Urteil des VG Braunschweig vom 01.07.2014

VG Braunschweig: zuwendung, satzung, rücknahme, gemeinsames konto, rechtswidrigkeit, rückforderung, gemeinderat, widerruf, anhörung, anklageschrift

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Rücknahme einer Zuwendung wegen Täuschung
über nicht konkret förderrelevante Tatsachen
Die Rechtswidrigkeit i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bezieht sich auf den
verfügenden Teil des Verwaltungsakts, d.h. auf die Regelung i.S.d. § 35 Satz
1 VwVfG, und nicht auf dessen Begründung. Daraus folgt, dass nicht
jegliche Falschangaben in einem Förderantrag, sondern nur solche, die im
konkreten Fall eine andere Regelung über die Zuwendung zur Folge haben,
für eine Rücknahme genügen.
VG Osnabrück 1. Kammer, Urteil vom 01.07.2014, 1 A 220/13
Art 31 Abs 2 S 1 EGV 1975/2006, § 48 VwVfG, § 49 VwVfG, § 49a VwVfG
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme einer Zuwendung.
Die Klägerin beantragte unter dem 24.10.2007 die Gewährung einer
Zuwendung für den Wegebau nach der Richtlinie über die Zuwendungen zur
integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE) des Niedersächsischen Ministeriums
für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
bei der Rechtsvorgängerin des Rechtsvorgängers des Beklagten, die
„Behörde für Geoinformation, Landentwicklung und Liegenschaften Meppen“
(GLL). Die Zuwendung sollte der Befestigung und der Instandsetzung des
vorhandenen Wirtschaftsweges „C.“ in bituminöser Bauweise im
Gemeindegebiet der Klägerin dienen. Unter Nr. 4 „Finanz- und
haushaltswirtschaftliche Auswirkungen“ gab die Klägerin an, dass
Anliegerbeiträge nicht erhoben würden und eine Satzung nach NKAG nicht
bestehe. Leistungen Dritter führte sie unter Nr. 5b „Finanzierung der baren
Ausgaben“ nicht aus. Unter Nr. 7.9 erklärte sie, dass ihr bekannt sei, dass die
in dem Antrag und den beigefügten Unterlagen enthaltenen Tatsachen bzw.
Angaben, von denen die Gewährung oder das Belassen der Zuwendung
abhängig sei, subventionserhebliche Tatsachen i.S.d. § 264 StGB seien und
sie verpflichtet sei, der bewilligenden Stelle unverzüglich alle Tatsachen
mitzuteilen, die der Bewilligung, Weitergewährung, Inanspruchnahme oder
dem Belassen der Zuwendung entgegen stünden oder für die Rückforderung
der Zuwendung erheblich seien. Zu den subventionserheblichen Tatsachen
gehörten insbesondere solche, die durch Scheingeschäfte oder
Scheinhandlungen verdeckt würden, sowie Rechtsgeschäfte oder Handlungen
unter Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit einer
beantragten Zuwendung.
Die GLL bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 25.03.2009 eine Zuwendung
in Höhe von 50 % der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben, höchstens
228.190 €, für den Ausbau des Wirtschaftswegs „C.“. Der Bescheid enthält
unter anderem folgende Nebenbestimmung: „13. Sofern zur Refinanzierung
der Ausgaben des zu fördernden Projekts Anlieger- bzw.
Straßenausbaubeiträge erhoben werden, erfolgt die Förderung unter der
Bedingung, dass mit der bewilligten Zuwendung der beitragsfähige Aufwand
vor seiner Verteilung auf die Gemeinde und Anlieger zu vermindern ist. Eine
entsprechende Berechnung der zu erhebenden Anlieger- bzw.
Straßenausbaubeiträge ist mir mit dem Verwendungsnachweis vorzulegen.
Die Endabrechnung der Anlieger- bzw. Straßenausbaubeiträge ist mir bis zum
12.12.2010 vorzulegen. Wird der Nachweis nicht erbracht, behalte ich mir vor,
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den Zuwendungsbescheid zu widerrufen und bereits ausgezahlte
Zuwendungen zurückzufordern. Für den Fall, dass die festgesetzten Anlieger-
bzw. Straßenausbaubeiträge und die Zuwendungen höher als die
Ausbaukosten sein sollten, wird die Zuwendung um den Betrag gekürzt, um
den die Einnahmen und die festgesetzten Beträge die Ausbaukosten
übersteigen.“
Der Gemeinderat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung am 15.04.2009, den
damaligen Bürgermeister zu beauftragen, Gespräche mit den Anliegern des C.
s und dem Vorstand der Wegeausgleichskasse G. im Hinblick darauf zu
führen, dass der nicht von der Zuwendung gedeckte Restbetrag von den
Anliegern und der Gemeinde zu tragen sei. Die Gemeinde sei eventuell bereit,
höchstens 30 % der Kosten zu übernehmen.
Durch Bescheid vom 07.08.2009 verlängerte die GLL die Frist für das
Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen. Auf Grund des
Auszahlungsantrags und Verwendungsnachweises der Klägerin vom
29.10.2009 setzte die GLL mit Bescheid vom 13.11.2009 die Zuwendung
endgültig auf 137.020 € fest und veranlasste die Überweisung des Betrags am
selben Tag.
Der Gemeinderat der Klägerin stimmte in seiner Sitzung am 11.08.2009 dem
Vorschlag zu, dass hinsichtlich des – nach Abzug der Zuwendung von
228.190 €, des Gemeindeanteils von 120.000 € sowie der freiwilligen
Zahlungen der Biogasanlage und der Markgemeinde von 100.000 € –
verbleibenden Betrags von ca. 100.000 €, der zur Finanzierung der
veranschlagten Ausbaukosten von 547.121 € benötigt werde, freiwillige
Vereinbarungen mit den übrigen Anlieger und Hinterliegern geschlossen
werden sollten. Anlieger, die nicht bereit seien, diese Vereinbarung zu
unterschreiben, sollten einen Bescheid laut Straßenausbaubeitragssatzung
erhalten.
In der Sitzung am 08.09.2009 beschloss der Gemeinderat der Klägerin
nochmals, dass nach Fertigstellung alle Anlieger, die nicht den freiwilligen
Beitrag geleistet haben würden, von der Samtgemeinde H. einen
Kostenbescheid gemäß Satzung erhalten sollten. Die Klägerin erstellte im
September 2009 eine von den Anliegern zu unterzeichnende Erklärung, nach
der sich die Anlieger bereit erklären sollten, einen freiwilligen Beitrag in Höhe
von 280 € je Hektar – für die Mitglieder der Wegeausgleichskasse abzüglich
eines Zuschusses von 180 € je Hektar – zur Mitfinanzierung des Ausbaus der
„C.“ zu zahlen.
Die Klägerin bat die Markgemeinde G. durch Schreiben vom 03.05.2010,
nachdem der Straßenausbau nunmehr erfolgt sei, um Überweisung von
60.000 € auf ein „gemeinsames Konto Anlieger C. G.“ bei der Volksbank F. eG.
Die Markgemeinde G. zahlte auf dieses Treuhandkonto mit Buchungsdatum
vom 05.05.2010 60.000 € ein.
Laut einem Vermerk vom 09.07.2010 informierte der Fachbereichsleiter Recht
des Landkreises I. die Sachbearbeiterin der GLL darüber, dass einem
Prüfbericht des Rechnungsprüfungsamts des Landkreises I. zufolge
Anliegerbeiträge für den Ausbau des C. s auf einem speziellen Konto
eingezogen worden seien. Der Landkreis I. vermute, dass die Gelder teilweise
für den Wegebau und im Übrigen für die Gründung der „E. GmbH“ verwendet
werden sollten. Auf dem Konto würden sich mindestens 60.000 € der
Markgemeinde G. befinden. Gemäß der Ratsprotokolle der Klägerin vom
11.08.2010 und 08.09.2010 sollten sich die Anlieger mit freiwilligen Zahlungen
in Höhe von 100.000 € an der Wegebaumaßnahme beteiligen; falls jemand
nicht freiwillig zahle, sollten Anliegerbeiträge per Satzung erhoben werden.
Nach einem Gesprächsvermerk der Sachbearbeiterin der GLL vom
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19.07.2010 mit dem ehemaligen Bürgermeister der Klägerin räumte dieser ein,
dass die Gemeinde über eine Straßenausbaubeitragssatzung verfüge. An die
Klägerin seien keine Anliegerbeiträge gezahlt worden. Es habe Überlegungen
gegeben, Anliegerbeiträge zu erheben. Jetzt werde die Klägerin jedoch keine
mehr erheben; Ratsbeschlüsse seien nicht ausgeführt worden. Die
Markgemeinde G. habe in ihrer Mitgliederversammlung beschlossen, Geld für
den Ausbau des C. s auf ein Sammelkonto zu überweisen, auf das der
Markgemeindevorsteher und der Betreiber der Biogasanlage Zugriff hätten.
Die Biogasanlage solle ebenfalls auf dieses Konto zahlen. Das Schreiben der
Klägerin an die Markgemeinde G. sei verfasst worden, weil diese in der
Versammlung noch ein Schriftstück gewollt habe. Für die Erhebung der
Anliegerbeiträge sei jedoch die Samtgemeinde H. zuständig.
Die Anlieger des C. s erklärten sich mit ihren Unterschriften auf einem als
„Einverständniserklärung“ bezeichneten Dokument, die laut einem darauf
befindlichen Vermerk zwischen dem 19.07.2010 und dem 23.07.2010 „in den
Häusern gesammelt“ worden sind, damit einverstanden, dass der Geldbetrag
auf dem Treuhandkonto zu Gunsten der „E. GmbH“ verwendet wird und die
Klägerin sich im Gegenzug verpflichtet, für den Ausbau des C. s keine
Anliegerbeiträge zu erheben und die Satzung aufzuheben. Mit
Buchungsdatum von 28.07.2010 bzw. 30.07.2010 zahlten die Anlieger des C.
s einschließlich der „J. Biogas“ insgesamt 84.514 € auf das Treuhandkonto bei
der Volksbank F. eG ein.
In der Sitzung des Gemeinderats der Klägerin am 29.07.2010 informierte der
damalige Bürgermeister, dass der C. mit Mitteln der GLL ausgebaut worden
sei, in dem von der Samtgemeindeverwaltung ausgefüllten Förderantrag
angegeben sei, dass die Gemeinde über keine
Straßenausbaubeitragssatzung verfüge, und diese in den letzten Jahren nie
angewendet worden sei. Um die Zuwendung nicht zu gefährden, beschloss
der Gemeinderat, die Straßenausbaubeitragssatzung rückwirkend
aufzuheben.
Der Gemeinderat der Klägerin beschloss in der Sitzung am 24.08.2010 –
nachdem der damalige Bürgermeister darüber informiert hatte, dass die GLL
die Zuwendung nach Prüfung der Unterlagen nicht zurückfordern werde, weil
keine Zahlungen der Anlieger an die Gemeinde erfolgt seien –, dass für den
Ausbau des C. s keine Straßenausbaubeiträge erhoben werden, und erklärte
sich damit einverstanden, dass die Einzahler des Treuhandkontos den
entrichteten freiwilligen Geldbetrag an die E. GmbH übertragen.
Die GLL hörte die Klägerin mit Schreiben vom 01.11.2010 zu einer möglichen
Rückforderung der Zuwendung an. Durch Schreiben vom 23.11.2010 erklärte
die Klägerin, dass keine Anliegerbeiträge eingenommen worden seien; sie sei
dazu auch nicht berechtigt. Der Fördermittelantrag sei von der
Samtgemeindeverwaltung bearbeitet und ausgedruckt worden. Das Geld auf
dem „gemeinsamen Konto der Anlieger der C.“ sei auf andere Konten
überwiesen worden; sie habe insofern keine Verfügungsmöglichkeiten mehr.
Durch die von der GLL vorgegebenen Richtlinien hätten die diesbezüglichen
Ratsbeschlüsse keine Bedeutung mehr.
Laut einem Vermerk der Sachbearbeiterin der GLL vom 24.11.2010 erklärte
der ehemalige Bürgermeister der Klägerin, dass das „gemeinsame Konto der
Anlieger C.“ am Tag zuvor aufgelöst und das Geld mit Zustimmung aller
Einzahler an die „E. GmbH“ überwiesen worden sei.
Die Sachbearbeiterin des GLL hielt in einem Vermerk vom 10.12.2010 fest,
dass eine Aufhebung des Zuwendungsbescheides nicht in Betracht komme,
weil die Klägerin keine vorsätzlich falschen Angaben zu förderrelevanten
Tatsachen gemacht habe. Es seien keine Anliegerbeiträge erhoben worden.
Das Geld auf dem „gemeinsamen Konto der Anlieger C.“ sei im Einvernehmen
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mit den Einzahlern an die „E. GmbH“ überwiesen worden. Das Bestehen und
die Anwendung einer Satzung nach NKAG seien keine förderrelevanten
Tatsachen. Die Rechtmäßigkeit des Gemeindehandelns sei von der
Zuwendungsbehörde nicht zu beurteilen.
Einem „Prüfprotokoll Ex-post-Kontrolle ZILE“ vom 31.01.2011 zufolge gab es
im Rahmen der Kontrolle keine Beanstandungen, insbesondere keine
Hinweise auf nicht bekannte Drittfinanzierungen.
Der Gemeinderat der Klägerin beschloss – nach Einholung eines
Rechtsgutachtens bei ihren Prozessbevollmächtigten – in der Sitzung am
21.06.2011, die den Ausbau des C. s betreffenden Ratsbeschlüsse vom
15.06.2009, 11.08.2009 und 08.09.2009 aufzuheben, auf die Erhebung von
Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau des C. s zu verzichten und eine
Satzung zu erlassen, durch die die Straßenausbaubeitragssatzung mit
Rückwirkung zum 31.12.2006 ersatzlos aufgehoben wird. Der Landkreis I.
beanstandete die Aufhebungssatzung mit kommunalaufsichtsrechtlicher
Verfügung vom 28.12.2011. Diese Verfügung hob die Kammer durch Urteil
vom 10.07.2012 (1 A 11/12) auf; über den dagegen gestellten Antrag auf
Zulassung der Berufung hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (9
LA 78/13, zuvor: 10 LA 96/12) noch nicht entschieden. Der Landkreis I. und die
Klägerin vereinbarten, die Aufhebungssatzung vor dem Hintergrund des
anhängigen Gerichtsverfahrens vorerst nicht zu veröffentlichen.
Mit Anklageschrift vom 03.07.2013 (1000 Js 10552/11) klagte die
Staatsanwaltschaft Osnabrück unter anderem den ehemaligen Bürgermeister
der Klägerin wegen Subventionsbetrugs an. Darin wird unter anderem
ausgeführt: „Da die Ermittlungen ergeben haben, dass die Zahlungen von der
Gemeinde aufgrund eines Ratsbeschlusses von den Anliegern mittels
Ablösevereinbarungen zur Vermeidung einer Heranziehung nach der
vorhandenen Straßenausbaubeitragssatzung eingetrieben worden sind,
handelt es sich im formalen Sinne selbstverständlich um
Straßenausbaubeiträge, so dass eine Rückforderungsberechnung geboten ist.
Die Staatsanwaltschaft wird die LGLN Regionaldirektion Meppen über ihre
Ermittlungsergebnisse entsprechend informieren.“ Das Strafverfahren ist
derzeit beim Landgericht Osnabrück (NZS 2 KLs/1000 Js 10552/11 - 3/14)
anhängig.
Durch Bescheid vom 11.09.2013 forderte der Rechtsvorgänger des Beklagten,
das „Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen,
Regionaldirektion Meppen“, von der Klägerin die geleistete Zuwendung in
Höhe von 137.020 € zurück, schloss sie von der Beihilfegewährung für die
Maßnahme 125 der ZILE-Richtlinie in den Kalenderjahren 2009 und 2010 aus
und erhob eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 1.460 €. Zur Begründung
führte er aus, dass aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Osnabrück
vom 03.07.2013 hervorgehe, dass die Klägerin von den Anliegern des C. s
Beiträge mittels Ablösungsvereinbarungen zur Vermeidung einer
Heranziehung nach der entgegen ihrer Angaben im Antrag vom 24.10.2007
vorhandenen Straßenausbaubeitragssatzung eingetrieben habe, ohne ihrer
Mitteilungsplicht nachzukommen. Seitens der Markgemeinde, der J.
Biogasanlage und verschiedener An- und Hinterlieger seien insgesamt
144.514 € an freiwilligen Ablösungszahlungen erbracht worden, die bei der
Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Zuwendung hätten in Ansatz
gebracht werden müssen. Daher lägen vorsätzlich falsche Angaben und
absichtliche Verstöße i.S.d. Art. 30 Abs. 2 VO (EG) Nr. 65/2011 vor, um eine
Zuwendungshöhe zu erzielen, die diese Leistungen Dritter unberücksichtigt
lasse. Der Bescheid vom 25.03.2009 i. F.v. 13.11.2009 sei daher gemäß § 48
Abs. 2 VwVfG zurückzunehmen und der ausgezahlte Betrag nach § 49a Abs.
1 VwVfG zu erstatten.
Die Klägerin hat am 04.10.2013 Klage erhoben und trägt vor, dass der
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Beklagte ihr Recht auf Anhörung verletzt habe. Das mit dem
Anhörungsschreiben vom 01.11.2010 eingeleitete Verfahren sei
abgeschlossen gewesen, weil der Beklagte zwischenzeitlich zu dem Ergebnis
gekommen sei, dass eine Rückforderung nicht in Betracht komme, wie sich
aus dem Vermerk der GLL vom 10.12.2010 und der durchgeführten Ex-Post-
Kontrolle ZILE im Januar 2011 ergebe. Der Rückforderungsbescheid sei nach
Anforderung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Osnabrück ohne
erneute Anhörung ergangen, obwohl sich der Bescheid auf erst im Juli 2013
bekannt gewordene Umstände berufe.
Weiterhin sei die einjährige Rücknahmefrist abgelaufen. Der Beklagte habe
bereits im Jahr 2010 Kenntnis von der freiwilligen Zahlung der Markgemeinde
in Höhe von 60.000 € gehabt und dies im Vermerk 10.12.2010 auch rechtlich
gewürdigt. Die Sachbearbeiterin des Beklagten habe zumindest im November
2011 vollumfänglich Kenntnis vom Sachverhalt gehabt, wie sich aus den
Blättern 239 und 240 des Verwaltungsvorgangs ergebe. Eine rechtlich
möglicherweise unzutreffende Schlussfolgerung hindere den Beginn des
Fristlaufs nicht.
Darüber hinaus sei die Behauptung des Beklagten, dass freiwillige
Ablösungszahlungen von den Anliegern für den Ausbau des C. s erbracht und
dafür in Höhe von 144.514 € verwandt worden seien, tatsächlich und rechtlich
nicht zutreffend. Wirksame Ablösungsvereinbarungen existierten nicht. Nicht
schriftlich abgeschlossene Ablösungsvereinbarungen seien nichtig. Die auf
das „gemeinsame Konto der Anlieger C.“ gezahlten Gelder seien an die „E.
GmbH“ weitergeleitet worden. Dabei handele es sich um freiwillige Zahlungen
der Anlieger an einen Dritten. Weder sie noch ihr damaliger Bürgermeister
hätten eine Kontovollmacht besessen.
Des Weiteren sei es rechtlich gar nicht möglich gewesen, mit den Anliegern
Ablösungsvereinbarungen zu schließen. Zum einen sei ihre
Straßenausbaubeitragssatzung durch Ratsbeschluss vom 21.06.2011
rückwirkend zum 31.12.2006 aufgehoben worden. Zum anderen habe diese
Satzung keine Rechtsgrundlage für den Abschluss von Ablösungsverträgen
enthalten, was jedoch zwingende Voraussetzung hierfür sei. Etwaige
Ablösungsverträge wären daher ohne Weiteres nichtig gewesen.
Dementsprechend habe sie auch nicht mittels Ablösungsvereinbarungen
Straßenausbaubeiträge eingetrieben.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 11.09.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend vor, dass der damalige Bürgermeister der Klägerin die
Ablösungszahlungen zur Verschleierung anstatt in den Gemeindehaushalt auf
ein privates Konto habe einzahlen lassen. Die Einzahler seien in Unkenntnis
hiervon davon ausgegangen, Anliegerbeiträge an die Klägerin zu zahlen. Für
die Rückforderung genüge bereits die Möglichkeit, dass unrichtige Angaben
zur unrechtmäßigen Zahlung von EU-Mitteln geführt hätten. Die Rückforderung
greife nicht erst dann ein, wenn der Gemeinschaft ein finanzieller Schaden
entstanden sei. Die rückwirkende Aufhebung der
Straßenausbaubeitragssatzung könne vorsätzliche Falschangaben nicht
ungeschehen machen. Weiterhin komme es auf die rechtliche Qualifizierung
der Einnahmen, beispielsweise als Ablösungsvereinbarungen, nicht an;
entscheidend sei vielmehr allein das Verschweigen förderrelevanter
Einnahmen.
Das Gemeinschaftsrecht schließe auf nationalem Recht beruhenden,
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weitergehenden Vertrauensschutz aus, weshalb sich die Klägerin nicht auf
den Fristablauf nach § 48 Abs. 4 VwVfG berufen könne. Außerdem sei diese
Frist im Falle des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG nicht anwendbar. Zudem
habe er erst durch die Anklageschrift vollständige Tatsachenkenntnis,
insbesondere hinsichtlich der Höhe der von den Anliegern gezahlten
förderrelevanten Einnahmen, erhalten. Bis dahin sei er davon ausgegangen,
dass die Zahlung der Markgemeinde in Höhe von 60.000 € keinen
tatsächlichen Zusammenhang mit der Fördermaßnahme gehabt habe,
sondern zur Finanzierung der E. GmbH gedacht gewesen sei. In diesem Sinne
habe sich die Klägerin im Antrag, im Verwendungsnachweis, in der
mündlichen Anhörung am 20.07.2010 und im Schreiben vom 23.11.2010
eingelassen. Darüber hinaus sei positive Kenntnis der vollständigen
Tatsachen sowie der Rechtswidrigkeit, mithin Entscheidungsreife, für den
Fristbeginn erforderlich.
Ein Verstoß gegen das Anhörungsrecht sei nicht gegeben. Die Klägerin sei am
20.07.2010 mündlich und mit Schreiben vom 23.11.2010 schriftlich angehört
worden. Zudem habe seine Sachbearbeiterin den Bürgermeister der Klägerin
am 12.09.2013 telefonisch über die Rückforderung informiert. Abgesehen
davon hätte von einer erneuten Anhörung wegen der Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft ohnehin abgesehen werden können. Jedenfalls werde
eine unterbliebene Anhörung mit dem Klageverfahren nachgeholt und geheilt.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze,
wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
A. Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
1. Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlage (vgl. Nds. OVG,
U. v. 11.03.2010, 8 LB 43/08, juris Rn. 35-36) stellt die nationale Regelung des
§ 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hier die Rechtsgrundlage
für die Rücknahme des Zuwendungsbescheids vom 25.03.2009 in der
Fassung des Festsetzungsbescheids vom 13.11.2009 dar. Danach kann ein
rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist,
ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit
zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er im
Erlasszeitpunkt gegen geltendes Recht verstößt (vgl. Nds. OVG, a.a.O., juris
Rn. 37; Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 48 Rn. 49).
Hier fehlt es bereits an der Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen
Verwaltungsakts im Erlasszeitpunkt. Die Klägerin hat zwar in dem am
24.10.2007 unterschriebenen Zuwendungsantrag unter Nr. 4 „Finanz- und
haushaltswirtschaftliche Auswirkungen“ falsche Angaben zum Vorhandensein
einer Straßenausbaubeitragssatzung gemacht, indem sie erklärte, dass eine
solche nicht bestehe. Tatsächlich verfügt die Klägerin über eine am
11.11.1988 beschlossene und seitdem unverändert fortgeltende
Straßenausbaubeitragssatzung (SABS). Ob auch die Erklärung der Klägerin,
dass keine Anliegerbeiträge erhoben würden, unzutreffend ist, kann die
Kammer offen lassen. Die Klägerin hat auf der einen Seite keine
Straßenausbaubeiträge im formellen Sinne, d.h. durch Bescheid (vgl. § 8
SABS), erhoben. Auf der anderen Seite hat sie allerdings – in der SABS nicht
vorgesehene – „Ablösungsvereinbarungen“ mit dem überwiegenden Anteil der
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grundsätzlich beitragspflichtigen Anlieger geschlossen und somit von einem im
Förderantrag angabepflichtigen Substitut Gebrauch gemacht.
Jedoch sind diese unzutreffenden bzw. unvollständigen Angaben im
konkreten Fall keine förderrelevanten Tatsachen. Sowohl der
streitgegenständliche Zuwendungs- als auch der Festsetzungsbescheid
hätten keine anderen Regelungen enthalten, wenn die Klägerin richtige
Angaben über das Vorhandensein ihrer Straßenausbaubeitragssatzung, die
Absicht, „Ablösungsvereinbarungen“ abzuschließen, und deren
Gesamtumfang gemacht hätte. Ein Kausalzusammenhang besteht weder
zwischen den Angaben und der Zuwendungshöhe noch zwischen den
Angaben und dem Inhalt der ergangenen Nebenbestimmungen.
a. Die Rechtswidrigkeit i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bezieht sich auf den
verfügenden Teil des Verwaltungsakts, d.h. auf die Regelung i.S.d. § 35 Satz 1
VwVfG, – hier: die Zuwendungsgewährung in Höhe von 137.020 € sowie die
erlassenen Nebenbestimmungen – und nicht auf dessen Begründung (vgl.
Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 48 Rn. 51). Daraus folgt, dass nicht
jegliche Falschangaben im Förderantrag, sondern nur solche, die im konkreten
Fall eine andere Regelung über die Zuwendung zur Folge haben, für eine
Rücknahme genügen. Dementsprechend ist nicht entscheidend, ob
Falschangaben im Zusammenhang mit der Straßenausbaubeitragserhebung –
abstrakt betrachtet – möglicherweise Auswirkungen auf die Förderhöhe haben
können. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn darüber getäuscht wird,
dass Anliegerzahlungen beigetrieben werden, die mangels einer
Straßenausbaubeitragssatzung als abzusetzende Drittleistungen zu werten
sein könnten, oder die Summe aus der Zuwendung und den
Anliegerzahlungen die Ausbaukosten übersteigt. Dieser potentielle
Kausalzusammenhang bedeutet aber gerade nicht, dass die
Zuwendungsregelungen bei Zugrundelegung des tatsächlichen Sachverhalts
in jedem Fall – und damit zwangsläufig auch im konkreten Fall – anders
ausgefallen wären.
Die hier anwendbare (vgl. Art. 34 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 65/2011)
Sanktionsregelung des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1975/2006 setzt
ebenfalls falsche Angaben über (konkret) förderrelevante Tatsachen voraus
(vgl. Nds. OVG, B. v. 17.06.2008, 8 LA 123/07, juris Rn. 7). Auch die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Sanktionsregelung des
Art. 11 Abs. 1 VO (EWG) 3665/87 bei falschen Angaben in
Ausfuhranmeldungen (vgl. EuGH, E. v. 14.04.2005, C-385/03, juris 34-35),
wonach dort unter Hinweis auf die 3. Begründungserwägung der Verordnung
die bloße Möglichkeit ausreicht, dass unrichtige Angaben zu einer
unrechtmäßigen Zahlung führen, hat kein anderes Ergebnis zur Konsequenz,
wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Rechtsprechung überhaupt auf die
hier streitgegenständlichen Subventionen für den ländlichen Wegebau
übertragbar ist. Denn der Europäische Gerichtshof stellt in seiner
Entscheidung darauf ab, ob die falschen Angaben bei Erkenntnis des wahren
Sachverhalts unrechtmäßige Zahlungen zur Folge gehabt haben können.
Diese Voraussetzung ist in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen
Fall gegeben gewesen, weil das betroffene Unternehmen, obwohl es die
Auszahlung der Ausfuhrerstattung nicht beantragt und daher auch keine
Zahlung erhalten hatte, falsche Angaben gemacht hatte, die einen höheren
Erstattungsbetrag nach sich gezogen hätten. Im vorliegenden Fall hätten die
Falschangaben jedoch keinen höheren Zuwendungsbetrag als bei Kenntnis
des wahren Sachverhalts durch die GLL nach sich ziehen können.
b. Die mangelnde Kausalität zwischen der festgesetzten Zuwendungshöhe
und den falschen Angaben ergibt sich daraus, dass Anliegerbeiträge gemäß
der vom Ministerium erlassenen und für den Beklagten bindenden
Verwaltungsvorschriften nicht abzusetzende Eigenleistungen der Gemeinde
und damit keine abzusetzenden Leistungen Dritter darstellen. Nr. 8.1.5.2 der
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„Besonderen Dienstanweisung zur Finanzierung (BDA) der gemeinsamen
Agrarpolitik und für das Rechnungsabschlussverfahren des Europäischen
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)“ des
Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft,
Verbraucherschutz und Landesentwicklung vom 14.05.2008 regelt insoweit:
„Anliegerbeiträge, die von einer Gemeinde nach ihren Satzungen
erhoben werden, sind zuwendungsrechtlich als Eigenleistung der
Gemeinde zu bewerten. Sie stellen keine Leistungen Dritter dar und sind
demzufolge nicht bei der Bemessung der zuwendungsfähigen Ausgaben
abzusetzen.
Dabei ist die Art der Erhebung, bspw. Vereinbarungen, freiwillige
Zahlungen durch Anlieger (auch über deren nach Satzung bestehende
Beitragspflicht hinaus) unbedeutend. Maßgeblich ist, ob die Gemeinde
gegenüber den Anliegern einen grundsätzlich öffentlich-rechtlich
durchsetzbaren Anspruch auf Beitragszahlung hat. In welcher Weise
wiederum sich die Anlieger oder eine Anliegergemeinschaft die Beträge
teilen, ist zuwendungsrechtlich nicht von Belang.
Dies bedeutet auch, dass in Gemeinden ohne Beitragssatzung nach
NKAG Einnahmen in Zusammenhang mit Fördermaßnahmen nach den
Regeln für Drittmittel zu behandeln sind.
Die Gemeinde muss innerhalb eines Jahres, spätestens zum 31.12. des
Folgejahres, den Nachweis über die Einnahmen aus Anliegerbeiträgen
führen bzw. nachweisen, zu welchen Zahlungen sie die Anlieger
herangezogen hat.
Um sicherzustellen, dass diese Vorgaben eingehalten werden und auch,
dass die Anlieger weiterhin in entsprechendem Maße an der Zuwendung
teilhaben, ist folgende Nebenbestimmung in die infrage kommenden
Zuwendungsbescheide aufzunehmen:
‚Sofern zur Refinanzierung der Ausgaben des zu fördernden Projekts
Anlieger- bzw. Straßenausbaubeiträge erhoben werden, erfolgt die
Förderung unter der Bedingung, dass mit der bewilligten Zuwendung der
beitragsfähige Aufwand vor seiner Verteilung auf die Gemeinde und
Anlieger zu vermindern ist.
Eine entsprechende Berechnung der zu erhebenden Anlieger- bzw.
Straßenausbaubeiträge ist mir bis zum 31.12.2xxx nachzuweisen.
Wird der Nachweis nicht erbracht, behalte ich mir vor, den
Zuwendungsbescheid zu widerrufen und bereits ausgezahlte
Zuwendungen zurückzufordern.
Für den Fall, dass die festgesetzten Anlieger- bzw.
Straßenausbaubeiträge und die Zuwendungen höher als die
Ausbaukosten sein sollten, wird die Zuwendung um den Betrag gekürzt,
um den die Einnahmen und die festgesetzten Beträge die Ausbaukosten
übersteigen.‘“
Dementsprechend reduzieren sich die zuwendungsfähigen Ausgaben durch
jegliche Art von Zahlungen nicht, die Anlieger tätigen, um ihrer Beitragspflicht
aus einer geltenden Straßenausbaubeitragssatzung der Gemeinde zu
genügen. Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass die Anlieger des C. s die
Zahlungen auf das Treuhandkonto in der Absicht getätigt haben, der von ihnen
angenommenen Beitragspflicht zu genügen. Das ergibt sich zweifelsfrei aus
der laut Vermerk zwischen dem 19.07.2010 und dem 23.07.2010
unterschriebenen „Einverständniserklärung“, in der sich die Klägerin im
Gegenzug zum Einverständnis mit der Verwendung des Geldes für die „E.
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GmbH“ verpflichtet hat, keine Anliegerbeiträge zu erheben und ihre
Straßenausbaubeitragssatzung aufzuheben. Aus dieser Verknüpfung wird
deutlich, dass die Anlieger die Zahlungen geleistet haben, um ihrer
straßenausbaubeitragsrechtlichen Zahlungspflicht zu genügen. Auch das
Schreiben der Klägerin vom 03.05.2010 an die Markgemeinde G. lässt klar
erkennen, dass die Zahlung der 60.000 € im Zusammenhang mit dem
Straßenausbau erfolgen sollte.
Unerheblich ist, ob die „Ablösungsvereinbarungen“ bzw. die von den Anliegern
unterzeichnete „Einverständniserklärung“ wirksam gewesen sind und ob die
seit dem 11.11.1988 unverändert geltende Straßenausbaubeitragsatzung eine
rechtlich einwandfreie Grundlage für eine Beitragserhebungen mittels
Bescheid geboten hätte. Nr. 8.1.5.2 BDA stellt insofern ausdrücklich klar, dass
die Art der Erhebung unbedeutend ist und lediglich ein „grundsätzlich“
öffentlich-rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Beitragszahlung bestehen
muss. Entscheidend ist danach allein, ob das geltende gemeindliche
Satzungsrecht dem Grunde nach die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen
erlaubt. Selbst wenn Teilregelungen – wie beispielsweise der Beitragsmaßstab
in § 5 SABS – unwirksam sein sollten, so könnte die Klägerin ihre SABS
gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 NKAG rückwirkend heilen, weil ein gleichartiger
Regelungsversuch in der Vergangenheit den Vertrauensschutz darauf nimmt,
von einer mit Rückwirkung versehenen Neuregelung verschont zu bleiben (vgl.
BVerfG, B. v. 03.09.2009, 1 BvR 2384/08, juris Rn. 20).
Ebenfalls ohne Bedeutung für die Einordnung der Anliegerzahlungen ist der
Umstand, dass diese letztlich nicht dem Gemeindehaushalt zugeflossen sind,
sondern zunächst auf ein Treuhandkonto eingezahlt und später an die „E.
GmbH“ weitergeleitet worden sind. Das ändert an der Zweckbestimmung der
Anliegerzahlungen für den Straßenausbau nichts. Das Treuhandkonto ist der
Sphäre der Klägerin zuzurechnen. Die Einzahlungen darauf sind von ihrem
ehemaligen Bürgermeister veranlasst worden und haben daher ihrem
ausdrücklich geäußerten Willen entsprochen. Wie sich aus der von den
Anliegern unterzeichneten „Einverständniserklärung“ und dem Protokoll der
Gemeinderatssitzung vom 24.08.2010 ergibt, hat die Klägerin entscheidenden
Einfluss auf die Verwendung des Guthabens gehabt. Die Weiterüberweisung
des der klagenden Gemeinde zustehenden Geldes an die „E. GmbH“ mag
zwar gegebenenfalls – was allerdings hier nicht abschließend zu bewerten ist
– strafrechtlich eine Untreue zu Lasten der Gemeinde darstellen. Das ist hier
jedoch ohne Belang, weil es sich dabei um eine Folgeentscheidung des
früheren Gemeinderats bzw. des ehemaligen Bürgermeisters über die weitere
Verwendung von der Gemeinde zustehenden Mitteln handelt. Abgesehen
davon würde, selbst wenn das Treuhandkonto nicht der Sphäre der Klägerin
zuzurechnen wäre, dies zu keinem anderen Ergebnis führen, weil es sich dann
jedenfalls nicht um abzusetzende Drittmittel, die der Klägerin für den
Straßenausbau zugeflossen sind, sondern schlicht um sonstige Zahlungen an
einen Dritten – die „E. GmbH“ – handeln würde.
c. Weiterhin haben die unzutreffenden Angaben über das Vorhandensein der
Straßenausbaubeitragssatzung und das Verschweigen der Absicht,
„Ablösungsvereinbarungen“ abzuschließen, keine Auswirkungen auf den
Inhalt der Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids vom 25.03.2009
gehabt, weil die GLL in Bezug auf Straßenausbaubeiträge die standardisierten
Nebenbestimmungen der Nr. 8.1.5.2 BDA fast wortgleich unter Nr. 6.13
übernommen hat. Diese Nebenbestimmungen sind von vorneherein für den
Eventualfall der Beitragserhebung ohne Rücksicht darauf formuliert, ob der
Zuwendungsempfänger tatsächlich über eine Straßenausbaubeitragssatzung
verfügt und auf deren Grundlage Beiträge erhebt.
Ferner übersteigen die Anliegerzahlungen (144.514 €) und die Zuwendung
(137.020 €) zusammen genommen nicht die Ausbaukosten (323.264,44 €), so
dass die Kürzungsbestimmung des letzten Absatzes der im
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Zuwendungsbescheid vom 25.03.2009 unter Nr. 6.13 enthaltenen
Nebenbestimmung unabhängig davon nicht zur Anwendung kommt, welcher
Rechtsnatur sie ist (zur Berechnungsweise vgl. eMail der GLL vom
22.12.2011, Bl. 250 VV).
2. Die Kammer kann offen lassen, ob die rückwirkende Aufhebung der
Straßenausbaubeitragssatzung der Klägerin im Hinblick darauf zur
Rechtswidrigkeit des Zuwendungs- und des Festsetzungsbescheides führen
würde, dass die Anliegerzahlungen dann nicht mehr als Eigenleistungen,
sondern als abzusetzende Drittmittel mit der Folge einzustufen wären, dass
sich die Zuwendungshöhe reduziert (zur Rücknahme nachträglich rückwirkend
rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte vgl. BVerwG, U. v. 16.11.1989, 2 C
43/87, juris Rn. 18; Bay. VGH, B. v.17.01.2008, 3 BV 04.1452, juris Rn. 39;
Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 48 Rn. 54). Die in der Sitzung des
Gemeinderats der Klägerin vom 21.06.2011 beschlossene
Aufhebungssatzung ist – bestätigt durch die Auskunft des Landkreises I. vom
23.06.2014 – vor dem Hintergrund des beim Niedersächsischen
Oberverwaltungsgericht anhängigen, die kommunalrechtliche Beanstandung
dieser Aufhebungssatzung betreffenden Berufungszulassungsverfahrens 9 LA
78/13 (zuvor 10 LA 96/12) noch nicht im Amtsblatt des Landkreises I.
verkündet worden, so dass die Straßenausbaubeitragssatzung der Klägerin
vom 11.11.1988 weiterhin Geltung beansprucht (vgl. § 10 Abs. 3 NKomVG).
3. Die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Rücknahme kann auch
nicht in einen Widerruf i.S.d. § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 2 bzw. 3
VwVfG umgedeutet werden.
Ein Fall der Zweckverfehlung i.S.d. § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG ist nicht
gegeben; es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin die
Zuwendung nicht für den im Zuwendungsbescheid vorgesehenen Zweck,
Ausbau des Wirtschaftswegs „C.“, verwendet hat.
Auf den im Zuwendungsbescheid vorgesehenen Widerrufsvorbehalt für den
Fall der Nichterbringung des Nachweises über die endgültige Festsetzung der
Straßenausbaubeiträge lässt sich eine Umdeutung ebenfalls nicht stützen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Falle eines in Subventionsbescheiden
enthaltenen Widerrufsvorbehalts der für Auflagen vorgesehene § 49 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 VwVfG analog anzuwenden ist (vgl. Stelkens / Bonk / Sachs,
VwVfG, 8. Aufl., § 36 Rn. 80) und ob § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG auf den Fall
des Widerrufs mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
VwVfG – entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut – entsprechend anwendbar
ist (vgl. Stelkens / Bonk / Sachs, a.a.O., § 49a Rn. 19-20; aA: Mann /
Sennekamp / Uechtritz, VwVfG, 49a Rn 15-18). Eine derartige Umdeutung
scheitert jedenfalls daran, dass der angegriffene Bescheid die für einen
solchen Widerruf maßgeblichen Ermessensgesichtspunkte nicht enthält (vgl.
BVerwG, U. v. 29.10.2008, 6 C 38/07, juris Rn. 61). Der angegriffene Bescheid
ist auf falsche Angaben im Förderantrag und nicht auf die Verletzung der
Pflicht zur Nachweiserbringung über die Festsetzung der
Straßenausbaubeiträge gestützt. Insbesondere bedürfte es Erwägungen dazu,
ob es überhaupt noch eines solchen Nachweises bedarf und ob die Klägerin
vor einem Widerruf zunächst dazu aufzufordern ist, die Vorlage des
Nachweises nachzuholen. Dabei dürfte vor allem zu berücksichtigen sein,
dass dem Beklagten auf Grund der von der Zentralen Kriminalinspektion
Osnabrück am 23.11.2011 erstellten und am selben Tag per eMail
übermittelten Übersicht (Bl. 249 VV) die Höhe der Anliegerzahlungen ohnehin
bekannt ist. Ein Widerruf wäre daher nicht mehr geeignet, einer mangels
Mitwirkung der Klägerin bei der Nachweiserbringung vom Beklagten nicht
überprüfbaren, potentiellen Überzahlung vorzubeugen. Den im
Verwaltungsvorgang enthaltenen Dokumenten lässt sich auch ohne einen
solchen Nachweis entnehmen, dass gerade keine Überzahlung eingetreten
ist, weil – wie bereits ausgeführt – die Anliegerzahlungen zusammen mit der
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Zuwendung die Ausbaukosten nicht übersteigen. Ein solcher Widerruf steht –
anders als etwa ein Widerruf wegen Zweckverfehlung (vgl. BVerwG, U. v.
16.06.1997, 3 C 22/96, juris Rn. 16) – auch nicht im intendierten Ermessen der
Zuwendungsbehörde, weil es sich hier nicht um eine von vorneherein
feststehende Fehlallokation von Haushaltsmitteln handelt.
4. Die Rechtswidrigkeit der Rücknahme hat auch die Rechtswidrigkeit der auf §
1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützten Erstattung, der
Sanktionsregelung des Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 1975/2006 und der
auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 NVwKG i.V.m. § 1 Abs. 1, Anlage
Nr. 75 AllGO beruhenden Verwaltungsgebühr zur Folge.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11,
§ 711 ZPO.