Urteil des VG Braunschweig vom 25.04.2013

VG Braunschweig: recht auf akteneinsicht, verwaltung, stadt, auskunftsrecht, vertretung, kontrolle, akteneinsichtsrecht, ngo, informationsanspruch, fraktion

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Zum Auskunftsanspruch eines kommunalen
Abgeordneten
Das Auskunftsrecht der kommunalen Abgeordneten dient ihrer umfassenden
Information. Es muss nicht begründet werden und wird nicht durch das Recht
auf Akteneinsicht beschränkt, so dass es sich auch auf den Wortlaut
bestimmter Aktenbestandteile erstrecken kann.
VG Braunschweig 1. Kammer, Urteil vom 25.04.2013, 1 A 225/12
§ 56 S 2 KomVerfG ND
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Wortlaut der im Schreiben des
Beklagten vom 20.08.2012 aufgelisteten Verträge mit den Nummern 5-18, 20-
34, 36-38, 40, 41 und 43 mitzuteilen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
vollsteckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Auskunft.
Am 07.05.2012 beantragte die Fraktion der Piratenpartei im Rat der Stadt
Braunschweig, deren Fraktionsvorsitzender der Kläger ist, Akteneinsicht „in alle
Verträge der Stadt, die im Zeitraum 2001 bis heute rechtskräftig sind oder waren
und die mit juristischen oder natürlichen Personen, in deren Namen der
Bestandteil E. vorkommt, geschlossen wurden“. Die Einsicht sollte durch den
Kläger wahrgenommen werden. Mit Schreiben vom 07.06.2012 lehnte der
Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, das
Akteneinsichtsrecht diene als Kontrollrecht des Rates ausschließlich zum Zweck
der Überwachung der Durchführung der Beschlüsse des Rates und des
sonstigen Ablaufs von Verwaltungsangelegenheiten. Das Recht bestehe
insbesondere nicht zur allgemeinen Informationsbeschaffung und im Rahmen
der kommunalpolitischen Arbeit. Daher sei in dem Antrag auf Akteneinsicht
grundsätzlich zu begründen und glaubhaft darzulegen, dass die Einsichtnahme
ausschließlich zu Überwachungszwecken erfolgen solle. In dem Antrag des
Klägers sei ein das Einsichtsverlangen rechtfertigender Überwachungszweck
nicht dargelegt. Daher entspreche der Antrag derzeit nicht den gesetzlichen
Anforderungen und sei abzulehnen.
Am 04.06.2012 verlangte der Kläger nunmehr in eigenem Namen (als
Ratsmitglied) vom Beklagten Auskunft zu der Frage, „welche Verträge der Stadt,
die im Zeitraum 2001 bis heute rechtskräftig sind oder waren und die mit
juristischen oder natürlichen Personen, in deren Namen der Bestandteil E.
vorkommt, geschlossen wurden, existieren und welchen Wortlaut sie haben“.
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Nach internen Recherchen übersandte der Beklagte dem Kläger unter dem
28.08.2012 eine chronologische Auflistung von Verträgen, in denen der
Namensbestandteil E. vorkommt. Diese Auflistung wurde mit der Bitte
übermittelt, darzulegen, für „welche konkreten Fragestellungen der Tätigkeit im
Rat oder in den Fachausschüssen welche Auskunft aus welchen Verträgen
begehrt werde“. Danach werde entschieden, in welcher Art und Weise dem
Auskunftsersuchen entsprochen werde. Die Auflistung enthielt 43 Verträge.
Unter dem 10.09.2012 bat der Kläger erneut um den Wortlaut der im Schreiben
vom 28.08.2012 genannten Verträge mit den Nummern 5 bis 18, 20-34, 36-38
sowie 40, 41 und 43. Das sei zur Klärung der Fragestellung, inwieweit sich die
Stadt Braunschweig in ihren Handlungsmöglichkeiten, auch im Detail, durch
Verträge mit Dritten, hier konkret den F., eingeschränkt habe und eingeschränkt
sei, welche Gegenleistungen die Stadt dafür im Detail erhalten habe sowie
welche Kündigungsbedingungen und schriftliche Nebenabsprachen in den
zugrunde liegenden Verträgen enthalten seien, erforderlich. Der Beklagte
erwiderte, aus dem Auskunftsrecht ergebe sich kein Anspruch auf eine
bestimmte Form der Auskunft und mithin auch kein Anspruch auf Mitteilung des
Wortlauts der Verträge. Das Auskunftsrecht beinhalte lediglich den Anspruch,
Tatsachen mitgeteilt zu bekommen. Die Antwortform liege im pflichtgemäßen
Ermessen. Er habe freiwillig eine Auflistung der entsprechenden Verträge
zusammengestellt. Um dem Auskunftsverlangen entsprechen zu können,
würden konkrete Tatsachennachfragen zu den Verträgen benötigt.
Die zwischenzeitlich vom Kläger eingeschaltete Kommunalaufsicht beim
Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport teilte unter dem
25.10.2012 mit, der Beklagte sei mit der Übersendung der tabellarischen
Übersicht der abgeschlossenen Verträge seiner Auskunftsverpflichtung in
ausreichendem Maße nachgekommen. Im Übrigen bestehe die Möglichkeit,
Einsichtnahme in die Verträge zu erhalten, indem ein Antrag auf Akteneinsicht
nach den gesetzlichen Vorgaben gestellt werde.
Unter dem 12.11.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er
vor, der Rat der Beklagten sei als oberstes Organ der Kommune in der Pflicht,
die Handlungen der Verwaltung im Sinne der Bürger zu lenken und zu
überwachen. Zu diesen Handlungen gehöre auch die Begründung und
Auflösung von Rechtsgeschäften der Stadt. Um dieser Pflicht nachkommen zu
können, müssten die Ratsmitglieder u. a. Kenntnis darüber erlangen können,
welche Rechtsgeschäfte die Stadt tatsächlich eingehe und wie diese konkret
auch im Detail ausgestaltet seien. Das Auskunftsrecht bestehe für alle
Angelegenheiten der Kommune. Es sei seinem Zweck nach auch nicht auf die
Überwachung der Verwaltung beschränkt, sondern könne zum Zwecke der
eigenen Unterrichtung verwendet werden. Damit solle dem einzelnen
Ratsmitglied ein wesentlich umfassenderes Auskunft- und Informationsrecht
zugestanden werden. Einschränkungen gebe es nicht. Daher könne er die
Übermittlung der Akten oder die Anfertigung von Kopien verlangen. Die
Verwaltung habe den wesentlichen Arbeitsaufwand bei der Zusammenstellung
der Verträge bereits bewältigt. Es dürfe keine Bereiche geben, die der Kenntnis
und somit der effektiven Kontrolle des Rates entzogen wären. Der Beklagte
habe in seinem Antwortschreiben vom 28.08.2012 gerade nicht alles
Wesentliche und Interessierende mitgeteilt. Zweck der verschiedenen
Auskunftsrechte gegenüber dem Hauptverwaltungsbeamten sei die Kontrolle
der Verwaltung. Daher könne nicht entscheidend sein, was der
Hauptverwaltungsbeamte für das Wesentliche und Interessierende halte,
sondern wie die Mitglieder der Vertretung dies beurteilten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm den Wortlaut der im Schreiben des
Beklagten vom 20.08.2012 aufgelisteten Verträge mit den Nummern 5-
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18, 20-34, 36-38, 40, 41 und 43 mitzuteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert, er habe dem Auskunftsverlangen des Klägers entsprochen, indem
er ihm eine Auflistung aller gewünschten Verträge habe zukommen lassen.
Seine Auskunftspflicht sei auf Tatsachenbenennungen beschränkt, für die er
unmittelbar und mittelbar verantwortlich sei oder die den Zuständigkeitsbereich
des Rates oder der Ausschüsse berührten. Daher sei der Kläger durch das
Schreiben vom 28.08.2012 rein vorsorglich aufgefordert worden, bei der
Darlegung der konkreten Tatsachenfrage zugleich mitzuteilen, für welche
konkreten Fragestellungen der Tätigkeit im Rat oder in den Fachausschüssen er
die Auskunft begehre. Der vom Kläger geltend gemachte Umfang des
Auskunftsrechts liefe faktisch auf eine Akteneinsicht hinaus. Dieser Anspruch
müsse aber unter Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen
Voraussetzungen geltend gemacht werden. Wenn der Kläger seinen
Auskunftsantrag nunmehr auf konkrete Tatsachen präzisiere, werde er eine
unbeschränkte Antwort erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf die vorgelegten
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sie waren ihrem wesentlichen Inhalt
nach Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist begründet. Der Kläger
kann beanspruchen, dass der Beklagte ihm den Wortlaut der benannten
Verträge mitteilt, die die Stadt Braunschweig mit juristischen und natürlichen
Personen geschlossen hat, die den Namensbestandteil E. tragen.
Nach § 56 Satz 2 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes
(NKomVG) kann jede oder jeder Abgeordnete/r zur eigenen Unterrichtung von
der Hauptverwaltungsbeamtin oder dem Hauptverwaltungsbeamten Auskünfte
in allen Angelegenheiten der Kommune verlangen; dies gilt nicht für
Angelegenheiten, die der Geheimhaltung unterliegen (§ 6 Abs. 3 Satz 1
NKomVG). Die Vorschrift entspricht der früheren Regelung in § 39 a Satz 2 der
Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO).
Die vom Kläger begehrte Auskunft betrifft Angelegenheiten der Kommune. Es
geht um Verträge, die im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung
geschlossen worden sind. Vertragsgegenstand sind u. a. Erbbaurechte an
städtischen Grundstücken, Pacht von Grundstücken, Schenkungen oder
Vereinbarungen über die finanzielle Förderung von denkmalpflegerischen
Projekten. Das Auskunftsbegehren des Klägers richtet sich auch auf die
Mitteilung von Tatsachen, über die der Beklagte im Rahmen seiner
Zuständigkeit Kenntnis erlangt hat oder erlangen kann. Diese Tatsachen
unterliegen nicht der Geheimhaltung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 NKomVG.
Der Kläger ist nach Auffassung des Gerichts nicht verpflichtet, die Motive für
seine Fragestellung darzutun – was er ohnehin in seinem Schreiben vom
10.09.2012 schon getan hat. Er muss keinen konkreten Anlass für sein
Auskunftsbegehren haben. Das Auskunftsverlangen darf auch nicht von der
Formulierung konkreter Einzelfragen oder Tatsachenbenennungen abhängig
gemacht werden.
In Anbetracht der besonderen Bedeutung des Informationsrechts des einzelnen
Ratsmitgliedes für eine verantwortungsvolle Erfüllung der Aufgaben ist eine
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derartige Begrenzung des Informationsanspruchs nicht gerechtfertigt.
Das Nds. OVG führt in seinem Urteil vom 03.06.2009 - 10 LC 217/07 -, juris aus:
„Das Auskunftsrecht der Ratsfrauen und Ratsherren zum Zwecke der
Unterrichtung ist - wie der Informationsanspruch von Abgeordneten
gegenüber der Landesregierung (vgl. dazu: SaarlVerfGH, Urt. v.
31.10.2002 - Lv 1/02 - NVwZ-​RR 2003, 81; BayVerfGH, Entscheid. v.
17.7.2001 - Vf. 56-​IVa-​00 - NVwZ 2002, 715 = BayVBl 2001, 657) -
Ausfluss der Mitgliedschaft im (Kommunal-​) Parlament, dem im
demokratischen Rechtsstaat vor allem die Aufgabe zukommt, an der
Gesetzgebung mitzuwirken und die Kontrolle über die Exekutive
auszuüben; einer ausdrücklichen Regelung des Informationsanspruchs in
§ 39a Satz 2 NGO hätte es daher nicht zwingend bedurft (vgl. auch
Wefelmeier in: KVR-​NGO, Stand: Dezember 2008, § 39a NGO, RdNr. 19,
m.w.N.). Dem Ratsmitglied kommen - ebenso wie dem Abgeordneten im
Landtag - aufgrund seines Mandats das Recht und die Pflicht zu,
eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die der Rat - bzw. das
Parlament - zu erfüllen hat. Zu einer effektiven Wahrnehmung der
Aufgaben, mit denen Ratsmitglieder und Parlamentarier vom Wähler
beauftragt sind, in Gemeinderat bzw. Landtag sowie in deren
Ausschüssen sind Ratsmitglieder ebenso wie Parlamentarier auf
Landesebene angesichts der Vielzahl und Komplexität der dort zu
beurteilenden Gegenstände auf Informationen aus dem Bereich der
Verwaltung angewiesen.“
Im Anschluss daran hat das VG Lüneburg in seinem Urteil vom
16.03.2011, AZ 5 A 60/10 ergänzend ausgeführt:
„Der Sinn des Fragerechts, die für die (kommunal-)parlamentarische
Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu
verschaffen, ist - ebenso wie die ihm außerdem zukommende
Kontrollfunktion - ohne eine korrespondierende Antwortpflicht nicht
erreichbar. Der bloße Anspruch auf Teilhabe an ohnehin vorgelegten
Informationen genügt diesen Zwecken nicht, vielmehr besteht die diesem
Anspruch korrespondierende Pflicht, Anfragen in der Sache zu
beantworten, wobei grundsätzlich die Beschränkung auf eine nur formale
Antwort unzulässig ist. Wegen des Anspruchs auf umfassende Information
besteht die Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Antwort (vgl. NW
VerfGH, Urteil v. 4.10.1993 - VerfGH 15/92 -, NVwZ 1994, 678 f. zum
Informationsanspruch von Landtagsabgeordneten). Der Informationsstand
des einzelnen Ratsmitgliedes ist von entscheidender Bedeutung. Nur
wenn er so umfassend wie möglich unterrichtet ist, kann er seine
Mitwirkungsbefugnisse voll ausschöpfen (vgl. zum Fragerecht des
Abgeordneten BVerfG, Beschl. v. 10.5.1977 - 2 BvR 705/75 -, BVerfGE 44,
308).“
Zwar wird vielfach betont, dass die kommunale Vertretung nicht ein Parlament,
sondern ein Verwaltungsorgan sei. Diese Feststellung ist jedoch zum einen
darauf bezogen, dass den Mitgliedern der kommunalen Vertretung die üblichen
parlamentarischen Rechte wie Immunität und Indemnität nicht zustehen, und
zum anderen darauf, dass die Rechtsetzungstätigkeit der Kommunen keine
originäre, verfassungsunmittelbar legitimierte Gesetzgebung, sondern gesetzlich
begründete Verwaltungstätigkeit ist. Gleichwohl hat die kommunale Vertretung
als unmittelbar demokratisch legitimierte Vertretung des Volks (vgl. Art. 28 Abs. 1
Satz 2 GG, Art. 57 Abs. 2 NV) insofern dieselbe Aufgabe wie ein Parlament auf
Staatsebene, als sie die Kontrolle über die Exekutive ausübt. Der wirksame
Einsatz dieser Kontrollinstrumente und ihre präventive Funktion setzen, wie auf
Landes- und Bundesebene, eine gewisse Grundinformiertheit der Volksvertreter
voraus. Allgemein lässt sich dies auch mit dem Rechtsstaatsprinzip begründen
(Johanna Wolff, Grenzen der Heimlichkeit, NVwZ 2012, 205, 213 m.w.Nw.).
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Somit erwächst dem Kläger aus seinem Status ein Recht darauf, dass ihm
diejenigen Informationen nicht vorenthalten werden, die ihm eine
sachverständige Beurteilung er-möglichen. Der Mitgliedschaft in der Vertretung,
dem Hauptorgan der Kommune (§ 45 Abs. 1 Satz 1 NKomVG), kommt nach §
40 Abs. 1 und Abs. 4 NKomVG vor allem die Aufgabe zu, die grundlegenden
Ziele der Entwicklung der Kommune und die Richtlinien, nach denen die
Verwaltung geführt wird, zu bestimmen, das kommunale Recht zu setzen und
die Kontrolle über die Exekutive auszuüben. Daher darf nicht der zu
kontrollierende Hauptverwaltungsbeamte dem zur Kontrolle berufenen Rat
Regeln und Voraussetzungen für das Auskunftsrecht vorgeben (vgl. dazu
ergänzend Urteil der Kammer vom 25.04.2013 - 1 A 28/13). Vielmehr bedürfen
Abgeordnete einer umfassenden Information, um ihren Aufgaben genügen zu
können; dies gilt insbesondere für parlamentarische Minderheiten.
Nicht zuletzt mit Blick auf den Verfassungsrang des Auskunftsrechts können
sich Einschränkungen dieses Rechts, die über die in § 56 Satz 2 NKomVG
genannten tatbestandlichen Voraussetzungen hinausgehen, nur aus
allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben, etwa dann, wenn Fragen
rechtsmissbräuchlich, nur zum Schein oder ohne jeglichen realen Hintergrund
und ohne Bezug zum Mandat gestellt werden (vgl. VGH Mannheim, Urt. v.
22.02.01 – 1 S 786/00, NVwZ 2002, 229, 230).
Derartige Einschränkungen sind für das Auskunftsverlangen des Klägers nicht
gegeben. Er hat sein Begehren vielmehr hinreichend (und bereits mehr als
erforderlich) konkretisiert. Die Fragestellung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Der Kläger hat nämlich nachvollziehbar vorgetragen, dass er als Ratsherr auch
die Pflicht habe, Kenntnis über die Begründung und Auflösung von der Stadt
geschlossener Verträge zu erlangen. Zusätzlich hat der Kläger in seinem
Schreiben vom 10.09.2012 dem Beklagten auch mitgeteilt, warum er diese
Auskunft benötige; nämlich zur Klärung der Frage, inwieweit sich die Stadt
Braunschweig in ihren Handlungsmöglichkeiten durch Verträge mit Dritten
eingeschränkt habe bzw. eingeschränkt sei und welche Gegenleistungen die
Stadt dafür im Detail erhalten habe.
Wenn es Funktion des Fragerechts ist, Auskunft über Fakten zu gewinnen,
damit die Mitgliedschaft im Gemeinderat und in den Ausschüssen effektiv
wahrgenommen werden kann, so korrespondiert – wie ausgeführt - mit dem
Anspruch auf umfassende Information notwendigerweise die Pflicht zur
vollständigen und zutreffenden Antwort. Die Auskunftserteilung ist hier nur dann
umfassend, wenn dem Kläger der Wortlaut der von ihm im Einzelnen benannten
Verträge mitgeteilt wird. Nur so kann der Informationsanspruch sinnvoll erfüllt
werden.
Die Mitteilung des Wortlauts der benannten Verträge stellt für den Beklagten
auch keinen unzumutbaren Aufwand dar. Schon gar nicht beeinträchtigt sie in
unzumutbarer Weise die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Es steht außer
Frage, dass die Verwaltung ihre Arbeitskraft (auch) in den Dienst der
Abgeordneten zu stellen hat. Das Argument des „Mehraufwands“ ist daher
ohnehin nicht zulässig. Vorliegend sind die Verträge bereits aus dem gesamten
Bereich der Verwaltung zusammengetragen und aufgelistet worden. Durch
Anfertigung von Kopien oder durch Zurverfügungstellung der Akten kann dem
Kläger mit geringem zusätzlichem Arbeitsaufwand der Wortlaut der von ihm
benannten Verträge zugänglich gemacht werden.
Der Kläger darf nicht auf das nur den Fraktionen und Gruppen zustehende
Akteneinsichtsrecht (das der Beklagte zuvor der Fraktion der Piratenpartei
verweigert hatte) verwiesen werden. Akteneinsicht ist nach § 58 Abs. 4 Satz 3
NKomVG zu gewähren, wenn ein Viertel der Mitglieder der Vertretung oder eine
Fraktion oder Gruppe dies verlangt. Dieses Recht stellt, wie der Beklagte
offenbar meint, keine Begrenzung des Auskunftsrechts, um das es hier geht,
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dar. Es ist auch nicht umfassender als das Auskunftsrecht. Vielmehr stehen
beide Rechte bezüglich ihrer Anforderungen und Zielsetzungen gleichwertig
nebeneinander Das Auskunftsrecht dient – wie dargelegt – der gezielten
Information des einzelnen Ratsmitglieds zur Wahrnehmung seiner Aufgaben
und setzt auch eine ggf. notwendige Wiederaufarbeitung oder Auswertung der
Akten durch die Verwaltung voraus. Das ist genau das, was der Kläger mit
seiner Frage nach den so genannten G. begehrt.
Für das den Fraktionen und Gruppen zustehende Akteneinsichtsrecht sind
einzelne Abgeordnete zu benennen. Diese besonderen Anforderungen für das
Akteneinsichtsrecht sind nicht etwa wegen einer damit verbundenen
umfassenderen Informationsmöglichkeit geboten, sondern aus praktischen
Gründen und im Interesse der Funktionsfähigkeit der Verwaltung vorgesehen.
Sie erfordert die Verfügbarkeit der Akten. Könnte jedes einzelne Ratsmitglied
jederzeit Einsicht in die Originalakten verlangen, so hätte das möglicherweise
eine eingeschränkte Verfügbarkeit im laufenden Verwaltungsbetrieb zur Folge.
Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO
i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung ist nicht zuzulassen. Insbesondere kommt der Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung im Sinne von §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs.1 VwGO
zu. Unbeschadet einer womöglich weitreichenden Bedeutung einer
Entscheidung kann eine grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung nur
angenommen werden, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage
klärungsbedürftig ist. Dies ist sie nicht, wenn sie sich ohne weiteres und
unmittelbar aus dem Gesetz heraus beantworten lässt und keine Zweifel
bestehen (vgl. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rn. 10 m.w.Nw.) Das
ist hier der Fall.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.