Urteil des VG Berlin vom 02.04.2017

VG Berlin: praktische ausbildung, anerkennung, studienordnung, exmatrikulation, unternehmen, praktikum, bus, wiederholung, einzelrichter, vollstreckung

1
2
3
4
5
6
Gericht:
VG Berlin 12.
Einzelrichter
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 K 464.09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§§ 15 Satz 3 Nr 4 BerlHG, § 11
RPO III der BHG, OpraSt II
Exmatrikulation wegen nicht bestandener Prüfung
Exmatrikulation; Beuth Hochschule für Technik;
Wirtschaftsingenieurwesen (Diplom); endgültiges
Nichtbestehen; praktisches Semester; Anerkennung als
praktische Ausbildung; keine Verlängerung der Prüfungsfrist;
Abweisung
Leitsatz
Die Anerkennung einer Tätigkeit als praktische Ausbildung führt nicht zu einer
Prüfungsfristverlängerung nach § 11 Abs 1 Satz 2 RPO III der BHT
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Exmatrikulation wegen endgültig nicht bestandenen
Leistungsnachweises.
Der Kläger studiert seit dem Jahr 2003 im Diplomstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen
an der Beklagten. Das jährlich angebotene Pflichtfach „Technische Mechanik“ belegte er
erstmalig im Wintersemester 2005/06. Bis zum Ende des Wintersemesters 2008/09
erbrachte er den Leistungsnachweis in diesem Studienfach nicht.
Die Beklagte exmatrikulierte darauf hin den Kläger mit Bescheid vom 5. Mai 2009 wegen
endgültigen Nichtbestehens des Leistungsnachweises im Studienfach „Technische
Mechanik“.
Der Kläger hatte einen Tag vor der Exmatrikulation bei der Beklagten vorgesprochen und
gefragt, ob das endgültige Nichtbestehen wegen Zeitablaufs zu verhindern sei. Er teilte
dabei mit, dass er sich während des Nachprüfungszeitraums seinen kranken Vater
besucht habe und dass er ein Praktikum absolviert habe. Der Kläger beantragte
daraufhin im Juli 2009 die Befreiung vom praktischen Studiensemester in seinem
Studiengang unter Hinweis auf die von ihm geleistete praktische Tätigkeit bei der Firma
„Bus-Center m & m GbR“ vom 3. September 2007 bis zum 25. Juli 2008. Mit Bescheid
teilte vom 3. August 2009 teilte der Beauftragte für das praktische Studiensemester
dem Kläger mit dass die beruflichen Tätigkeiten des Klägers als praktische Tätigkeit
anerkannt und auf die Ableistung eines Praxissemesters verzichtet werde.
Mit der am 4. Juni 2009 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen
seine Exmatrikulation.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Beklagte habe durch die Anerkennung
seiner praktischen Tätigkeit zugleich die Praxisphasen anerkannt, so dass sich der
Zeitraum für die Wiederholung der noch ausstehenden Prüfung im Fach „Technische
Mechanik: Statik, Festigkeitslehre“ entsprechend verlängere.
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Eine Verlängerung der
Wiederholbarkeitsfrist komme nicht in Betracht, da diese nur bei ordnungsgemäß unter
Mitwirkung der Hochschule durchgeführten Praxisphasen gewährt werde. Der Kläger
habe kein von der Beklagen mitgetragenes Vertragsverhältnis aufgenommen. Vielmehr
habe er eine selbstgewählte Tätigkeit absolviert, die lediglich als Äquivalent zum
betreuten Praktikum anerkannt worden sei mit der Folge, dass der Kläger die
geforderten praktischen Tätigkeiten nicht noch einmal ableisten muss.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. April 2010 dem
Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Streitakte sowie auf die den Kläger betreffenden
Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Über die Klage entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter, da die Kammer ihm das
Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung
übertragen hat.
Die Klage ist unbegründet.
Der Exmatrikulationsbescheid der Beklagten vom 5. Mai 2009 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage des Exmatrikulationsbescheides ist § 15 Satz 3 Nr. 4 des Gesetzes
über die Hochschulen im Land Berlin – BerlHG – in der Fassung vom 13. Februar 2003
(GVBl. S. 83), maßgeblich zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. März 2009 (GVBl. S.
70). Danach sind Studierende zu exmatrikulieren, wenn sie die in dem gewählten
Studiengang vorgeschriebenen Leistungsnachweise oder eine vorgeschriebene Prüfung
endgültig nicht bestanden haben, sofern sie nicht innerhalb von zwei Monaten die
Notwendigkeit der Immatrikulation für die Erreichung eines weiteren Studienzieles
nachweisen.
Diese Voraussetzungen für die Exmatrikulation liegen vor, da der Kläger in dem
Pflichtfach „Technische Mechanik: Statik, Festigkeitslehre“ (vgl. Anlage 3 Nr. G 4 zur
Studienordnung für den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen des Fachbereichs 1 der
Beklagten vom 3. März 1997, Amtliche Mitteilungen der Beklagten Nr.19/1997 vom 30.
August 1997 - im Folgenden: Studienordnung) den vorgeschriebenen Leistungsnachweis
endgültig nicht erbracht hat.
Nach § 11 Abs. 1 und 2 der Bestimmungen der Grundsätze für Prüfungsordnungen der
Technischen Fachhochschule Berlin (Rahmenprüfungsordnung - RPO III) vom 3. Juni 2004
(Amtliche Mitteilungen der Beklagten Nr. 77/2004 vom 23. Dezember 2004), die für den
Kläger gemäß der Änderung der Prüfungsordnung für den Studiengang
Wirtschaftsingenieurwesen vom 8.Juli 2004 (Amtliche Mitteilungen der Beklagten Nr.
12/2005 vom 2. März 2005) gelten, stehen für Wiederholungen von Leistungsnachweisen
die drei Semester zur Verfügung, die dem Semester der Erstbelegung unmittelbar
folgen; nach Ablauf dieser Frist ist ein erfolgreicher Abschluss des Studiums in dem
zugehörigen Studiengang nicht mehr möglich.
Danach lief für den Kläger die Frist für die Wiederholung der jeweils im Wintersemester
angebotenen Lehrveranstaltung „Technische Mechanik: Statik, Festigkeitslehre“, die der
Kläger erstmals im Wintersemester 2005/06 belegt hatte, mit Ablauf des
Wintersemesters 2008/09 ab.
Die Prüfungsfrist verlängert sich nicht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 RPO III wegen einer
durchgeführten Praxisphase. Denn die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit bei dem Bus-
Center m & m GbR stellt keine solche Praxisphase dar. Die Prüfungsfrist (zur
Verfassungsmäßigkeit dieser Frist, vgl. Urteil der Kammer vom heutigen Tage – VG 12 K
22
23
24
25
Verfassungsmäßigkeit dieser Frist, vgl. Urteil der Kammer vom heutigen Tage – VG 12 K
512.09 -) verlängert sich nur dann, wenn eine entsprechend der einschlägigen
Studienordnung i.V.m. mit den Regelungen zur Praxisphase bzw. Praxissemester (so die
Bezeichnung für die Diplomstudiengänge) durchgeführte praktische Tätigkeit ausgeübt
wurde. Nach § 5 der Studienordnung findet im fünften Studienplansemester das
praktische Studiensemester statt. Die Ausbildungsziele und –inhalte finden sich in
Anlage 4 zur genannten Studienordnung sowie in der Ordnung für das praktische
Studiensemester an der Beklagten (OpraSt II) in der Fassung vom 27. April 2000
(Amtliche Mitteilungen der Beklagten Nr. 4/97 und Nr. 15/2000). Danach ist Ziel des
praktischen Studiensemesters, eine enge Verbindung zwischen Studium und
Berufspraxis herzustellen. Es gliedert sich in die praktische Ausbildung, die unter
Betreuung durch die Beklagte außerhalb der Hochschule durchgeführt wird, und in
weitere Lehrveranstaltungen, für die der Student/die Studentin von der
Anwesenheitspflicht in der Ausbildungsstelle befreit ist (vgl. § 2 OpraSt). Entweder weist
die Beklagte einen Praxisplatz zu oder der Studierende schlägt einen Praxisplatz vor, der
seitens der Beklagten daraufhin geprüft wird, ob er den Anforderungen entspricht. Der
Studierende wird von einer Lehrkraft fachlich betreut. Diese Betreuung soll am
Praxisplatz stattfinden (§ 7 Abs. 1 OpraSt). Der Ausbildungsvertrag wird vor
Ausbildungsbeginn zwischen der Ausbildungsstelle, dem Studenten und der Beklagten
geschlossen (§ 8 Abs. 1 OpraSt).
Die Regelungen zeigen die beabsichtigte enge Verzahnung zwischen Studieninhalten
und -zielen einerseits und der praktischen Tätigkeit andererseits. Der Studierende geht
dem die Zeit eines Semesters dauernden Praktikum während der üblichen
Studienveranstaltungszeiten nach. Folgerichtig verlängert sich der Prüfungszeitraum.
Eine anderweitige praktische Tätigkeit stellt kein praktisches Studiensemester bzw. keine
Praxisphase (so wird aktuell das entsprechende Modul genannt, vgl. Ordnung für
Praxisphasen vom 31. März 2005, Amtliche Mitteilungen der Beklagten Nr. 37/2005 vom
22. April 2005) im Sinne des § 11 Abs. 1 RPO III dar.
Die Anerkennung von praktischen Tätigkeiten des Studierenden nach § 12 OpraSt II führt
nicht zu einer Verlängerung der Prüfungsfrist nach § 11 Abs. 1 Satz 2 RPO III. Durch die
Anerkennung von Tätigkeiten als praktische Ausbildung soll der Studierende von der
Pflicht befreit werden, bereits erworbene praktische Fertigkeiten sowie im
Zusammenhang mit praktischer Tätigkeit erworbene Kenntnisse nochmals durch
Ableistung eines Praktikums nachweisen zu müssen. Für diese Anerkennung muss eine
Vergleichbarkeit zwischen der ausgeübten Tätigkeit und der nach der OppraSt
vorgesehenen praktischen Ausbildung bestehen. Die Anerkennung als praktische
Ausbildung bedeutet aber nicht, dass ein Praxissemester bzw. eine Praxisphase
anerkannt wird. Denn die praktische Ausbildung ist nur ein Teil des praktischen
Studiensemesters, das sich gemäß § 2 Abs. 3 OpraSt in die praktische Ausbildung
(praktische Tätigkeit und die Übung „Auswertung von Erfahrungen am Arbeitsplatz
[AEP]) und weitere Lehrveranstaltungen gliedert. Somit liegen bereits die
tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Prüfungsfristverlängerung nach § 11 Abs. 1
Satz 2 RPO (Semester, in denen Praxisphasen [vormals: praktisches Studiensemester]
durchgeführt werden) nicht vor.
Solche anderweitig ausgeübten praktischen Tätigkeiten erfordern auch nicht zwingend
eine Verlängerung der Prüfungsfrist, denn sie können bereits vor Aufnahme des
Studiums oder aber neben dem Studium (als „Studentenjob“) ausgeübt worden und
somit für die Prüfungsfrist ohne Belang sein.
Auch bei der praktischen Tätigkeit des Klägers, die aus den oben dargelegten Gründen
nicht zu einer Verlängerung der Prüfungsfrist führt, ist nicht erkennbar, dass sie der
Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Prüfungen entgegenstand. Es hat vielmehr den
Anschein, dass der Kläger seine Beschäftigung im Unternehmen seiner Brüder im
Nachhinein als praktische Tätigkeit angesehen wissen will mit dem Ziel der
Prüfungsfristverlängerung. Denn es ist nicht zu erklären, dass der Kläger die bis zum 25.
Juli 2008 andauernde Tätigkeit, die er ohne Beachtung der Formalien der OpraSt
aufgenommen hatte, erst im Juli 2009 nach erfolgter Exmatrikulation der Beklagten
angezeigt hat. Zweifel an Qualität und Umfang der Tätigkeit ergeben sich auch daraus,
dass der Kläger noch in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, erst nach langer
und aufwändiger Suche auf das Autohaus gestoßen zu sein, das seinen Ansprüchen in
idealer Weise genügte. Erst auf gerichtlichen Vorhalt, dass eine Internetrecherche
ergeben habe, dass die Herren M und M Geschäftsführer des Unternehmens seien,
räumte der Kläger ein, dass dies seine Brüder seien und er schon sein seine praktische
Vorbildung bei diesem Unternehmen erworben habe. Seine Ausführungen in seinem
Praktikumsbericht über seine Tätigkeit von September 2007 bis Juli 2008 zum
Bewerbungsgespräch und dem anschließenden Kennenlernen der Mitarbeiter des nach
26
27
28
Bewerbungsgespräch und dem anschließenden Kennenlernen der Mitarbeiter des nach
Angaben des Klägers 10 Arbeitnehmer umfassenden Unternehmens erscheinen danach
wenig glaubhaft. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass der Kläger die Arbeit im
Unternehmen der Brüder seinem Studium vorgezogen hat und im Nachhinein die sich
daraus ergebenden Nachteile vermeiden will. Der Kläger konnte in der mündlichen
Verhandlung die Frage des Beklagtenvertreters, wer sein Ausbilder gewesen sei und
welche Berufsausbildung dieser habe, nicht beantworten. Es ist demnach zweifelhaft, ob
das Unternehmen die in der OpraSt aufgestellten Anforderungen erfüllt und als
praktische Ausbildungsstelle in Betracht kommt. Diese Ungereimtheiten stellen die
Rechtmäßigkeit der Anerkennung der praktischen Tätigkeit nach § 12 OppraSt in Frage,
die allerdings nicht Streitgegenstand ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum