Urteil des VG Braunschweig vom 27.05.2013

VG Braunschweig: stiefvater, ermittlung des sachverhaltes, rückforderung, ungerechtfertigte bereicherung, berufliche tätigkeit, mangel, besoldung, entreicherung, treuepflicht, trennung

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Rückforderung von Familienzuschlag - Besoldung
und Versorgung
Zur Rückforderung von kinderbezogenem Familienzuschlag im Fall der
Wiederheirat des Ex Ehegatten.
VG Stade 3. Kammer, Urteil vom 27.05.2013, 3 A 836/11
§ 12 Abs 2 BBesG, § 40 Abs 5 BBesG
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Rückforderung.
Der 1966 geborene Kläger war Obersekretär (BesGrp A 7) im
Justizvollzugsdienst; seit dem 01.01.2008 ist er aufgrund bestehender
Dienstunfähigkeit im Ruhestand.
Der Kläger war in erster Ehe seit 1990 verheiratet. Diese Ehe, aus der die
Kinder G., geb. 1990, und H., geb. 1992, hervorgingen, wurde im Februar 1997
geschieden. Gleichzeitig wurde das Sorgerecht auf die Mutter der Kinder
übertragen. Die Kinder lebten seitdem bei ihrer Mutter; der Kläger leistete
Barunterhalt.
Der Kläger heiratete 2007 erneut und hat mit seiner zweiten Ehefrau ein
gemeinsames Kind (I., geb. 2000). Auch die erste Ehefrau des Klägers
heiratete im April 2004 erneut. Deren jetziger Ehemann ist seit dem 01.06.2005
Tarifbeschäftigter bei der Stadt J. (Stadtreinigung).
Auf eine Anfrage der Beklagten zum Vorliegen der Voraussetzungen für die
Gewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags erklärte der Kläger unter
dem 27.03.2009 u.a., dass er für H. den Kinderanteil erhalte; das Kindergeld
für diesen erhalte der andere Elternteil, der wiederverheiratet sei. Gleichzeitig
wies der Kläger darauf hin, dass ihm weitere Angaben nicht bekannt seien und
er von seiner geschiedenen Ehefrau keine Auskunft erhalte. Auf Anfrage der
Beklagten zur Gewährung von Kindergeld für H. angesichts dessen
bevorstehender Volljährigkeit bat der Kläger unter dem 05.01.2010, etwaige
Nachweise von seiner geschiedenen Frau oder der zuständigen
Kindergeldkasse J. einzuholen, da die Zusammenarbeit mit seiner
geschiedenen Frau sehr schwierig sei.
Unter Hinweis auf die Tatsache, dass H. im Haushalt der Mutter lebt, stellte die
Beklagte mit Bescheid vom 13.01.2010 fest, dass angesichts des fehlenden
Anspruchs auf Kindergeld auch kein Anspruch auf Gewährung des
Kinderanteils im Familienzuschlag bestehe. Die dennoch erfolgte Gewährung
habe für den Zeitraum Dezember 2009 bis Januar 2010 zu einer Überzahlung
von - einschließlich Sonderzahlung - 311,06 Euro geführt, die zurückgefordert
werde. Gleichzeitig wurde hinsichtlich dieses Betrages die Aufrechnung mit
den Versorgungsbezügen erklärt.
Dagegen legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein, mit dem er erneut auf
seine Unkenntnis über die Lebensverhältnisse seiner Ex-Frau hinwies; hierauf
habe er auch in der Vergangenheit immer hingewiesen. Er machte geltend,
dass er aufgrund seiner Unterhaltszahlung Anspruch auf den Kinderanteil im
Familienzuschlag für H. habe.
Nach weiteren Ermittlungen, insbesondere der Rückfrage bei der Stadt J.,
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Nach weiteren Ermittlungen, insbesondere der Rückfrage bei der Stadt J.,
erging am 12.04.2010 der Bescheid der Beklagten, mit dem eine Überzahlung
in Höhe von 8.082,46 Euro festgestellt wurde. Diese Überzahlung sei
entstanden, weil dem Kläger für seine Söhne G. bis zum 31.01.2008
(Volljährigkeit) und H. bis zum 28.02.2010 (Volljährigkeit) der Kinderanteil im
Familienzuschlag gewährt wurde. Gleichzeitig sei ein entsprechender Betrag
dem Stiefvater der Kinder und jetzigen Ehemann der Ex-Frau des Klägers ab
Juni 2005 gezahlt worden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass G. und
H. als Zählkinder zu berücksichtigen seien und unter weiterer
Berücksichtigung des Umstands, dass der Zeitraum Dezember 2009 - Januar
2010 durch den Bescheid vom 05.01.2010 erfasst wurde, sei eine
Überzahlung in der genannten Höhe entstanden. Dieser Betrag wurde
zurückgefordert; gleichzeitig wurde die Aufrechnung mit den laufenden
Versorgungsansprüchen des Klägers erklärt.
Auch hiergegen legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein, mit dem er
darauf verwies, in den Erklärungen zum Familienzuschlag zwischen 2005 und
2009 immer angegeben zu haben, dass er über die persönlichen Verhältnisse
seiner geschiedenen Frau keine Angaben machen könne. Insbesondere sei er
von seiner Ex-Frau nicht darauf hingewiesen worden, dass deren Ehemann
ebenfalls den Kinderanteil im Familienzuschlag für seine Söhne beziehe.
Wenn der Stiefvater diese Leistungen beantragt habe, sei davon auszugehen,
dass auch in jenen Erklärungen Angaben über den leiblichen Vater erforderlich
gewesen seien, so dass die Leistungsgewährung auch an ihn, den Kläger,
von Beginn an nachvollziehbar gewesen wäre. Er jedenfalls habe seine
Angaben immer wahrheitsgemäß abgegeben.
Mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 01.06.2011 wurden die
Widersprüche gegen die Rückforderungsbescheide zurückgewiesen. Der
Stiefvater der Kinder des Klägers sei vorrangig zum Bezug des Kinderanteils
im Familienzuschlag berechtigt, weil die Kinder in seinem Haushalt leben. Aus
diesem Grunde sei die Überzahlung in der zurückgeforderten Höhe
entstanden, weil der Kläger objektiv keinen Anspruch auf Gewährung der ihm
gezahlten Beträge habe. Auf einen Wegfall der Bereicherung könne der Kläger
sich nicht berufen; er hafte verschärft. Aus der Anzeigepflicht des Klägers
folge, dass er die erforderlichen Auskünfte von seiner geschiedenen Ehefrau
ggf. auch mit gerichtlicher Hilfe einholen müsse. Dies habe er unterlassen und
sei damit seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Im Rahmen der
Billigkeitsentscheidung sei es ausreichend gewesen, dem Kläger eine
Ratenzahlung zu gewähren.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger macht
geltend, dass der Stiefvater den Kinderanteil im Familienzuschlag nicht
beanspruchen könne. Dies könne dann der Fall sein, wenn ihm etwa das
Bestimmungsrecht und damit auch das Kindergeld zustehe, nicht aber dann,
wenn keinerlei rechtliche Beziehung zwischen ihm und den Kindern bestehe.
Der Kläger sei auch entreichert, denn die gezahlten Beträge seien als
Unterhalt an seine Kinder weitergeleitet worden. Auch habe er seine jetzige
Ehefrau und das gemeinsame Kind zu unterhalten. Auf die Entreicherung
könne er sich auch berufen, weil er den Mangel des rechtlichen Grundes nicht
habe erkennen können. Insbesondere habe er nicht gegen seine
Anzeigepflicht verstoßen. Eine Änderung im Kindergeldbezug, aus der
Erkenntnisse herzuleiten gewesen wären, sei nicht eingetreten. Von der
Beantragung und Gewährung des Kinderanteils an den Stiefvater habe er
ebenfalls keine Kenntnisse gehabt. Auf die Tatsache, dass er über ggf.
erforderliche Kenntnisse nicht verfüge, habe er regelmäßig hingewiesen. Unter
diesen Umständen sei sein Verhalten allenfalls als leicht fahrlässig
einzustufen.
Im Rahmen der Billigkeit habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die
Rückforderung des doppelt gezahlten Kinderanteils auch bei dem Stiefvater
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hätte geltend gemacht werden können. Zudem bedeute die Rückforderung
vom Kläger seine doppelte Belastung, weil er die weitergeleiteten Beträge nicht
mit Aussicht auf Erfolg von seiner Ex-Frau bzw. seinen Kindern
zurückverlangen könne.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 13.01.2010 und vom
12.04.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 01.06.2011
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist drauf hin, dass der Stiefvater der Kinder zum Bezug des
Kindergeldes berechtigt wäre; dem folgend habe er auch den Kinderanteil im
Familienzuschlag beanspruchen können. Dies ergebe sich aus § 29 Abs. 3
BAT und für die Zeit ab dem 01.10.2005 aus § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA. Dieser
Umstand führe zu einer Konkurrenzsituation, die durch § 40 Abs. 5 BBesG
geregelt werde. Aus dieser Bestimmung, die verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden sei, folge, dass der gewährte Kinderanteil dem Stiefvater zustehe
und der Kläger die Beträge damit ohne rechtlichen Grund bezogen habe.
Auf den Wegfall der Bereicherung könne sich der Kläger nicht berufen.
Vielmehr sei er, etwa mit dem Versorgungsfestsetzungsbescheid vom
20.10.2009, darauf hingewiesen worden, alle Tatsachen anzuzeigen, die für
die Höhe der Bezüge von Bedeutung sein könnten. Die Unkenntnis über die
Lebensumstände seiner geschiedenen Ehefrau habe er im Verhältnis zur
Beklagten zu vertreten. Dies sei der Fall, weil nur der Kläger und nicht die
Beklagte in einer Rechtsbeziehung zum geschiedenen Ehegatten stehe.
Die Billigkeitsentscheidung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere sei keine
Möglichkeit gegeben, gegen den Stiefvater der Kinder vorzugehen, weil eine
Rechtsbeziehung zwischen diesem und der Beklagten nicht bestehe.
Gleichzeitig mit der vorliegenden Klage hat der Kläger einen Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Diesen hat die Kammer mit
Beschluss vom 03.08.2011 abgelehnt (3 B 837/11).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig
und verletzen den Kläger daher in seinen Rechten, so dass sie aufzuheben
waren (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 12 Abs. 2 BBesG,
soweit Beträge aus der aktiven Dienstzeit des Klägers zurückgefordert werden,
und der gleichlautende § 52 Abs. 2 BeamtVG, soweit Beträge nach der
Zurruhesetzung betroffen sind. Nach diesen Vorschriften regelt sich die
Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge grundsätzlich nach den Vorschriften
des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung, wobei es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes für
den Bezug der Beträge gleich steht, wenn der Mangel so offensichtlich war,
dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Die Voraussetzungen dieser
Vorschrift(en) liegen jedoch nicht vor.
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Der Kläger hat den zurückgeforderten Betrag zwar objektiv rechtsgrundlos
erlangt.
Grundsätzlich hat auch der geschiedene Beamte einen Anspruch auf
Gewährung der kinderbezogenen Familienzuschläge, wie sich aus § 40 Abs. 3
BBesG ergibt. Allerdings hat auch der Stiefvater der Kinder einen
entsprechenden Anspruch. Inhaltlich folgt der Familienzuschlag dem Anspruch
auf Gewährung von Kindergeld. Dies kann der Stiefvater beanspruchen, wenn
es nicht, wie hier, der früheren Ehefrau des Klägers gezahlt würde, weil der
Stiefvater das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl. hierzu
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 25. August
2008 – 3 ZB 07.2993 –, juris unter Hinweis auf § 64 Abs. 2 EStG). Damit hat
der Stiefvater einen eigenen Anspruch auf eine kinderbezogene Leistung, wie
aus § 29 Abs. 3 BAT folgt.
Diese Zusammenhänge führen zur Anwendung der Konkurrenzregel des § 40
Abs. 5 BBesG, der eine Doppelleistung des streitigen Betrages an zwei
Personen ausschließt (vgl. VG München, Urteil vom 18. November 2008 – M
21 K 06.4385 –, juris). Dem steht die Tatsache, dass der Kläger Beamter und
der Ehegatte seiner ehemaligen Frau Tarifangestellter ist, nicht entgegen,
denn gemäß § 40 Abs. 6 BBesG ist öffentlicher Dienst im Sinne auch des § 40
Abs. 5 BBesG unter anderem das Angestelltenverhältnis bei einer Kommune,
weil der gemäß § 29 BAT gewährte Sozialzuschlag nach Leistungszweck,
Leistungsvoraussetzungen und Leistungsmodalitäten dem Familienzuschlag
gemäß §§ 39, 40 BBesG entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 01. September
2005 – 2 C 24/04 –, juris).
Rechtliche Bedenken gegen die Konkurrenzregel des § 40 Abs. 5 BBesG
bestehen nicht. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass die Bestimmung
gegen höherrangiges Recht verstoßen würde (hierzu Oberverwaltungsgericht
für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. Februar 2009 – 3 LB 12/07 –,
juris).
Hiernach hat der Kläger den Familienzuschlag (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG, § 50
Abs. 1 S. 2 BeamtVG) ohne rechtlichen Grund im Sinne der §§ 12 Abs. 2
BBesG, 52 Abs. 2 BeamtVG erhalten.
Der Kläger, der entreichert ist, weil er die Beträge zum überwiegenden Teil an
die Kindesmutter weitergeleitet hat (sofern ihm geringfügige Beträge verblieben
sein sollten, ist eine „centgenaue“ Abrechnung nicht erforderlich, weil bei
geringfügigen Beträgen der Verbrauch im Rahmen der normalen
Lebensführung anzunehmen ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C
4/11 –, juris), kann sich jedoch auf diese Entreicherung berufen, denn er haftet
nicht verschärft.
Wie bereits erwähnt, regelt sich die Rückforderung von Bezügen nach den
Vorschriften des BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung. Das bedeutet,
dass grundsätzlich eine Verpflichtung zur Herausgabe ausgeschlossen ist,
wenn der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Dieser
Grundsatz erfährt in § 819 Abs. 1 BGB eine Ausnahme insoweit, als dass der
Empfänger so zur Herausgabe verpflichtet ist, als wenn der
Herausgabeanspruch bereits rechtshängig wäre, wenn er den Mangel der
rechtlichen Grundes bei Empfang kennt, der Empfänger den Gegenstand - hier
die Bezüge in Gestalt des Familienzuschlages - also „nimmt“, obwohl ihm
bewusst ist, dass ihm die Gelder nicht zustehen. Dies führt gemäß § 818 Abs.
4 BGB zu einer Haftung nach den allgemeinen Vorschriften und damit nach §
292 BGB dazu, dass sich der Empfänger nicht mehr auf die Entreicherung,
also auf die Aussage, über den herauszugebenden Gegenstand nicht mehr zu
verfügen, berufen kann. Diese zivilrechtlichen Grundsätze werden hier ergänzt
durch die beamtenrechtliche Vorschrift des § 12 Abs. 2 S. 2 BBesG (bzw. § 52
Abs. 2 S. 2 BeamtVG), nach der es der bewussten Kenntnis gleich steht, wenn
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der Mangel des Rechtsgrundes für den Empfang der - hier - Beträge so
offensichtlich war, dass der Beamte diesen Mangel hätte erkennen müssen.
Die zu klärende Frage lautet damit, ob der Kläger, der nicht wusste, dass der
neue Ehemann seiner Ex-Frau den ihm gewährten Beträgen gleichstehende
Zuschläge erhielt, diese Zusammenhänge hätte erkennen müssen, weil sie
offensichtlich waren. Diese Frage ist nach Auffassung der Kammer zu
verneinen.
Eine Offensichtlichkeit in dem genannten Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn
etwaige Fehler dem Beamten gleichsam „ins Auge springen“. Dem Beamten ist
vielmehr aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht grundsätzlich auch
zuzumuten, die für seine Besoldung/ Versorgung maßgeblichen Umstände auf
ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Bei
Unklarheiten oder Zweifeln ergibt sich hieraus die Verpflichtung, durch
Rückfrage zumindest überprüfen zu lassen, ob eine Zahlung zu Recht erfolgt
ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 4/11 –, juris).
Hinter diesen Grundsätzen bleiben die Anforderungen an den Beamten in
einer Trennungssituation in gewisser Weise zurück, um der Privatsphäre des
Beamten und, damit einhergehend, dem Umstand, dass es Sache des
Beamten ist, wie er den weiteren Umgang mit seinem Ex-Ehegatten gestalten
kann und/oder will, Rechnung zu tragen. Das VG Gelsenkirchen (Urteil vom
23. März 2010 – 12 K 1165/06 –, juris) hat zu einer hier vorliegenden
Konstellation ausgeführt:
„Insbesondere ist der Beamte auch nicht ohne weiteres zu entsprechenden
Nachfragen beim geschiedenen Ehegatten verpflichtet. Soweit im Bescheid
des LBV vom 25. Januar 1999 ausgeführt wird, der Kläger sei verpflichtet, von
Zeit zu Zeit Erkundigungen über ein mögliches Beschäftigungsverhältnis
sämtlicher dort genannter (potenziell kindergeldberechtigter) Personen und
damit u.a. auch des neuen Ehemannes der geschiedenen Ehefrau
einzuholen, kann dem jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden.
Auch dies hieße - auch bei Berücksichtigung der dem Beamten obliegenden
Treuepflicht - die Anforderungen an den Beamten zu überspannen.“
In den vom VG Gelsenkirchen zitierten Entscheidungen des OVG Münster
(Urteile vom 26. August 1999 - 12 A 2998/97 - und 12 A 3370/97; jeweils juris)
heißt es übereinstimmend:
„Nach Auffassung des Senats würde es die im Rahmen des § 12 Abs. 2 Satz 2
BBesG dem Beamten aufgrund seiner Treuepflicht abzuverlangenden
Obliegenheiten zur Abwendung einer verschärften bereicherungsrechtlichen
Haftung übersteigen, wenn diesem stets zugemutet würde, bei fehlender
Kenntnis bestimmter für die Überprüfung der Richtigkeit seiner Besoldung
relevanter Umstände erst selbst noch unter Umständen aufwendige weitere
Ermittlungen zum Sachverhalt durchzuführen. Dem dürfte bereits die
Auslegungsgrenze des Wortlauts ("offensichtlich") entgegenstehen. Außerdem
ist hier zu berücksichtigen, daß die in Frage stehende Erkundigung bei dem
geschiedenen Ehegatten einen besonders sensiblen zwischenmenschlichen
Bereich berührt. Dessen Ausgestaltung muß bei Einbeziehung der in den
Grundrechten aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zum Schutz der privaten
Lebenssphäre enthaltenen objektiven Wertentscheidungen grundsätzlich den
Betroffenen selbst überlassen bleiben. Das betrifft auch die Frage, ob und ggf.
in welchem Umfang nach der Scheidung weiterer Kontakt der Eheleute
zueinander gehalten wird.
Vgl. auch Senatsurteil vom 20. Januar 1999 - 12 A 3867/97 -.
Dieser Schutz der Privatsphäre wird auch durch die beamtenrechtliche
Treuepflicht nicht vollständig überlagert bzw. verdrängt, zumal dann nicht,
wenn - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - der Dienstherr
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zur Ermittlung des Sachverhaltes auf eine Mitwirkung des Beamten nicht
zwingend angewiesen ist. Berücksichtigt man dies, so ist es nicht schon ohne
weiteres zu den einen Beamten zur Abwendung der verschärften Haftung
treffenden Obliegenheiten zu zählen, sich die für eine vollständige und sichere
Überprüfung der Richtigkeit seiner Besoldung erforderlichen Angaben selbst
von dem geschiedenen Ehegatten zu beschaffen.“
Diese Ausführungen (ebenso VG Magdeburg, Urteil vom 21. Mai 2003 – 8 A
127/02 –, juris) legt die Kammer ihrer Auffassung zugrunde. Dabei
berücksichtigt die Kammer insbesondere auch die Darstellung des Klägers zu
seinen persönlichen Lebensumständen nach der Trennung von seiner 1.
Ehefrau wie in der mündlichen Verhandlung geschildert.
Eine bewusste Kenntnis über die Zahlung der kinderbezogenen Leistungen für
seine Söhne an den zweiten Ehemann seiner Ex-Frau hatte der Kläger nicht.
Er hatte aber auch keine Anhaltspunkte, die eine entsprechende Nachfrage
erforderlich gemacht hätte. Aus seiner Darstellung folgt glaubhaft, dass der
Kontakt zwischen den Ehegatten nach der Trennung 1995 zunehmend
geringer geworden sei. Zu einem bereits zuvor schwierigen Verhältnis seien
mehrere Umzüge seiner ehemaligen Ehefrau getreten, die zuletzt 2002/3 in die
Gegend von J. verzogen sei. Weiter erläuterte der Kläger, dass diese
räumliche Trennung auch - nicht zuletzt aus finanziellen Gründen - zu einem
immer geringeren Kontakt zu seinen Söhnen geführt habe. An der Richtigkeit
der Aussage des Klägers, bereits von der neuerlichen Eheschließung seiner
Ex-Frau erst 2005 erfahren zu haben, wie geschildert, besteht unter diesen
Umständen kein Zweifel, denn einerseits ist nachvollziehbar, dass das
Verhältnis zwischen den ehemaligen Ehegatten Mitteilungen der
geschiedenen Ehefrau über eine neue Partnerschaft über Person und
persönliche Umstände - insbesondere die Einkommensverhältnisse - des
neuen Partners ausschließt. Dies gilt um so mehr, als der Kläger
Unterhaltsleistungen an seine Ex-Frau nicht erbracht hat und damit eine
Kommunikation „über Geld“ zwischen den geschiedenen Ehegatten nicht
erforderlich war. Andererseits ist plausibel, dass der Kläger insoweit
maßgebliche Einzelheiten auch nicht über seine Söhne erlangen konnte.
Unabhängig von der Frage, ob die 1990 und 1992 geborenen Söhne ab 2004
überhaupt Einzelheiten zur Person des neuen Partners ihrer Mutter hätten
angeben können, ist nachvollziehbar, dass das sehr lose Verhältnis des
Klägers zu seinen Söhnen nicht die Grundlage für einen „Erkenntnisgewinn“ in
dieser Richtung sein kann; wenn, wie der Kläger geschildert hat, briefliche oder
telefonische Kontakte z.T. nur einmal innerhalb eines Vierteljahres
stattgefunden haben, richtet sich das Interesse des von seinen Kindern
getrennt lebenden Vaters auf diese und nicht auf den ihm unbekannten neuen
Partner seiner Ex-Frau.
Aus diesen Gründen hat der Kläger seine Treuepflichten hier nicht verletzt,
indem er keine weiteren Auskünfte eingeholt hat. Zwar mag das Verhältnis
zwischen geschiedenen Ehegatten häufig angespannt sein und entgegen den
Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist die Tatsache,
dass er bereits seit 1997 gegenüber der Beklagten auf fehlende Auskünfte
seiner Ex-Ehefrau hingewiesen haben will, aus den Verwaltungsvorgängen
nicht nachvollziehbar. Insoweit folgt das Gericht jedoch der Darstellung des
Klägers aus der mündlichen Verhandlung über die hier besonders schwierige
Situation. Zudem gilt, dass dann, wenn entsprechende Mitteilungen des
Klägers in dem genannten Sinne - erst seine Erklärung vom 27.03.2009 weist
auf diesen Umstand hin - gefehlt haben sollten, der Kläger dennoch objektiv
keine Hinweise auf die berufliche Tätigkeit und den Bezug des Zuschlags
durch den 2. Ehemann seiner Ex-Frau und damit auch keinen Anlass zur
Nachfrage hatte. Ein gerichtliches Vorgehen gegen seine Ex-Frau und/oder
seine Söhne, um entsprechende Auskünfte zu erlangen, gehört entgegen der
Auffassung der Beklagten grundsätzlich nicht zu den Verpflichtungen des
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Klägers; Anhaltspunkte für ein insoweit bewusst treuwidriges Verhalten
bestehen nicht (zu einer vergleichbaren Wertung für die Realisierung eines
Unterhaltsanspruchs im Rahmen des § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG vgl.
Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 15. Juli 2009 – 3 K 740/08 –,
juris).
Eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung ist dem Kläger danach nicht vorzuwerfen,
so dass er sich auf die Entreicherung berufen kann.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Rückforderung nicht vor, so dass der
Klage stattzugeben war. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Gründe für eine
Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1
VwGO) liegen nicht vor.