Urteil des VG Braunschweig vom 17.09.2013

VG Braunschweig: prüfer, gespräch, datum, kolloquium, benotung, neubewertung, erstellung, wiederholung, marketing, merchandising

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Zwei-Prüfer-Prinzip bei Bewertung einer Diplomarbeit
Der Grundsatz der selbständigen Korrektur und damit das Zwei-Prüfer-
Prinzip ist verletzt, wenn sich die Prüfer vor der endgültigen Erstellung ihrer
jeweiligen Gutachten über die Bewertung ausgetauscht haben.
Erhebliche Zweifel bestehen insoweit auch, wenn beide Prüfer eines der
beiden Gutachten gemeinsam unterschreiben.
VG Braunschweig 6. Kammer, Urteil vom 17.09.2013, 6 A 258/12
Art 12 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG
Tatbestand
Der Kläger möchte eine Neubewertung seiner Diplomarbeit erreichen.
Nachdem er im Februar 2011 erstmalig die Diplomprüfung zur Erlangung des
Grades Diplomkaufmann im Studiengang Sportmanagement an der Karl-
Scharfenberg-Fakultät der Beklagten aufgrund der Bewertung seiner
Diplomarbeit mit 5,0 nicht bestanden hatte, wurde er von dem
Prüfungsausschuss unter dem 31.05.2011 erneut zur Diplomarbeit
zugelassen. Das Thema der Arbeit lautete „Merchandising als Marketing-Tool
deutscher Fußballvereine der 1. Bundesliga“. Erstprüfer war Prof. Dr. F. und
Zweitprüfer Dipl.-Kfm. G..
Der Kläger reichte die Arbeit am 17.08.2011 ein. Am 21.09.2011 erhielt er von
dem Erstprüfer H. eine Mail mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter Herr T.,
nach intensiver Rücksprache mit dem Zweitprüfer, Herrn I., muss ich
Ihnen leider mitteilen, dass wir Sie nicht zum Kolloquium zulassen
können, da Ihre Arbeit von uns beiden nicht mit mindestens
„ausreichend“ bewertet werden konnte. Wir bedauern diese Tatsache,
wir sehen allerdings keine Möglichkeit einer anderen Benotung. Für
ein persönliches Gespräch stehen Herr I. und ich Ihnen gerne zur
Verfügung. Bitte stimmen Sie mit uns einen Termin ab.
Mit freundlichen Grüßen
N. H.“
Mit Datum vom 28.09.2011 fertigte Erstprüfer H. ein „Gutachten zur
Diplomarbeit“, das mit den Unterschriften von „Prof. Dr. F.“ und „Dipl.-Kfm. G.“
erst nach Semesterbeginn in die Prüfungsakte eingefügt wurde (Bl. 12 a und
das nicht paginierte Blatt nach Bl. 13 der BA A). Das Gutachten enthält die
Bewertung „mangelhaft“.
Ferner befindet sich in den Unterlagen - vor ein Exemplar der Arbeit geheftet -
ein „Bewertungsraster“ des Zweitprüfers I., welches kein Datum enthält und
zunächst nicht unterschrieben war (BA C). Die Unterschrift wurde nach
Abschluss des Verwaltungsverfahrens nachgeholt. Darin werden der
Charakter der Arbeit, Struktur/Gliederung, Inhalt, Eigenständigkeit der Arbeit,
Literatur-/Quellenarbeit und formale Kriterien durch die Vergabe von Kreuzen
bei einzelnen Noten und stichwortartige Begründungen behandelt. Als
Gesamtbeurteilung wird die Note 5,0 vergeben.
Unter dem 19.10.2011 erließ die Beklagten einen Bescheid über das
Nichtbestehen der Diplomprüfung nach § 12 Abs. 6 Diplomprüfungsordnung
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(DPO, Diplomprüfungsordnung für die Studiengänge Sportmanagement und
Tourismusmanagement an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel,
Verkündungsblatt der damaligen FH BS/WF v. 04.12.2000, S. 1 a). Die
Diplomprüfung wurde wegen der Bewertung der Diplomarbeit mit „nicht
ausreichend“ in der Wiederholungsprüfung für endgültig nicht bestanden
erklärt. Der Kläger legte Widerspruch ein.
In einer von beiden Prüfern unterschriebenen „Stellungnahme zum
Widerspruch des Studierenden J.“ vom 03.11.2011 hielten diese an der
Bewertung „nicht ausreichend“ fest, indem sie zur Begründung fünf Argumente
hervorhoben.
Der Prozessbevollmächtigte nahm im März 2012 Einsicht in die Prüfungsakte
und bemängelte anschließend, er habe die Prüfervoten nicht erhalten. Mit
Schreiben vom 27.03.2012 an den Kläger persönlich bat die Beklagte um eine
Begründung des Widerspruchs, die der Prozessbevollmächtigte am
27.04.2012 einreichte.
Mit Schreiben an den Prüfungsausschuss vom 11.05.2012 äußerte der
Erstprüfer H., er bleibe bei seiner Bewertung mit „mangelhaft“. Eine
Stellungnahme zu den Einwendungen des Klägers gab er mit Datum vom
20.06.2012 ab. Darin teilte er u. a. mit, er habe am 28.09.2011 ein
eigenständiges Gutachten zur Arbeit des Klägers verfasst. Der Zweitprüfer
habe ebenfalls ein eigenständiges Gutachten verfasst. Die Tatsache, dass
Herr I. sein Gutachten mit unterzeichnet habe, dokumentiere lediglich, dass er
mit seinen Bewertungen einverstanden sei.
Zuvor hatte Zweitprüfer I. am 07.06.2012 Stellung genommen und ausgeführt,
das „Bewertungsraster“ sei von ihm unabhängig und selbständig erstellt
worden. Die Bewertung sei auf dieser Grundlage erfolgt. Der Vorwurf der
unzureichenden Zweitprüfung sei demnach unbegründet.
Auf der Grundlage der beiden Stellungnahmen wies der Prüfungsausschuss in
der Sitzung vom 04.07.2012 den Widerspruch zurück.
Am 05.09.2012 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage
erhoben. Einen Tag zuvor war diesem der Widerspruchsbescheid durch
Einwurf einer Mitteilung über dessen Niederlegung per
Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 20.09.2012 hat
er den auf den 28.08.2012 datierten Widerspruchsbescheid in das Verfahren
einbezogen.
Zur Begründung verweist der Kläger auf seine Einwendungen im
Widerspruchsverfahren. Ergänzend und vertiefend trägt er vor, er habe einen
Anspruch auf eine Neubewertung, weil das in § 11 Abs. 1 DPO verankerte
Zweiprüferprinzip nicht eingehalten worden sei. Beide Prüfer hätten die
Prüfungsleistung nicht selbständig und unabhängig voneinander bewertet,
sondern sich in einem Gespräch vom 21.09.2011 auf eine Note verständigt.
Die gefundene Bewertung sei in einem gemeinsamen Gutachten vom
28.09.2011 festgehalten worden. Wegen dieses von beiden Prüfern
unterschriebenen Gutachtens spreche der Beweis des ersten Anscheins
gegen eine jeweils eigenständige Bewertung. Die Beklagte habe den Beweis
nicht durch Schilderung eines möglichen anderweitigen Geschehensablaufs
erschüttert.
Selbst wenn das undatierte und nachträglich unterschriebene
„Bewertungsraster“ des Zweitprüfers vor dem Gespräch mit dem Erstprüfer am
21.09.2011 abgefasst worden sein sollte, so liege jedenfalls kein Gutachten
des Erstprüfers vor. Sofern nun vorgetragen werde, das Gutachten vom
28.09.2011 sei das nachträglich digitalisierte Gutachten eines von dem
Erstprüfer verfassten, aber vernichteten, wortgleichen handschriftlichen
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Gutachtens, so sei dies nicht plausibel, zumal, wenn in dem Gespräch vom
21.09.2011 in erster Linie die Konsequenzen des Nichtbestehens für den
Kläger thematisiert worden sein sollen (s. Stellungnahme H. im Klageverfahren
vom 30.01.2013, Bl. 50 GA). Darüber „intensiv“ zu sprechen, habe wegen der
angeblich schon feststehenden einheitlichen Benotung mit „nicht ausreichend“
kein Anlass bestanden. Nach § 25 Abs. 2 DPO habe er nicht zum Kolloquium
zugelassen werden dürfen. Tatsächlich sei daher am 21.09.2012 auf der
Grundlage des Bewertungsrasters die Note besprochen worden. Diesen Inhalt
habe auch die Mail vom selben Tag. In der Stellungnahme vom 20.06.2012
habe der Erstprüfer zudem zugegeben, sein Gutachten am 28.09.2011, also
nach der Notenabsprache mit dem Zweitprüfer erstellt zu haben. Diese
Äußerung sei auch widersprüchlich, weil es tatsächlich gar nicht das
Gutachten des Erstprüfers, sondern nach den Unterschriften ein gemeinsames
Gutachten beider Prüfer sei.
Auch habe das angebliche Erstgutachten nicht digitalisiert werden müssen.
Dies sei nicht vorgeschrieben. Eine Unterschrift des Zweitprüfers auf dem
Erstgutachten vom 28.09.2011 sei ferner überflüssig, da dieser ja behaupte,
ein eigenes Gutachten schon zuvor erstellt zu haben. Er habe sich durch seine
Unterschrift auch nicht nur mit dem Erstgutachten „einverstanden“ erklären
wollen. Auch trage sein Gutachten die Bewertung „mangelhaft“ inhaltlich.
Der Kläger beantragt,
den Nichtbestehensbescheid vom 19.10.2011 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 28.08.2012 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, die Diplomarbeit durch zwei andere Prüfer
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bewerten
zu lassen sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im
Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zunächst auf die Begründung des Widerspruchsbescheids.
Darüber hinaus hat sie Stellungnahmen der Prüfer vorgelegt. Der Erstprüfer
und Zeuge H. erklärt mit Datum vom 30.01.2013, beide Prüfer hätten
unabhängig voneinander ein Gutachten mit dem gleichen Ergebnis verfasst. Er
habe sein Gutachten am 20.09.2011 handschriftlich erstellt und es am
28.09.2011 mit exakt dem gleichen Wortlaut auf den Hochschulbogen
übertragen. Am 21.09.2011 habe er mit dem Zweitprüfer telefoniert. Er habe
die Benotung des Zweitprüfers einholen müssen, um dem Kläger eine
Nachricht über seine Nichtzulassung zum Kolloquium zukommen lassen zu
können. Die „intensive Rücksprache“ habe darin bestanden, dass sich beide
versichert hätten, dass ihnen die Konsequenzen einer Ablehnung für den
Kläger bekannt waren. Der Zweitprüfer und Zeuge I. hat unter dem 11.02.2013
mitgeteilt, sein Bewertungsraster habe der Arbeit von Anfang an beigelegen. Er
habe es lediglich nachträglich unterschrieben. Inhaltlich spiegelten sich seine
Kernargumente in dem von ihm mit unterschriebenen Gutachten vom
28.09.2011 wieder. Er habe aber zuvor eine eigenständige Bewertung
vorgenommen (s. a. ergänzende Stellungnahme vom 02.09.2013). Die
Beklage hat nach Aufforderung zur Vorlage des handschriftlichen Gutachtens
mitgeteilt, dieses sei von dem Erstprüfer nach der Übertragung vernichtet
worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben zum Ablauf des Bewertungsverfahrens durch
Vernehmung der Prüfer als Zeugen. Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme
wird auf das Protokoll der Sitzung vom 17.09.2013 Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die
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Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen haben dem
Gericht bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Neubewertung seiner Diplomarbeit im
Studiengang Sportmanagement zu dem Thema „Merchandising als Marketing-
Tool deutscher Fußballvereine der 1. Bundesliga“, wofür andere Prüfer
heranzuziehen sind.
Der Bescheid der Beklagten vom 19.10.2011 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 28.08.2012 ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Die Bewertung der Diplomarbeit mit „nicht ausreichend“ (5.0) ist aufgrund eines
Verfahrensfehlers ungültig. Die Beklagte hat gegen das sogenannte
Zweiprüferprinzip verstoßen.
§ 12 Abs. 2 Satz 2 DPO schreibt vor, dass die einzelnen Prüfungsleistungen
unbeschadet der Regelung für mündliche Prüfungen in § 8 Abs. 8 Satz 1 DPO
in der Regel, zumindest aber im Fall der letzten Wiederholungsprüfung von
zwei Prüferinnen und/oder Prüfern bewertet werden. Der Kläger unterzog sich
mit der Anfertigung der hier streitgegenständlichen Diplomarbeit einer
Wiederholung der Prüfungsleistung im Sinne von § 12 Abs. 1 und 6 DPO,
weshalb seine Arbeit zwingend von zwei Prüfern zu bewerten war.
Das Zweiprüferprinzip ist insbesondere bei - wie hier - berufsqualifizierenden
Abschlüssen ein wesentlicher Bestandteil prüfungsrechtlicher
Verfahrensregelungen. Es kompensiert typische Defizite an
Prüfungsgerechtigkeit, die entstehen, weil auch einem sachlich-fairen,
unabhängigen und qualifizierten Prüfer Fehler unterlaufen können. Die
Beteiligung von zwei Prüfern sichert daher die Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1
GG) und das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Besondere
Bedeutung kommt dem Zweiprüferprinzip naturgemäß bei Prüfungen zu, wenn
der Misserfolg wie im Fall des Klägers eine weitere Wiederholung nicht zulässt
(s. zum Vorstehenden Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 547, 551,
m. w. N.). Jeder der beteiligten Prüfer muss die Leistung des Prüflings selbst,
unmittelbar und vollständig zur Kenntnis nehmen und selbständig beurteilen.
Das Zusammenwirken der Prüfer darf in keinem Fall dazu führen, dass die
Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Prüfer verlorengeht
(Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 320 f., 558). Ein Verstoß gegen den Grundsatz
der selbständigen Korrektur liegt bei schriftlichen Arbeiten vor, wenn sich die
Prüfer vor der endgültigen Erstellung ihrer Gutachten über die Bewertung
ausgetauscht haben (vgl. OVG NW, Beschl. v. 06.11.2007 – 19 E 788/07 –,
juris Rn. 9, VG Ansbach, Urt. v. 05.02.1998 – AN 2 K 96.01887 –, juris Rn. 16).
In diesem Fall besteht die Gefahr, dass letztlich die Überzeugungskraft eines
Prüfers in dem mündlichen oder über Mails geführten Austausch maßgebend
ist und ein Prüfer seine zuvor selbst gefundene Bewertung allein deshalb
ändert, weil er sich den Argumenten des anderen Prüfers nicht verschließen
will. In den Abstimmungsprozess können auch sachfremde Erwägungen wie
ein womöglich höher bewerteter „Status“ des Erstprüfers einfließen, von dem
sich der Zweitprüfer beeinflussen lässt. Möglich ist auch, dass ein Prüfer nur
erste Überlegungen angestellt hat und nach dem Gespräch oder
Mailaustausch mit dem anderen Prüfer im Vertrauen auf dessen gründliche
Arbeit auf weitere eigenständige Korrekturanstrengungen verzichtet. Anders
als bei einer von mehreren Prüfern abgenommenen mündlichen Prüfung ist für
die im vorliegenden Verfahren zu betrachtende schriftliche Prüfung die
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vollständig unabhängige Bewertung durch zwei Prüfer konstituierend.
Die Beklagte ist im vorliegenden Verfahren für die Einhaltung des
Zweiprüferprinzips materiell beweispflichtig. Zwar ist ein Prüfling für das
Vorliegen der Voraussetzungen des allgemeinen Prüfungsanspruchs materiell
beweispflichtig. Dieser Anspruch umfasst die Zulassung zur Prüfung und
deren Durchführung einschließlich der Bewertung der Leistung und
Bescheidung des Prüfungsergebnisses. Werden durch den Prüfling
unverzüglich substanziierte Rügen erhoben, tritt eine Beweislastumkehr ein,
die zur Folge hat, dass dann die Behörde ein insoweit ordnungsgemäßes
Verfahren nachzuweisen hat (Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 869). Der Kläger
hat mit dem Verweis auf die Mail vom 21.09.2011 und das von beiden
Gutachtern unterschriebene Gutachten vom 28.09.2011 substanziiert
Tatsachen vorgetragen, die für einen - für das Nichtbestehen der Prüfung
ursächlichen - Verstoß gegen das Zweiprüferprinzip sprechen. Der Beklagten
ist der Nachweis einer Beachtung dieses Verfahrensgrundsatzes nicht
gelungen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist von einem unzulässigen
Austausch zwischen Erst- und Zweitprüfer vor dem endgültigen Abschluss der
Bewertungen auszugehen. Der Zeuge H. hat zwar bekundet, vor dem
Telefongespräch mit dem Zweitprüfer I. am 21.09.2011 ein handschriftliches
Gutachten erstellt zu haben. Damit war seine Korrekturtätigkeit jedoch noch
nicht endgültig abgeschlossen. Denn er hat ausgesagt, telefonisch zusammen
mit dem Zweitprüfer überlegt zu haben, ob es nicht noch irgendeinen Grund
gebe, die Arbeit nicht mit mangelhaft zu bewerten. Nach kurzem Überlegen
seien sie zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht gehe. Die Aussage des
Zeugen I. steht dem nicht entgegen, weil er angegeben hat, sich nicht erinnern
zu können. Er könne ein Gespräch über Korrekturmöglichkeiten aber auch
nicht ausschließen. Damit steht fest, dass sich die Prüfer vor der endgültigen
Festlegung der jeweiligen Noten darüber ausgetauscht haben, ob eine
Bewertung mit „mangelhaft“ oder „ausreichend“ erfolgen soll. Dass beide
Prüfer vortragen, vor dem Telefongespräch selbst schon Gutachten erstellt zu
haben – für den Zweitprüfer soll dies sein „Bewertungsraster“ sein – ist
unerheblich, weil die Noten jederzeit hätten geändert werden können. Denn
erst nach dem Telefongespräch erhielt der Kläger am 21.09.2011 die im
Tatbestand zitierte Mail mit der Mitteilung, die Arbeit sei von beiden Prüfern mit
„nicht ausreichend“ bewertet worden.
Diese Mail vom 21.09.2011 bringt im Übrigen deutlich zum Ausdruck, dass
letztlich erst die dort so genannte „intensive Rücksprache“ des Erst- mit dem
Zweitprüfer zu einer Bewertung der Arbeit mit „nicht ausreichend“ führte.
Abgesehen davon bestehen auch in anderer Hinsicht Zweifel, ob das
Zweiprüferprinzip eingehalten wurde. Dem Gericht liegt ein von den Prüfern so
bezeichnetes Erstgutachten des Zeugen H. vom 28.09.2011 vor, welches im
Kopfteil Namen, Telefonnummern und Mailadressen von Erst- und Zweitprüfer
enthält. Unterschrieben haben jeweils beide Prüfer in dafür vorgesehenen
Namensfeldern. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob die
Darstellung des Zeugen H. überzeugt, der Zweitprüfer habe zur Bekräftigung
der Argumentation des Erstprüfers vor der geplanten Einsichtnahme in die
Prüfungsakten durch den Kläger trotz eines eigenen Gutachtens auch das
Erstgutachten unterschrieben. Dass der Zeuge I. nach seinen Angaben in der
mündlichen Verhandlung das Gutachten des Zeugen H. vor der Unterschrift
zwei bis drei Stunden geprüft haben will, spricht für ein gemeinsames
Gutachten.
Außerdem hat der Zeuge I. kein Zweitgutachten erstellt, das formal den hier zu
erwartenden Anforderungen entsprach. Das undatierte und als
„Bewertungsraster“ überschriebene Gutachten enthält ausschließlich
Stichworte und eine Bewertung durch Kreuze in den Feldern für die Note 5.
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Auch hatte der Zeuge es zunächst nicht unterschrieben. Dies deutet ebenfalls
darauf hin, dass der Zweitgutachter sich nach Anfertigen des
Bewertungsrasters noch nicht festgelegt, das Telefongespräch mit dem
Erstgutachter abgewartet und schließlich nur ein gemeinsames Gutachten
vom 28.09.2011 unterzeichnet hat.
Die erste Stellungnahme vom 03.11.2011 im Verfahren des Überdenkens
haben beide Prüfer ebenfalls gemeinsam verfasst, was im Übrigen einen
weiteren Verfahrensfehler in diesem Verfahrensteil nahelegt.