Urteil des VG Braunschweig vom 27.02.2013

VG Braunschweig: lebensmittel, schutz der gesundheit, inverkehrbringen, verordnung, öffentliche gesundheit, vertragsstaat, mitgliedstaat, erlass, bestandteil, zutat

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Bewertung eines Kräutertees als neuartiges
Lebensmittel im Sinne der sog. Novel-Food-VO
1. Für ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-VO (EG) Nr.
258/97, dessen Inverkehrbringen nicht nach dem Verfahren der Novel-Food-
VO zugelassen ist, kann eine Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 i.V.m. Abs. 2 LFGB nicht erteilt werden.
2. Maßstab für die Bewertung eines Lebensmittels als zulassungsbedürftiges
neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-VO.
VG Braunschweig 5. Kammer, Urteil vom 27.02.2013, 5 A 117/12
§ 53 LFGB, § 54 Abs 1 LFGB, § 54 Abs 2 LFGB, Art 1 Abs 2 Buchst e EGV 258/97
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt den Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) in
Bezug auf den von ihr vertriebenen Kräutertrunk E. *F..
Die Klägerin ist eine Stiftung mit Sitz in Kanada. Nach eigenen Angaben ist sie
darum bemüht, indianisch-schamanisches Wissen kanadischer Ureinwohner zu
verbreiten und den Heiltrunk E. *F. weltweit zu vertreiben und für jedermann
zugänglich zu machen. Ein - nicht näher bezeichneter - Anteil des mit dem
Vertrieb von E. *F. erzielten Gewinns komme den kanadischen Ureinwohnern
zugute.
E. *F. setzt sich aus neun, fein geschnittenen bzw. pulverisierten
Pflanzenbestandteilen zusammen, unter anderem zu einem Anteil von 60
Prozent aus fein geschnittener Klettenwurzel (Arctium Lappa) und zu einem
Anteil von 10 Prozent aus der fein geschnittenen Rinde der Rot-Ulme (Ulmus
rubra). Wegen der Einzelheiten der Zusammensetzung wird auf die Auflistung
auf Blatt 1 der Beiakte A Bezug genommen. Aus der Kräutermischung wird nach
einer detaillierten Zubereitungsempfehlung der Klägerin durch wiederholtes
Aufkochen bzw. Erhitzen und Abkühlen über circa 12 Stunden ein Sud bereitet.
Die Klägerin empfiehlt die Einnahme von zweimal täglich zwei Esslöffeln dieses
Suds zur „Gesundheitsprophylaxe und zur allgemeinen Stärkung des
Immunsystems“ bzw. dreimal täglich drei Esslöffeln als „Kur zur Entgiftung und
Reinigung auf allen Körperebenen“. Namhafte Mediziner, so die Klägerin auf
ihrer Homepage (www. G.), bestätigten die enorme Wirkung ihrer Heiltee-
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Essenz.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den
Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB für
das Produkt E. *F.. Zur Begründung führte sie aus, E. *F. sei seit 1996 als
Lebensmittel EU- und weltweit im Verkehr. Die niederländische
Gesundheitsbehörde habe ihr Produkt im Jahr 1996 überprüft und sei zu dem
Ergebnis gelangt, dass es sich um ein Lebensmittel handele. Dies ergebe sich
aus einem dem Antrag in Kopie beigefügten Schreiben des „Keuringsdienst van
Waren“ vom 28. Februar 1996. Ihr Produkt sei im Jahr 1996 von
niederländischen und im Jahr 2003 von deutschen Zollbehörden zolltechnisch
als Lebensmittel bewertet worden. Sie verwies insoweit auf Schreiben der
niederländischen Zollbehörde vom 6. März 1996 und der zolltechnischen
Prüfungs- und Lehranstalt der Oberfinanzdirektion Nürnberg vom 28. Mai 2003.
Kanadische Behörden hätten die Verkehrsfähigkeit des Produktes im April 1998
bestätigt. Produzent der Kräutermischung sei das Unternehmen H. AG in der
Schweiz. Seit circa 1995 seien außerdem unter den Bezeichnungen I. *F. und J.
Konkurrenzprodukte mit einer sehr ähnlichen Zusammensetzung auf dem
deutschen Markt erhältlich.
Mit Schreiben vom 3. September 2008 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer
beabsichtigten Ablehnung des Antrages an und begründete dies im
Wesentlichen wie folgt: E. *F. enthalte Bestandteile, für die in Deutschland keine
allgemeine Verkehrsauffassung als Lebensmittel existiere, sondern vielmehr
eine gefestigte Verkehrsauffassung als Arzneimittel. Eine Allgemeinverfügung
nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB könne für Arzneimittel aber nicht erteilt
werden. Auch wenn es sich bei E. *F. um ein Lebensmittel handeln sollte, könne
die beantragte Allgemeinverfügung nicht erteilt werden, weil es sich um ein
neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung VO (EG) Nr.
258/97 (NFVO) handele. Für neuartige Lebensmittel könne eine
Allgemeinverfügung nach dem LFGB nicht erlassen werden; vielmehr habe die
Klägerin einen Genehmigungsantrag nach Artikel 4 der NFVO zu stellen. Die
beantragte Allgemeinverfügung könne sie schließlich auch deswegen nicht
erlassen, weil die Klägerin nicht belegt habe, dass sich E. *F. in einem
Mitgliedsstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über
den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig im Verkehr befinde. Dies sei
durch Vorlage einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung der zuständigen Behörde
des entsprechenden Staates zu belegen sowie durch Vorlage plausibler
Nachweise, dass sich das Produkt derzeit dort noch im Verkehr befinde. Die
bisher von der Klägerin eingereichten Unterlagen genügten hierfür nicht.
Mit Schreiben vom 30. November 2008 nahm die Klägerin Stellung. Sie vertrat
die Ansicht, dass das Schreiben vom Februar 1996 eine
Verkehrsfähigkeitsbescheinigung der Niederländischen Behörden sei. Über
zusätzliche Unterlagen verfüge sie nicht, da sie geschäftliche Unterlagen nach
Ablauf von zehn Jahren vernichte.
Im März 2009 erkundigte sich die Beklagte beim niederländischen CBG -
Medicines Evaluation Board -, wie das von der Klägerin vorgelegte Schreiben
vom Februar 1996 von dort bewertet werde. Per E-Mail vom 6. April 2010 teilte
ein Mitarbeiter des CBG mit, dass das Schreiben vom Februar 1996 nach seiner
Einschätzung keinen Schluss auf einen nennenswerten Konsum von E. *F. im
Sinne der NFVO zulasse.
Mit Bescheid vom 3. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der
Klägerin auf Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
LFGB für das Produkt E. *F. mit der Begründung ab, das Produkt enthalte mit
Klettenwurzel einen Bestandteil, der als neuartiges Lebensmittel im Sinne der
NFVO einzustufen sei und für den bislang keine Zulassung existiere.
Klettenwurzel sei ein neuartiges Lebensmittel und sei dementsprechend in den
„Novel-Food-Katalog“ aufgenommen, der unter anderem auf der Homepage der
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Europäischen Kommission veröffentlicht sei.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009 legte die Klägerin Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2010 wies die Beklagte den
Widerspruch als unbegründet zurück. Sie wiederholte und vertiefte ihre
Ausführungen aus dem ablehnenden Bescheid. Die beantragte
Allgemeinverfügung könne nicht erlassen werden, weil Klettenwurzel als
neuartiges Lebensmittel im Sinne der NFVO zu bewerten sei. Die von der
Klägerin vorgelegten Schreiben rechtfertigten keine andere Bewertung. Das
Schreiben der niederländischen Behörde vom Februar 1996 belege nicht, dass
E. *F. vor dem 15. Mai 1997 innerhalb der EU in nennenswertem Umfang für den
menschlichen Verzehr verwendet wurde. Es sei bereits unklar, in welchem
Zusammenhang dieses Schreiben verfasst worden sei, zumal darin lediglich auf
eine Absicht, das Produkt künftig auf den Markt zu bringen, abgestellt werde.
Das Schreiben könne weder belegen, dass E. *F. tatsächlich in nennenswertem
Umfang in den Verkehr gebracht worden sei, noch genüge es als
Verkehrsfähigkeitsbescheinigung. Die Zolltarifauskünfte, die die Klägerin
vorgelegt habe, könnten einen Verzehr in nennenswertem Umfang ebenfalls
nicht belegen.
Am 11. Januar 2011 erhob die Klägerin Klage zum erkennenden Gericht
(gerichtliches Aktenzeichen: 5 A 2/11). Ergänzend zu ihrem bisherigem Vortrag
verwies sie zur Begründung auf ein Schreiben des Unternehmens H. AG vom
September 2008, in dem dieses der Klägerin bestätigt, seit dem Jahr 1995 E. *F.
für den weltweiten Vertrieb herzustellen. Außerdem legte sie zwei Faxschreiben
des Druckereibetriebes K. GmbH aus Österreich vor: zum einen eine Rechnung
vom August 1995 für den Druck von 1.920 Faltschachteln „L. E. *F.“ und zum
anderen ein Angebot vom Oktober 1995 zum Druck von 10.000 Beipackzetteln
ohne Benennung eines Produktes. Zusätzliche Unterlagen, so die Klägerin
weiter, könne sie nicht beibringen, da sie bei einer Renovierung ihres
Wohnhauses im Frühjahr 2010 alte Unterlagen und Computer entsorgt habe.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. In Ergänzung ihrer bisherigen
Ausführungen verwies sie darauf, dass die Eintragung von Klettenwurzel im
Novel-Food-Katalog als neuartiges Lebensmittel für sie verbindlich sei, solange
ihr keine anderslautenden Informationen bekannt seien. Die von der Klägerin mit
der Klageschrift vorgelegten Unterlagen könnten schon deshalb nicht belegen,
dass E. *F. vor dem 15. Mai 1997 in der EU in nennenswertem Umfang für den
menschlichen Verzehr verwendet wurde, weil sich aus ihnen nicht ergebe, ob
und in welchem Umfang E. *F. in Länder der Europäischen Union tatsächlich
vertrieben worden sei. Die mit der Klagebegründung erstmals vorgelegten
Unterlagen der Firma H. AG sowie die Rechnungen der Druckerei K. GmbH
belegten ebenfalls nicht einen nennenswerten Verzehr des Produktes der
Klägerin in der EU vor dem 15. Mai 1997. Aus ihnen gehe nicht hervor, dass das
Produkt überhaupt in den Verkehr gebracht worden sei, insbesondere besagten
sie zudem nichts über den Umfang eines Inverkehrbringens.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2011 teilte die Beklagte zum gerichtlichen Verfahren
5 A 52/11 mit, dass sie Klettenwurzel nicht länger als neuartigen Bestandteil im
Sinne der NFVO behandeln werde. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass es in
der Slowakei nicht als neuartiger Lebensmittelbestandteil angesehen werde. Sie
gehe deswegen hinsichtlich des Bestandteils Klettenwurzel von einem
nennenswerten Verzehr vor dem 15. Mai 1997 im Sinne der NFVO aus. Mit
dieser Begründung hob die Beklagte im Juli 2011 ihren Bescheid vom 3.
September 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14. Dezember
2010 auf und führte aus, dass der ursprüngliche Antrag auf Erlass einer
Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB wieder auflebe und von
ihr beschieden werde.
Mit Beschluss vom 26. August 2011 setzte das erkennende Gericht das
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verwaltungsgerichtliche Klageverfahren 5 A 2/11 bis längstens Ende April 2012
nach § 75 Satz 3 VwGO aus, damit die Beklagte über den Antrag der Klägerin
auf Erteilung der Allgemeinverfügung und einen sich ggf. anschließenden
Widerspruch entscheiden könne.
Mit Bescheid vom 13. April 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin
vom Juni 2008 auf Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 LFGB mit der Begründung ab, das Produkt der Klägerin enthalte mit der Rinde
der Rot-Ulme (Ulmus rubra) einen Bestandteil, der als neuartiges Lebensmittel
im Sinne der NFVO anzusehen sei und für den bislang keine Zulassung
existiere. Ein nennenswerter Verzehr vor dem 15. Mai 1997 im Sinne der NFVO
sei für diesen Bestandteil nicht festzustellen.
Mit Schreiben vom 6. Mai 2012 legte die Klägerin Widerspruch hiergegen ein
und wiederholte die Begründung aus dem Klageverfahren 5 A 2/11. Den
Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. September
2012 als unbegründet zurück. Sie wiederholte insoweit ihre Argumentation aus
dem Klageverfahren 5 A 52/11 in Bezug auf die Rinde der Rot-Ulme, die als
neuartiger Lebensmittelbestandteil anzusehen sei.
Das Gericht hat das Klageverfahren am 5. Juni 2012 zum Aktenzeichen 5 A
117/12 wieder aufgenommen, die Klägerin hält an der Klage fest und wiederholt
und vertieft zur Begründung ihren bisherigen Vortrag.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. April 2012 in
Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. September 2012 zu
verpflichten, auf ihren Antrag vom 12. Juni 2008 eine Allgemeinverfügung
nach § 54 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB in Bezug auf das von ihr
vertriebene Produkt E. *F. zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und bezieht sich wegen der Begründung auf ihre Bescheide vom 13. April und 4.
September 2012.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie den
Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Streitgegenstand der Klage ist ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer
Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB für das
Produkt E. *F.. Im Verwaltungsverfahren hat die Klägerin gegenüber der
Beklagten ausdrücklich die Erteilung einer solchen Allgemeinverfügung
beantragt. Über diesen Antrag hat die Beklagte in dem Bescheid vom 13. April
2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. September 2012
entschieden. Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen die ablehnende
Entscheidung der Beklagten und verfolgt ihr Begehren aus dem
Verwaltungsverfahren weiter. Streitgegenstand ist hingegen weder - im Sinne
einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO - die Feststellung der
Verkehrsfähigkeit von E. *F. nach § 54 Abs. 1 Satz 1 LFGB (vgl. zu dieser
Konstellation OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - juris
Rn 25 ff.; VG Braunschweig, U. v. 15.12.2010 - 5 A 71/09 -) noch ist
Streitgegenstand ein Anspruch der Klägerin, E. *F. als neuartiges Lebensmittel
nach der sogenannten Novel-Food-Verordnung (EG) Nr. 258/97 (NFVO)
zuzulassen. Die Klägerin hat die Zulassung ihres Produktes als neuartiges
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Lebensmittel bislang nicht gegenüber der Beklagten, die nach § 1 Abs. 1
Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NLV) die
zuständige Behörde in der Bundesrepublik Deutschland ist, beantragt; ein
Verwaltungsverfahren nach der NFVO hat nicht stattgefunden.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO zulässig,
aber nicht begründet. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Erteilung
einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB zu
Recht abgelehnt, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Erteilung der begehrten Allgemeinverfügung.
Nach § 54 Abs. 2 Satz 1 LFGB hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL) einem Antrag auf Erlass einer
Allgemeinverfügungen i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB im Einvernehmen
mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu entsprechen, soweit
nicht zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen.
Grundlegende Voraussetzung dafür, dass ein Anspruch auf Erteilung einer
Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB für ein
Lebensmittel besteht, ist, dass das Lebensmittel die Voraussetzungen von § 54
Abs. 1 Satz 1 LFGB erfüllt. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme zu Beginn von
§ 54 Abs. 1 Satz 2 LFGB auf Satz 1 der Vorschrift. Das Lebensmittel muss somit
1. entweder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem
anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr
gebracht werden (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LFGB) oder 2. aus einem
Drittland stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder
einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum rechtmäßig im Verkehr befinden (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
LFGB).
Der Anspruch auf Erteilung einer Allgemeinverfügung für ein Lebensmittel steht
somit im Regelungszusammenhang von § 53 und § 54 LFGB: Nach dem
Grundsatz des § 53 Abs. 1 Satz 1 LFGB dürfen Lebensmittel, die nicht den im
Inland geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes, der aufgrund dieses
Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden
Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im
Anwendungsbereich dieses Gesetzes entsprechen, nicht in das Inland
verbracht werden. Abweichend hiervon gestattet es § 54 Absatz 1 Satz 1 LFGB,
Lebensmittel in das Inland zu verbringen und hier in den Verkehr zu bringen,
auch wenn sie den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften
für Lebensmittel nicht entsprechen, wenn sie 1. entweder in einem anderen
Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des
Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt
oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden oder 2. aus einem Drittland
stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem
anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum rechtmäßig im Verkehr befinden. § 54 Abs. 1 Satz 2 LFGB
schränkt den Anwendungsbereich von Satz 1 ein und bringt das Verbot des §
53 Abs. 1 Satz 1 LFGB wieder zur Geltung, wenn diese Lebensmittel im Sinne
des § 54 Abs. 1 Satz 1 den in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB einzeln
aufgeführten oder - nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB -, sonstigen, dem
Gesundheitsschutz dienenden Vorschriften nicht entsprechen. Entspricht das
Lebensmittel „nur“ sonstigen, dem Gesundheitsschutz dienenden Vorschriften
im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB nicht, ist die Einfuhr und das
Inverkehrbringen wiederum doch erlaubt, soweit für das Produkt eine
Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 2 LFGB erlassen ist. Weil die Erteilung der
Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 2 Satz 1 LFGB voraussetzt, dass in Bezug
auf das Lebensmittel keine zwingenden Gründe des Gesundheitsschutzes
entgegenstehen, wird dem Zweck des Gesundheitsschutzes nach § 1 Abs. 1
LFGB hierbei hinreichend genügt.
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Das Erzeugnis E. *F. der Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen von § 54
Abs. 1 Satz 1 LFGB. Es wird 1. weder in einem anderen Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über
den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in
den Verkehr gebracht noch stammt es 2. aus einem Drittland und befindet sich
in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen
Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
rechtmäßig im Verkehr. Denn die Beklagte hat E. *F. zu Recht als neuartiges
Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO bewertet, dessen
Inverkehrbringen bislang weder nach Art. 4 Abs. 2 1. Spiegelstrich NFVO noch
nach Art. 7 NFVO genehmigt ist. Ohne die erforderliche Genehmigung nach der
NFVO dürfen neuartige Lebensmittel im Sinne von § 1 Abs. 2 NFVO nicht in den
Verkehr gebracht werden (vgl. auch § 3 Abs. 1 NLV). Befinden sich neuartige
Lebensmittel ohne Zulassung dennoch im Verkehr, ist dies
gemeinschaftsrechtswidrig.
E. *F. (und nicht - wie von der Beklagten im Bescheid zugrunde gelegt - nur die
Rinde der Rot-Ulme) ist ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2
Buchst. e NFVO. Die NFVO findet hiernach Anwendung auf Lebensmittel und
Lebensmittelzutaten, die in der Gemeinschaft bisher noch nicht in
nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und
aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert worden sind, außer
Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs-
oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als
unbedenkliche Lebensmittel gelten können. Diese Voraussetzungen für ein
neuartiges Lebensmittel treffen auf E. *F. zu.
Bei E. *F. handelt es sich um ein Lebensmittel im Sinne der NFVO bzw. des
LFGB. Maßgeblich ist insoweit die Definition des Art. 2 der VO (EG) 178/2002
(Basis-VO) (vgl. Jany in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juni 2012, C
150 Art. 1 Rn. 4; § 2 Abs. 2 LFGB). Von der Lebensmitteleigenschaft gehen die
Klägerin und - nachdem sie zunächst noch geltend gemacht hat, es könne sich
bei E. *F. um ein Arzneimittel handeln, inzwischen auch - die Beklagte
übereinstimmend aus. Die Kammer sieht dementsprechend keine
Anhaltspunkte, aus eigener Veranlassung E. *F. abweichend als Arzneimittel zu
bewerten.
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Lebensmittel als neuartig im Sinne
von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO zu bewerten ist, hat das Verwaltungsgericht
München im Urteil vom 26. September 2011 (- M 18 K 11.1445 -, juris Rn. 39 ff.)
wie folgt ausgeführt:
„ …Stichtag für die Frage, ob ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat
"bisher" in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr
verwendet wurde, ist der Tag des Inkrafttretens der Verordnung am 15. Mai
1997 (Art. 15).
Menschlicher Verzehr ist im Sinne einer Aufnahme durch den Menschen
zu verstehen. Neuartig ist ein Lebensmittel, wenn das betreffende
Lebensmittel oder die betreffende Lebensmittelzutat vor dem
Bezugszeitpunkt von Menschen nicht in erheblicher Menge verzehrt
wurde. Bei der Beurteilung, ob ein zu geringer menschlicher Verzehr
vorliegt, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die
berücksichtigten Umstände müssen das Lebensmittel oder die Zutat
selbst, auf das oder die sich die Prüfung erstreckt, betreffen und nicht ein
ähnliches oder vergleichbares Lebensmittel oder eine ähnliche oder
vergleichbare Zutat. Auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel oder
neuartigen Lebensmittelzutaten lässt sich nämlich nicht ausschließen,
dass selbst gering erscheinende Abweichungen ernst zu nehmende
Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach sich ziehen können,
zumindest solange nicht die Unschädlichkeit des fraglichen Lebensmittels
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oder der fraglichen Zutat durch angemessene Verfahren nachgewiesen
wurde. Ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat wurde in der
Gemeinschaft noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen
Verzehr verwendet, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls feststeht, dass dieses Lebensmittel oder diese
Lebensmittelzutat vor dem Bezugszeitpunkt in keinem Mitgliedsstaat in
erheblicher Menge für den menschlichen Verzehr verwendet wurde (so
EuGH, Urt. v. 9.6.2005 C-211/03).
Der Umstand allein, dass alle Zutaten, aus denen ein Lebensmittel
besteht, in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der
Gemeinschaft verwendet worden sein mögen, reicht nicht dafür aus, das
Lebensmittel-Enderzeugnis nicht als neuartiges Lebensmittel im Sinne der
Verordnung Nr. 258/97 anzusehen, da nicht ausgeschlossen ist, dass der
Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu
physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der
verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die
öffentliche Gesundheit führen kann. Die Entscheidung, ob ein Lebensmittel
als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97
einzustufen ist, ist von der zuständigen nationalen Behörde für jeden
Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und
des Herstellungsverfahrens zu treffen (so EuGH, Urt. v. 15.1.2009 C-
383/07).
Der fehlende Nachweis eines nennenswerten Verzehrs eines Produkts im
europäischen Raum vor dem 15. Mai 1997 geht im Zweifelsfall zu Lasten
des Unternehmers, der die materielle Beweislast trägt. Was den Begriff der
"erfahrungsgemäßen Unbedenklichkeit" als Lebensmittel im Sinne des Art.
1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 258/97 betrifft, ist auf die in der
Gemeinschaft erworbenen Erfahrungen abzustellen (so BayVGH, Urt. v.
12.5.2009, Az. 9 B 09.199).“
Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.
Nach diesem Maßstab handelt es sich bei E. *F. um ein neuartiges Lebensmittel
i.S.v. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO. Es ist zunächst nicht ersichtlich, dass E. *F.
vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang innerhalb der Gemeinschaft
für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. In nennenswertem Umfang
wurde das Lebensmittel innerhalb der Gemeinschaft verzehrt, wenn es im
Hinblick auf den Umfang, in dem der Verzehr stattgefunden hat, zum Schutz der
Gesundheit der Bevölkerung nicht (mehr) erforderlich erscheint, das
Inverkehrbringen in der Gemeinschaft erst nach einer Sicherheitsprüfung nach
den Bestimmungen der Novel-Food-Verordnung zuzulassen (vgl.OLG
München, U. v. 21.01.2010 - 29 U 3012/09 -, juris Rn. 31 m.w.N.). Dies ist für E.
*F. nicht festzustellen.
Die Recherchen der Beklagten, die - wie im Schreiben der Beklagten vom vom
14. Februar 2013 (Bl. 135 ff. der Gerichtsakte) beschrieben - eine umfangreiche
Recherche in der einschlägigen Fachliteratur sowie einer Abfrage bei den für die
Bewertung neuartiger Lebensmittel zuständigen Behörden sämtlicher
Mitgliedsstaaten umfasst haben, haben bereits für die Rinde der Rot-Ulme als
einen Bestandteil von E. *F. keinen Beleg für einen Verzehr in nennenswertem
Umfang vor dem Inkrafttreten der NFVO ergeben. Dies gilt erst Recht für das -
Rinde der Rot-Ulme enthaltende - Produkt E. *F. der Klägerin.
Die Klägerin hat hingegen ihre Behauptung, ihr Produkt werde seit dem Jahr
1995 europaweit in nennenswertem Umfang vertrieben, bereits weder
hinsichtlich des Ausmaßes noch zur Art des Vertriebs näher spezifiziert.
Insbesondere hat die Klägerin zudem keine Belege für den behaupteten Vertrieb
ihres Produktes vor dem Inkrafttreten der NFVO beibringen können. Die von der
Klägerin in Bezug genommene Bestätigung der Firma H. AG (Bl. 4 der
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Gerichtsakte) bestätigt nur die Produktion von E. *F. seit dem Jahr 1995 für den
weltweiten Vertrieb. Aus ihr ergibt sich weder mit hinreichender Sicherheit, dass
E. *F. bis zum Inkrafttreten der NFVO innerhalb der Gemeinschaft vertrieben
wurde, noch ergibt sich hieraus das Ausmaß eines Inverkehrbringens.
Entsprechendes trifft auf die Schreiben der Firma Offsetdruckerei K. GmbH vom
August und Oktober 1995 (Bl. 6 f. der Gerichtsakte) zu. Diese sind nicht
geeignet zu belegen, dass E. *F. innerhalb der Gemeinschaft in den Verkehr
gebracht wurde. Bei dem Angebot vom Oktober 1995 folgt dies schon daraus,
dass es sich um ein bloßes Angebot zur Herstellung von 10.000 Beipackzetteln
handelt. Es ist weder das Produkt ersichtlich, für das die Beipackzettel gedruckt
werden sollten, noch ergibt sich, dass das Angebot angenommen und die
Beipackzettel tatsächlich hergestellt worden sind. Die Rechnung vom August
1995 bezieht sich auf 1.920 Faltschachteln für das Produkt E. *F.. Ein
Inverkehrbringen des Produktes innerhalb der Gemeinschaft ist mit dieser
Rechnung hingegen nicht belegt. Selbst wenn man im Hinblick auf diese beiden
Schreiben zugunsten der Klägerin unterstellt, dass 10.000 bzw. 1.920
Verkaufseinheiten von E. *F. vor dem Inkrafttreten der NFVO innerhalb der
Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden wären, wäre hiermit ein Verzehr
in nennenswertem Umfang nicht belegt. Das Inverkehrbringen einer solch
geringen Menge von E. *F. ließe das Bedürfnis, zum Schutz der Gesundheit der
Bevölkerung eine Sicherheitsprüfung nach den Bestimmungen der NFVO
durchzuführen, nicht entfallen. Dies folgt bereits aus der quantitativ geringen
Menge von einigen wenigen Tausend Einheiten (vgl. auch VG Osnabrück, U. v.
21.03.2003 - 3 A 217/01 -, n.v., das die Einfuhr einiger hundert Tonnen einer
indischen Maulbeere als nicht hinreichend für den Nachweis eines
nennenswerten Verzehrs erachtet hat). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass E.
*F. bzw. deren Bestandteile nach Angaben der Klägerin beim Verzehr
erhebliche physiologische Wirkungen entfalten sollen. So haben die
Bestandteile nach den Angaben auf der Homepage der Klägerin u.a. folgende
Wirkungen: den Blutzucker regulierend, als aktives Heilmittel gegen den Krebs,
entzündungshemmend, antibiotisch und antimikrobiell, blutzuckersenkend,
krebsvorbeugend, Niere, Blase, Leber und Milz entgiftend, die Drüsentätigkeit
regulierend, den Stoffwechsel anregend und die Pankreas positiv beeinflussend.
Unabhängig davon, ob E. *F. bzw. seine Bestandteile diese Wirkungen
tatsächlich hervorrufen können, steigert bereits die Behauptung solcher
erheblichen physiologischen Wirkungen das Bedürfnis nach einer
Sicherheitsüberprüfung des Produkts, bevor es in den Verkehr gebracht wird.
Hiermit korrespondierend erhöhen sich die Anforderungen an den Nachweis,
dass ein Verzehr „in nennenswertem Umfang“ im Sinne der NFVO stattgefunden
hat. Das Inverkehrbringen einiger weniger Tausend Einheiten kann angesichts
dessen ein hinreichendes Ausmaß eines Verzehrs in der Gemeinschaft nicht
nahe- bzw. belegen. Ob E. *F. zeitlich nach dem Inkrafttreten der NFVO in
größerem Umfang innerhalb der Gemeinschaft verzehrt worden ist, ist nach dem
zuvor beschriebenen Prüfungsmaßstab für das Vorliegen eines neuartigen
Lebensmittels unerheblich. Auch dies hat die Klägerin zudem nicht belegt.
Entsprechendes trifft auf einen etwaigen Konsum in langer Tradition oder
großem Umfang außerhalb der Gemeinschaft zu (vgl. auch Jany, a.a.O., C 150
Art 1 Rn. 18). Dem von der Klägerin mit der Antragstellung eingereichten
Schreiben der kanadischen Lebensmittelbehörde kommt deshalb keine
maßgebliche Bedeutung zu.
Die Klägerin hat einen Verzehr von E. *F. in nennenswertem Umfang in der
Gemeinschaft auch nicht durch die Bezugnahme auf die Konkurrenzprodukte I.
*F. und J. nachgewiesen, von denen sie behauptet, sie würden seit dem Jahr
1995 in weitaus größerem Umfang als E. *F. in der Bundesrepublik Deutschland
vertrieben. Wie zuvor dargelegt, müssen sich die Umstände, von denen auf
einen Verzehr in nennenswertem Umfang zu schließen ist, auf das in Rede
stehende Lebensmittel oder die Zutat selbst, auf das oder die sich die Prüfung
erstreckt, zutreffen und nicht auf ein ähnliches oder vergleichbares Lebensmittel
oder eine ähnliche oder vergleichbare Zutat. Auf dem Gebiet der neuartigen
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Lebensmittel oder neuartigen Lebensmittelzutaten lässt sich nämlich nicht
ausschließen, dass selbst gering erscheinende Abweichungen ernst zu
nehmende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach sich ziehen können
(vgl. EuGH, U. v. 09.06.2005 - C-211/03 -, juris Rn. 86; Jany a.a.O, C 150 Art 1
Rn. 18a). Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Produkte I. *F. oder J.
identisch mit E. *F. sind, sondern erklärt, diese hätten eine „sehr ähnliche
Zusammensetzung“. Schon deshalb sind diese Produkte nicht geeignet, einen
Verzehr von E. *F. in nennenswertem Umfang zu belegen. Soweit aus dem
Internet (http://www.L.) bzw. der von der Klägerin eingereichten
Produktinformation (vgl. Bl. 26 der Beiakte A) ersichtlich, unterscheiden sich die
Zusammensetzungen der Produkte zudem nicht unerheblich. So beinhaltet I. *F.
anders als E. *F. Rhabarberwurzel, aber keine Mistelblätter und keine Blätter der
Großen Brennnessel; J., für das ohnehin nur vier Bestandteile bekannt sind,
beinhaltet anders als E. *F. Indianischen Rhabarber. Die - auch insoweit
materiell beweisbelastete - Klägerin hat schließlich nicht belegt, dass I. *F. oder
J. vor dem Inkrafttreten der NFVO in der Gemeinschaft in nennenswertem
Umfang in den Verkehr gebracht worden sind.
Dass sich ein Verzehr von E. *F. in der Gemeinschaft in nennenswerten Umfang
vor dem Inkrafttreten der NFVO nicht feststellen lässt, wirkt sich zulasten der
materiell beweisbelasteten Klägerin aus (vgl. BayVGH, U. v. 12.05.2009 - 9 B
09.199 -, juris Rn. 19). Eine Änderung der materiellen Beweislast zugunsten der
Klägerin ergibt sich nicht im Hinblick auf ihren Einwand, dass sie das
Inverkehrbringen von E. *F. nur deshalb nicht belegen könne, weil das
Inkrafttreten der NFVO viele Jahre zurückliegt und sie deshalb
Geschäftsunterlagen, mit denen sie den Nachweis hätte führen können,
mittlerweile vernichtet habe (vgl. OLG Nürnberg, B. v. 25.07.2011 - 3 U 650/11 -,
juris Rn. 7).
Es ist des Weiteren nicht festzustellen, dass E. *F. als erfahrungsgemäß
unbedenkliches Lebensmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e NFVO gelten
kann. Als unbedenklich kann ein Lebensmittel gelten, wenn davon auszugehen
ist, dass mit seinem Inverkehrbringen die mit der NFVO verfolgten Zwecke,
insbesondere der Gesundheitsschutz und der Schutz der Verbraucher vor
Irreführung, nicht tangiert ist (vgl. Jany, a.a.O., C 150 Art 1 Rn 43 f.). Da sich die
Unbedenklichkeit erfahrungsgemäß ergeben muss, sind in den
Anwendungsbereich der NFVO alle diejenigen Lebensmittel eingeschlossen, für
deren Unbedenklichkeit noch keine hinreichenden Erfahrungen, seien es
praktischer oder wissenschaftlicher Art, vorliegen (vgl. Jany, a.a.O., C 150 Art. 1
Rn. 44b). Abzustellen ist auf die innerhalb der Gemeinschaft erworbene
Erfahrung (vgl. EuGH, U. v. 15.01.2009 - C-383/07 -, juris Rn. 37 ff.; Jany, a.a.O,
C 150 Art. 1 Rn. 45). Nach diesem Maßstab ist nicht ersichtlich, dass
hinreichende praktische (Konsum-)Erfahrungen oder wissenschaftliche
Erfahrungen zum Verzehr von E. *F. innerhalb der Gemeinschaft vorliegen, um
von dessen Unbedenklichkeit auszugehen. Die obenstehenden Ausführungen
zum fehlenden Nachweis des Umfangs eines Inverkehrbringens sowie zu den
erhöhten Anforderungen für die Annahme einer Unbedenklichkeit, die aus den
von der Klägerin behaupteten physiologischen Wirkungen ihres Produktes bzw.
deren Bestandteile resultieren, gelten insoweit entsprechend. Da nicht ersichtlich
und nicht belegt ist, in welchem Ausmaß E. *F. seit Inkrafttreten der NFVO
innerhalb der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht bzw. verzehrt wurde, muss
die Kammer nicht entscheiden, ob es für die Beurteilung der
erfahrungsgemäßen Unbedenklichkeit auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der
NFVO oder den Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage ankommt.
Da eine Erlaubnis nach der NFVO - entweder nach Art. 4 Abs. 2 1. Spiegelstrich
oder Art. 7-,E. *F. in den Verkehr zu bringen, nicht erteilt wurde, befindet sich
dieses, soweit es in den Verkehr gebracht wird, gemeinschaftsrechtswidrig am
Markt. E. *F. erfüllt deswegen nicht die Voraussetzungen von § 54 Abs. 1 Satz 1
LFGB. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die von der Klägerin mit
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der Antragstellung gegenüber der Beklagten in Bezug genommenen Schreiben
(Bl. 5 ff. der Beiakte A). Das Schreiben des Keuringsdienst van Waren vom 28.
Februar 1996 trifft inhaltlich keine Aussage über die Rechtmäßigkeit eines
Inverkehrbringens, sondern beschränkt sich auf einen Hinweis zur Gestaltung
der Verpackung bzgl. des Bestandteiles Mistelblätter, sofern eine Vermarktung
des Produktes beabsichtigt sein sollte. Erst recht ist hiermit nicht die Aussage
verbunden, bei E. *F. handele es sich nicht um ein neuartiges Lebensmittel im
Sinne der NFVO. Da das Schreiben vor Inkrafttreten der NFVO datiert, wäre es
mit Inkrafttreten der NFVO selbst dann überholt und würde der Bewertung von E.
*F. als genehmigungsbedürftiges neuartiges Lebensmittel nach der NFVO nicht
entgegenstehen, sofern hiermit eine Aussage zur Rechtmäßigkeit des
Inverkehrbringens getroffen werden sollte (vgl. insoweit auch OVG Nordrhein-
Westfalen, B. v. 07.05.2003 - 13 A 1977/02 -, juris Rn. 6). Auch die
Zolltarifauskünfte der niederländischen und deutschen Zollbehörden aus den
Jahren 1996 und 2003 treffen inhaltlich keine Bewertung zur Rechtmäßigkeit
eines Inverkehrbringens des Produkts, zumal das Verbringungsverbot des § 53
Abs. 1 Satz 1 LFGB nach § 53 Abs. 1 Satz 3 LFGB der zollamtlicher Abfertigung
der Lebensmittel nicht entgegensteht.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus
der Anwendung von § 167 VwGO, § 711 und § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der
von der Klägerin mitgeteilten Erwartung des jährlichen Gewinns bei einem
Inverkehrbringen von E. *F. in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Kammer weist die Klägerin, ohne dass es für die Entscheidung über die
Klage hierauf ankommt, darauf hin, dass sie, sofern sie beabsichtigt, E. *F. in
den Verkehr zu bringen, die Zulassung ihres Produktes als neuartiges
Lebensmittel nach der NFVO einzuholen hat.