Urteil des VG Berlin vom 02.04.2017

VG Berlin: verfügung, praktische ausbildung, streichung, hochschule, zahl, verordnung, professor, vergabeverfahren, erlass, präsidium

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Gericht:
VG Berlin 3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 A 538.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 VwGO,
mit dem die vorläufige Zulassung zum Studium der Pharmazie (Abschluss
Staatsexamen) im 1. Fachsemester an der Freien Universität Berlin (Antragsgegnerin)
vom Wintersemester 2008/09 an erstrebt wird (auch soweit im Einzelfall die Formulierung
des Antragsbegehrens auf eine Beteiligung an einem - hier nicht in Betracht
kommenden - Losverfahren gerichtet sein sollte), hat keinen Erfolg. Die im vorliegenden
einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein gebotene und mögliche summarische Prüfung
ergibt, dass in diesem Studiengang über die in der Zulassungsordnung der
Antragsgegnerin für das Wintersemester 2008/09 vom 25. Juni 2008 (Amtsblatt der
Antragsgegnerin Nr. 29/2008 vom 10. Juli 2008) für Studienanfänger festgesetzte
Zulassungszahl (69) hinaus zwar weitere Studienplätze zur vorhanden sind (I.). Da die
Antragsgegnerin aber im Wege der Überbuchung bereits 77 Studienplätze (inklusive 1
Beurlaubter) vergeben hat, steht für die Antragstellerin kein Studienplatz mehr zur
Verfügung (II.).
I. Die der Festsetzung der Zulassungszahlen zugrunde liegende Kapazitätsberechnung
beruht auf der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und
die Festsetzung von Zulassungszahlen - KapVO - vom 10. Mai 1994 (GVBl. S. 186),
zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2004 (GVBl. S. 119). Die aufgrund
dieser Vorschriften von der Antragsgegnerin auf den Berechnungsstichtag 1. April 2008
vorgenommene Ermittlung der Aufnahmekapazität im Studiengang Pharmazie ist
abgesehen von einzelnen, nicht ergebnisrelevanten Punkten nicht zu beanstanden
1. Zur Ermittlung des unbereinigten Lehrangebots nach §§ 8 und 9 KapVO ist von den
der Lehreinheit zugewiesenen Planstellen des Lehrpersonals auszugehen. Die
Antragsgegnerin hat ihrer Kapazitätsberechnung für die Lehreinheit Pharmazie am
Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie folgende Ausstattung mit wissenschaftlichem
Lehrpersonal (Bestand an verfügbaren Stellen, § 8 KapVO) zugrunde gelegt:
- 9 Stellen für Professoren (C 3 – C 4),
- 0,67 Stellen für Oberassistenten (C 2),
- 5 Stellen für Akademische Räte und Oberräte (A 13/A 14),
- 3,5 Stellen für Studienräte im Hochschuldienst (A 13/A 14),
- 22 Stellen für befristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter (BAT II a),
- 1 Stelle für befristet teilzeitbeschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter (2/3, BAT
II a)
Die Regellehrverpflichtung des hauptamtlichen Lehrpersonals beträgt nach der
Lehrverpflichtungsverordnung i.d.F. vom 22. Oktober 2008 (GVBl. S 294) – LVVO - für
Professoren 9 Lehrveranstaltungsstunden (LVS), für Juniorprofessoren für die Dauer der
ersten Phase des Dienstverhältnisses 4 LVS, für Hochschulassistenten 4 LVS, für
Oberassistenten 6 LVS, für auf Dauer angestellte wissenschaftliche Mitarbeiter mit
Vollzeitbeschäftigung 8 LVS, für Lehrkräfte für besondere Aufgaben 16 LVS und für
vollzeitbeschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter mit befristeten Verträgen
(Qualifikationsstellen) 4 LVS, für teilzeitbeschäftigte 2,67 bzw. 2 LVS. Akademische Räte
haben als unbefristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter ein Lehrdeputat von 8
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haben als unbefristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter ein Lehrdeputat von 8
LVS. Soweit § 5 Abs. 1 Satz 4 LVVO bestimmt, dass für Akademische Räte/Oberräte und
Lektoren im Sinne von § 128 des Berliner Hochschulgesetzes die Regellehrverpflichtung
von Lehrkräften für besondere Aufgaben (16 LVS) entsprechend gilt, bezieht sich dies
nur auf Beschäftigte, die das Amt eines „Akademischen Rates und Lektors“ bzw.
„Akademischen Oberrats und Lektors“ ausüben. Nach §§ 54, 55 des Gesetzes über die
Rechtsverhältnisse der Lehrer sowie der wissenschaftlichen und künstlerischen
Mitarbeiter an den Hochschulen des Landes Berlin – Hochschullehrergesetz (HSchLG) –
in der Fassung vom 28. August 1969 (GVBl. S. 1884) handelte es sich dabei um von den
Akademischen Räten i.S. der §§ 52, 53 HSchLG zu unterscheidende wissenschaftliche
Mitarbeiter. Die „Akademischen Räte und Lektoren“ hatten gemäß § 54 Satz 1 HSchLG
die Aufgabe, die wissenschaftliche und künstlerische Lehrtätigkeit durch eine praktische
Ausbildung zu ergänzen. Sie wurden für Sprachen und sonstige Fächer bestellt, die nach
der Entscheidung des Senats der Hochschule von Lektoren zu unterrichten waren (§ 54
Satz 2 HSchLG). Dementsprechend wurden die „Akademischen Räte und Lektoren“ im
Landesbesoldungsgesetz in der Fassung vom 8. Oktober 1969 neben den
„Akademischen Räten“ in der Besoldungsgruppe H 1 genannt (GVBl. S. 1997). Eine dem
heutigen § 128 BerlHG entsprechende Vorschrift zur Überleitung der Dienstverhältnisse
der Akademischen Räte und Lektoren existierte im Übrigen bereits im BerlHG in der
Fassung vom 28. Dezember 1978 (§ 175, GVBl. S. 2493). Studienräte im
Hochschuldienst haben als Lehrkräfte für besondere Aufgaben ein Lehrdeputat von 16
LVS.
Aus dem Bestand von insgesamt 41,2 Stellen errechnet die Antragsgegnerin ein
Bruttolehrangebot aus verfügbaren Stellen von 271,67LVS.
Legt man die Angaben der Antragsgegnerin zugrunde, ist gegenüber dem
Wintersemester 2003/2004, für das die Kammer die Kapazitätsberechnung der
Antragsgegnerin für den vorliegenden Studiengang zuletzt überprüft hat (vgl. Beschluss
vom 25. Februar 2004 - VG 3 A 1.04 -), der Personalbestand im Ergebnis um 10,8
Stellen verringert worden, das Lehrangebot ist um 34,33 LVS gesunken. Diese
Reduzierung des Lehrangebots ist jedoch nur zum Teil kapazitätsrechtlich wirksam.
Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass die C 3-Stelle 210548, die C 2-Stelle 210616,
die Stelle 211152 (A 13), die Stelle 212173 (BAT IIa) sowie ein Stellenanteil von 50% der
Stelle 211140 (A 13) durch Kuratoriumsbeschluss vom 29. November 2006 gestrichen
worden sind. Die Streichung bzw. teilweise Streichung der genannten Überhangstellen
trägt den aus dem Kapazitätserschöpfungsgebot (Art. 12 Abs. 1 GG) resultierenden
Anforderungen an einen rationalen und grundrechtskonformen Planungs- und
Abwägungsprozess hinreichend Rechnung. Mit der im Doppelhaushalt 2007/2008
vorgenommenen Streichung der im Haushaltsplankapitel 08 - Sonderkapitel
(Personalmanagementliste) - aufgeführten nicht besetzten bzw. frei gewordenen Stellen
hat das gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 BerlHG zuständige Kuratorium der Antragsgegnerin
durch Beschluss 125/2006 ausweislich der Begründung des Beschlusses die
Strukturplanung der Antragsgegnerin mit Zeithorizont 2009 umgesetzt. Damit wurde auf
die vom Akademischen Senat der Antragsgegnerin sowie vom Kuratorium mit
Zeithorizont 2009 beschlossene Struktur- und Entwicklungsplanung Bezug genommen,
die unter anderem deshalb notwendig geworden war, weil die Antragsgegnerin durch den
(mit dem Land Berlin bestehenden) Hochschulvertrag 2006 - 2009 Zuschusskürzungen
erfahren hat, durch die sie sich zu einem erheblichen Stellenabbau gezwungen sieht.
Dass diese Stellenstreichungen auf einem Abwägungsprozess beruhen, in den –
bezogen auf jedes an der Antragsgegnerin vertretene Fach – sowohl die durch das
Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG bestimmten Belange künftiger Studienbewerber als
auch die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Belange der Antragsgegnerin einbezogen
wurden, hat die Kammer bereits in ihren Beschlüssen vom 15. Mai 2006 (VG 3 A 115.06
u.a. - zu Wirtschaftswissenschaften) und vom 20. November 2006 (VG 3 A 494.06 u.a. -
zu Psychologie) dargelegt. Entsprechendes gilt für die mit Kuratoriumsbeschluss vom 4.
April 2008 weggefallenen Stellen 210284 (C 4), 210862 (C 1), 212150 (BAT IIa), 212333
(50 %, BAT IIa) und 212204 (50% BAT IIa). Gemäß § 5 Abs. 2 KapVO durfte die
Antragsgegnerin diese Streichungen in ihrer Kapazitätsberechnung berücksichtigen,
obwohl der Beschluss des Kuratoriums nach dem Berechnungsstichtag erging.
Nicht mehr zur Verfügung steht außerdem die C 1-Stelle 210825, die nach den Angaben
der Antragsgegnerin in der Lehreinheit Biologie verlagert worden ist. Hinsichtlich der in
der Kapazitätsberechnung des Wintersemesters 2007/2008 aufgeführten BAT II a-Stellen
der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen S. und K. (ohne Stellennummer) hat die
Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, dass diese nicht mehr zu berücksichtigen sind, weil
es sich um Stellen handelte, die der Lehreinheit lediglich befristet aufgrund einer
Vereinbarung des Fachbereichs mit dem Präsidium vom 10. Februar 2005 zur Verfügung
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Vereinbarung des Fachbereichs mit dem Präsidium vom 10. Februar 2005 zur Verfügung
standen.
Im Grundsatz zu beanstanden ist dagegen der Wegfall der C 1-Stelle 210849. Soweit die
Antragsgegnerin geltend macht, diese Stelle sei (offenbar für Neubesetzungen)
„gesperrt“, ist dies im wegen des im Kapazitätsrecht maßgeblichen abstrakten
Stellenprinzips unerheblich. Allerdings hat die Antragsgegnerin den kapazitätsrechtlich
unwirksamen Wegfall der Stelle dadurch kompensiert, dass sie der Lehreinheit die Stelle
891177 (C 2) zur Verfügung gestellt und den Kapazitätsverlust dadurch ausgeglichen
hat. Im Gegensatz zum Ansatz der Antragsgegnerin ist diese Stelle jedoch als volle
Stelle, nicht nur als 2/3-Stelle zu berücksichtigen. Dass es sich lediglich um eine 2/3-
Stelle handelt, geht aus dem Stellenplan nicht hervor. Die mit Bescheid vom 12. Juli
2007 erfolgte Ermäßigung der Arbeitszeit der Stelleninhaberin auf 2/3 ist wegen des
abstrakten Stellenprinzips hierfür ohne Belang.
Nicht zu akzeptieren ist jedoch der geltend gemachte Wegfall der C 1-Stelle 210837
durch Kuratoriumsbeschluss vom 10. Dezember 2008 (Stellenstreichungen 2009). Nach
§ 5 Abs. 2, Abs. 3 KapVO kann diese – nach Beginn des Berechnungszeitraums erfolgte -
Streichung lediglich bei einer Neuberechnung der Aufnahmekapazität für das
Sommersemester 2009 berücksichtigt werden.
Soweit sich aus dem Beschluss vom 10. Dezember 2008 im Übrigen ergibt, dass der
Lehreinheit bisher eine weitere, im Stellenplan nicht aufgeführte Professorenstelle mit
der Stellennummer 210550 zur Verfügung stand, hat die Antragsgegnerin glaubhaft
gemacht, dass es sich um einen Übertragungsfehler im Datenverarbeitungssystem
handelte und die Stelle tatsächlich bis zu ihrer Streichung der Lehreinheit Chemie zur
Verfügung stand.
Das Lehrangebot ist um weitere 1,33 LVS zu erhöhen, da die Antragsgegnerin auf
Nachfrage des Gerichts mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 dargelegt hat, dass es sich
bei der Stelle 212253 (BAT II a), die abweichend von früheren Kapazitätsberechnungen
nur noch mit einem Deputat von 2,67 LVS statt 4 LVS berücksichtigt wurde, tatsächlich
um eine 3/4-Stelle handelt und der restliche, irrtümlich vergessene Stellenanteil (1/4) die
Stellennummer 212220 trägt. Dies wirkt sich zwar nicht auf die Anzahl der Stellen aus
(bei der Stellenzahl hat die Antragsgegnerin die Stelle 212253 voll mitgezählt), aber auf
den Umfang des Lehrdeputats.
42,5 Stellen
Antragsgegnerin + 1/3 Stellenanteil der C 2-Stelle 891177 + C 1-Stelle 210837)
278,33 LVS
(271,67 LVS + 1,33 LVS + 4 LVS + 1,33 LVS).
2. Die von der Antragsgegnerin angesetzte Lehrverpflichtungsverminderung von 31,25
22,25 LVS
die Ermäßigungen der Lehrverpflichtung im Umfang von 4,5 LVS für Professor G. wegen
seiner Funktion als ... Dekan des Fachbereichs (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 LVVO), 2 LVS für
Professor M. als Studienfachberater (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 LVVO) und 6,75 LVS für die
Vizepräsidentin Frau Professor S. (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 LVVO). Ebenso anzuerkennen sind
dem Grunde nach die den Lehrkräften für besondere Aufgaben nach § 5 Abs. 1 Satz 2
LVVO gewährten Lehrverpflichtungsverminderungen von jeweils 4 SWS (G.) bzw. 2 SWS
(L.), die das Präsidium der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung ihrer übrigen, im
Umfang hinreichend dargetanen Aufgaben mit Bescheiden vom 3. Mai 2007, 4. Mai 2007
und 10. April 2007 erteilte (vgl. hierzu auch Beschlüsse der Kammer vom 25. Februar
2004 – VG 3 A 1.04 – und vom 15. Juli 2002 - VG 3 A 255.02 u.a. - Sommersemester
2002). Gleiches gilt für die Herabsetzung des Lehrdeputats um 4 SWS für den Inhaber
der Stelle Nr. 210930 (Akademischer Oberrat … Bescheid vom 3. Mai 2007), der
spezielle Dienstaufgaben zugeordnet sind, die nach Art und Umfang ihre Anerkennung
als (teilweise) Funktionsstelle rechtfertigen (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 3.
November 1997 - VG 3 A 828.97 u.a. - Wintersemester 1997/98). Da diese
Ermäßigungen jeweils nur für die Hälfte des Berechnungszeitraums, nämlich bis zum 31.
März 2009 (ende des Wintersemesters 2008/2009), bewilligt wurden, sind sie bei der
Berechnung jeweils nur zur Hälfte zu berücksichtigen.
3. Gemäß § 10 Satz 1 KapVO sind dem Lehrangebot ferner die Lehrauftragsstunden
hinzuzurechnen, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1
KapVO in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern im
Durchschnitt je Semester zur Verfügung gestanden haben (also auch tatsächlich
durchgeführt wurden) und nicht auf einer Regellehrverpflichtung beruhen. Der
Lehreinheit standen nach den Angaben der Antragsgegnerin im Pflichtlehrbereich im
1 LVS
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4. Titellehre hat es nach den Angaben der Antragsgegnerin in den beiden
Bezugssemestern im Pflichtbereich nicht gegeben.
Das unbereinigte und – da ein Dienstleistungsexport nicht anzusetzen ist – auch das
bereinigte Lehrangebot beläuft sich nach alledem auf (278,33 LVS – 22,25 LVS + 1 LVS
257,08 LVS
5. Die dem Lehrangebot gegenüberzustellende Lehrnachfrage des einzelnen Studenten
drückt sich in dem Curricularnormwert aus, der für den Studiengang Pharmazie gemäß
Anlage I a) Nr. 20 der Anlage 2 zur KapVO 4,5 beträgt. Den Curriculareigenanteil hat die
Antragsgegnerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit 4,2694 angesetzt (vgl.
Beschluss der Kammer vom 25. Februar 2004 - VG 3 A 1.04 -). Nach Teilung des
verdoppelten bereinigten Lehrangebots von (2 X 257,08 =) 514,16 LVS durch den
Curriculareigenanteil errechnet sich eine Basiszahl von 120,4291.
Diese Basiszahl ist um eine Schwundquote zu erhöhen (§ 14 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 16
KapVO) zu erhöhen. Der von der Antragsgegnerin nach dem sogenannten Hamburger
Modell ermittelte Schwund von 0,823 scheint bei summarischer Prüfung nicht
beanstandenswert. Die Basiszahl dividiert durch diesen Schwundfaktor ergibt eine Zahl
von 146,3294, abgerundet 146 Studienplätze. Bei Halbierung dieser jährlichen
73 Studienplätze
Verfügung.
II. Angesichts der tatsächlich von der Antragsgegnerin im Wege der Überbuchung
eingeschriebenen Zahl von 77 Studenten (vgl. die als „Zulassungsstatistik“ bezeichnete
Einschreibestatistik der Antragsgegnerin vom 8. Oktober 2008, an der sich nach
telefonischer Auskunft der Antragsgegnerin bis heute nichts mehr geändert hat) ist kein
freier Studienplatz mehr vorhanden.
Diese Überbuchung muss sich die Antragstellerin auch entgegenhalten lassen. Zwar ist
die Antragsgegnerin grundsätzlich an die von ihr beschlossenen Zulassungszahlen
gebunden; nach § 7 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung über die zentrale Vergabe von
Studienplätzen (Vergabeverordnung – VergabeVO) vom 14. Mai 2008 kann die
Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) aber im Interesse einer
vollständigen und zügigen Ausschöpfung der festgesetzten Kapazität durch
Überbuchung der Zulassungszahlen berücksichtigen, dass Studienplätze voraussichtlich
nicht angenommen werden. Entsprechendes gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 3 VergabeVO für
das Auswahlverfahren der Hochschulen. Die Besetzung von Studienplätzen jenseits der
festgesetzten Kapazität verletzt keine Rechte der die Zulassung eines
„außerkapazitären“ Studienplatzes begehrenden Bewerber, wenn die Hochschule diese
Plätze im Haupt- oder Nachrückverfahren nach den vergaberechtlichen Kriterien vergibt.
Die kapazitäts- und vergaberechtlichen Vorschriften gehen von dem Grundgedanken
aus, dass bei pflichtgemäßer Kapazitätsermittlung alle vorhandenen Studienplätze in
das Vergabeverfahren einbezogen werden, um in verfassungskonformer Weise zu
gewährleisten, dass zum einen kein Studienplatz unbesetzt bleibt und zum anderen
durch die Zugrundelegung einheitlicher und sachgerechter Auswahlkriterien eine im
Sinne des Gleichheitssatzes möglichst gerechte Auswahl unter den prinzipiell
gleichberechtigten Bewerbern vorgenommen wird. Ausschließlich dann, wenn infolge
unzureichender Kapazitätsermittlung vorhandene Studienplätze nicht in das
Vergabeverfahren einbezogen worden sind und bei Einhaltung der normativ
vorgegebenen Verteilungsmaßstäbe ungenutzt blieben und unwiederbringlich verloren
gingen, tritt die vorrangige Berücksichtigung berechtigter Studienbewerber zurück und
ist, um ein mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbares Ergebnis zu vermeiden, einem gegen die
Hochschule klagenden Bewerber ein freier Studienplatz unabhängig von seiner
Rangziffer zu erteilen (OVG Berlin, Beschluss vom 26. Juli 2001 – OVG 5 NC 13.01 – und
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Oktober 2005 – OVG 5 NC 107.05 m.w.N.).
Soweit durch dieses Vorgehen auch später vom Gericht aufgedeckte, über die von der
Hochschule zuvor festgesetzte Aufnahmekapazität hinausgehende Plätze vergeben
worden sind, begegnet dies grundsätzlich solange keinen rechtlichen Bedenken, wie
nicht Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dies in einem den bisherigen
Erfahrungen widersprechenden Umfang etwa rechtsmissbräuchlich mit der Absicht
erfolgt sein könnte, die Erfolgsaussichten von klagenden Studienbewerbern zu
verringern. Derlei Hinweise sind hier jedoch nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin hat
glaubhaft dargelegt, die Vergabe von Studienplätzen über der festgesetzten
Zulassungszahl beruhe auf Überbuchungen durch die ZVS. Entgegen der Ansicht
einzelner Antragsteller ergibt sich aus Zahl der Überbuchungen (8 Studienplätze) noch
kein Hinweis auf einen Rechtsmissbrauch, da sich – wie die Antragsteller selbst
ausführen - viele Studienbewerber inzwischen gleichzeitig für verschiedene
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ausführen - viele Studienbewerber inzwischen gleichzeitig für verschiedene
Studiengänge bewerben. Der Anregung, der Antragsgegnerin aufzugeben, die
Überbuchungsfaktoren mitzuteilen, musste vor diesem Hintergrund nicht nachgegangen
werden.
III. Soweit die Antragstellerin ihr Zulassungsbegehren auf besondere Härtegründe stützt
und damit der Sache nach die vorläufige Zulassung zum Studium innerhalb der
Kapazität begehrt, bleibt dies ebenfalls ohne Erfolg. Denn die innerkapazitären
Bescheide der ZVS vom 14. August 2008 (Ablehnungsbescheid und Bescheid im
Vorauswahlverfahren der Hochschulen) sind bestandskräftig geworden. Wie sich aus
dem außerkapazitären Zulassungsantrag der Antragstellerin vom 16. September 2008
ergibt, waren der Antragstellerin die mit ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungen
versehenen Bescheide spätestens an diesem Tag bekannt. Die Klage VG 3 A 914.08, die
sich im Übrigen nach dem Schriftsatz vom 16. Oktober 2008 im hiesigen Verfahren
gegen den außerkapazitären Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 8. Oktober
2008 richtet, ist erst am 18. Oktober 2008 und damit nicht binnen der Monatsfrist des §
74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben worden. Abgesehen hiervon hätte die Antragstellerin
auch aus anderen Gründen kein Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag auf vorläufige
Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zulassung innerhalb der Kapazität. Sie hat den
Antrag mit dem Vorliegen besonderer Härte begründet und hierfür im Wesentlichen
familiäre Gründe geltend gemacht. Einen Härtefallantrag nach § 15 VergabeVO hat sie
aber nach eigenen Angaben nicht gestellt, obwohl dieser gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2
VergabeVO grundsätzlich mit dem Zulassungsantrag, also binnen der Ausschlussfrist
des § 3 Abs. 2 Satz 1 VergabeVO, zu stellen ist.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf
den §§ 39 ff., 52 Abs. 2 des GKG.
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