. 3 NBestattG haften der Gemeinde nach der besonderen gesetzlichen
Bestimmung in § 8 Abs. 4 Satz 2 NBestattG aber für diese
Bestattungskosten. Diese Haftung kann nach § 8 Abs. 4 Satz 3 NBestattG
durch Leistungsbescheid festgesetzt werden. Die Rechtmäßigkeit der auf
dieser Grundlage erfolgten Heranziehung zu Bestattungskosten erfordert
mithin nicht eine (rechtmäßige) zwangsweise Durchsetzung der
gesetzlichen Pflichten im Wege der Ersatzvornahme, sondern lediglich das
Entstehen und die Erfüllung der subsidiären gesetzlichen
Bestattungspflicht der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen
Gemeinde nach § 8 Abs. 4 Satz 1 NBestattG.
Diese subsidiäre Bestattungspflicht entsteht nach dem Wortlaut des § 8
Abs. 4 Satz 1 NBestattG bereits dann, wenn niemand für die Bestattung
sorgt. Maßgeblich ist dabei auf die in § 9 NBestattG für die jeweiligen
Bestattungsarten und -abschnitte genannten Zeitpunkte abzustellen.
Ausgehend von der gesetzlich angeordneten Subsidiarität der
gemeindlichen Bestattungspflicht entsteht diese nur, wenn für die
Gemeinde nach eigener Prüfung feststeht, dass die gesetzlichen
Bestattungspflichten durch einen primär Bestattungspflichtigen zu den in §
9 NBestattG genannten Zeitpunkten voraussichtlich nicht erfüllt werden.
Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein primär Bestattungspflichtiger
nicht vorhanden oder zur Veranlassung der Bestattung nicht willens oder
nicht in der Lage ist. Die zuständige Gemeinde hat daher regelmäßig
innerhalb der durch § 9 NBestattG bestimmten Zeiträume unter
Ausnutzung der ihr zur Verfügung stehenden oder für sie mit zumutbarem
Aufwand erreichbaren Erkenntnisquellen zu ermitteln, ob primär
Bestattungspflichtige vorhanden und diese zur Veranlassung der
Bestattung willens und in der Lage sind. Erst wenn diese - abhängig vom
Einzelfall jeweils unterschiedlichen Anforderungen unterliegenden -
Ermittlungen die Feststellung gestatten, dass die gesetzlichen
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Bestattungspflichten durch einen primär Bestattungspflichtigen zu den in §
9 NBestattG genannten Zeitpunkten voraussichtlich nicht erfüllt werden,
entsteht die subsidiäre Bestattungspflicht der Gemeinde nach § 8 Abs. 4
Satz 1 NBestattG.“
Hieran gemessen war im vorliegenden Fall zwar bereits die subsidiäre
Bestattungspflicht der Beklagten entstanden, nachdem die Kinder und die
Geschwister des Verstorbenen ihr gegenüber telefonisch erklärt hatten, die
Bestattung nicht in Auftrag zu geben. Gleichwohl war es daneben rechtlich
zulässig, dass die Beklagte die vorrangig bestattungspflichtigen Verwandten zur
Bestattung aufgefordert und ihnen für den Fall der Nichterfüllung ihrer
Bestattungspflicht die Ersatzvornahme angedroht hat.
Gegenüber dem Kläger ist der streitgegenständliche Bescheid jedoch
rechtswidrig, weil er nicht zu dem vorrangig bestattungspflichtigen
Personenkreis gehört. Der Kreis der Bestattungspflichtigen wird durch § 8 Abs. 3
NBestattG bestimmt und eine Rangfolge festgelegt. Danach ist der Kläger als
Bruder des Verstorbenen grundsätzlich nach § 8 Abs. 3 Nr. 6 NBestattG
bestattungspflichtig, allerdings nur dann, wenn die nach § 8 Abs. 3 Nr. 2
NBestattG vorrangig bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen ausfallen
und weitere ihm gegenüber vorrangige Bestattungspflichtige nicht vorhanden
sind. Gleichzeitig ohne Rücksicht auf die Rangfolge an alle bekannten
Verwandten des Verstorbenen gerichtete Beisetzungsanordnungen - ihre
Rechtskraft vorausgesetzt - bewirken dagegen gerade eine vom Gesetz nicht
vorgesehene und der dort geregelten Rangfolge widersprechende gleichrangige
Verpflichtung aller Bestattungspflichtiger (vgl. B. der Berichterstatterin der
erkennenden Kammer v. 22.11.2012 - 5 B 173/12 -).
Ausgehend von dieser Systematik erweist sich die an den Kläger gerichtete
Bestattungsanordnung als rechtswidrig. Die Beklagte hat dabei nicht die
Rangfolge des § 8 Abs. 3 NBestattG beachtet und den Kläger gleichrangig
neben den Kindern des Verstorbenen zur Bestattung aufgefordert. Sie hätte die
Bestattungsanordnungen nur gegenüber den vorrangig verpflichteten Kindern
des Verstorbenen erlassen dürfen. Die Bestattungspflicht ist allein in § 8 Abs. 3
NBestattG geregelt, und die dort aufgeführten „primär“ Bestattungspflichtigen
sind nur dann konkret verpflichtet, die Bestattung eines verstorbenen
Verwandten zu veranlassen, wenn es einen vorrangig Verpflichteten nicht gibt.
Die Reihenfolge, die § 8 Abs. 3 NBestattG vorgibt, erlaubt dagegen kein
„Nachrücken“ der nachrangigen Bestattungspflichtigen, wenn vorrangig
Bestattungspflichtige erklären, den Verstorbenen aus finanziellen oder
persönlichen Gründen nicht beisetzen zu wollen.
Die Möglichkeit des „Nachrückens“ ergibt sich auch nicht aus einer Anwendung
des § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG. Zwar treten danach die nächstrangig
Verpflichteten an die Stelle der vorrangig Verpflichteten, wenn sich die
Bestattungskosten von ihnen nicht erlangen lassen. Allerdings bezieht sich
diese Regelung ausdrücklich nur auf die „Kosten“ der Bestattung, nicht aber auf
die Pflicht, die Bestattung zu veranlassen. Daraus folgt, dass die zuständige
Gemeinde Bestattungsanordnungen ausschließlich gegenüber den vorrangig
Bestattungspflichtigen erlassen darf.
Allein für die Kosten, die sie später ersetzt verlangt, gilt dagegen § 8 Abs. 4
NBestattG. Nach dessen Satz 3 setzt die Gemeinde diese Kosten durch einen
Leistungsbescheid fest, und nach Satz 4 treten die nächstrangig Verpflichteten
an die Stelle der vorrangig Verpflichteten, wenn sich von diesen die
Bestattungskosten nicht erlangen lassen.
Selbst wenn § 8 Abs. 4 Satz 4 NBestattG auch für § 8 Abs. 3 NBestattG gelten
würde, wovon die erkennende Kammer nach den vorstehenden Ausführungen
gerade nicht ausgeht, wäre die streitgegenständliche Bestattungsanordnung
schon deshalb rechtswidrig, weil für den Kläger nicht ersichtlich ist, an welcher
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Rangstelle er zur Bestattung verpflichtet ist und vor allem, ob die Beklagte
vorrangig Bestattungspflichtige ermittelt und zur Bestattung aufgefordert hat.
Im streitgegenständlichen Bescheid hat die Beklagte den Kläger lediglich darauf
hingewiesen, dass er als Bruder des Verstorbenen „Angehöriger“ i.S. vom § 8
Abs. 3 NBestattG sei. Sie hat weder erwähnt, dass der Kläger gegenüber den
Kindern des Verstorbenen nachrangig bestattungspflichtig ist, noch, dass sie
den Kindern gleichlautende Bestattungsanordnungen zugestellt hat. Dies hat sie
erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen. Der Kläger konnte
deshalb auch nicht erkennen, dass die Beklagte - wie sie es dann in rechtlich
nicht zu beanstandender Weise getan hat - zunächst die vorrangig
bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen durch Leistungsbescheid zur
Erstattung der entstandenen Kosten auffordern und er erst dann in Anspruch
genommen würde, wenn und soweit sich die Bestattungskosten von diesen
nicht erlangen lassen. Der Bescheid vom 25.02.2011 enthält insoweit keine
Ermessenserwägungen, obwohl § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG verlangt, dass in der
Begründung alle für die Entscheidung wesentlichen tatsächlichen und
rechtlichen Gründe mitzuteilen sind und die Begründung nach § 39 Abs. 1 Satz
3 VwVfG auch die ermessensleitenden Gesichtspunkte enthalten soll.
Bei einem Ermessensnichtgebrauch können die Ermessenserwägungen auch
nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren "ergänzt" werden. Das ist nach §
114 Satz 2 VwGO nur möglich, wenn der Bescheid oder die
Verwaltungsvorgänge schon Ermessenserwägungen enthalten (s. im Einzelnen
OVG Münster, U. v. 29.06.2010 - 18 A 1450/09 - juris). Dies ist hier nicht der Fall.
Obgleich die Beklagte alle bestattungspflichtigen Verwandten zur Bestattung
aufgefordert hat, findet sich auch im Verwaltungsvorgang weder ein Hinweis
darauf, dass der Beklagten die Rangfolge der Bestattungspflichtigen bewusst
war, noch auf die Betätigung eines Auswahlermessens. Dieser Ermessensfehler
würde ebenfalls zur Rechtswidrigkeit des Bescheides gegenüber dem Kläger
führen.