Urteil des VG Berlin vom 29.03.2017

VG Berlin: unternehmen, gesetzliche vermutung, grundstück, grundbuch, privatbank, entlastung, durchgriff, bestätigung, firma, verordnung

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Gericht:
VG Berlin 29.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
29 A 274.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 S 4 VermG, § 3 Abs 1
S 5 VermG
Restitution; mittelbare Unternehmensschädigung; dreifacher
Durchgriff; jüdisches Unternehmen; fehlende Behandlung als
jüdisches Unternehmen; Verfolgungsvermutung;
verfolgungsunabhängige Anteilsveräußerung; keine
Anhaltspunkte für Benachteiligung im Rahmen eines
Sanierungsplans
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 6/7 und die Beklagte zu 1/7 mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht als Liquidationsgesellschaft - nach Hauptsachenerledigung im
Übrigen - nur noch Bruchteilserlösauskehransprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG und
§ 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG wegen eines verfolgungsbedingten Verlustes einer
Aktienbeteiligung an der früheren A. geltend, die wiederum an der früheren H. beteiligt
war, in deren Eigentum das 1994 investiv veräußerte, 1299 m² große Grundstück U.,
verzeichnet im Grundbuch von D.8..., später umbenannt in das Grundstück U.,
Grundbuch von M., heute verzeichnet im Grundbuch M., stand.
Das Bankhaus A., dessen Unternehmensträger die G. (später umgewandelt in eine
OHG) gewesen ist, war eine jüdische Privatbank mit Stammsitz in Dresden. Im Jahr 1922
wurde eine selbstständige Niederlassung in Berlin gegründet. Nachdem durch Vertrag
vom 2. Dezember 1935 zunächst das Dresdener Bankgeschäft verfolgungsbedingt an
die Dresdner Bank veräußert worden war, veräußerte die Klägerin unter dem 18. Februar
1938 auch das selbstständige Berliner Bankgeschäft der G. an die Dresdner Bank bzw.
deren Tochterunternehmen H. 1939 wurde die Klägerin aufgelöst.
Die G. war bis zu diesem Veräußerungsvertrag vom 18. Februar 1938 mit einem
Kapitalanteil von 1.250.900 RM unmittelbar am Stammkapital der H. von 21.680.000 RM,
mithin mit einer Quote von 5,769 %, beteiligt. Hinsichtlich dieses Anteils hat die Beklagte
die Erlösauskehrberechtigung in der mündlichen Verhandlung anerkannt, sodass das
zunächst auch hierauf gerichtete Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung am 9.
Juli 2009 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.
Bis zu ihrer Veräußerung im Februar 1938 war die G. darüber hinaus mit 49,7 % am
Stammkapital der A. beteiligt, die wiederum am Grundkapital der H. - allerdings nur bis
zur Veräußerung im Jahr 1935 aufgrund eines „Reorganisationsplans für die A.“ - Aktien
in Höhe von nominal 15.246.900 RM, mithin 70,327 %, hielt.
Die H. hatte das streitgegenständliche Grundstück im Jahre 1907 erworben und sodann
die „U.“ gegründet, ein 100%iges Tochterunternehmen der H.. Diese ließ sie ins
Grundbuch eintragen. 1936 wurde die GmbH aufgelöst und die H. selbst als
Grundstückseigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Im Rahmen der
besatzungshoheitlichen Enteignung der H. wurde das Grundstück 1950 in Volkseigentum
überführt. Durch Investitionsvorrangbescheide vom 23. Juni 1993 und 14. März 1994 und
investive Veräußerung durch Vertrag vom 8. November 1994 und 31. Juli 1996 wurde
das streitgegenständliche, damals unbebaute Grundstück zusammen mit einem
Nachbargrundstück zwecks Errichtung des H. an die „J.“ veräußert, die seitdem
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Nachbargrundstück zwecks Errichtung des H. an die „J.“ veräußert, die seitdem
Eigentümerin ist. Anschließend wurde das Grundstück übergreifend mit Teilen des H.A.
überbaut.
Mit zwei Schreiben vom 26. November 1992 machte einer der Liquidatoren der Klägerin
„Grundstücksansprüche aus Unternehmensbeteiligungen an der H.A.“ und
„Grundstücksansprüche aus Unternehmensbeteiligungen an der A.“, eine Liste ohne
Gewähr der Vollständigkeit sei in Anlage beigefügt, geltend, wobei dort neben einer
Reihe von Grundstücken auch aufgeführt ist: „Vermögensansprüche aus Beteiligungen
an: H. (ca. 70 %)“, und konkretisierte dies mit Schreiben vom 3. August 1993
dahingehend, dies beziehe sich u.a. auf das frühere Grundstück U..
Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen/Landesausgleichsamt Berlin
stellte durch Bescheid vom 24. April 2003 - unter Ablehnung der Restitution - die
Entschädigungsberechtigung der Klägerin wegen der verfolgungsbedingten Veräußerung
ihres Berliner Unternehmens im Wesentlichen mit der Begründung fest, die G. sei ein
jüdisches Unternehmen gewesen, der Verkauf durch Vertrag vom 18. Februar 1938
verfolgungsbedingt erfolgt.
Durch den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und
offene Vermögensfragen vom 10. Mai 2006 lehnte die Beklagte u.a. die
Rückübertragung des Grundstücks ab und stellte fest, dass der Klägerin aufgrund des
Eigentumsverlustes der unmittelbaren Aktienbeteiligung von 5,769 % an der H. nur ein
Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des NS-VEntschG zustehe. Anteilige
Erlösauskehr insoweit komme nicht in Betracht, weil die entzogene unmittelbare
Beteiligung am Unternehmen weniger als 20 % betragen habe. Zu - auch im
Anhörungsverfahren nicht geltend gemachten - Ansprüchen aus der mittelbaren
Beteiligung über die A. werden Ausführungen im Bescheid nicht gemacht.
Zur Begründung der am 20. Mai 2006 erhobenen Klage macht die Klägerin im
Wesentlichen Folgendes geltend:
Aufgrund der anfangs noch liberaleren Verhältnisse in Berlin habe sich das Berliner
Bankhaus G. noch bis 1938 halten können. Aufgrund der zunehmenden Repressalien
habe man sich jedoch Ende 1937 zum Verkauf auch insoweit entschlossen. Der Erlös
aus der Veräußerung sei im Wesentlichen zur Begleichung der sogenannten
Judenvermögensabgabe und der Reichsfluchtsteuer verwandt bzw. gesperrt worden.
Ende 1938 sei D. als letztes Familienmitglied nach Holland geflohen.
Ihr habe neben der - nunmehr unstreitig gestellten - unmittelbaren Beteiligung an der H.
in Höhe von 5,769 % noch ein mittelbarer Anspruch in Höhe von 34,953 % aufgrund ihrer
49,7%igen Beteiligung an der A. und deren 70,327%iger Beteiligung an dieser
zugestanden. Die A. habe ihre Beteiligung im Jahre 1935 verfolgungsbedingt verloren
gehabt, wodurch sie als Gesellschafterin geschädigt worden sei. Die A. habe nämlich
aufgrund der Beteiligung des Bankhauses A. und der jüdischen Aufsichtsratspositionen
von Herrn D. ebenfalls als jüdisches Unternehmen gegolten. Insoweit berufe man sich
auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2006 zum Aktenzeichen
7 C 4.05, wonach bei entscheidender Beteiligung von Juden an Unternehmen nach den
Grundsätzen der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 bereits
ab „Machtergreifung“ die Entziehungsvermutung des Art. 3 Abs. 1 lit. b REAO gegolten
habe. Dass es 1935 Bestrebungen gegeben habe, die A. zu arisieren, zeige sich darin,
dass D. als von der G. entsandter jüdischer Aufsichtsratvertreter laut dessen Aktennotiz
vom 19. Dezember 1935 zur Aufgabe seines Aufsichtsratspostens in der A. gezwungen
worden sei. Der Einschätzung als jüdisches Unternehmen stehe auch weder die
Bescheinigung der Gauleitung Berlin der NSDAP vom 1. April 1933 entgegen, in der es
heiße, die Firma A. sei nicht in jüdischen Händen, noch die Beteiligung der A. im Jahre
1937 an der Arisierung der O..
Dahingestellt bleiben könne, ob die Veräußerung der A. an der H. letztlich vor oder nach
dem 15. September 1935 erfolgt sei, was deshalb fraglich sei, weil die Abstimmung über
den diesem Verkauf zugrunde liegenden Reorganisationsplan mit Rückwirkung auf die
Bilanz 1934 wegen der Unwirksamkeit der ersten Abstimmung am 15. Mai 1935 am 17.
Dezember 1935 habe wiederholt werden müssen. Denn die gesetzliche Vermutung der
Unangemessenheit des Kaufpreises und fehlender freier Verfügungsbefugnis in § 1 Abs.
6 VermG sei vorliegend nicht widerlegt. Dem widerspreche insbesondere die im
„Reorganisationsplan für die A.“ geregelte Übernahme der an sie als Gläubigerin
verpfändeten Aktien der H. zu nur 85 % ihres Nominalwertes, mithin unterhalb der
Wertangabe von 112 % in ihrer Bilanz. Auch sei die Klägerin im Rahmen dieses
Reorganisationsplanes dadurch benachteiligt worden, dass sie, obwohl mit 5 % an den
Forderungen gegenüber der A. beteiligt, nur 1 % der H. – Aktien zu diesem – zu
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Forderungen gegenüber der A. beteiligt, nur 1 % der H. – Aktien zu diesem – zu
niedrigen – Kurs habe erwerben können.
Die Klägerin beantragt - nach übereinstimmender teilweiser
Hauptsachenerledigungsklärung - nur noch,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für
zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 10. Mai 2006 zu verpflichten,
festzustellen, dass ihr aufgrund des mittelbaren Eigentumsverlustes der
Aktienbeteiligung von insgesamt 34,953 % an der ehemaligen H. ein weiterer Anspruch
auf Auskehr des anteiligen Veräußerungserlöses des Grundstücks U. in Berlin Mitte,
heute verzeichnet im Grundbuch von M., zusteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die mittelbare Beteiligung der Klägerin an der H. über die A.
sei nicht Gegenstand des angegriffenen Bescheides. Jedenfalls aber sei die A. im
Zeitpunkt der Schädigung der Klägerin, d.h. im Februar 1938, schon lange nicht mehr an
der H. beteiligt gewesen, da sie sich im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Sanierung 1935
von diesen Anteilen getrennt gehabt habe. Damit aber entfalle auch eine mittelbare
Anteilsschädigung der Klägerin als Mutterunternehmen der A. im Rahmen ihrer
Schädigung im Jahre 1938.
Auch habe der Verkauf der Aktienanteile der A. an der H. im Jahre 1935 nichts mit
Verfolgung zu tun gehabt. Dies schon deshalb nicht, weil die A. kein jüdisches
Unternehmen gewesen oder jedenfalls nicht als solches angesehen worden sei. Denn es
sei bekannt, dass die Brüder A. bereits sehr früh das NS-Regime hofiert hätten. Insofern
werde auf eine Bestätigung der Gauleitung Groß-Berlin der NSDAP vom 1. April 1933
verwiesen, in der es heißt: „Es wird hiermit bescheinigt, dass die Firma A. nicht in
jüdischen Händen ist“. Ferner ergebe sich aus der Unternehmensgeschichte der A.,
dass diese bereits 1937 mit den K. den Kern der O.. „arisiert“ habe. Dies wäre sicherlich
nicht möglich gewesen, wenn A. selbst als jüdisch gegolten hätte.
Zu verweisen sei auch auf das eigene Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz ihrer
Verfahrensbevollmächtigten vom 17. Mai 2005. Danach habe das Bankhaus G.A. ein
Aktienpaket im Nennwert von 1.491.000 RM, mithin 49,7 % des Stammkapitals, nur zum
Erwerb durch F. gekauft. Letztlich habe dieser aufgrund ständiger Liquiditätsprobleme
das Aktienpaket dann aber nicht erwerben können. Gleichwohl sei nur ein Aktienpaket
von 750 Aktien (25 %) bei den G.A. verblieben, während ein Aktienpaket im Umfang von
741 Aktien (24,7 %) aufgrund der persönlichen Absprache zwischen F. und H. zur
Stimmrechtsausübung in das Depot von Herrn F. gelegt worden sei (so auch die
Niederschrift über die außerordentliche Vorstandssitzung der A. vom 20. April 1940).
Dadurch habe er in die Lage versetzt werden sollen, die Mehrheitsrechte in der
Gesellschaft auszuüben. Diese jüdische Beteiligung an der A. sei dementsprechend gar
nicht öffentlich bekannt gewesen.
Der Beigeladene hat weder einen Sachantrag gestellt noch Sachausführungen gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Streitakten
und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und –
soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe
Die Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin besitzt – über den in der
mündlichen Verhandlung anerkannten Anspruch aus der unmittelbaren Beteiligung an
der H. hinaus – keinen weiteren Anspruch auf Erlösauskehr wegen der 1994 erfolgten
investiven Veräußerung des früheren Grundstücks U. in Berlin-Mitte im Hinblick auf ihre
frühere Beteiligung an der A.. Soweit die Beklagte einen solchen Anspruch im
streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene
Vermögensfragen vom 10. Mai 2006 nicht anerkannt hat, ist dies rechtmäßig und
verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erlösauskehr kommt vorliegend
– wie auch die Klägerin vorträgt – nur § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG i.V. m. § 3 Abs. 1 Satz 4
VermG in Betracht. Nach der letztgenannten Norm kann der Berechtigte verlangen,
dass ihm an (einzelnen) Vermögensgegenständen eines Unternehmens, die zusammen
mit diesem entzogen werden oder später von diesem angeschafft worden sind, im Wege
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mit diesem entzogen werden oder später von diesem angeschafft worden sind, im Wege
der Einzelrestitution in Höhe der entzogenen Beteiligung Bruchteilseigentum eingeräumt
wird (Halbsatz 1), wobei ein solcher Anspruch auch besteht, wenn eine unmittelbare oder
mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen Gegenstand der Schädigung nach § 1
Abs. 6 VermG war und das Unternehmen zum Zeitpunkt der Schädigung nicht von
Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen war (Halbsatz 2). Als Zeitpunkt der Schädigung
gilt dabei der der Entziehung des Unternehmens oder der Beteiligung (Halbsatz 3).
Berechtigter im Sinne des Satzes 4 ist der geschädigte Gesellschafter und nicht das
wieder aufgelebte Unternehmen (§ 3 Abs. 1 Satz 5 VermG). Im Fall investiver
Veräußerung des Vermögensgegenstands tritt an die Stelle des Bruchteils des
Restitutionsanspruchs ein entsprechender anteiliger Erlösauskehranspruch (§ 16 Abs. 1
Satz 1 InVorG).
Da die Klägerin unstreitig noch im Zeitpunkt ihrer Schädigung durch
Veräußerungsvertrag vom 18. Februar 1938 Eigentümerin der Beteiligung an der A. war
und diese ihre Anteile an der H. – und damit auch mittelbar dem streitgegenständlichen
Grundstück – bereits 1935 im Rahmen des Reorganisationsplans für die A. abgegeben
hatte, kommt eine unmittelbare oder mittelbare Schädigung der Klägerin im Rahmen
ihrer Schädigung im Februar 1938 und damit ein Bruchteil des Erlösauskehranspruchs
insoweit nicht in Betracht. Denn im Rahmen des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG bestehen
Ansprüche nicht für Vermögensgegenstände, die bereits vor der
Unternehmensschädigung nicht mehr unmittelbar oder mittelbar zum geschädigten
Unternehmen gehörten (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. November 2006 - 7 B
61.06 -, ZOV 2007, 180 und Urteil von 7. März 2007 - 8 C 26.05 -, ZOV 2007, 183, 185).
Ein Bruchteilerlösauskehranspruch stünde im Übrigen auch nicht der Klägerin, sondern
lediglich ihren Gesellschaftern zu (§ 3 Abs. 1 Satz 5 VermG).
Die Klägerin macht einen solchen Anspruch im Zusammenhang mit der Veräußerung
ihres Unternehmens am 18. Februar 1938 zu Recht aber auch gar nicht geltend. Sie
beruft sich vielmehr darauf, dass die A. selbst ein jüdisches Unternehmen gewesen sei
und diese ihre Anteile an der H. im Jahre 1935 verfolgungsbedingt habe veräußern
müssen, wodurch auch sie selbst als deren Gesellschafterin unmittelbar betroffen bzw.
geschädigt worden sei. In der Sache macht die Klägerin damit wohl einen dreifachen
Durchgriff geltend. Denn über den - in Abweichung von § 3 Abs. 1 Satz 3 VermG nach
dessen Satz 4 zulässigen - (einfachen) Durchgriff von Gesellschaftern eines
Unternehmens auf dessen einzelne Vermögensgegenstände (hier:
Vermögensgegenstände der G.) und den (doppelten) Zugriff auf
Vermögensgegenstände eines Tochterunternehmens (hier: Vermögensgegenstände der
A.) werden vorliegend Ansprüche auf Vermögensgegenstände eines
Tochterunternehmens dieses Tochterunternehmens (hier: streitgegenständliches
Grundstück der H.) erhoben. Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 2004 – 8 C 12.03 – (VIZ 2004, 447) beruft,
verkennt sie, dass hierdurch nur der doppelte Durchgriff des Gesellschafters des
Mutterunternehmens (G.) auf Vermögensgegenstände des Tochterunternehmens (H.)
wegen Verkaufs von Aktienanteilen hieran zu einem unangemessen niedrigen Kurs nach
§ 3 Abs. 1 Satz 4 VermG anerkannt wurde. Ob ein solcher „dreifacher“ Zugriff vorliegend
zulässig ist, kann hier jedoch dahinstehen.
Denn nach der Überzeugung des Gerichts ist die A. nicht als jüdisches Unternehmen
angesehen und behandelt worden (1.). Jedenfalls aber ist vorliegend die
Verfolgungsvermutung in § 1 Abs. 6 VermG widerlegt (2.).
1. A. als jüdisches Unternehmen
Ausgehend vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2006 - 7 C 4.05
-, wonach die Entziehungsvermutung des Art. 3 Abs. 1 lit. b REAO für juristische
Personen, an denen Juden im Sinne der später erlassenen Dritten Verordnung zum
Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 entscheidend beteiligt waren, bereits ab dem 31.
Januar 1933 für die gesamte nationalsozialistische Zeit galt, und von dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2007 - 8 C 8.06 -, wonach in Zweifelsfällen, ob
jemand zum Personenkreis der kollektiv Verfolgten gehörte, darauf abzustellen ist, ob
nach den Erkenntnissen zur Zeit des Nationalsozialismus der Nachweis erbracht war,
dass er Jude oder „Mischling ersten Grades“ war oder jedenfalls als solcher behandelt
wurde, ist das Gericht überzeugt, dass die A. kein jüdisches Unternehmen in diesem
Sinne war. Hierfür spricht schon die – seitens der Beklagten aufgefundene und
vorgelegte – Bestätigung der Gauleitung Groß-Berlin der NSDAP vom 1. April 1933, in
der es heißt: „Es wird hiermit bescheinigt, dass die Firma A. nicht in jüdischen Händen
ist“. Erklären lässt sich diese Bestätigung sicherlich auch dadurch, dass das Bankhaus
Arnold seine 49,7 %ige Beteiligung an der A. im Rahmen des Ankaufs der Anteile von H.
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Arnold seine 49,7 %ige Beteiligung an der A. im Rahmen des Ankaufs der Anteile von H.
im Auftrag des F. noch in den 20iger Jahren erworben und damals ein Aktienpaket von
24,7 % des Kapitals diesem zur Einlegung in sein Depot und Stimmrechtsauübung
überlassen hatte. Nach außen trat die Klägerin deshalb insoweit nicht in Erscheinung.
Dem entspricht es auch, dass das Bankhaus H. erst nach der Arisierung der Klägerin im
Februar 1938 von der Existenz dieses Aktienpakets erfahren und dessen Herausgabe
von F. verlangt hatte. Der Streit mit F. um die Herausgabe des Aktienpakets setzte sich
auch danach noch längere Zeit fort, wie die Niederschrift über die außerordentliche
Vorstandssitzung der A. vom 20. Februar 1940 belegt.
Aber auch hinsichtlich des restlichen Aktienpakets von 25 % bestand offensichtlich
Unklarheit, wem dieses zustand. In einem 1936 eingeleiteten Herausgabeverfahren –
245 O 253.36 – kam diesbezüglich am 1./2. Dezember 1938 vor dem Landgericht Berlin
ein Vergleich zustande, wonach dieses Aktienpaket – eine Gegenleistung war nicht
vereinbart – auf F. zu übertragen war. Ob die Beteiligungsverhältnisse hinsichtlich dieses
25 %igen Anteils offenbar waren, kann aber letztlich dahinstehen. Denn nach Art. 1 § 1
Abs. 3 lit. b der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 galten
Gewerbebetriebe einer juristischen Person erst dann als jüdisch, wenn Juden mit mehr
als ¼ des Kapitals am Unternehmen beteiligt waren.
Dass dem Aufsichtsrat der A. nach den klägerischerseits vorgelegten
Vorstandsberichten für die Geschäftsjahre 1934 und 1935 auch Rechtsanwalt D.F.,
gleichzeitig Chefsyndikus der Klägerin, - nicht hingegen, wie behauptet, H. - angehörte
und dieser nach Angaben der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin Jude gewesen
sein soll – ein Beleg insoweit fehlt allerdings –, belegt nach Auffassung des Gerichts
ebenfalls nicht, dass die A. als jüdisches Unternehmen erkannt bzw. angesehen wurde.
Auch der Grund für das Ausscheiden des Genannten aus dem Aufsichtsrat – das
klägerischerseits vorgelegte Schreiben des D. vom 19. Dezember 1935 ist insoweit
unergiebig – ist ungeklärt. Jedenfalls hinsichtlich des ihm nachfolgenden Herrn Sch. ist
bekannt, dass das Ausscheiden im Hinblick darauf erfolgte, dass er „als Vertreter einen
Aktionärsgruppe, deren Besitz streitig sei, im Aufsichtsrat fungiert“ (klägerischerseits
vorgelegte Aktennotiz vom 2. Dezember 1938).
Auch die im Jahre 1937 seitens der A. erfolgte Arisierung der K. belegt, dass die A., an
der die Klägerin zu dieser Zeit noch maßgeblich beteiligt war, nicht als jüdisches
Unternehmen angesehen wurde, da andernfalls eine „Arisierung“ nicht möglich bzw.
nicht zulässig gewesen wäre, Anderenfalls hätte auch wohl kaum die steuerliche
Begünstigung der A. stattgefunden, die im Rahmen der Reorganisation 1934/35 erfolgt
ist (dazu unten).
2. Widerlegung der Verfolgungsvermutung
Unabhängig davon, ob die A. als jüdisches Unternehmen angesehen oder behandelt
wurde und selbst wenn man dies unterstellt, ist das Gericht jedenfalls davon überzeugt,
dass die dann geltende Entziehungsvermutung des § 1 Abs. 6 VermG vorliegend
widerlegt ist. Denn für die Veräußerung der Aktien der Hotelbetriebs AG im Jahre 1935
seitens der A. war allein ursächlich, dass Letztere kurz vor der Insolvenz stand, sich der
Erwerb der Hotelbetriebsaktien als ständiger Verlustbringer erwiesen hatte und der
Verkauf dieser Anteile deshalb zur Unternehmensrettung notwendig war (a.). Auch ist
weder die A. noch die Klägerin selbst in ihrer Stellung als deren Gesellschafterin hierbei
verfolgungsbedingt benachteiligt oder schlechter gestellt worden (b.)
a. Gründe für die Veräußerung der Aktien der H.
Insoweit ist zunächst auf die Monografie von M. Klein zur Unternehmensgeschichte der
A. (Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 22. April 2008 - Bl. 126 ff., 139 ff. im
Verfahren VG 29 A 273.07) zu verweisen. Darin heißt es (Seiten VI bis X):
„Der geschäftliche Erfolg wurde allerdings zunehmend verdunkelt von der damit
einhergehenden Verschuldung des Unternehmens. … Daher wurde ein überwiegender
Teil des Grundbesitzes mit Hypotheken und Grundschulden belastet, was mit dazu
beitragen sollte, das Unternehmen in den 30er Jahren an den Rand des
Zusammenbruchs zu führen. …
Die größte Belastung stellte jedoch die hohe Verschuldung des Unternehmens
dar. Sie war nur zum Teil auf den Erwerb der zahlreichen Geschäftslokale
zurückzuführen. Wesentlich dazu beigetragen hatte der Einstieg bei der H., der ebenfalls
nur mit Fremdkapital realisiert werden konnte. Hierzu war 1926 die Ausgabe einer
hypothekarisch gesicherten achtprozentigen Obligationsanleihe über 800.000 RM
notwendig geworden, die über die Dresdner Bank, das Bankhaus G. sowie die Commerz-
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notwendig geworden, die über die Dresdner Bank, das Bankhaus G. sowie die Commerz-
und Privatbank AG emittiert worden war. …
Daher wurde seit Anfang der dreißiger Jahre unter Einbeziehung der A.
Hausbanken und Hauptgläubiger Dresdner Bank und Bankhaus G. die Idee der
„Fürstenhof-Transaktion“ verfolgt. …
Mitte der dreißiger Jahre trennte sich die A. Aktiengesellschaft schließlich von der
H. und machte so einen ersten Schritt hin zur eigenen Sanierung. Die beim Kauf
gehegten Hoffnungen hatten sich nicht erfüllt. Weder war es zur Rationalisierung infolge
gleicher Geschäftstätigkeit gekommen noch waren die Geschäfte überhaupt enger
verzahnt worden. Vielmehr hatte der Einstieg bei der H. für A.letztlich nur zu Verlusten
geführt.“
Wie sich aus dem Bericht des Vorstandes der A. für 1932 ergibt, war die gesamte
Aktienbeteiligung der A. an der H. in Höhe von nominal 15.246.900 RM schon vor dem
30. Januar 1933 zur Sicherung von Bankkrediten verpfändet worden.
In der Ausarbeitung des Wirtschaftsprüfers D. betreffend die A. vom 6. April 1935
(Anlage 7 des Beigeladenenschriftsatzes vom 28. Februar 2008 im Verfahren VG 29 A
273.08, S. 1/2) heißt es u.a., er sei beauftragt worden, die Rentabilität sowie die
finanzielle Lage der A. zu untersuchen und auf diesen Ermittlungen aufbauend zu einem
Sanierungsplan der Banken und dem Plan der Obligationsvertreter Stellung zu nehmen
und gegebenenfalls eigene Vorschläge aufzustellen. Zwar ergebe sich vor
Berücksichtigung der Abschreibungen sowie jeglicher Zinsen (Hypotheken,
Bankschulden und Obligationen) insgesamt ein Bruttogewinn von 500.000 RM, allerdings
nach Abzug der erforderlichen Abschreibungen von 260.000 RM und der Gesamtzinsen
von rund 2.000.000 RM für das Jahr 1935 eine Unterdeckung von rund 1,7 Mio. RM.
Weiter wird dort ausgeführt (S. 3f.):
„Es steht mithin fest, dass rein rentabilitätsmäßig gesehen, die AG bei
Beibehaltung ihres heutigen finanziellen Gewandes und des darauf entfallenden Zinssolls
in den nächsten Jahren kaum in der Lage sein wird, wieder rentabel zu werden. Dabei ist
die Unterdeckung des Aufwands infolge des hohen Zinssolls so erheblich, dass selbst
eine vorübergehende Zinsentlastung - etwa durch Ermäßigung der Zinsen oder durch
Abstellen der Zinsen für die nächsten zwei oder vier Jahre auf Gewinnbasis -
wirtschaftlich gesehen keinen Sinn hat, weil sich die Umsatzentwicklung nicht absehen
lässt.
Die Entlastung für die AG muss vielmehr von einer anderen Seite - und zwar
endgültig! - kommen, damit eine sichere Basis für die zukünftige Arbeit der AG
geschaffen wird. Und zwar kann diese Entlastung allein in einer finanziellen
Reorganisation der Gesellschaft liegen mit Herausnahme aller für den eigentlichen A.
nicht erforderlichen Vermögensteile. … und der gleichzeitigen Herabminderung der
Verbindlichkeiten und damit der Zinsen. …
Bis heute sind insgesamt rund RM 1.000.000 rückständige Verpflichtungen bei
der Gesellschaft aufgelaufen, davon entfallen rund RM 500.000 auf verschiedene
Steuerarten. Dass die Gesellschaft sich in der letzten Zeit überhaupt liquiditätsmäßig
halten konnte, ist lediglich dem Entgegenkommen der Gläubiger, besonders der
Steuerbehörden zu verdanken, die einen Großteil der Steuern gestundet und zum
anderen Ratenzahlungen gestattet haben. …
Eine weitere Erleichterung wird noch eintreten, wenn die Steuerbehörden, wie in
Aussicht gestellt, einen Steuernachlass für 1935 in Höhe von RM 500.000 aussprechen.
Für die endgültige Entlastung der Gesellschaft ist es aber sowohl rentabilitäts- als
auch liquiditätsmäßig unbedingt erforderlich, dass insbesondere die Finanzgläubiger ein
Entgegenkommen zeigen. …“
Belegt wird der - nicht verfolgungsbedingte - Verkauf der Anteile an der H. auch durch
den Bericht der D. zum Jahresabschluss 31. Dezember 1935 (Beigelad.Anl. 6 im
Verfahren VG 29 A 273.07), in dem es u.a. heißt:
„Zur Abdeckung eines Teils der Bankschulden haben die Banken die ihnen
großenteils verpfändeten Hotelbetriebs-Aktien übernommen. Die Übernahme erfolgte
für nominal 14.796.900 RM noch in 1934, für nominal RM 325.000 in 1935 und für den
Rest von nominal RM 125.000 in 1936. Aus dem Verkauf ergab sich für AG ein bereits in
1934 ausgebuchter Verlust von insgesamt rund RM 4,19 Mio. Der Übernahmekurs war,
wie im Reo-Plan vorgesehen, 85 %. …“
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Schließlich wird auch noch auf einen klägerischerseits als Anlage K 10 im Verfahren VG
29 A 273.08 vorgelegten Auszug aus dem Handbuch der Deutschen
Aktiengesellschaften 1935 verwiesen, wo es heißt:
„In den letzten Jahren infolge des Umsatzrückganges erhebliche Verluste bei der
Ges., die die Liquidität ungünstig beeinflussten. Verhandlungen mit verschiedenen
Gläubigergruppen erwiesen sich als notwendig. Auch den Obligationären der Ges. wurden
Vorschläge unterbreitet, die eine erhebliche Entlastung der Verschuldung und des
Zinsendienstes und eine gewisse Sicherstellung der Liquidität bedeuten. In Verfolgung
der Reorganisationsmaßnahmen erfolgten 1935 verschiedene Grundstücksverkäufe,
darunter das Palast-Hotel am Potsdamer Platz, weiter wurden die Aktien der H.
abgestoßen“.
b. Keine Benachteiligung oder Schlechterstellung
War der Verkauf der Anteile der H. im Jahre 1935 somit allein durch die geschilderten
verfolgungsunabhängigen Gründe veranlasst, geben auch die Umstände der
Veräußerung selbst nichts für eine Benachteiligung der A.A., die im Gegenteil durch die
Reorganisation und die dabei seitens der Gläubiger zugewendeten Mittel - dazu siehe
oben zu a. - vor der Insolvenz gerettet wurde, her. Die entsprechende Vermutung in § 1
Abs. 6 VermG, sollte sie in einer Konstellation wie der vorliegenden überhaupt gelten,
wäre nach Überzeugung der Kammer widerlegt.
Dass die A. selbst beim Verkauf ihrer Aktien verfolgungsbedingt benachteiligt worden
sei, behauptet die Klägerin im Übrigen auch selbst nicht. Sie macht vielmehr nur
geltend, sie selbst sei im Rahmen der Veräußerung durch den „Reorganisationsplan für
die A.“ verfolgungsbedingt benachteiligt worden. Denn sie habe die - bereits vor 1933 -
an sie verpfändeten Aktien der H. zu nur 85 % des Nominalwerts übernehmen müssen.
Auch sei sie dadurch benachteiligt worden, dass sie, obwohl mit 5 % an den Forderungen
der A. beteiligt, nur 1 % der Hotelbetriebsaktien zu diesem – zu niedrigen – Kurs habe
erwerben können.
Jedenfalls mit Letzterem macht die Klägerin jedoch schon keine Benachteiligung als
Gesellschafterin der A. aus einer Anteilsschädigung geltend, sondern lediglich eine
Benachteiligung als deren Gläubigerin bei der Auseinandersetzung im Rahmen der
Sanierung. Eine derartige Schädigung in Bezug auf Forderungen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2
VermG) gegenüber der A. hat die Klägerin jedoch nicht angemeldet, insbesondere nicht
bis zum Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist in § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG, mithin
bis zum 31. Dezember 1992. Hierauf kann die Klägerin mithin ihren
Bruchteilserlösauskehranspruch aus doppeltem Grund nicht stützen.
Darüber hinaus – und unabhängig davon – ist die Behauptung der Klägerin, sie sei im
Rahmen des Reorganisationsplans für die A. verfolgungsbedingt benachteiligt worden,
aber auch unzutreffend. Das Gericht ist überzeugt, dass die gesetzliche Vermutung in §
1 Abs. 6 VermG vorliegend widerlegt ist.
Die Darstellung der Klägerin, sie sei dadurch als jüdische Gesellschafterin benachteiligt
worden, dass sie die ihr bereits vor 1933 verpfändeten Aktien der H. zu nur 85 % des
Nominalwerts habe übernehmen müssen, ist unrichtig. Denn nach den Ziffern 3, 4 und 6
des Reorganisationsplans vom 17. Mai 1935 übernahmen als Teil des Rettungspaketes
für die A. die Commerz- und Privatbank AG sowie die Dresdner Bank AG die ihnen
verpfändeten Hotelbetriebsaktien von nominal 14.218.000 RM ebenso zum Kurswert von
85 % wie das Bankhaus G. den größeren Teil ihrer Hotelbetriebsaktien. Zum gleichen
Erwerbskurs erwarben ferner auch die beiden anderen Banken die restlichen an die
Klägerin verpfändeten Hotelbetriebsaktien. Dementsprechend galten für alle
Gläubigerbanken der A., d.h. neben der Klägerin die zweifellos nicht jüdischen Banken
„Dresdner Bank AG“ und „Commerz- und Privatbank AG“, die gleichen Übernahmesätze
hinsichtlich der verpfändeten Hotelbetriebsaktien.
Zudem war der - für alle Gläubiger gleiche - Übernahmekurs von 85 % aber auch nicht
unangemessen niedrig. Insofern ist darauf zu verweisen, dass die Aktien der H.
ausweislich der klägerischerseits als Anlagen K 16 und K 18 selbst vorgelegten Kopien
von Auszügen aus den Handbüchern der deutschen Aktiengesellschaft für 1935 und
1938 mit einem letzten Börsenkurs zum 31. Dezember 1934 von 59,5 RM, einem
niedrigsten Kurs für 1935 von 59 RM, einem höchsten Kurs für 1935 von 89,75 RM und
einem letzten Kurs für 1935 von 81,75 RM verzeichnet waren. Dass die Aktien der H.
bilanziell noch mit 112 % verzeichnet gewesen sein sollen, gibt zu Zweifeln an der
Angemessenheit des Übernahmekurses keinen Anlass. Bilanzielle Beteiligungskurse sind
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Angemessenheit des Übernahmekurses keinen Anlass. Bilanzielle Beteiligungskurse sind
bekanntlich vielfach hinsichtlich des wahren Werts einer Aktie wenig aussagekräftig. Der
Verkehrswert einer Aktie entspricht vielmehr dem Marktwert, der sich in seinem
Börsenkurs ausdrückt.
Soweit die Klägerin eine Benachteiligung ferner insoweit geltend macht, sie habe als
Gläubigerin trotz Beteiligung mit ca. 5 % an den Forderungen gegenüber der A. nach
dem Reorganisationsplan nur noch 1 % der Aktien der H. erhalten, so trifft das schon so
gar nicht zu. Ihr Forderungsanteil lag vielmehr bei ca. 5,8 %, ihr übernommener
Aktienanteil bei ca. 3 %. Da ferner gerade die angeblich zu niedrige Umtauschquote
Ausdruck der verfolgungsbedingten Schädigung ihrerseits sein soll, ist die
Argumentation der Klägerin zudem unverständlich bzw. in sich widersprüchlich. Zudem
kommt es für die Frage, ob die Klägerin im Rahmen des Reorganisationsplans
verfolgungsbedingt benachteiligt wurde, auf dessen Gesamtwürdigung, bei der auch der
Anlass der Sanierung zu berücksichtigen ist und die nichts für eine Schlechterstellung
der Klägerin hergibt, an. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin beispielsweise
der Erlös aus dem Verkauf der Aktien der E. vollständig zugesprochen wurde. Im Übrigen
wird jedenfalls auf die obigen Ausführungen zur Angemessenheit dieses
Übernahmepreises verwiesen.
Geht die Behauptung der Klägerin, sie sei im Rahmen des Reorganisationsplans für die
A. verfolgungsbedingt benachteiligt worden, somit auch in der Sache fehl, kann es
letztlich dahinstehen, ob die Klägerin nicht sogar dadurch zusätzliche Vorteile erlangt
hat, dass sie - für die anderen Gläubiger nicht erkennbar (s. oben) - wirtschaftlich knapp
zur Hälfte noch Eigentümerin der A. war, die auf dem Wege der Reorganisation vor der
Insolvenz gerettet werden konnte. Andernfalls hätte der Klägerin nämlich der Totalverlust
ihrer Beteiligung gedroht.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klageabweisung auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Hinsichtlich des übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Anspruchs auf
die unmittelbare Beteiligung an der H. beruht sie auf § 161 Abs. 2 VwGO. Billigem
Ermessen entspricht es, der Beklagten insoweit die Kosten aufzuerlegen, da sie dem
Begehren der Klägerin insoweit ohne Änderung der Sach- und Rechtslage entsprochen
hat.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht erstattungsfähig, da dieser
keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl.
§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in
Verbindung mit § 709 ZPO.
Die Berufung gegen dieses Urteil ist ausgeschlossen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 VermG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 135 VwGO i.V.m. § 132
Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO nicht vorliegen.
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