Urteil des VG Berlin vom 29.03.2017

VG Berlin: öffentliche ruhe und ordnung, ausländer der zweiten generation, verteidigung der ordnung, handel mit betäubungsmitteln, schutz der gesundheit, vollstreckung der strafe, nationale sicherheit

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Gericht:
VG Berlin 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 A 228.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 53 Nr 1 AufenthG, § 53 Nr 2
AufenthG
Regelausweisung wegen strafgerichtlicher Verurteilung zu einer
Freiheitsstrafe von 6 Jahren
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Der im Jahre 1981 geborene Kläger reiste im Oktober 1989 in Deutschland ein. In Berlin
halten sich weitere Geschwister des Klägers auf. Seinen als Kurde aus dem Libanon
gestellten Asylantrag wies das seinerzeit zuständige Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 4. Juli 1990 zurück. Der Kläger erhielt
zunächst eine Duldung, danach im März 1992 erstmals eine Aufenthaltsbefugnis.
Zurzeit befindet er sich in Haft. Dort wird er von seiner Ehefrau regelmäßig besucht.
Voraussichtliches Haftende ist der 20. November 2010.
Am 4. Juni 1993 kam der S. als Sohn einer G. zur Welt. Am 18. Dezember 2002 schloss
der Kläger die Ehe mit einer anderen deutschen Staatsangehörigen. Die Erteilung einer
diesbezüglichen Aufenthaltsgenehmigung (Anträge vom 6. und 21. Januar 2003) wurde
vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten wegen eines offenen
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zunächst ausgesetzt.
Im September 2002 stellte die libanesische Botschaft dem Kläger ein für ein Jahr gültiges
Laissez-Passer aus und gab dessen Staatsangehörigkeit („Nationalitè“) mit „libanaise“
an. Mit Schreiben vom 17. Januar 2008 wandte sich das Landesamt für Bürger- und
Ordnungsangelegenheiten wegen eines gültigen Reisedokumentes für den Kläger an die
libanesische Botschaft.
Der Kläger ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
- Am 24. Mai 1993 verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu neun Tagen
Dauerarrest wegen Körperverletzung und versuchten Diebstahls.
- Am 8. Januar 1996 verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu vier Wochen
Jugendarrest wegen Hehlerei.
- Am 19. Februar 1997 verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu zehn
Freizeitarbeiten wegen Diebstahls.
- Am 21. Mai 1997 verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu fünfzehn
Freizeitarbeiten wegen Diebstahls.
- Am 21. Januar 1998 verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu zwei
Freizeitarresten wegen Diebstahl.
- Am 21. Mai 2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu sechzig
Tagessätzen wegen eines Schuldspruches in einem rechtskräftigen Strafbefehl vom 1.
Februar 2002.
- Mit Strafbefehl vom 24. Februar 2003 wurde gegen den Kläger wegen Fahrens
ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von siebzig Tagessätzen zu 13,- € festgesetzt.
- Am 22. Februar 2006 verurteilte ihn das Landgericht Berlin rechtskräftig zu
einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen unerlaubtem Handel mit
Betäubungsmitteln (Ecstasy) in Tateinheit mit Geldfälschung.
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- Am 16. Juli 2007 verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen falscher Verdächtigung.
Nachdem ihm die Ausländerbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu der
beabsichtigten Ausweisung gegeben hatte, trug der Kläger mit Schreiben vom 24.
August 2007 im Wesentlichen vor, die Tatbegehung sei in einer einmaligen
Ausnahmesituation erfolgt. Er sei der Vater des deutschen Staatsangehörigen S., mit
dem eine gelebte Vater-Sohn-Beziehung im Bundesgebiet geführt werde. Er sei als
Minderjähriger eingereist, im Libanon wäre er außergewöhnlich harten Lebensumständen
ausgesetzt.
Mit Bescheid vom 12. November 2007 lehnte das Landesamt für Bürger- und
Ordnungsangelegenheiten die Anträge vom 6. und 21. Januar 2003 auf Erteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung ab, wies den Kläger unter Bezugnahme auf die landgerichtliche
Verurteilung vom 22. Februar 2006 und die amtsgerichtliche Verurteilung vom 16. Juli
2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus, drohte ihm unter Fristsetzung die
Abschiebung an und ordnete die unverzügliche Übergabe des Laissez-Passer vom 30.
September 2002 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und der Androhung
unmittelbaren Zwangs für den Fall an, dass der Kläger das Laissez-Passer nicht bis zum
11. Dezember 2007 übergebe. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen: Da der Kläger
wegen seiner Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen besonderen
Ausweisungsschutz genieße, dürfe die Ausweisung nur im Regelfall erfolgen. Eine
atypische Fallkonstellation sei nicht ersichtlich. Der Kläger habe nicht in einer einmaligen
Ausnahmesituation gehandelt, wie die erneute Verurteilung vom 16. Juli 2007 zeige.
Mangels Vaterschaftsanerkenntnis sei nicht von einem Verwandtschaftsverhältnis
zwischen dem Kläger und dem Kind S. auszugehen. Auch ansonsten sei nicht ersichtlich,
dass der inzwischen Vierzehnjährige auf die dauerhafte Anwesenheit des Klägers
angewiesen sei. Die Familienangehörigen könnten die Kontakte auch durch Besuche im
Heimatland aufrechterhalten. Im Übrigen überwöge auch im Falle der Ausübung von
Ermessen das öffentliche Interesse an der Ausweisung das Individualinteresse des
Klägers. Wegen § 11 Abs. 1 AufenthG komme lediglich eine Aufenthaltserlaubnis gemäß
§ 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Der Kläger erfülle jedoch nicht die Voraussetzungen,
da seiner freiwilligen Ausreise kein Hindernis entgegenstehe.
Am 13. Dezember 2007 hat der Kläger bezüglich des Bescheides vom 12. November
2007 Klage erhoben. Er beantragt,
den Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom
12. November 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine
Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und bezieht sich im Wesentlichen auf den ergangenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Streitakte und den Inhalt
der Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist, soweit sie sich gegen die Bescheid vom 28. September 2007 enthaltene
Ausweisungsverfügung, die Abschiebungsandrohung, die Übergabe des Laissez-Passer
sowie die Androhung unmittelbaren Zwangs richtet, als Anfechtungsklage, soweit sie auf
die Erteilung eines Aufenthaltstitels gerichtet ist, als Verpflichtungsklage zulässig (§ 42
VwGO).
Die Klage ist indes nicht begründet.
Die Ausweisungsverfügung im Bescheid des Landesamtes für Bürger- und
Ordnungsangelegenheiten vom 12. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie begegnet keinerlei
rechtlichen Bedenken.
Ein Ausweisungsgrund für eine zwingende Ausweisung liegt vor. Gemäß § 53 Nr. 1 und 2
AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, wenn er wegen einer vorsätzlichen Straftaten
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt
worden ist (Nr. 1) oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem
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worden ist (Nr. 1) oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem
Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die
Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist (Nr. 2). Beide
Tatbestände erfüllt der Kläger mit der Verurteilung vom 22. Februar 2006.
Zutreffend ist das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten von einer
Regelausweisung ausgegangen (§ 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG.) Da der Kläger mit einer
deutschen Staatsangehörigen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt - seine Frau hat ihn
in der Haft regelmäßig besucht - genießt er besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Danach genießt ein Ausländer, der mit einem deutschen
Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, besonderen
Ausweisungsschutz. Ein für die Ausweisung erforderlicher schwerwiegender Grund liegt
gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in den Fällen der zwingenden Ausweisung gemäß §
53 AufenthG vor.
Zutreffend ist die Ausländerbehörde darüber hinaus im Rahmen der Regelausweisung
von einem Regelfall ausgegangen. Vorliegend ist kein tatsächlicher Umstand ersichtlich,
der Anlass geben könnte, nicht von einem Regel-, sondern von einem Ausnahmefall
auszugehen. Nach ständiger Rechtsprechung beziehen sich die Worte "in der Regel" im
System der Rechtsgrundlagen für Aufenthaltstitel sowie der Ausweisungstatbestände auf
Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleich liegender
Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch atypische Umstände
gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht
der gesetzlichen Regel beseitigen. Bei der uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle
unterliegenden Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, sind alle Umstände einer evtl.
strafgerichtlichen Verurteilung sowie die sonstigen Verhältnisse des Betroffenen zu
berücksichtigen. Ein Ausnahmefall von der Regelausweisung - und damit die
Notwendigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung - ist ferner dann
anzunehmen, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen
Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung
unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten. Dies ist insbesondere
bei der im Laufe der Zeit angewachsenen Gruppe im Bundesgebiet geborener und
aufgewachsener Ausländer der Fall. Hier bedarf es bei der Entscheidung über eine
Ausweisung einer individuellen Würdigung, inwieweit der Ausländer im Bundesgebiet
verwurzelt ist und dies angesichts der konkreten Ausweisungsgründe bei Abwägung aller
Umstände des Einzelfalles einer Ausweisung entgegensteht (vgl. dazu
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Oktober 2007 - 1 C 10/07 - m. w. N.; zitiert
nach Juris).
Atypische Umstände sind nicht ersichtlich. Auch höherrangiges Recht oder durch
Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des
Ausländers gebieten vorliegend nicht eine Einzelfallwürdigung. Der Kläger wurde nicht im
Bundesgebiet geboren und gehört nicht zur Gruppe der in Deutschland geborenen und
aufgewachsenen Ausländer, bei denen das Bundesverwaltungsgericht immer einen
Ausnahmefall für gegeben erachtet (vgl. Bundesverwaltungsgericht, ebd.). Seine Ehe mit
einer deutschen Staatsangehörigen stellt keinen atypischen Umstand dar. Viele in
Deutschland lebende Ausländer sind verheiratet und haben deutsche Ehegatten.
Auch gebieten Art. 6 GG und insbesondere Art. 8 EMRK vorliegend nicht, wegen dieser
Ehe von einem Ausnahmefall auszugehen, noch ist die Ausweisung des Klägers
ansonsten wegen eines Verstoßes gegen Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Danach hat
jedermann u. a. Anspruch auf Achtung seines Familienlebens (Abs. 1). Der Eingriff einer
öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser
Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer
demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und
Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur
Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral
oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Abs. 2).
Eine den Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK auslösende
Verbindung kann insbesondere für solche Ausländer in Betracht kommen, deren
Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland auf Grund eines Hineinwachsens in die
hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland quasi
deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sind (vgl. dazu Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juli 2006 – 11 S 951/06 - zitiert nach Juris). Eine
Verletzung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
kommt bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu
Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im
Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist
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Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist
(vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. September 1998 – 1 C 8/96 – zitiert nach
Juris). Dabei ist nicht davon auszugehen, dass eine Ausweisung von straffällig
gewordenen Ausländern der zweiten Generation, die bereits als Kinder in den
Vertragsstaat eingereist oder dort geboren und aufgewachsen sind, regelmäßig gegen
Art. 8 EMRK verstößt. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist vielmehr die
Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK hinsichtlich der Frage der Verhältnismäßigkeit
einer Ausweisung und Abschiebung eines sog. Ausländer der zweiten Generation nach
Maßgabe der Grundrechte des Grundgesetzes heranzuziehen (vgl. dazu
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. März 2004 -2 BvR 1570/03 – zitiert nach
Juris). Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ist die Schwere der
begangenen Straftaten, gekennzeichnet in erster Linie durch die Höhe der verhängten
Strafe, zu berücksichtigen. Weiter von Bedeutung ist die familiäre Situation des
Ausgewiesenen. Dabei wird insbesondere berücksichtigt, ob der im Inland
aufgewachsene Ausländer inzwischen mit einer Person verheiratet ist, die die
Staatsangehörigkeit seines Aufenthaltslandes besitzt, und ob er Kinder hat.
Unverheiratete und kinderlose Ausländer genießen einen schwächeren
aufenthaltsrechtlichen Schutz. Daneben werden zwar auch die Bindungen zu den im
Inland lebenden Eltern und Geschwistern berücksichtigt, diese sind aber von geringerem
Gewicht, wenn der erwachsene Ausländer nicht auf Grund besonderer Umstände auf
deren Unterstützung und Hilfe angewiesen ist. Ferner ist von Bedeutung, ob ein Bezug
des Ausländers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit besteht. Dabei wird die
Kenntnis der Sprache des Herkunftsstaates als ein bedeutsamer Umstand - im Hinblick
auf die Zumutbarkeit einer Integration in die dortigen Lebensverhältnisse - bezeichnet.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zur Ausweisung von straffälligen
Ausländern der zweiten Generation kann nicht festgestellt werden, dass die Ausweisung
des Klägers unverhältnismäßig ist. Der Kläger hat erhebliche und schwerwiegende
Straftaten begangen. Er wurde wegen Handels mit Rauschgift („Ecstasy“) und einem
Geldfälschungsdelikt zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Dies kann der
bloße Umstand einer Ehe für sich genommen nicht überwiegen. Es sind auch keine
weiteren Einzelheiten über die Bindungen des Klägers zu seiner Ehefrau bekannt, die
Anlass geben könnten, hier eine besonders schützenswerte eheliche Gemeinschaft
anzunehmen, deren Schutzbedürftigkeit dann in Relation zu der Straftat das öffentliche
Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung überwöge. Sind hier jeweils bezogen auf den
konkreten Einzelfall u. a. die familiäre Situation wie die Dauer der Ehe und andere
Faktoren, die die Effektivität des Familienlebens eines Paares zum Ausdruck bringen, zu
würdigen (vgl. dazu OVG Saarland, Urteil vom 15. September 2006 - 2 R 1706 - zitiert
nach Juris; siehe auch Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 10. Mai 2007 -
1 BvR 304/07 - zitiert nach Juris), so ist außer dem Umstand, dass der Kläger seit 2002
mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und diese ihn regelmäßig in der
Haft besucht, zu seinem Familienleben nichts weiter bekannt. Solche Umstände
substantiiert vorzutragen, obliegt dem Kläger (§ 82 AufenthG). Gleichermaßen liegen die
Dinge bei - nach Vortrag des Klägers - seinem Sohn S.. Es ist bereits nicht klar, ob der
Kläger der leibliche Vater ist. Eine Vaterschaftsanerkennung liegt nicht vor. Selbst wenn
man aber von einer Vaterstellung des Klägers gegenüber dem S. L. ausginge, so ist kein
Anhaltspunkt für eine gelebte Vater-Sohn-Beziehung ersichtlich. Es fehlt an jeglicher
Darlegung, was der Kläger mit seinem Sohn gegebenenfalls seit dessen Geburt im Jahre
1993 bzw. gegenwärtig unternommen, wie er sich um ihn gekümmert und welche
Beistandsleistungen er erbracht haben will. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass die
sonstige Familie bzw. die Geschwister des Klägers - beispielsweise wegen
Pflegebedürftigkeit - unabdingbar auf seine Unterstützung oder er auf deren Hilfe
angewiesen ist. Eine Verbundenheit des Klägers zu seinem Heimatland drückt sich
schließlich darin aus, dass er sich im September 2002 von der libanesischen Botschaft
ein Laissez-Passer ausstellen ließ.
Die Verfügung betreffend die Übergabe des Laissez-Passer vom 30. September 2002 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer, der - wie der Kläger - keinen
gültigen Pass oder Passersatz besitzt, verpflichtet, an der Beschaffung des
Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die für die
Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und
Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung
sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes
betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Das
ungültige Laissez-Passer der libanesischen Botschaft ist jedenfalls als sonstige
Unterlage zweifelsfrei geeignet, die Identität des Klägers gegenüber dieser Botschaft zu
belegen. Die Androhung unmittelbaren Zwangs ist rechtmäßig. Die Schriftform ist erfüllt
(§ 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG), eine Frist wurde bestimmt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG). Eine
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(§ 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG), eine Frist wurde bestimmt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG). Eine
Ersatzvornahme scheidet aus, da die Übergabe keine vertretbare Handlung sein
darstellt. Den Kläger durch ein Zwangsgeld zur Übergabe des Laissez-Passer
anzuhalten, erscheint wegen der Haft des Klägers untunlich (§ 12 VwVG).
Die Versagung eines Aufenthaltstitels im Bescheid vom 12. November 2007 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der
Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Darf gemäß § 11
Abs. 1 Satz 2 AufenthG einem ausgewiesener Ausländer auch bei Vorliegen der
Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt
werden, kommt als Anspruchsgrundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels sinnhaft
allein § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar
ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt
werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist
und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten
ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer
unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt
insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder
Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der
Ausreisehindernisse nicht erfüllt.
Zwar besteht ein tatsächliches Abschiebungshindernis, da der Kläger kein gültiges
Reisedokument besitzt. Eine Antwort der libanesischen Botschaft auf das Schreiben des
Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 17. Januar 2008 ist nach
Aktenlage bislang nicht erfolgt. Der Kläger ist indes in jedem Fall aus eigenem
Verschulden an der Ausreise gehindert. So er sich nach Ablauf des Laissez-Passer aus
dem Jahre 2002 nicht um ein neues Dokument bemüht hat, ist ihm dies anzulasten. Im -
angenommenen - Falle, dass er ein solches gültiges Reisedokument in Besitz hat, ist
ihm dessen Herausgabe zumutbar, deren Unterlassung sein Verschulden. Der Kläger ist
ferner auch nicht durch seine Haft gehindert, sich um ein Reisedokument zu bemühen.
Hier ist zum einen zu bemerken, dass er durch seine Straftat diese Haft selbst
verschuldet hat. Im Übrigen aber ist es dem Kläger unbenommen, sich aus der Haft
heraus etwa durch Rechtsanwälte oder seine Ehefrau um Reisedokumente zu kümmern.
Unterlässt er dies, geht es zu seinen Lasten.
Die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 12. November 2007 begegnet keinen
rechtlichen Bedenken. Der Kläger hat keinen Aufenthaltstitel und ist vollziehbar
ausreisepflichtig (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 59 AufenthG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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