Urteil des VG Braunschweig vom 21.01.2014

VG Braunschweig: psychologisches gutachten, drogenkonsum, grundsatz der gleichbehandlung, fahreignung, cannabis, entziehung, leib, strafgericht, entziehen, überzeugung

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MPU-Anordnung bei länger zurückliegendem
Cannabiskonsum
1. Grundlage für die Annahme eines nachweislichen Drogenkonsums, der
für eine Gutachtenanordnung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV erforderlich ist,
können auch die Angaben des Betroffenen sein. Ausdrückliche
Feststellungen zum Drogenkonsum in einem Sachverständigengutachten
oder einer Gerichtsentscheidung sind dafür nicht notwendig.
2. Hat der Betroffene früher regelmäßig Cannabis konsumiert, ist die MPU-
Anordnung grundsätzlich notwendig, um zu klären, ob es bei ihm zu dem für
eine positive Verkehrsverhaltensprognose erforderlichen stabilen
Einstellungswandel gekommen ist. Eine feste Frist für die Berücksichtigung
länger zurückliegenden Konsums gibt es nicht.
3. Die bloße Behauptung der Drogenabstinenz oder einer seit dem letzten
Drogenkonsum eingetretenen Zäsur in den Lebensumständen des
Betroffenen steht der Anordnung einer MPU nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV
ebenso wenig entgegen wie die positive Sozialprognose in einer
strafgerichtlichen Entscheidung.
VG Braunschweig 6. Kammer, Urteil vom 21.01.2014, 6 A 101/13
§ 11 Abs 8 FeV, § 14 Abs 2 Nr 2 FeV, § 56 Abs 1 StGB
Tatbestand
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte ihm wegen Nichtvorlage
eines angeordneten Eignungsgutachtens die Fahrerlaubnis entzogen hat.
Der Kläger war im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse BE. Am 13. Juli 2012
verurteilte ihn das Amtsgericht F. wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln (Marihuana) in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt wurde (Az. G.). Zur Begründung der positiven
Sozialprognose für den Kläger führte des Amtsgericht aus, der Kläger stehe
inzwischen nach erfolgreich absolvierter Ausbildung im Berufsleben, sei
motiviert, seinen Meister zu machen, und habe darüber hinaus glaubhaft
erklärt, mit dem Freundeskreis, der ihn zu den Taten verleitet habe, nichts
mehr zu tun zu haben; darüber hinaus seien keine weiteren strafrechtlich
relevanten Vorwürfe bei der Staatsanwaltschaft bekannt geworden. In der
mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht gab der Kläger ausweislich der
Sitzungsniederschrift an, dass er selbst auch abhängig gewesen sei und seit
2007 täglich geraucht habe. Wegen der Ausbildung und der berufsbezogenen
Prüfung habe er damit aber aufgehört. Von den „Tütchen“ habe er das letzte
Mal Silvester 2010/2011 Gebrauch gemacht.
Unter Bezugnahme auf die Einlassungen vor dem Amtsgericht forderte die
Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 auf, ein medizinisch-
psychologisches Fahreignungsgutachten innerhalb von drei Monaten
beizubringen. In dem Schreiben wies sie den Kläger darauf hin, dass ihm die
Fahrerlaubnis entzogen werden müsse, wenn er das Gutachten nicht vorlege.
Nachdem der Kläger sich mit der angeordneten Begutachtung einverstanden
erklärt hatte, übersandte die Beklagte dem von ihm als Begutachtungsstelle
benannten TÜV Nord die Fahrerlaubnisakte mit der Bitte, das Gutachten zu
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erstellen. Unter dem 1. Februar 2013 sandte der TÜV die Akte an die Beklagte
zurück. Daraufhin bat diese den Kläger, das Gutachten nunmehr bis zum
26. Februar 2013 vorzulegen. Mit Schreiben vom folgenden Tag führte der
Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, die Vorlage eines medizinisch-
psychologischen Gutachtens könne nicht verlangt werden, weil die
gesetzlichen Voraussetzungen für die Gutachtenanordnung nicht erfüllt
gewesen seien.
Die Beklagte entzog dem Kläger daraufhin nach Anhörung mit Bescheid vom
7. März 2013, zugestellt am 28. März 2013, unter Anordnung sofortiger
Vollziehung die Fahrerlaubnis. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen
auf die Regelung in § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und die
Angaben des Klägers im Strafverfahren.
Am 29. April 2013, einem Montag, hat der Kläger Klage erhoben. Zur
Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Er habe zu keiner
Zeit im Strafverfahren eingeräumt, nicht zwischen Konsum und Führen eines
Fahrzeuges trennen zu können. Ein mangelndes Trennungsvermögen könne
ihm auch nicht nachgewiesen werden. Art und Ausmaß des Drogenkonsums
vor der strafgerichtlichen Verurteilung seien nicht in vorwerfbarer Weise
aufgeklärt. Es könne aber dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein erheblicher
Drogenkonsum vorgelegen habe oder die Angaben nur auf anwaltlichen Rat
zurückzuführen seien. Jedenfalls sei die Anordnung der medizinisch-
psychologischen Untersuchung unverhältnismäßig gewesen. Eine Gefahr für
den Verkehr habe zu keiner Zeit bestanden. Der angebliche Konsumzeitraum
liege bereits geraume Zeit zurück. Danach sei er nicht drogenauffällig
geworden, insbesondere nicht im Straßenverkehr. Mit Ausbildungsbeginn sei
eine deutliche Zäsur eingetreten. Die Anordnung einer bloßen medizinischen
Untersuchung hätte, so der Kläger, zunächst ausgereicht. Für den relevanten
Zeitraum gehe er selbst auch nur von gelegentlichem Konsum aus. Die
Annahme, dass die MPU unverhältnismäßig sei, decke sich auch mit den
Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts. Man habe nicht den Eindruck, dass
die Beklagte von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht habe. Im Übrigen wären
verkehrsrelevante Taten nach § 29 Abs. 5 StVG bereits zu tilgen gewesen; der
verurteilte Drogenkonsument dürfe aber nicht bessergestellt werden. Darüber
hinaus verweist der Kläger auf Entscheidungen des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 1. April 2008 und 7. Juni 2012, des
Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 3. August 2010 sowie des OVG
Sachsen-Anhalt vom 14. Juni 2013. Das Gutachten liege „nicht/nicht mehr“
vor.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und nimmt zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im
angegriffenen Bescheid Bezug.
Bei Wohnungsdurchsuchungen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens
wegen des Verdachts des Wohnungseinbruchsdiebstahls fand die Polizei am
22. Mai 2013 in der Wohnung des Klägers Subutex- bzw. Buprenorphin-
Tabletten sowie einen „Crusher“ und eine - nach den Feststellungen der
Beamten berauchte - „Bong“.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des
Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie auf die
beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Braunschweig Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde einem
Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als
ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Als ungeeignet in
diesem Sinne darf die Behörde auch einen Kraftfahrer ansehen, der sich
weigert, eine ihm abverlangte Untersuchung durchführen zu lassen, oder der
das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt (§ 46 Abs. 3 FeV
i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Die Regelung beruht auf der Überlegung,
dass der Betroffene bei grundloser Weigerung seine Mitwirkungspflicht verletzt
und deshalb davon auszugehen ist, er wolle Mängel verbergen, die seine
Fahreignung ausschließen können (vgl. Bundesrats-Drucksache 443/98, S.
254; BVerwG, U. v. 13.11.1997 - 3 C 1/97 -, juris Rn. 16 f. = NZV 1998, 300).
Die Behörde darf die Fahrerlaubnis nach dieser Regelung daher nur
entziehen, wenn ihre Anordnung zur Beibringung eines Eignungsgutachtens
rechtmäßig gewesen ist und der Betroffene ohne ausreichenden Grund die
Untersuchung verweigert bzw. das geforderte Gutachten nicht beigebracht hat.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall alle
Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis gegeben sind.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 rechtmäßig angeordnet,
dass der Kläger ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen hat.
Rechtsgrundlage für diese Anordnung ist die Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 2
FeV i. V. m. § 46 Abs. 3 FeV.
Danach ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens
zwingend - d.h. ohne Ermessensspielraum - anzuordnen, wenn zu klären ist,
ob der Betroffene noch abhängig ist oder - ohne abhängig zu sein - weiterhin
Betäubungsmittel einnimmt. Dies setzt voraus, dass der Betroffene in der
Vergangenheit nachweislich von Betäubungsmitteln oder anderen psychoaktiv
wirkenden Stoffen im Sinne des § 14 Abs. 1 FeV abhängig gewesen ist oder
solche Stoffe in der Vergangenheit nachweislich eingenommen hat (BVerwG,
U. v. 09.06.2005 - 3 C 25/04 -, juris Rn. 21 = NJW 2005, 3081). Sofern eine
Abhängigkeit nicht vorgelegen hat, gilt bei Einnahme von Cannabis in
verfassungskonformer Anwendung der Regelung die Besonderheit, dass ein
Konsum vorgelegen haben muss, der zum Wegfall der Fahreignung geführt
hat. Dies ist z. B. bei einem regelmäßigen Cannabiskonsum in aller Regel der
Fall, während ein einmaliger oder nur gelegentlicher Cannabiskonsum - ohne
Vorliegen zusätzlicher eignungsausschließender Umstände - für eine
Gutachtenanordnung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV nicht ausreicht (vgl. BVerfG,
B. v. 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96 -, juris Rn. 43 ff. = NJW 2002, 2378; Dauer
in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 14 FeV Rn. 23
sowie Nr. 9.2 und Vorbem. Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV).
Allerdings verlangt die Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV i. V. m. § 46 Abs. 3
FeV, dass aufgrund des früheren Konsums im Zeitpunkt der
Gutachtenanordnung noch Zweifel an der Fahreignung berechtigt waren
(BVerwG, U. v. 09.06.2005, a. a. O., Rn. 22). Daher kann die Anordnung nicht
auf jeden beliebig weit in der Vergangenheit liegenden Konsum gestützt
werden. Unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit muss die
Anordnung der Begutachtung zur Abwehr einer bei realistischer Einschätzung
tatsächlich bestehenden Gefahr notwendig sein. Es muss hinreichend
wahrscheinlich sein, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder
jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im
Straßenverkehr auswirken kann (BVerwG, U. v. 09.06.2005, a. a. O.). Feste
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zeitliche Grenzen dafür gibt es nicht; entscheidend ist vielmehr, ob eine
Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände,
insbesondere unter Berücksichtigung von Art und Ausmaß des früheren
Drogenkonsums, noch einen Gefahrenverdacht begründet (vgl. BVerwG, U. v.
09.06.2005, a. a. O., Rn. 23 f.). Für die Beurteilung, ob die
Gutachtenanordnung rechtmäßig war, ist nach ständiger Rechtsprechung die
Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Anordnung maßgeblich (vgl. Dauer,
a. a. O., § 11 FeV Rn. 55 m. w. N.). Nach diesen Maßstäben sind die
Voraussetzungen für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen
Untersuchung (MPU) nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV im maßgeblichen
Beurteilungszeitpunkt erfüllt gewesen.
Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass der Kläger nachweislich Cannabis
in einem die Fahreignung ausschließenden Umfang konsumiert hat. Dabei
kann offenbleiben, ob sie aufgrund der in der strafgerichtlichen Verhandlung
vorgenommenen eigenen Wertung des Klägers annehmen durfte, er sei
drogenabhängig gewesen. Nach den vom Kläger vor dem Amtsgericht
angegebenen Tatsachen ist jedenfalls davon auszugehen, dass nachweislich
ein regelmäßiger Cannabiskonsum vorgelegen hat. Der Kläger hat ausweislich
der Sitzungsniederschrift in der Verhandlung vor dem Amtsgericht am 13. Juli
2012 im Rahmen der Befragung zu seinem Umgang mit Marihuana erklärt, er
habe täglich geraucht. Angefangen habe er damit 2007, letztmalig habe er von
den Tütchen an Silvester 2010/2011 Gebrauch gemacht. Nach ständiger
Rechtsprechung liegt ein die Fahreignung in aller Regel ausschließender
regelmäßiger Cannabiskonsum schon bei nahezu täglicher Einnahme der
Droge vor, jedenfalls aber bei täglichem Konsum (vgl. BVerwG, U. v.
26.02.2009 - 3 C 1/08 -, juris Rn. 14 f. = DAR 2009, 342; Dauer, a. a. O., § 2
StVG Rn. 55). Rechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei
Anordnung der Begutachtung im Ergebnis davon ausgegangen ist, der
eignungsausschließende Cannabiskonsum des Klägers habe in der
Vergangenheit nachweislich stattgefunden. Entgegen der Auffassung des
Klägers ist insoweit unerheblich, dass ein solcher Konsum in der
Vergangenheit noch nicht - gerichtlich oder in einem
Sachverständigengutachten - ausdrücklich festgestellt worden ist.
Nachweislich ist der Drogenkonsum unter Anwendung des sowohl für die
Behörde als auch für das Gericht bei der Tatsachenfeststellung geltenden
Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO und
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 24 Rn. 30), wenn die Behörde bzw. das
zur Überprüfung ihrer Entscheidung berufene Gericht nach Würdigung aller
relevanten Umstände des konkreten Falles die Überzeugung gewinnt, dass
der Konsum stattgefunden hat. Grundlage dafür können auch die Angaben
des Klägers (als „Parteivorbringen“) sein, wenn sie überzeugend erscheinen
und sich aus den sonstigen Umständen keine durchgreifenden Zweifel an ihrer
Richtigkeit ergeben (vgl. allgem. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 108
Rn. 4). Danach durfte die Beklagte hier von dem in der strafgerichtlichen
Verhandlung protokollierten Tatsachenvortrag des Klägers zur Häufigkeit der
Drogeneinnahme ausgehen.
Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprechen,
gab es in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der
Gutachtenanordnung nicht. Die Beklagte durfte darauf vertrauen, dass der
Kläger in einer strafgerichtlichen Verhandlung keine unzutreffenden Angaben
zur Konsumhäufigkeit macht. Auch das Amtsgericht hatte die Angaben in
seinem Urteil nicht in Zweifel gezogen. Unabhängig davon hat die Kammer
auch nach dem Verlauf des weiteren Verfahrens nicht die Überzeugung
gewinnen können, dass der Kläger Cannabis tatsächlich in einem geringeren
Umfang als täglich oder nahezu täglich konsumiert hat. Im weiteren
Verwaltungsverfahren haben sich keine Umstände ergeben, die Anlass geben,
an der Richtigkeit des vor dem Strafgericht erfolgten Tatsachenvortrages zu
zweifeln. Der Kläger hat diesen Vortrag im Verwaltungsverfahren auch nach
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der Gutachtenanordnung zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich korrigiert, obwohl
die Beklagte in der Anordnung vom 22. Oktober 2012 auf seine Angaben vor
dem Amtsgericht verwiesen hatte. Er ist zunächst in mehreren anwaltlichen
Schreiben an die Beklagte auf die protokollierten Angaben vor dem
Amtsgericht nicht eingegangen und hat sein Einverständnis mit der
Begutachtung erklärt, ohne seine Angaben infrage zu stellen. Erstmals mit
Anwaltsschriftsatz vom 27. Februar 2013 hat er sich in diesem
Zusammenhang darauf berufen, im Strafverfahren einer „besonderen
Stresssituation“ ausgesetzt gewesen zu sein, ohne jedoch deutlich zu
machen, ob und inwieweit er damit seinen Tatsachenvortrag korrigieren will.
Sein im selben Schriftsatz ohne konkrete Angaben zur Konsumhäufigkeit
erfolgter Vortrag, sein früherer Drogenkonsum sei lediglich als gelegentlicher
Konsum anzusehen, ist als Wertung zu qualifizieren, die sich auf der
Grundlage seiner protokollierten Angaben vor dem Strafgericht zur Häufigkeit
des früheren Drogenkonsums nicht mit den verkehrswissenschaftlichen
Erkenntnissen und der ständigen Rechtsprechung deckt (s. oben). Auch nach
den Angaben des Klägers im gerichtlichen Verfahren hat die Kammer nicht die
Überzeugung gewinnen können, dass sein Tatsachenvortrag zu Dauer und
Häufigkeit seines Cannabiskonsums vor dem Amtsgericht unzutreffend
gewesen ist. Er hat nicht ausdrücklich behauptet, die von ihm vor dem
Amtsgericht angegebenen Tatsachen zu seinem Drogenkonsum hätten nicht
der Wahrheit entsprochen, und abweichende konkrete Angaben zur Häufigkeit
der früheren Drogeneinnahmen nicht gemacht. Sein Vortrag dazu ist vielmehr
vage und uneinheitlich geblieben. So hat er mit Anwaltsschriftsatz vom 8.
August 2013 angegeben, es könne dahingestellt bleiben, ob er „wirklich
erheblichem Konsum frönte“ oder ob es sich nur um einen Rat seines
damaligen Prozessbevollmächtigten gehandelt habe, „was im Rahmen
plausibler Verteidigungstaktik anzunehmen“ sei. Mit Anwaltsschriftsatz vom 12.
September 2013 hat er ausgeführt, „selbstverständlich“ habe es sich um eine
„Schutzbehauptung im Prozess“ gehandelt. In der mündlichen Verhandlung,
zu der der Kläger nicht erschienen ist, hat sein Prozessbevollmächtigter auf die
Frage, ob die Angaben des Klägers vor dem Amtsgericht zu seinem
Drogenkonsum der Wahrheit entsprochen hätten, erklärt, der Vortrag vor dem
Amtsgericht sei ihm „strafrechtlich empfohlen worden“, er gehe aber davon
aus, dass der Kläger vor dem Amtsgericht keine Falschaussage gemacht
habe.
Auch die Tatsache, dass der frühere Drogenkonsum im Zeitpunkt der
Gutachtenanordnung bereits einige Zeit - nämlich etwa 22 Monate -
zurückgelegen hat, steht der Rechtmäßigkeit der Anordnung nach den
dargestellten Maßstäben nicht entgegen. Dieser nachweisliche Konsum
begründete unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles,
insbesondere nach Art und Ausmaß der Drogeneinnahme, die hinreichende
Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger weiter Drogen einnimmt oder jedenfalls
rückfallgefährdet ist. Damit bestand bei Anordnung der Eignungsbegutachtung
der hinreichende Verdacht einer Gefahrenlage für Leib und Leben der anderen
Verkehrsteilnehmer. Hat ein regelmäßiger Cannabiskonsum vorgelegen, so
kann dem Betroffenen eine positive Verkehrsverhaltensprognose nach
ständiger Rechtsprechung und den vorliegenden verkehrswissenschaftlichen
Erkenntnissen grundsätzlich erst dann gestellt werden, wenn bei ihm ein
stabiler Einstellungswandel vorliegt (vgl. dazu BVerwG, U. v. 09.06.2005, a. a.
O., Rn. 24 und die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Nr. 3.12.1
mit Begründung). Die Feststellung eines stabilen Einstellungswandels erfordert
unter anderem die Erforschung der Konsummotive und der Beweggründe für
die (angebliche) Änderung des Konsumverhaltens. Erforderlich ist damit auch
eine psychologische Bewertung, wie sie im Rahmen einer medizinisch-
psychologischen Begutachtung sichergestellt ist (vgl. die Begründung des
Verordnungsgebers, BR-Drucksache 443/98, S. 263, sowie Brenner-Hartmann
/ Löhr-Schwaab / Bedacht / Aderjan / Eisenmenger in: Schubert / Schneider /
Eisenmenger / Stephan, Kommentar zu den Begutachtungs-Leitlinien zur
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Kraftfahrereignung, 2. Aufl., S. 187 ff. und Koehl, DAR 2012, 185, 188). Das
von der Beklagten angeordnete Gutachten dient also gerade dazu, die
aufgeworfenen Fragen zu klären. Solange die Klärung nicht erfolgt ist, besteht
die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines fortgesetzten
eignungsausschließenden Drogenkonsums oder jedenfalls eines Rückfalls in
ein solches Konsummuster. Der Kläger kann daher nicht erfolgreich geltend
machen, die Anordnung einer medizinischen Untersuchung hätte genügt: Die
für die Feststellung eines stabilen Einstellungswandels notwendige
psychologische Bewertung ließe sich mit einer solchen Untersuchung nicht
sicherstellen. Darüber hinaus kann nach den Begutachtungs-Leitlinien zur
Kraftfahrereignung bei regelmäßigem Cannabiskonsum - und dadurch
bedingtem Ausschluss der Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen
- grundsätzlich frühestens nach Ablauf eines nachgewiesenen hinreichenden
Abstinenzzeitraums davon ausgegangen werden, dass der Betroffene die
Fahreignung wieder erlangt hat (vgl. Nr. 3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien;
im Ergebnis ebenso Brenner-Hartmann / Löhr-Schwaab / Bedacht / Aderjan /
Eisenmenger, a. a. O., S. 194 und Berr / Krause / Sachs, Drogen im
Straßenverkehrsrecht, Rn. 1304 ff. m. w. N. sowie - mit der ausdrücklichen
Forderung eines nachgewiesenen Abstinenzzeitraums von in der Regel einem
Jahr - Koehl, DAR 2012, 185, 188 und Zwerger, DAR 2005, 431, 437, jew. m.
w. N.). Im Zeitpunkt der Gutachtenanordnung haben aber keine
Abstinenznachweise für den Kläger vorgelegen; solche Belege hat er auch
während des weiteren Verfahrens nicht eingereicht. Dies wäre selbst dann im
Ergebnis nicht anders zu bewerten, wenn man im Hinblick darauf, dass
gelegentlicher Konsum von Cannabis unter den in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur
FeV genannten Voraussetzungen die Fahreignung bestehen lässt, nach
regelmäßigem Cannabiskonsum keinen Abstinenznachweis verlangt, sondern
für die Wiedererlangung der Fahreignung den Nachweis der Umstellung auf
ein die Fahreignung nicht berührendes Konsumverhalten genügen lässt (vgl.
dazu OVG Saarland, B. v. 14.04.2009 - 1 B 269/09 -, juris Rn. 9 = BA 46, 249;
Dauer, a. a. O., § 2 StVG Rn. 63 m. w. N.). Auch einen solchen Nachweis hat
der Kläger während des Verfahrens jedenfalls nicht geführt.
Wegen des dargelegten Gefahrenverdachts ist die Anordnung mit dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar (vgl. BVerwG, U. v. 09.06.2005,
a. a. O., Rn. 22 ff.). Sie erfüllt auch die besonderen Anforderungen an
Eignungsbegutachtungen, die das Bundesverfassungsgericht aus dem das
Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr erfassenden Grundrecht der
allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit in Abwägung mit dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
ableitbaren Auftrag der Behörden zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor den
durch ungeeignete Kraftfahrer drohenden Gefahren für Leib und Leben
hergeleitet hat. Danach müssen für die Anordnung eines Eignungsgutachtens
hinreichend konkrete Verdachtsmomente gegeben sein, die einen
Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen (BVerfG, B. v. 20.06.2002
- 1 BvR 2062/96 -, juris Rn. 53 f. = NJW 2002, 2378). Solche
Verdachtsmomente haben hier bei Anordnung des Gutachtens aufgrund des
früheren, jedenfalls regelmäßigen Cannabiskonsums und der noch nicht
erfolgten Klärung eines stabilen Einstellungswandels vorgelegen.
Auch die weiteren Einwände des Klägers führen zu keiner anderen Beurteilung
der Rechtslage. Soweit er geltend macht, nach seinem letzten
Cannabiskonsum zum Jahreswechsel 2010/2011 sei mit dem Beginn der
Ausbildung eine deutliche Zäsur eingetreten, steht dies der erfolgten
Gutachtenanordnung nicht entgegen. Ob eine Änderung der persönlichen
Verhältnisse nach einem eignungsausschließenden Drogenkonsum zu einem
stabilen Einstellungswandel hinsichtlich des Dogenkonsums geführt hat und
daher keine Gefahren mehr für Leib und Leben der anderen
Verkehrsteilnehmer bestehen, ist im Rahmen der medizinisch-
psychologischen Begutachtung zu klären. Die bloße Behauptung veränderter
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Verhältnisse und eines Einstellungswandels ist nicht geeignet, den aus dem
früheren Konsum resultierenden Gefahrenverdacht zuverlässig zu beseitigen.
Unabhängig davon haben sich nach der Gutachtenanordnung weitere Zweifel
ergeben, ob der Kläger sein Konsumverhalten tatsächlich grundlegend
geändert hat. Dass die Polizei bei der Wohnungsdurchsuchung im Mai 2013
unter anderem eine berauchte „Bong“ gefunden hat, kann darauf hindeuten,
dass er weiterhin in einem erheblichen, eignungsausschließenden Umfang
Cannabis konsumiert oder sich seinerzeit zumindest noch in Kreisen bewegt
hat, in denen Cannabis konsumiert worden ist, sein soziales Umfeld sich also
nicht entscheidend geändert hat. Darüber hinaus hat der Kläger während des
laufenden Verfahrens keine Belege dafür vorgelegt, dass die von ihm
behauptete Drogenabstinenz zutrifft; auch die ihm von seinem
Prozessbevollmächtigten nach dessen Angaben in der mündlichen
Verhandlung empfohlene Teilnahme an einem „Anti-Drogen-Programm“ hat
der Kläger nicht nachgewiesen. Diese Fragen kann die Kammer jedoch
offenlassen, weil es für die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung
maßgeblich auf den Zeitpunkt der Anordnung ankommt und diese schon
aufgrund der seinerzeit vorliegenden Tatsachen gerechtfertigt war.
Auch die dem Kläger im Urteil des Amtsgerichts vom 13. Juli 2012 gestellte
positive Sozialprognose, die zur Aussetzung der Vollstreckung der
Freiheitsstrafe zur Bewährung geführt hat, steht der Gutachtenanordnung nicht
entgegen. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB setzt das Strafgericht die
Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte
sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne
die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Das
Strafgericht trifft also lediglich eine auf die Begehung weiterer Straftaten
bezogene Prognoseentscheidung. Diese kann die erforderliche
psychologisch-fachliche Untersuchung des Betroffenen, die der Feststellung
eines stabilen Einstellungswandels dient, nicht adäquat ersetzen.
Der Kläger kann auch nicht erfolgreich geltend machen, dass
Verkehrsstraftaten und -ordnungswidrigkeiten gemäß § 29 StVG nach Ablauf
bestimmter Fristen zu tilgen sind und der frühere Drogenkonsument
demgegenüber bei der Berücksichtigung zurückliegender Konsumzeiträume
nicht schlechtergestellt werden dürfe. Die Annahme schematisch fester
Fristen, nach deren Ablauf ein Drohgenkonsum im Rahmen des § 14 Abs. 2
Nr. 2 FeV unbeachtlich sein soll, wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht
gerecht (so ausdrücklich bereits BVerwG, U. v. 09.06.2005, a. a. O., Rn. 23).
Ob sich aus einem früheren Drogenkonsum noch Gefahren für Leib und Leben
der anderen Verkehrsteilnehmer ergeben, erfordert – wie dargelegt – eine
Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände, wobei
Art und Ausmaß des früheren Konsums von besonderem Gewicht sind. Der
Verzicht auf feste Berücksichtigungsfristen im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 2
FeV ist also auf die besonderen Gefahren zurückzuführen, die sich aus einem
früheren eignungsausschließenden Drogenkonsum für den Straßenverkehr
ergeben, und verstößt damit im Vergleich mit der für
Verkehrszuwiderhandlungen geltenden abweichenden Regelung jedenfalls
auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG.
Unerheblich ist auch, dass der Kläger zu keiner Zeit ein mangelndes
Trennungsvermögen eingeräumt hat und ein solches bislang auch nicht
festgestellt worden ist. Ein regelmäßiger Cannabiskonsum schließt die
Fahreignung aus, ohne dass festgestellt werden muss, dass der Betroffene
Drogenkonsum und Fahren trennen kann (s. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV).
Hat ein solcher Drogenkonsum in der Vergangenheit stattgefunden, verlangt
die Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV für die Untersuchungsanordnung nur
die Feststellung, ob dieser Konsum noch geeignet ist, die Fahreignung in
Zweifel zu ziehen (s. oben); auch dafür ist ein mangelndes
Trennungsvermögen nicht erforderlich.
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Entgegen der Auffassung des Klägers gibt der Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. Juni 2013 (3 M 68/13, juris
= NJW 2013, 3113) keinen Anlass, die Rechtslage anders zu bewerten. Die
dieser Entscheidung zugrunde liegende Tatsachenlage unterscheidet sich –
wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat – in einigen für die rechtliche
Beurteilung wesentlichen Punkten von dem vorliegenden Sachverhalt. Das
Oberverwaltungsgericht hatte nicht über die Rechtmäßigkeit einer
Gutachtenanordnung nach § 14 FeV und einer Entziehung der Fahrerlaubnis
nach § 11 Abs. 8 FeV zu entscheiden. Es ging in seiner Entscheidung
vielmehr um die Entziehung einer Fahrerlaubnis auf der Grundlage des § 11
Abs. 7 FeV, weil die Behörde in dem vom OVG zu entscheidenden Fall davon
ausgegangen war, dass die fehlende Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen feststeht. Dies hatte die Behörde darauf gestützt, dass der
Betroffene dreieinhalb Jahre zuvor unter dem Einfluss von Amphetaminen und
Cannabinoiden ein Kfz im Straßenverkehr geführt hatte. Das
Oberverwaltungsgericht entschied, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei
rechtswidrig, weil der Betroffene hinreichend substanziiert behauptet hatte,
nunmehr abstinent zu sein. In einem solchen Fall dürfe die Behörde
spätestens nach Ablauf eines Jahres (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV) ab
dem behaupteten Beginn der Abstinenz die Fahrerlaubnis nicht mehr ohne
weitere Ermittlungen entziehen. Im vorliegenden Fall dagegen hat die Beklagte
dem Kläger auf der Grundlage seiner Angaben über einen zurückliegenden
Drogenkonsum gerade nicht unmittelbar die Fahrerlaubnis entzogen, sondern
zunächst lediglich eine MPU nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV angeordnet. Die
Kammer kann daher offenlassen, ob der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt zu folgen ist.
Auch auf die von ihm zitierten Entscheidungen des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts Oldenburg kann der
Kläger sich nicht erfolgreich berufen. Diese Entscheidungen hatten sich nicht
mit den Voraussetzungen für die Anordnung einer medizinisch-
psychologischen Begutachtung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV zu befassen. Das
Oberverwaltungsgericht hatte mit seinem Beschluss vom 7. Juni 2012 (12 ME
31/12, juris = ZfSch 2012, 473) darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller,
der ein Kfz unter dem Einfluss von Cannabis geführt hatte, als gelegentlicher
Cannabiskonsument anzusehen war (vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV). Das
OVG entschied, von einem gelegentlichen Konsum könne nicht ausgegangen
werden, weil die beiden Konsumakte, die für die Annahme eines
gelegentlichen, d. h. mindestens zweimaligen Konsums vorliegen müssten,
etwa fünf Jahre auseinanderlagen und daher unter Berücksichtigung der
weiteren Umstände des Falles der erforderliche innere Zusammenhang der
Konsumakte nicht gegeben sei. In dem vom OVG zu entscheidenden Fall
fehlte es daher an einem eignungsausschließenden Konsum, der die
Fahrerlaubnisbehörde zur Entziehung der Fahrerlaubnis berechtigt hätte. Im
Fall des Klägers dagegen hat ein eignungsausschließender Konsum - nämlich
ein zumindest regelmäßiger Cannabiskonsum - nachweislich vorgelegen, der
nach den verkehrswissenschaftlichen Erkenntnissen der Fahreignung erst
dann nicht mehr entgegensteht, wenn ein stabiler Einstellungswandel
festzustellen ist. Dieser Feststellung diente die von der Beklagten angeordnete
MPU; den früheren Konsum hat die Beklagte hingegen nicht zum Anlass
genommen, dem Kläger die Fahrerlaubnis unmittelbar zu entziehen. Auch das
Verwaltungsgericht Oldenburg hatte im Urteil vom 3. August 2010 (7 A 997/10,
juris = BA 48, 126) lediglich darüber zu befinden, unter welchen
Voraussetzungen bei zeitlich viele Jahre auseinanderliegenden Konsumakten
ein gelegentlicher Cannabiskonsum angenommen werden kann. Davon hing
ab, ob die Fahrerlaubnisbehörde in dem zugrunde liegenden Fall ein
medizinisch-psychologisches Gutachten nach den Regelungen des § 14 Abs.
1 Satz 3 FeV anordnen durfte, der die Anordnung in das Ermessen der
Behörde stellt, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und
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weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Im Beschluss vom 1.
April 2008 (12 ME 35/08, juris = NJW 2008, 2059) hatte sich das
Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit der Frage zu befassen,
inwieweit ein eignungsausschließender gelegentlicher Cannabiskonsum die
Fahrerlaubnisbehörde dazu berechtigt, das Führen fahrerlaubnisfreier
Fahrzeuge im Straßenverkehr zu untersagen. Rechtsgrundlage dafür ist die
Regelung in § 3 Abs. 1 FeV, nach der es im Ermessen der Behörde liegt, der
Gefahr durch Untersagung oder Beschränkung des Fahrens oder durch
Anordnung von Auflagen zu begegnen. Ein Sachverhalt, in dem sich diese
Rechtsfragen stellen, liegt hier nicht vor.
Vor allem die Formulierungen im Schreiben des TÜV Nord vom 1. Februar
2013 deuten zwar darauf hin, dass die Begutachtungsstelle das angeordnete
medizinisch-psychologische Eignungsgutachten erstellt hat und zu einem für
den Kläger negativen Ergebnis gekommen ist. Die Kammer kann jedoch
offenlassen, ob dies tatsächlich der Fall ist und es in einer solchen
Konstellation auf die Rechtmäßigkeit der Gutachtenanordnung nicht mehr
ankommt (vgl. dazu VG Neustadt, B. v. 18.08.1999 - 9 L 1784/99.NW -, ZfSch
2000, 41 ff.). Denn die Anordnung ist aus den dargelegten Gründen
rechtmäßig gewesen; auch die weiteren Voraussetzungen für die Entziehung
der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 8 FeV sind erfüllt.