Urteil des VG Berlin vom 14.06.2004
VG Berlin: mangel des verfahrens, alkoholfreies getränk, bier, ausstellung, polizei, veranstaltung, disziplinarverfahren, leiter, bevölkerung, sammlung
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Gericht:
VG Berlin 80.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
80 A 24.05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 33 DO BE, § 27 DO BE, § 54
DO BE, § 103 BG BE, § 21 BG BE
Disziplinarmaßnahmen wegen des Verstoßes gegen das
absolute Alkoholverbot im Dienst
Tenor
Die Disziplinarverfügung des Polizeipräsidenten in Berlin vom 14. Juni 2004, die
Beschwerdeentscheidung des Polizeipräsidenten in Berlin vom 8. Dezember 2004 sowie
die weitere Beschwerdeentscheidung der Senatsverwaltung für Inneres vom 13.
September 2005 werden geändert.
Gegen den Beamten wird eine Geldbuße in Höhe von 250,00 Euro verhängt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Beamten erwachsenen notwendigen
Auslagen tragen der Beamte zu ¾ und das Land Berlin zu ¼.
Gründe
Über den am 12. Oktober 2005 bei der Disziplinarkammer eingegangenen Antrag auf
gerichtliche Entscheidung ist nach Maßgabe der Landesdisziplinarordnung zu
entscheiden, obwohl diese gemäß Art. VIII § 3 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung
des Berliner Disziplinarrechts vom 29. Juni 2004 (GVBl. S. 263) mit dessen Inkrafttreten
am 1. August 2004 außer Kraft getreten ist. Nach § 49 Abs. 4 des Disziplinargesetzes
gelten für Statthaftigkeit, Frist und Form eines Rechtsmittels gegen eine vor Inkrafttreten
des Disziplinargesetzes ergangene Entscheidung und für das weitere Verfahren die
Bestimmungen des bisherigen Rechts. Die angegriffene Disziplinarverfügung erging am
14. Juni 2004.
Der gemäß § 33 LDO zulässige Antrag des Beamten, der sinngemäß dahin auszulegen
ist, die Disziplinarverfügung des Polizeipräsidenten in Berlin vom 14. Juni 2004, die
Beschwerdeentscheidung des Polizeipräsidenten in Berlin vom 8. Dezember 2004 und
die weitere Beschwerdeentscheidung der Senatsverwaltung für Inneres vom 13.
September 2005, mit denen ihm eine Geldbuße von 750,00 Euro auferlegt wurde,
aufzuheben, ist nur teilweise begründet. Der Beamte hat zwar ein Dienstvergehen
begangen. Das Dienstvergehen ist aber nicht so gewichtig, dass es die Verhängung
einer 250,00 Euro übersteigenden Geldbuße rechtfertigt.
Die angegriffene Verfügung leidet nicht an einem ihre Aufhebung gebietenden
Verfahrensmangel. Soweit der Beamte im Beschwerdeverfahren beanstandet hat, nicht
an den durchgeführten Vernehmungen beteiligt worden zu sein und sich hierauf im
vorliegenden Verfahren noch beruft, begründet dies keinen Mangel des Verfahrens, weil
sich sein Recht, zu Vernehmungen und Beweiserhebungen geladen zu werden, auf das -
hier nicht eingeleitete - förmliche Disziplinarverfahren beschränkt (vgl. §§ 27, 54 LDO).
Den Anforderungen der die Rechte des Beamten im nichtförmlichen Disziplinarverfahren
regelnden Vorschrift des § 27 LDO ist Rechnung getragen worden. Eine erneute
Vernehmung der Zeugen hat der Beamte nicht beantragt; Anhaltspunkte dafür, dass er
durch das Unterbleiben der Beteiligung an der erfolgten Vernehmungen in seinen
Verteidigungsmöglichkeiten unzulässig beschränkt sein könnte, bestehen ebenfalls
nicht. Soweit der Beamte allgemein beanstandet, der Sachverhalt sei nicht hinreichend
aufgeklärt und unzutreffend dargestellt worden, wendet er sich ausschließlich gegen die
Bewertung des vom Beamten und der Obersten Dienstbehörde im Wesentlichen
übereinstimmend dargestellten Sachverhalts durch letztere, macht jedoch keinen
Verfahrensfehler geltend.
In materieller Hinsicht ist es nicht zu beanstanden, dass die Disziplinarverfügung in dem
Verhalten des Beamten am 25. Mai 2003 anlässlich des Tages der offenen Tür der
Berliner Polizei ein Dienstvergehen sieht.
Die Disziplinarverfügung geht von folgendem, in seinem sachlichen Kern vom Beamten
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Die Disziplinarverfügung geht von folgendem, in seinem sachlichen Kern vom Beamten
nicht bestrittenen Sachverhalt aus: Der Beamte, der zu diesem Zeitpunkt keinen Dienst
versah, hat anlässlich des von der Polizei am 25. Mai 2003 veranstalteten Tages der
offenen Tür anderen - im Dienst befindlichen - Beamten von ihm am Veranstaltungsort
erstandenes Bier angeboten. Die im Dienst befindlichen Beamten trugen deutlich
sichtbar ihre Dienstausweise. Sie betreuten eine Ausstellung und hatten u.a. die
Aufgabe, diese der interessierten Öffentlichkeit zu erläutern. Gegen Mittag besuchte der
Beamte den Ausstellungsraum, kündigte an, den Beamten Bier bringen zu wollen, und
verließ den Raum wieder. Einer der Beamten rief ihm hinterher, er wolle eine Cola, die
übrigen - mit ihren Aufgaben beschäftigten - Beamten reagierten nicht. Der Beamte
kehrte mit Bier und Cola in den Ausstellungsraum zurück und verteilte die Getränke. Die
anderen Beamten konsumierten das ihnen gebrachte Bier letztlich nicht; beschrieben
die Situation jedoch übereinstimmend als zumindest unangenehm. Der Beamte war
nicht Dienstvorgesetzter der die Ausstellung betreuenden Beamten, diese kannten ihn
jedoch als Leiter des Nachbarkommissariats. Auf sein Verhalten von einer zu der
Situation hinzukommenden Kollegin angesprochen, zeigte der Beamte nur wenig
Verständnis für das absolute Alkoholverbot im Dienst, soweit es Veranstaltungen wie die
hier strittige betrifft, und meinte, die Bevölkerung werde Verständnis dafür haben, wenn
Polizisten beim Tag der offenen Tür Bier tränken. Im Verlauf des Verfahrens wies er u.a.
darauf hin, der Umstand, dass er selbst außer Dienst gewesen sei, sei unschwer daran
zu erkennen gewesen, dass er keinen Dienstausweis getragen habe.
In dem vom Beamten gezeigten Verhalten liegt ein vorwerfbarer Verstoß jedenfalls
gegen die Pflicht zur Wahrung des Ansehens der Polizei und der Disziplin (§ 103 LBG)
und gegen die Gehorsamspflicht (§ 21 Satz 2 LBG). Der Beamte hat gegen dienstliche
Anordnungen, nämlich die Geschäftsanweisung LPVA I Nr. 2/2002 über das Verbot von
Alkoholkonsum, verstoßen. Diese untersagt in ihrer Ziff. II.3. während des Dienstes und
in den Diensträumen nicht nur den Genuss, sondern auch das Anbieten von Alkohol
jeder Art. Das Verbot, im Dienst Alkohol zu konsumieren oder anzubieten, beinhaltet
selbstverständlich auch, dass Beamte, die sich außerhalb des Dienstes befinden, ihren
im Dienst befindlichen Kollegen keinen Alkohol anbieten dürfen. Es kann deshalb
dahinstehen, ob der Beamte auch deshalb keinen Alkohol hätte anbieten dürfen, weil er
und die anderen Beamten sich in Diensträumen, nämlich in Räumlichkeiten auf dem
Polizeigelände Ruhleben, befanden. Eine der in Ziff. 4 der Geschäftsanweisung LPVA I Nr.
2/2002 genannten Ausnahmen vom absoluten Alkoholverbot lag erkennbar nicht vor.
Insbesondere handelte es sich bei der der Öffentlichkeitsarbeit dienenden Veranstaltung
nicht um eine „Begegnungsveranstaltung“ i.S.d. Ziff. 4 Buchst. b) der
Geschäftsanweisung LPVA I Nr. 2/2002.
Unerheblich für die Feststellung des Dienstvergehens ist, dass der Beamte „nur“ Bier
angeboten hat und es zu dessen Genuss nicht gekommen ist. Das Alkoholverbot gilt
absolut; es ist nicht Sache des einzelnen Beamten, über die Richtigkeit dieses Verbots
im Einzelfall zu befinden. Das Alkoholverbot erfasst auch nicht nur den Genuss, sondern
- ersichtlich vor dem Hintergrund, auch Konfliktsituationen wie die hier entstandene zu
verhindern - ausdrücklich bereits das Anbieten von Alkoholika jeder Art.
Der Beamte handelte vorsätzlich. Er kannte das bestehende Alkoholverbot. Soweit er
ausführt, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass die die Ausstellung betreuenden
Beamten sich im Dienst befunden hätten, kann dies nur als Schutzbehauptung gewertet
werden. Die Beamten trugen ihre Dienstausweise sichtbar an der Kleidung und waren
mit dienstlichen Aufgaben, nämlich der Betreuung und Erläuterung einer Ausstellung
über polizeiliche Aufgaben, befasst. Bei dieser Sachlage konnte der Beamte von
vornherein nicht davon ausgehen, die Beamten gingen einer Freizeitbeschäftigung nach.
Dass das sichtbare Tragen des Dienstausweises die Dienst habenden von den nicht
Dienst habenden Beamten unterschied, hat der Beamte im Übrigen während des
Disziplinarverfahrens im Zusammenhang mit der Frage, ob er selbst im Dienst war
selbst hervorgehoben.
Der vom Beamten begangene Verstoß gegen das Alkoholverbot im Dienst hat auch das
für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme erforderliche Gewicht. Das absolute
Alkoholverbot im Dienst ist nicht nur mit Rücksicht auf die Einsatzfähigkeit der
Polizeibeamten von wesentlicher Bedeutung, sondern schützt auch das Ansehen der
Polizei in der Öffentlichkeit. Dies gilt auch und gerade bei Veranstaltungen der hier in
Rede stehenden Art. Weiteres Gewicht erhält die begangene Dienstpflichtverletzung
dadurch, dass der Beamte zwar nicht Vorgesetzter der die Ausstellung betreuenden
Beamten war, er aber als Leiter des Nachbarkommissariats aus Sicht der die
Ausstellung betreuenden Beamten eine herausgehobene Stellung innehatte. Er konnte
deshalb den Beamten, denen er das Bier angeboten hat, zumindest in dienstlichen
Zusammenhängen nicht, wie er es nach seinen Angaben beabsichtigt hat, „von gleich
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Zusammenhängen nicht, wie er es nach seinen Angaben beabsichtigt hat, „von gleich
zu gleich“ begegnen. Stattdessen musste er damit rechnen, dass die anderen Beamten
ihn zumindest auch als Vorgesetzen wahrnehmen und deshalb durch ein den
Geschäftsanweisungen widersprechendes Verhalten des Beamten in gerade den Konflikt
geraten würden, der durch das absolute Alkoholverbot vermieden werden soll.
Schließlich hat der Beamte, als er auf sein Fehlverhalten angesprochen wurde, dieses
nicht etwa eingeräumt, sondern es - bis in das gerichtliche Verfahren hinein -
bagatellisiert. Es bestand und besteht deshalb ein Bedürfnis, dem Beamten deutlich zu
machen, dass er dienstliche Anordnungen wie das absolute Alkoholverbot auch dann
befolgen muss, wenn er ihre Sinnhaftigkeit im Einzelfall anzweifelt. Im Gegensatz zur
Auffassung des Beamten ist es deshalb auch unerheblich, ob - wovon allerdings kaum
ausgegangen werden kann - die Bevölkerung Verständnis dafür hat, dass bei einer der
Öffentlichkeitsarbeit dienenden Veranstaltung der Polizei die diese durchführenden
Beamten Alkohol zu sich nehmen.
Das festgestellte Dienstvergehen rechtfertigt allerdings nur die Verhängung einer
Geldbuße in Höhe von 250,00 Euro. Das dem Beamten vorgeworfene Verhalten hat zwar
- gerade wegen der zentralen Bedeutung des Alkoholverbots im Dienst - eine nicht
unerhebliche Relevanz. Von Bedeutung ist auch das nur sehr bedingt von Einsicht
geprägte Verhalten des Beamten nach dem hier strittigen Vorfall. Die Dienstbehörde
konnte es deshalb nicht bei einer bloßen Missbilligung oder einem Verweis belassen. Zu
berücksichtigen ist jedoch auch, dass der Beamte disziplinarrechtlich nicht vorbelastet
ist und seine Leistungen - auch im Hinblick auf sein Verhalten als Vorgesetzter - seit
langem als deutlich überdurchschnittlich (Gesamtnote „voll gut“) beurteilt werden. Das
dem Beamten vorgeworfene Dienstvergehen fand zudem vor dem Hintergrund der beim
Tag der offenen Tür bestehenden gelösten Stimmung statt. Dies rechtfertigt zwar weder
das Angebot des Beamten an die die Ausstellung betreuenden Beamten noch seine
Reaktion auf die Kritik durch seine Kollegen, mindert aber die Schwere des Verstoßes.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es zum Konsum des angebotenen Alkohols nicht
gekommen ist und der Beamte sich zwar möglicherweise aufdringlich verhalten hat, er
aber keinen erheblichen Druck auf die Dienst tuenden Beamten ausgeübt hat. Dies zeigt
sich vor allem darin, dass er einem Beamten, der kein Bier trinken wollte, auf dessen
Wunsch ohne weiteres ein alkoholfreies Getränk mitgebracht hat. Anhaltspunkte dafür,
dass der Beamte - abgesehen von dem hier vorgeworfenen Verhalten - allgemein eine
Neigung entwickelt hat, von ihm als weniger relevant angesehene dienstliche Pflichten
außer Acht zu lassen, und deshalb aus dem hier gegebenen Anlass eine drastischere
Maßnahme erforderlich ist, bestehen nach dem Akteninhalt nicht. Die Verhängung einer
Geldbuße in Höhe von 250,00 Euro erscheint danach als Disziplinarmaßnahme
erforderlich, aber auch ausreichend, um den Beamten zu ermahnen, seine
Dienstpflichten künftig in jeder Hinsicht korrekt zu erfüllen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 107 Abs. 2 und 3 LDO; die Entscheidung über die
Auslagen auf § 108 Abs. 5 i.V.m. Abs. 9 LDO. Zwar hat der Beamte sein sowohl mit dem
Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag verfolgtes Ziel, nämlich die Vermeidung einer
Disziplinarmaßnahme, nicht erreicht. Mit Rücksicht darauf, dass die verhängte Geldbuße
erheblich reduziert wurde, wäre es jedoch dennoch unbillig, ihn mit den gesamten
Kosten und Auslagen des Verfahrens zu belasten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 2 LDO).
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