Urteil des VG Braunschweig vom 18.06.2014
VG Braunschweig: treu und glauben, grundstück, sondernutzung, venire contra factum proprium, öffentliche sicherheit, polizeiliche generalklausel, luftraum, gemeingebrauch, verkehrssicherheit, gefahr
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Anordnung der Beseitigung von Pflanzenüberwuchs
in den öffentlichen Verkehrsraum
1. Der Überwuchs von Pflanzenteilen in den öffentlichen Verkehrsraum stellt
in der Regel keine Sondernutzung i. S. v. § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG dar.
2. Die zuständigen Ordnungsbehörden können den Eigentümer des der
Straße benachbarten Grundstücks über § 11 SOG i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1
und 2 StVO verpflichten, das Lichtraumprofil über einem gemeinsamen Geh-
und Radweg bis zu einer Höhe von 2,50 m freizuschneiden.
VG Braunschweig 6. Kammer, Urteil vom 18.06.2014, 6 A 242/13
§ 124 BGBEG, § 11 SOG ND, § 18 StrG ND, § 22 S 1 StrG ND, § 31 StrG ND, § 32
Abs 1 StVO
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihm aufgegeben
wurde, von seinem Grundstück auf einen öffentlichen Geh- und Radweg
hineinragenden Bewuchs zurückzuschneiden.
Er ist seit 1997 Eigentümer des Grundstücks „F.“ (Gemarkung G., H.) mit einer
Gesamtgröße von ca. 27,8 ha. Das Grundstück grenzt auf einer Länge von ca.
560 m an die I. (J.) in Braunschweig. Die J. verbindet die Kernstadt von
Braunschweig mit dem Stadtteil K. und weiteren Ortsteilen. Im Bereich des „F“
befinden sich auf beiden Straßenseiten kombinierte Geh- und Radwege. Der
Kläger ist darüber hinaus Eigentümer der auf der gegenüberliegenden Seite an
die J. grenzenden Grundstücke, auf denen sich vier über die J. zu erreichende
Gebäude befinden. Alle Grundstücke werden im Wesentlichen als Waldfläche
genutzt und befanden sich zuvor seit den 50er Jahren im Eigentum des Vaters
des Klägers.
Aufgrund von Bürgerbeschwerden fand in den Jahren 1984 und 2000
zwischen dem Vater des Klägers bzw. dem Kläger und der Beklagten
Schriftverkehr zu der Frage statt, wer verpflichtet ist, von den genannten
Grundstücken auf die Geh- und Radwege überhängenden Bewuchs, der den
Radverkehr gefährdet, zu beseitigen. Wegen der Einzelheiten dieses
Schriftverkehrs wird auf die vorgelegten Unterlagen der Beklagten (vgl. Bl. 19-
24 der Gerichtsakte) verwiesen. Zwischen 1984 und 2008 wurden einzelne auf
die Geh- und Radwege von den Grundstücken des Klägers überhängende
Zweige durch Mitarbeiter der Beklagten zurückgeschnitten. Dafür entstandene
Kosten wurden dem Kläger oder seinem Vater nicht in Rechnung gestellt. Auf
entsprechende Beschwerden forderte die Beklagte den Kläger sowohl 2011
als auch 2012 auf, für einen verkehrssicheren Zustand auf dem an sein
Grundstück angrenzenden Geh- und Radweg zu sorgen und drohte die
Ersatzvornahme an. Der Kläger vertrat – wie bereits in der Vergangenheit – die
Ansicht, dazu nicht verpflichtet zu sein. Ein Rückschnitt des Bewuchses
erfolgte im Jahr 2011 im Zuge einer Radwegesanierung, im Jahr 2012 im Zuge
der Neuverlegung einer Strom- und Fernmeldenetzleitung durch die
beauftragten Firmen.
Aufgrund mehrerer erneuter Beschwerden wegen in den Radweg hängender
Zweige erging am 28.08.2013 der hier angefochtene Bescheid. Damit wurde
dem Kläger seitens der Beklagten aufgegeben, den von seinem Grundstück,
Gemarkung G., H., in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Bewuchs
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unverzüglich, spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung der
Verfügung, so weit zurückzuschneiden, dass über dem Fahrradweg ein
Verkehrsraum von mindestens 2,50 m Höhe frei bleibt. Die sofortige
Vollziehung wurde angeordnet und für den Fall der Nichtbefolgung das
Zwangsmittel der Ersatzvornahme angedroht. Zur Begründung trug die
Beklagte vor, die in den Straßenraum hineinwachsenden Äste und Zweige
stellten eine unerlaubte Sondernutzung gemäß § 18 Abs. 1 Niedersächsisches
Straßengesetz (NStrG) dar, da zum öffentlichen Straßenraum auch der
Luftraum über dem Straßenkörper gehöre (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 NStrG). Als örtlich
und sachlich zuständiger Straßenbaulastträger gemäß § 10 NStrG habe sie
die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs zu gewährleisten. Unter Beachtung
der Richtlinien des Bundesministers für Verkehr an die nachgeordneten
Straßenbaubehörden (Richtlinie für die Anlage von Straßen -
Querschnittsgestaltung) müsse über Geh- und Radwegen ein Verkehrsraum
einschließlich Sicherheitsraum von mindestens 2,50 m Höhe frei gehalten
werden, um u. a. Beeinträchtigungen der Verkehrsteilnehmer und daraus
resultierende Unfallgefahren zu verhindern. Von der unerlaubten
Sondernutzung gehe eine Gefahr für die Allgemeinheit aus, da
Verkehrsteilnehmer beim Vorbeigehen bzw. Vorbeifahren behindert oder sogar
ernsthaft verletzt werden könnten. Bei Abwägung der Interessen sei die
Verkehrssicherheit höher zu bewerten als das wirtschaftliche Interesse des
Klägers am Fortbestand der Situation. Daher sei es im Rahmen
ordnungsgemäßer Ermessensausübung gemäß § 22 NStrG sachgerecht und
verhältnismäßig, die Beseitigung des Überwuchses anzuordnen.
Dagegen hat der Kläger am 10.09.2013 Klage erhoben und einen Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (6 B 243/13). Am 12.10.2013
hat er die erforderlichen Arbeiten selbst durchgeführt. Daraufhin ist das
einstweilige Rechtsschutzverfahren mit Beschluss des erkennenden Gerichts
vom 04.11.2013 eingestellt worden. Nachdem die Beklagte mitgeteilt hat, dem
Kläger bei einer vergleichbaren Sachlage in den nächsten Jahren erneut den
Rückschnitt des von seinem Grundstück in den öffentlichen Straßenraum
hineinragenden Bewuchses aufzugeben, verfolgt dieser sein Begehren im
Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage weiter. Er verneint weiterhin seine
Verantwortlichkeit und trägt dazu Folgendes vor:
Er sei nicht aus dem von der Beklagten in der Vergangenheit angeführten § 31
Abs. 2 NStrG verpflichtet, die Äste bzw. die gesamte Anpflanzung entlang der
J. zu beseitigen. Bereits damals habe er darauf hingewiesen, dass die
Beklagte jedenfalls gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 NStrG die Kostenpflicht treffe,
weil die J. nachträglich, ungefähr zwischen 1920 und 1930, durch das seit
Jahrhunderten bestehende und unverändert gebliebene Waldgebiet verlegt
worden sei. Darüber hinaus stelle der Überwuchs auch keine Sondernutzung
im Sinne des NStrG dar. Der Gesetzgeber habe dieses Problem erkannt und
daher die Beseitigung von Anpflanzungen und die damit verbundenen
Kostentragungspflichten extra in § 31 Abs. 2 NStrG abschließend geregelt.
Außerdem sei die angefochtene Verfügung auch unverhältnismäßig, da die
Errichtung der J. allein den Bedürfnissen der Beklagten diene. Für den
Anschluss der Bebauung auf seinem Grundstück sei die J. nie erforderlich
gewesen. Die Grundstücke hätten bereits damals durch andere Zuwegungen
erreicht werden können. Auch sei die J. zu einer Zeit gebaut worden, als es
den Standteil L. noch nicht gegeben habe. Welche verkehrsplanerischen
Überlegungen seinerzeit maßgeblich gewesen seien, könne er nicht
beurteilen. Mittlerweile sei die J. allerdings eine Straße geworden, die von dem
fließenden Verkehr im Bereich L., M. und ehemalige N. sowie für die Bereiche
O., P. und Q. erheblich genutzt werde. Daher sei für ihn eine
Beseitigungspflicht für mehrere 100 m nicht zumutbar. In diesem Sinne habe
wohl auch die Beklagte in den vergangen Jahrzehnten die Rechtslage
eingeschätzt und selbst für einen Rückschnitt der Äste gesorgt. Daher sei seit
den 80er Jahren ein Rechtschein dahingehend gesetzt worden, dass er als
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Grundstückseigentümer auch in Zukunft nicht in Anspruch genommen werde.
Der Kläger beantragt
festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.08.2013
rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, bei dem Überwuchs handele es sich um eine
unerlaubte Sondernutzung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG. Nach dieser
Vorschrift sei die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus
Sondernutzung. Unter Berücksichtigung des betroffenen Schutzgutes, nämlich
der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, gehörten alle Benutzungen zum
öffentlichen Recht der Sondernutzung, die sich auf den Verkehrsraum
beziehen. Der Überwuchs vom Grundstück des Klägers beziehe sich in
diesem Sinne auf den Verkehrsraum und beeinträchtige den Gemeingebrauch
des öffentlichen Straßenraumes. Außerdem stelle er eine erhebliche
Unfallgefahr für die Verkehrsteilnehmer dar. Da der Kläger über keine
Erlaubnis verfüge, habe sie gemäß § 22 NStrG die erforderlichen Maßnahmen
zur Beendigung der Benutzung anordnen können. Selbst wenn es sich nicht
um eine unerlaubte Sondernutzung handele, habe sie dem Kläger die
Beseitigung gemäß § 11 Nds. SOG aufgeben können. Eine vom Grundstück
des Klägers ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei darin zu
sehen, dass insbesondere Radfahrer durch herabhängende Zweige am
Vorbeifahren gehindert bzw. ernsthaft verletzt werden könnten. Zwar treffe es
zu, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten den Rückschnitt selbst
veranlasst habe. Aus dem vorliegenden Schriftverkehr ergebe sich jedoch,
dass die Rechtslage zwischen den Beteiligten bereits seit den 80er Jahren
umstritten gewesen sei. Eine abschießende Klärung sei seinerzeit nicht
herbeigeführt worden und werde nunmehr nachgeholt. Dem Kläger sei auch
zumutbar, den von seinem Grundstück ausgehenden Überwuchs auf eigene
Kosten zurückzuschneiden. Aus welchem Grund die Allgemeinheit für diese
Maßnahme weiter aufkommen solle, sei weder ersichtlich, noch vom Kläger
vorgetragen. Sie habe die angefochtene Verfügung nicht auf § 31 Abs. 2
NStrG gestützt. Dem Kläger sei gerade nicht aufgegeben worden,
Anpflanzungen zu beseitigen, sondern lediglich den Überwuchs
zurückzuschneiden. Daher komme es nicht darauf an, ob die J. neu angelegt
oder ausgebaut worden sei. Im Übrigen sei der Eigentümer auch nach § 31
Abs. 2 NStrG zur Beseitigung von Anlagen verpflichtet. § 31 Abs. 3 NStrG
regele nur die Frage, in welchen Fällen der Träger der Straßenbaulast den
Betroffenen Aufwendungen und Schäden in Geld zu ersetzen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte
im vorliegenden Verfahren sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als
Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Der Kläger hat den von seinem
Grundstück in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Bewuchs nach
Klageerhebung selbst entfernt. Damit hat sich die ursprünglich angefochtene
Verfügung vom 28.08.2013 erledigt. Da die Beklagte den Erlass einer
inhaltsgleichen Verfügung in der Zukunft angekündigt hat, besteht ein
berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit
des Bescheides vom 28.08.2013.
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Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Feststellung
der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 28.08.2014 zu. Die Beklagte hat ihn
im Ergebnis rechtsfehlerfrei aufgefordert, den von seinem Grundstück,
Gemarkung G., H. in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Bewuchs
so weit zurückzuschneiden, dass über dem angrenzenden Geh- und Radweg
ein Verkehrsraum von mindestens 2,50 m Höhe frei bleibt. Zwar hat die
Beklagte den Bescheid zu Unrecht auf § 22 Satz 1 NStrG gestützt (1.). Die
Anordnung ist jedoch über § 11 SOG i. V. m. § 32 StVO gerechtfertigt (2.). Die
Beklagte hat ihr Recht, den Kläger zur Beseitigung des Überwuchses
aufzufordern, nicht verwirkt (3.). Einer Verpflichtung des Klägers zur
Beseitigung des Überwuchses steht auch § 31 Abs. 3 Satz 2 NStrG nicht
entgegen (4.).
1. Gemäß § 22 Satz 1 NStrG kann die zuständige Behörde dann, wenn eine
Straße ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis benutzt wird, die
erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen.
Voraussetzung ist, dass eine Sondernutzung i. S. v. § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG
vorliegt. Der Überwuchs der Zweige von auf dem Grundstück des Klägers
gepflanzten Bäumen und Sträuchern in den Luftraum über dem gemeinsamen
Geh- und Radweg auf der J. stellt bei Auslegung der maßgeblichen
Vorschriften nach dem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck keine
Sondernutzung in diesem Sinne dar.
Straßenrechtliche Sondernutzung liegt vor, wenn eine Straße über den
Gemeingebrauch hinaus benutzt wird (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG).
Gemeingebrauch im Sinne der gesetzlichen Definition des § 14 Abs. 1 Satz 1
NStrG ist der Gebrauch der Straße im Rahmen der Widmung und der
Verkehrsvorschriften zum Verkehr. Er zerfällt nach herkömmlicher
Unterscheidung in die Kategorien des schlichten Gemeingebrauchs als
„Jedermannsgebrauch" im Sinne des Straßenverkehrsrechts sowie als sog.
kommunikativer Verkehr und in den gesteigerten Gemeingebrauch der
Straßenanlieger (sog. Anliegergebrauch), die in spezifischer Weise auf die
Benutzung der Straße für Zufahrt und Zugang zu ihrem Grundstück und für
den „Kontakt nach außen" angewiesen sind. Hiervon abzugrenzen ist der
Sondergebrauch (Sondernutzung), der insbesondere verkehrsfremde
Nutzungen der Straße meint (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 NStrG) und nach § 18
NStrG erlaubnispflichtig ist (vgl. Nds. OVG, U. v. 18.07.2012 - 7 LB 29/11 -,
juris Rn. 25). Bereits die Begriffe des „Sondergebrauchs“ und der „Benutzung
der Straße über den Gemeingebrauch hinaus“ weisen daraufhin, dass eine
straßenrechtliche Sondernutzung ein finales, d. h. zielgerichtetes Element
voraussetzt. Denn die synonymen Begriffe „gebrauchen“ und „benutzen“
bedeuten vom Wortsinn her, „eine Sache für einen bestimmten Zweck
verwenden“ (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl., zu
„nutzen/benutzen“). Das Überwachsen von Pflanzen in den öffentlichen
Straßenraum ist jedoch ein bloßes - von einem Nutzungswillen unabhängig
verlaufendes - Naturereignis (vgl. VG Koblenz, U. v. 08.08.2008 - 4 K
1831/07.KO – juris Rn. 22 zum insoweit vergleichbaren rheinland-pfälzischen
Straßengesetz). Auch mit dem Unterlassen eines Rückschnitts verfolgte der
Kläger, als Eigentümer der Bäume und Sträucher, keinen besonderen Zweck
im Hinblick auf die J.. In der Kommentarliteratur zum Nds. StrG bzw. zum
Straßenrecht allgemein werden die unterschiedlichen Benutzungen der Straße
im Rahmen einer Sondernutzung ebenfalls nach den unterschiedlichen
Zwecken, denen sie dienen sollen, bzw. den damit verfolgten Interessen
differenziert (vgl. Wendrich, Nds. Straßengesetz, 4. Aufl., § 18 Rn. 2; Kodal,
Straßenrecht, 7.Aufl., Kapitel 26, 2. a), Rn. 5).
Sinn und Zweck der Regelungen des NStrG sprechen ebenfalls gegen die
Einordnung von pflanzlichem Überwuchs als Sondernutzung. Dies ergibt sich
insbesondere aus einer Abgrenzung des Straßenrechts zum
Straßenverkehrsrecht. Das Straßenrecht befasst sich mit den
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Rechtsverhältnissen an öffentlichen Straßen in sachenrechtlicher Hinsicht. Es
regelt die Benutzung der gewidmeten Straße und ist daher auf die Benutzer
und ihre Handlungen hin orientiert. Demgegenüber regelt das
Straßenverkehrsrecht den Verkehr auf öffentlichen Straßen unter
ordnungsrechtlichen Gerichtspunkten und stellt insoweit sachlich begrenztes
Ordnungsrecht dar. Es bestimmt die (polizeilichen) Anforderungen, die an den
Verkehr und die Verkehrsteilnehmer gestellt werden, um Gefahren
abzuwenden und den optimalen Ablauf des Verkehrs zu gewährleisten (vgl.
Kodal, a. a. O. Kapitel 4, 1.), Rn. 4.3). Maßnahmen gegen pflanzlichen
Überwuchs in den öffentlichen Straßenraum erfolgen in aller Regel - wie auch
im vorliegenden Fall - nicht unter dem Blickwinkel der Straßenbenutzung,
sondern zur Gefahrenabwehr. So begründet auch die Beklagte ihre zwar
formal auf § 22 Satz 1 NStrG gestützte Beseitigungsanordnung vom
28.08.2013 lediglich mit möglichen Unfallgefahren für Verkehrsteilnehmer und
der notwendigen Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung des öffentlichen
Straßenverkehrs. Dementsprechend können Maßnahmen zur Abwehr von
pflanzlichem Überwuchs in den öffentlichen Straßenraum auf ordnungs- und
straßenverkehrsrechtliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden (s.
unten 2.). Einer Ausdehnung des Anwendungsbereiches des § 22 Satz 1
NStrG bedarf es daher nicht (vgl. zu allem Vorstehenden auch VG Koblenz, a.
a. O., Rn. 21 ff.).
Zwar kommt es für eine Sondernutzung grundsätzlich nicht auf die subjektiven
Vorstellungen des Straßennutzers, sondern allein auf die tatsächliche
Benutzung über den Gemeingebrauch hinaus an (vgl. VGH Baden-
Württemberg, B. v. 26.06.1996 - 5 S 1456/96 -, juris Rn. 4; s. auch Sauthoff,
Öffentliche Straßen, 2. Aufl. Rn. 357). Dies spricht hier aber nicht für die
Annahme einer Sondernutzung. Im konkreten Fall liegt eine „Benutzung“ der
Straße schon begrifflich und damit unabhängig von den konkreten
Vorstellungen des Klägers nicht vor. Soweit andere Gerichte und
Literaturmeinungen einen pflanzlichen Überwuchs in öffentlichen Straßenraum
allgemein als straßenrechtliche Sondernutzung qualifizieren (vgl. OVG
Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.07.2009 - 11 A 701/07 -, juris Rn. 20 und B. v.
10.06.1999 - 23 B 844/99 -; VG Gelsenkirchen, U. v. 02.12.2010 - 16 K
4495/09 -, juris Rn. 41; VG Augsburg, U. v. 21.11.2012 - Au 6 K 12.1168 -, juris
Rn. 26; Witting: in Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl., § 11 Rn. 12; Sauthoff, a. a. O.,
Rn. 351; Stuchlik, GewA 2004, 143, 145/148; Otto, DVP, 2001, 392;
Stollenwerk, LKRZ 2009, 95, 96) ist diesen gemeinsam, dass weder die
Anwendbarkeit der straßenrechtlichen Regelungen begründet noch eine
Abgrenzung zum Ordnungs- bzw. Verkehrsrecht vorgenommen wird.
2. Die Anordnung der Beseitigung des in den öffentlichen Straßenraum
ragenden Bewuchses bis zu einer Höhe von 2,50 m ist jedoch über § 11 SOG
i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO gerechtfertigt.
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO ist es verboten, die Straße zu beschmutzen
oder zu benetzen oder Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen
zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann.
Die Ordnungsbehörde ist unter Berufung auf die Generalklausel des § 11 SOG
i. V. m. § 32 Abs. 1 StVO berechtigt, von demjenigen, der für verkehrswidrige
Zustände verantwortlich ist, die Beseitigung der Verkehrshindernisse zu
verlangen (vgl. VG Braunschweig, B. v. 02.09.2009 - 6 B 116/09 -, juris Rn. 8).
). Nach herrschender Meinung können auch Hindernisse im Luftraum über der
Straße wie Kabel, Seile, Markisen, Automaten und Werbeträger in diesem
Sinne tatbestandsrelevant sein. Denn der räumliche Schutzbereich des § 32
Abs. 1 StVO bezieht sich auf die öffentliche Straße, zu der auch der Luftraum
über dem Straßenkörper, der auch Geh- und Radwege umfasst, gehört (vgl. §
2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 NStrG; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42.
Aufl., § 32 StVO Rn. 7, 15). Denn auch in den Luftraum hineinragende
Gegenstände können - insbesondere durch die Gefahr von Kollisionen mit
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Verkehrsteilnehmern - die Verkehrssicherheit als Schutzgut des § 32 StVO
gefährden. Der im vorliegenden Fall im Zeitpunkt des Erlasses des
Bescheides vom 28.08.2013 unstreitig in den Luftraum über dem Geh- und
Radweg der J. ragende Bewuchs stellte auch eine konkrete Gefahr i. S. v. § 2
Nr. 1 Buchst. a SOG dar. Denn es bestand eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich in Anbetracht des nicht unerheblichen
Radverkehrs auf der J. ein Radfahrer in absehbarer Zeit an den
herunterhängenden Zweigen verletzen würde oder deswegen auf die
Fahrbahn ausweichen und es ggf. dort zu einem Unfall kommen würde. Die
Anordnung, den Luftraum über dem gemeinsamen Fuß- und Radweg der J. in
einer Höhe von 2,50 m freizuhalten, ist unter Berücksichtigung der Vorgaben
der sog. ERA 2010, den von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und
Verkehrswesen (FGSV) herausgegebenen „Empfehlungen für
Radverkehrsanlagen“, ebenfalls nicht zu beanstanden. In der
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt (vgl. BVerwG, B. v.
16.04.2012 - 3 B 62/11 -, juris Rn. 20 m. w. N.; VG Braunschweig, U. v.
16.04.2013 - 6 A 64/11 -, juris Rn. 57), dass die dort getroffenen Aussagen bei
der gerichtlichen Einschätzung einer Gefährdungslage als aktuelle
wissenschaftliche Erkenntnisquelle herangezogen werden können. Die ERA
sehen für Radverkehr in der Höhe einen Verkehrsraum von 2,25 m zuzüglich
eines Sicherheitsraumes vor (vgl. 2.2.1 Bild 3). Da nasse oder mit Schnee
bedeckte Äste schwerer sind, ist die Forderung eines freizuschneidenden
Lichtraumprofils in Höhe von 2,50 m jedenfalls gerechtfertigt. Im Übrigen sahen
auch die von der Beklagten in Bezug genommenen, im Zeitpunkt des Erlasses
des Bescheides zurückgezogenen Richtlinien für die Anlage von Straßen -
Querschnittsgestaltung (RAS-Q) einen freizuhaltenden Lichtraum von 2,50 m
vor.
Die Beklagte hat das ihr gemäß § 11 SOG zustehende Ermessen fehlerfrei
ausgeübt, auch wenn sie ihre Verfügung dem Wortlaut nach fehlerhaft auf § 22
NStrG statt auf § 11 SOG i. V. m. § 32 StVO gestützt hat. Denn sie hat bei der
vorgenommenen Abwägung dem Interesse an der Herstellung der
Verkehrssicherheit den Vorzug gegenüber dem persönlichen bzw.
wirtschaftlichen Interesse des Klägers gegeben, nicht für die Beseitigung des
Überwuchses verantwortlich zu sein. Damit hat sie die Erwägungen angestellt,
die auch beim Erlass einer Verfügung gestützt auf die polizeiliche
Generalklausel i. V. m. § 32 StVO hätten berücksichtigt werden müssen (vgl.
VG Koblenz, a. a. O., Rn. 34). Die Verfügung ist auch nicht im Hinblick auf die
Länge des vom Bewuchs freizuhaltenden Straßenabschnittes von mehr als
500 m unverhältnismäßig. Denn der Kläger kommt mit der angeordneten
Maßnahme der Verkehrssicherungspflicht für sein Grundstück nach, die aus
der Sozialbindung des Eigentums folgt (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG). Insofern ist
nicht zu beanstanden, wenn derjenige, der ein Grundstück von insgesamt
mehr als 27,8 ha besitzt, ggf. entsprechend größere Lasten im Interesse des
Gemeinwohls zu tragen hat.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers steht seiner Pflicht zur Beseitigung des
Überwuchses nicht entgegen, dass die Beklagte ihn unstreitig über Jahre nicht
als für den Überwuchs Verantwortlichen in Anspruch genommen hat. Die
Beklagte hat die Befugnis zum Erlass der Beseitigungsverfügung gegenüber
dem Kläger insbesondere nicht verwirkt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist weder im öffentlichen noch im privaten
Recht gesetzlich geregelt. Rechtsgrundlage ist vor allem das Verbot des
treuwidrigen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) als
allgemeiner Gedanke des § 242 BGB. Die Rechtsfolge der Verwirkung besteht
darin, dass das verwirkte Recht nicht mehr ausgeübt werden kann. Die
Verwirkung ist - anders als Einreden, wie z. B. die Verjährung - unabhängig
davon zu beachten, ob sich der von der Rechtsausübung Betroffene darauf
beruft. Daher ist sie gleichbedeutend mit dem dauerhaften Erlöschen des
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verwirkten Rechts. Voraussetzung ist das Verstreichen eines längeren
Zeitraums (sog. Zeitelement). Außerdem müssen besondere Umstände
hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß
gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandselement). Die
Treuwidrigkeit der Rechtsausübung ergibt sich vor allem aus einer Verletzung
des Vertrauensschutzes. Sie ist gegeben, wenn der von der Rechtsausübung
Betroffene infolge eines Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte,
dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen wird
(Vertrauensgrundlage), der Betroffene tatsächlich darauf vertraut hat
(Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen so eingerichtet hat, dass ihm
durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil
entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Eine entsprechende
Vertrauensgrundlage kann nicht nur durch Erklärungen, sondern auch durch
ein bestimmtes sonstiges Verhalten erweckt werden. Bloßes Untätigbleiben
des Inhabers des Rechts reicht, selbst über einen langen Zeitraum, nicht aus.
Anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn aufgrund des besonderen
Rechtsverhältnisses (z. B. im Nachbarschaftsverhältnis) eine Rechtspflicht
zum Handeln besteht oder der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt,
unter denen der Betroffene erwarten kann, dass Schritte zur Rechtswahrung
unternommen werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 26.05.2014 - 11 A
2754/12 -, juris Rn. 26; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 53
Rn. 21 ff.).
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte das Recht, den Kläger als für den
Überwuchs Verantwortlichen in Anspruch zu nehmen, überhaupt verwirken
kann, obwohl ein Vorgehen über § 11 SOG i. V. m. § 32 StVO im öffentlichen
Interesse, hier insbesondere der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer auf der J.
liegt (vgl. zum Problem der Verwirkbarkeit von ordnungsrechtlichen
Eingriffsbefugnissen Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., Rn. 23 m. w. N.).
Denn jedenfalls liegen nicht alle für die Annahme einer Verwirkung
erforderlichen Umstände vor.
Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat nicht nachgewiesen, dass das
Verhalten der Beklagten im oben dargestellten Sinn rechtsmissbräuchlich war.
Er durfte aufgrund des von der Beklagten gezeigten Verhaltens unter
Berücksichtigung der Gesamtumstände nach Treu und Glauben nicht die
berechtigte Erwartung hegen, dass von dem Recht, ihn zur Beseitigung in
Anspruch zu nehmen, kein Gebrauch mehr gemacht werden würde (sog.
Umstandselement). Wie bereits ausgeführt reicht das reine Nichtstun über eine
längere Zeit in der Regel nicht aus. Die für den Zeitraum seit Anfang der 80er
Jahre durch vorgelegte Verwaltungsunterlagen und weitere Recherchen der
Beteiligten rekonstruierten Gesamtumstände rechtfertigen ein solches
Vertrauen des Klägers nicht. Aus den das Jahr 1984 betreffenden Unterlagen
ergibt sich, dass der Vater des Klägers als damaliger Eigentümer seinerzeit
aufgrund von Beschwerden betroffener Radfahrer sowohl persönlich als auch
telefonisch von Bediensteten der Beklagten aufgefordert worden war,
überhängende Zweige zu entfernen. Dies soll auch in den Jahren zuvor
geschehen sein. Weiterhin ergibt sich daraus, dass der Vater des Klägers
daraufhin jedenfalls im Jahr 1984 den Geh- und Radweg eigenhändig
freigeschnitten hat und sich seinerzeit selbst für verantwortlich hielt. Es ist nicht
ausgeschlossen, dass dieser auch in den Jahren zuvor
Rückschnittmaßnahmen vorgenommen oder veranlasst hat. In einem
Schreiben vom 09.07.1984 bat die Beklagte den Vater des Klägers dann
nochmals ausdrücklich, die Wege ständig frei von überhängenden Zweigen zu
halten. Außerdem machte sie darauf aufmerksam, als Straßenbaulastträger für
die Verkehrssicherheit auf den Wegen verantwortlich und deshalb verpflichtet
zu sein, die erforderlichen Arbeiten notfalls auf dem Weg der Ersatzvornahme
zu seinen Lasten ausführen zu lassen. Im Weiteren ist auch nicht ersichtlich,
dass die Beklagte von der damit bereits seinerzeit gegenüber dem Vater des
Klägers geäußerten Rechtsansicht, der Verantwortlichkeit des
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Waldeigentümers für den Überwuchs, abgerückt wäre. Die nachgewiesenen
weiteren Vorgänge waren nicht geeignet, beim Kläger als Eigentümer der
Waldflächen seit 1997 diesen Eindruck zu erwecken. Zum einen ist nicht
bekannt, ob der Vater des Klägers bis zu seiner seitens des Klägers in der
mündlichen Verhandlung mitgeteilten schweren Erkrankung Ende 1988 den
Überwuchs weiterhin selbst entfernt oder durch Dritte hat entfernen lassen.
Ausschließen konnte der Kläger dies in der mündlichen Verhandlung
jedenfalls nicht. Außerdem ergibt sich aus den nur unvollständig vorliegenden
Unterlagen, dass jedenfalls in den Jahren 1999 und 2000 Bescheide
gegenüber dem Kläger ergangen sind, mit denen er zur Beseitigung des
Überwuchses aufgefordert wurde. Auch wenn die vom Kläger dagegen
erhobenen Widersprüche anscheinend - trotz seiner Bitte um einen
rechtsmittelfähigen Bescheid - nicht beschieden und letztlich der Überwuchs
durch die Beklagte entfernt wurde, konnte der Kläger bei dieser Sachlage nicht
davon ausgehen, dass die Beklagte nunmehr ihre eigene alleinige
Verantwortlichkeit anerkannt hatte. Denn insoweit ist auch zu berücksichtigen,
dass die Beklagte als Straßenbaulastträgerin für die J.
verkehrssicherungspflichtig war und ist. Daher kam sie mit der Beseitigung des
Überwuchses auch einer eigenen Verpflichtung nach. Vor diesem Hintergrund
kann die Nichtheranziehung des Klägers allein nicht als dauerhafte
Übernahme seiner Verpflichtung gedeutet werden. Darüber hinaus sind die
von Mitarbeitern der Beklagten von 1984 bis 2008 durchgeführten
Maßnahmen nach den in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten
Recherchen „pragmatisch gehandhabt“ worden. Das heißt, es wurden lediglich
besonders auffällig hineinragende einzelne Äste entfernt, wobei die im
zuständigen Tiefbauamt verantwortlichen Personen wohl jedenfalls teilweise
fälschlich davon ausgingen, dass es sich um einen Staatsforst und nicht um
private Waldflächen handelte. Im Übrigen spricht auch die Tatsache, dass der
durch einen Überwuchs geschaffene Zustand nicht statisch ist, sondern
exponentiell voranschreitet, dagegen, ein Unterlassen der Inanspruchnahme
eines Verantwortlichen als dauerhaften Verzicht auf ein Recht anzusehen (vgl.
OLG Celle, U. v. 02.02.205 – 4 U 237/04 -, juris, Rn. 23). Dementsprechend
konnte der Kläger das eigene Tätigwerden der Beklagten nicht so
interpretieren, dass diese endgültig auf seine Heranziehung zur Beseitigung
des Überwuchses oder zur Erstattung der bei ihr angefallenen Kosten
verzichten würde. In dem Schriftverkehr der Jahre 2011 und 2012 und letztlich
mit dem Bescheid vom 28.08.2013 hat die Beklagte wiederum gegenüber dem
Kläger deutlich gemacht, ihn für die Beseitigung des Überwuchses
verantwortlich zu halten. So teilte die Beklage dem Kläger mit einem Schreiben
vom 05.10.2011 zwar mit, dass sie den Überwuchs aus Gründen der
Verkehrssicherheit auf ihre Kosten selbst beseitigt habe. Allerdings wurde dort
gleichzeitig für die Zukunft darauf verwiesen, dass den Kläger als Besitzer des
Waldes eine Verkehrssicherungspflicht für die angrenzenden Bäume treffe und
er über §§ 910, 1004 BGB zur Beseitigung störender Äste aufgefordert werden
könne. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger
tatsächlich darauf vertraut hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden
und sich darauf eingerichtet hat, so dass ihm durch die verspätete
Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Allein
das Interesse, mit den Kosten für Rückschnittmaßnahmen entlang des
eigenen Grundstücks nicht belastet zu werden oder entsprechende
Maßnahmen nicht selbst durchführen zu müssen, führt hier nicht zu einem
unzumutbaren Nachteil in diesem Sinne. Auch insoweit ist auf den
Gesichtspunkt der Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG zu
verweisen (s. o.). Nach alledem konnte der Kläger nach den konkreten
Gesamtumständen nicht darauf vertrauen, dass er für die Beseitigung von
Gefahren für die Allgemeinheit, die ihren Ursprung auf seinem Grundstück
haben, zu Lasten des Haushaltes der Beklagten auf Dauer und mit Wirkung für
weitere Rechtsnachfolger verschont bleiben wird.
Der Kläger kann sich auch nicht auf eine alleinige Pflicht der Beklagten zur
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Beseitigung des Überwuchses aus Gewohnheitsrecht berufen. Denn ein
Gewohnheitsrecht mit örtlich begrenztem Geltungsbereich (sog. Observanz)
setzt eine langdauernde, allgemeine Übung voraus, die durch
Rechtsüberzeugung getragen sein muss (vgl. Hess. VGH, U. v. 06.09.1988 - 2
UE 1126/86 -, juris, Rn. 24). Nach den oben skizzierten Umständen, geprägt
durch immer wieder geführten Schriftverkehr, eine auch eigene
Beseitigungspflicht der Beklagten als Straßenbaulastträgerin und teilweisen
Irrtum der Beklagten in Bezug auf den Eigentümer der Waldfläche, konnte ein
solches Gewohnheitsrecht nicht entstehen.
4. Einer Verpflichtung des Klägers zur Beseitigung des Überwuchses steht
auch § 31 Abs. 3 Satz 2 NStrG nicht entgegen. Die Regelungen des § 31 Abs.
2 und 3 NStrG sind auf den vorliegenden Fall, d. h. einen Überwuchs von auf
privatem Grund angepflanzten Bäumen und Sträuchern in den öffentlichen
Straßenraum, nicht anwendbar.
Zum einen bezieht sich § 31 Abs. 2 NStrG bereits seinem Wortlaut nach
lediglich auf die Pflicht zur Beseitigung von Anpflanzungen, nicht auf das
Zurückschneiden eines Bewuchses. Zum anderen ergibt sich bei einer
Gesamtbetrachtung der Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer
Zweckbestimmung die Unanwendbarkeit auf den vorliegenden Fall.
Rechtliche Grundlage der Vorschrift ist nämlich Art. 124 EGBGB, wonach das
Eigentum an Grundstücken zugunsten des Nachbarn noch anderen als im
BGB bestimmten Beschränkungen unterworfen werden kann. Davon hat der
niedersächsische Gesetzgeber Gebrauch gemacht, weil die Rechtsprechung
zur Verkehrssicherungspflicht den Straßenbaulastträger verpflichtet, (auch)
Gefahren zu begegnen, die sich aus der Lage der Straße im Gelände ergeben.
Der Straßenbaulastträger hat danach auf den der Straße benachbarten
Grundstücken Vorkehrungen zu treffen, die seitlich oder oberhalb der Straße
gegen schädliche Natureinwirkungen erforderlich sind. Dem trägt die den
Eigentümern und Besitzern benachbarter Grundstücke in § 31 Abs. 1 NStrG
auferlegte Duldungspflicht Rechnung. Diese müssen die notwendigen
Vorkehrungen zum Schutz der Straße vor nachteiligen Einwirkungen der Natur
auf ihren Grundstücken hinnehmen (vgl. Wendrich, a. a. O., § 31 Rn. 1). Auf
dieser Grundlage ist der hier vom Kläger in Bezug genommene Abs. 2 der
Vorschrift dahingehend auszulegen, dass sich die dort geregelte Pflicht zur
Beseitigung von Anpflanzungen, nur auf solche Anpflanzungen bezieht, die
sich unmittelbar auf dem Grundstück des (Straßen)-Nachbarn befinden. Auf in
das Lichtraumprofil über dem Straßenkörper hineinwachsende Zweige bezieht
sich die Vorschrift demgegenüber nicht. Denn zur Regelung eines
Überwuchses wäre die Vorschrift des § 31 Abs. 2 NStrG nicht erforderlich
gewesen, da der Straßenbaulastträger bereits auf der Grundlage der §§ 910,
1004 BGB den Überwuchs selbst beseitigen bzw. dessen Beseitigung
verlangen dürfte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.07.2009, a. a. O.,
juris Rn. 22 und U. v. 24.01.1972 - IX 167/71 -, OVGE MüLü 27, 248, 249;
BGH, U. v. 08.06.1979 - V ZR 46/78 -, juris Rn. 7; VG Koblenz, a. a. O., Rn. 20;
Wendrich, a. a. O., § 31 Rn. 5). Da damit auch die Regelung in § 31 Abs. 3
NStrG nicht anwendbar ist, ist nicht von Belang, dass die Waldflächen des
Klägers schon vor dem Bau der J. existierten. Dies gilt ebenso für die Frage,
ob die J. bei ihrem Bau (auch) der Erschließung der Grundstücke des Klägers
diente. Jedenfalls heute wird das auch mit Gebäuden bebaute, auf der
gegenüberliegenden Seite der J. gelegene Grundstück von dieser
erschlossen.
Die Androhung der Ersatzvornahme entsprach den Vorgaben der §§ 70, 64,
65 und 66 SOG i. V. m. § 70 Abs. 1 NVwVG.