Urteil des VG Berlin vom 15.03.2017
VG Berlin: periode, ausschluss, verschulden, vollstreckung, grundrechtseingriff, verwaltungsakt, erfüllung, rechtsschutzgarantie, vergleich, schadenersatz
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Gericht:
VG Berlin 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 A 183.06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 4 S 1 TEHG, § 9 Abs 2 S
1 TEHG, § 20 ZuG 2007, Art 14
GG
Zuteilung von Emissionsberechtigungen
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus
dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Chemieunternehmen, beantragte am 6. August 2004 für das am 27.
Juli 2001 in Betrieb genommene Gemeinschaftskraftwerk B. die Zuteilung von
Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 auf der Grundlage
von § 7 Abs. 12 ZuG 2007 in Verbindung mit § 11 ZuG 2007, § 12 Abs. 5 ZuG 2007 und
§ 14 ZuG 2007. Im Rahmen des § 11 ZuG 2007 gab sie dabei einen Emissionswert von
387 g CO
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/kWh an.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 teilte die Deutsche Emissionshandelsstelle
(DEHSt) der Klägerin gemäß §§ 7 Abs. 12, 11, 12 Abs. 5 und § 14 ZuG 2007 insgesamt
2.715.411, pro Jahr 905.137 Emissionsberechtigungen zu. Bezüglich des beantragten
Emissionswertes wurde dem Zuteilungsantrag nicht entsprochen, vielmehr ausgeführt,
der bei Anwendung der besten verfügbaren Technik zugrunde zu legende Wert betrage
373 g CO
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/kWh. Dieser Wert ergebe sich unter Zugrundelegung eines modernen GuD-
Kraftwerks der Leistungsklasse 176 MW
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mit einem Nettowirkungsgrad von 54 %. Den
hiergegen gerichteten Widerspruch, mit dem die Klägerin die Abänderung des
Zuteilungsbescheides dahingehend beantragte, dass als Benchmark für die Berechnung
und Ermittlung der Emissionsberechtigungen der beantragte Emissionswert von 387 g
CO
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/kWh Nettostromerzeugnis zugrunde gelegt werden soll, wies die DEHSt mit
Widerspruchsbescheid vom 6. März 2006 zurück.
Mit ihrer am 10. April 2006 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen
geltend, ihr Verpflichtungsantrag sei auch nach der Löschung der
Emissionsberechtigungen aus der ersten Periode durch Zuteilung von Berechtigungen
der zweiten bzw. jeweils aktuellen Periode zu erfüllen. Die Berechtigungen
unterschiedlicher Zuteilungsperioden seien gleichwertig, es gelte ein
periodenübergreifender Kontinuitätsgrundsatz für die auf Zuteilung von
Emissionsberechtigungen gerichteten Ansprüche.
Bezüglich des hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrags ergebe sich ein
Feststellungsinteresse vor dem Hintergrund eines zu erwartenden und nicht offenbar
aussichtslosen Schadenersatzprozesses, mit dem eine Forderung in Höhe von 914.430,-
€ geltend gemacht werden solle. Bei gewissenhafter Prüfung der materiellen Rechtslage
hätte die Beklagte ohne weiteres erkennen können, dass die von ihr vertretene
Rechtsauffassung nicht mit den Vorgaben des TEHG in Einklang stehe. Zudem habe die
Beklagte bei der Klägerin strengere Grundsätze als bei anderen Kraftwerken angelegt,
weil ihr Antrag zeitlich später bearbeitet worden sei als es bei jenen Kraftwerken,
insbesondere von , der Fall gewesen sei. Im Falle einer früheren Prüfung hätte die
streitgegenständliche Kürzung nicht stattgefunden. Dies habe ein Mitarbeiter der
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streitgegenständliche Kürzung nicht stattgefunden. Dies habe ein Mitarbeiter der
Beklagten telefonisch gegenüber einem Mitarbeiter der Klägerin erklärt. Dieses
willkürliche Verhalten begründe eine Amtspflichtverletzung. Ferner würde der
grundgesetzlich garantierte Rechtsschutz der Klägerin unterlaufen, hielte man die
Fortsetzungsfeststellungsklage mangels Feststellungsinteresses für unzulässig.
Schließlich seien die materiell-rechtlichen Ausführungen der Beklagten unzutreffend. Die
Beklagte sei der Auffassung, eine abstrakte Anlagenleistung zugrunde legen zu dürfen.
Im Unterschied dazu vertrete die Klägerin die Ansicht, es sei unabhängig von der
Technologie, die bei der Anlage zum Einsatz komme, zwecks Bestimmung des
Emissionswertes stets diejenige Technologie in Ansatz zu bringen, die den jeweils
geringsten CO
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-Ausstoß verursache. Im konkreten Fall habe der Gutachter
nachvollziehbar einen Emissionswert von 373 g CO
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/kWh nachgewiesen. Die Klägerin
beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Dezember 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2006 zu verurteilen, der Klägerin für
ihre Anlage ‚Gemeinschaftskraftwerk Burghausen’ Johannes-Hess-Straße 24, 84489
Burghausen, über die bereits zugeteilten Emissionsberechtigungen hinaus weitere
56.100 Emissionsberechtigungen zuzuteilen, wie sie sich aus dem Zuteilungsantrag der
Klägerin vom 15. September 2004 unter Zugrundelegung eines Emissionswertes von
387 g CO
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/kWh Nettostromerzeugung und auf der Basis der für die vom 01.01.2005 bis
31.12.2007 dauernden Emissionshandelsperiode geltenden Rechtslage ergeben hätte.
2. hilfsweise, für den Fall des ganz oder teilweisen Unterliegens mit dem Antrag
zu 1, festzustellen, dass der Bescheid des Umweltbundesamts vom 13. Dezember 2004
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2006 rechtswidrig und die
Beklagte verpflichtet war, der Klägerin unter Zugrundelegung eines Emissionswertes von
387 g CO
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/kWh Nettostromerzeugung für ihre Anlage ‚Gemeinschaftskraftwerk
Burghausen’ Johannes-Hess-Straße 24, 84489 Burghausen, über die bereits zugeteilten
Emissionsberechtigungen hinaus weitere 56.100 Emissionsberechtigungen für die vom
01.01.2005 bis 31.12.2007 dauernde Emissionshandelsperiode zuzuteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht im Wesentlichen geltend: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitere
56.100 Emissionsberechtigungen. Rechtmäßig sei eine Zuteilung von
Emissionsberechtigungen auf Basis des Emissionswertes von 373 g CO
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/kWh für das
Produkt Nettostrom. Die Klägerin wende sich mit der Klage gegen die im Rahmen der
Bestimmung des Emissionswertes für das Produkt Nettostrom vorgenommene Bildung
von Leistungsklassen. Das Emissionshandelsrecht fordere indes nicht die individuelle
Betrachtungsweise der individuellen Anlagenleistung. Im Übrigen sei die Klägerin schon
mit der erfolgten Zuteilung überbedarfsmäßig mit Emissionsberechtigungen
ausgestattet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Streitakte und den Inhalt
der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die zur Entscheidung vorgelegen
haben.
Entscheidungsgründe
Der als Verpflichtungsbegehren zu verstehende Klageantrag zu 1. ist unzulässig, da sich
das Klagebegehren erledigt hat (dazu unten a). Der als
Fortsetzungsfeststellungsbegehren zu verstehende Hilfsantrag zu 2. ist wegen fehlenden
Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig (dazu unten b).
a) Das Verpflichtungsbegehren hat sich nach Klageerhebung erledigt. Richtet es sich auf
die Zuteilung weiterer 56.100 Emissionsberechtigungen gemäß den Vorschriften des
Gesetzes über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsbe-
rechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 - im Folgenden: ZuG 2007 -, so hat
dieses Verpflichtungsbegehren mit Ablauf des 30. April 2008 von Gesetzes wegen seinen
Gegenstand verloren und sich dadurch erledigt.
Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes - im Folgenden:
TEHG - ist eine „Berechtigung“ im Sinne dieses Gesetzes die Befugnis zur Emission von
einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum . Gemäß § 9 Abs. 2
Satz 1 TEHG erfolgt die Zuteilung jeweils bezogen auf eine Tätigkeit für eine
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Satz 1 TEHG erfolgt die Zuteilung jeweils bezogen auf eine Tätigkeit für eine
Zuteilungsperiode . Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 TEHG beschränkt sich die Geltungsdauer der
Berechtigungen jeweils auf die entsprechende Zuteilungsperiode. Der von der Klägerin
ursprünglich nach Maßgabe des Zuteilungsgesetzes 2007 geltend gemachte
Zuteilungsanspruch bezog sich folglich allein auf die Zuteilungsperiode 2005 bis 2007.
Zwar werden gemäß § 6 Abs. 4 Satz 4 TEHG Berechtigungen einer abgelaufenen
Zuteilungsperiode vier Monate nach ihrem Ende in Berechtigungen der laufenden
Zuteilungsperiode überführt. Gemäß § 20 ZuG 2007 jedoch werden abweichend hiervon
Berechtigungen der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 nicht in die folgende
Zuteilungsperiode überführt (Satz 1), vielmehr werden diese Berechtigungen mit Ablauf
des 30. April 2008 gelöscht (Satz 2). Der Gesetzgeber hat diese Regelung in das
Zuteilungsgesetz 2007 eingeführt, um für den Übergang von der ersten Handelsperiode
2005 - 2007 zur zweiten Handelsperiode 2008 - 2012 ein sog. ‚banking’ zu verhindern.
Darunter versteht man die Möglichkeit, eine Emissionsberechtigung über das
Ausgabejahr hinaus entweder innerhalb eines nachfolgenden Jahres der gleichen
Zuteilungsperiode oder aber in der nächsten Zuteilungsperiode - sog.
periodenübergreifendes ‚banking’ - zur Deckung einer Abgabeverpflichtung zu
verwenden (vgl. dazu auch Körner/ Vierhaus, TEHG und ZuG 2007 Kommentar, München
2005, § 20 ZuG 2007 Rz 1; Elspas/ Salje/ Stewing (Hrsg.), Emissionshandel, Kapitel 2. Rz.
4 und Kapitel 27 Rz. 6 ff.). Die Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen von SPD
und Bündnis 90/ Die Grünen betreffend den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-
Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 - 2007 (vgl. dazu Drucksache
des Deutschen Bundestages 15/ 2966 vom 27. April 2004) führt als Grund für den
Ausschluss der Überführung von Berechtigungen zwischen den Handelsperioden an:
„Der Ausschluss der Überführung von Berechtigungen erfolgt im Hinblick auf den
Umstand, dass der Zeitraum der zweiten Handelsperiode gleichzeitig die Periode ist, in
der die Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls ihre Reduktionsverpflichtungen zu erfüllen
haben werden und die Emissionshandelsrichtlinie es den einzelnen Mitgliedsstaaten
überlässt, ob sie insofern ein banking gestatten wollen. Die Zulassung des banking in
Deutschland könnte, insbesondere wenn die übrigen Mitgliedsstaaten ein banking
ausschließen, zu einem übermäßigen Zufluss von Berechtigungen nach Deutschland
führen, was die Erfüllung der Kyoto-Verpflichtung gefährden könnte.“
Der Ausschluss des sog. ‚banking’ in § 20 ZuG 2007 verstößt nicht gegen höherrangiges
Recht. Die Regelung steht in Einklang mit Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2003/87/EG über
ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten vom 13. Oktober 2003
- Amtsblatt der EU L 275/32 - (vgl. dazu auch Körner/ Vierhaus a. a. O. § 20 ZuG 2007
Rz. 4 ff.). Die Löschung der Berechtigungen begegnet auch mit Blick auf Art. 14 GG
keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Rechte an den Emissionsberechtigungen
der ersten Zuteilungsperiode können bereits im Moment der Zuteilung nur mit der in §
20 ZuG 2007 normierten zeitlichen Gültigkeitsbeschränkung entstehen (vgl. dazu auch
Altenschmidt, Rechtsprobleme der periodenbegrenzten Gültigkeit der
Emissionsberechtigungen, in: NVwZ 2008, S. 138, 140).
Emissionsberechtigungen der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 können mithin nach dem
30. April 2008 sinnhaft weder Gegenstand einer behördlichen Zuteilungsentscheidung
noch einer die Verpflichtung zur Neubescheidung oder Zuteilung aussprechenden
Gerichtsentscheidung sein. Sind damit die Emissionsberechtigungen der
Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 untergegangen, so gleichermaßen bislang
gegebenenfalls nicht erfüllte Ansprüche auf Zuteilung weiterer Emissionsberechtigungen
dieser Zuteilungsperiode. Denn auch diese haben ihren Gegenstand verloren. Der
Rechtsanspruch auf Zuteilung einer Emissionsberechtigung der ersten
Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 kann nicht weiter reichen als die
Emissionsberechtigung selbst.
Unzutreffend ist vor diesem Hintergrund auch die Auffassung, Ansprüche nach dem
Zuteilungsgesetz 2007 gingen nicht nur nicht unter, sondern seien durch die Zuteilung
und Ausgabe von Emissionsberechtigungen der zweiten Zuteilungsperiode 2012 zu
erfüllen (vgl. dazu Altenschmidt, a. a. O.). Steht dem schon entgegen, dass nicht erfüllte
Ansprüche auf Zuteilung weiterer Emissionsberechtigungen der Zuteilungsperiode 2005
bis 2007 nicht mehr existieren können, da sie - wie ausgeführt - zusammen mit den
Berechtigungen der ersten Zuteilungsperiode erloschen sind, so zielt die Annahme
fortbestehender Zuteilungsansprüche der ersten Zuteilungsperiode und ihrer Erfüllung
durch Zuteilung von Berechtigungen der zweiten Periode zudem - vom Ergebnis her
betrachtet - auf die Überführung geltend gemachter Rechte der ersten
Zuteilungsperiode 2005-2007 in Emissionsberechtigungen der zweiten
Zuteilungsperiode 2008-2012. Eine solche Überführung aber widerspricht dem
Grundgedanken des § 20 ZuG 2007, wonach der Gesetzgeber eine Übertragung von
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Grundgedanken des § 20 ZuG 2007, wonach der Gesetzgeber eine Übertragung von
Rechten der Zuteilungsperiode 2005 - 2007 in die Zuteilungsperiode 2008 - 2012
ausschließen wollte.
b) Der Fortsetzungsfeststellungsantrag zu 2. ist vorliegend wegen fehlenden
Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Die gerichtliche Feststellung, dass die
Nichterteilung des ursprünglich verlangten Verwaltungsakts rechtswidrig gewesen ist,
kann nach Erledigung nur dann erreicht werden, wenn der Kläger gemäß § 113 Abs. 1
Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung hat (vgl. dazu
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Januar 2007 - a. a. O.). Ein berechtigtes
Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit bereits erledigter
Verwaltungsakte besteht dann, wenn entweder eine Wiederholungsgefahr besteht, der
Verwaltungsakt diskriminierende Wirkung hatte oder mit ihm ein tief greifender
Grundrechtseingriff verbunden war bzw. wenn in Fällen der Erledigung des
Verwaltungsaktes nach Klageerhebung der Kläger einen Amtshaftungsprozess anstrebt
(vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Februar 1983 - 3 C 56.80 - m. w.
N.).
Kommt ein Verwaltungsakt mit diskriminierender Wirkung bzw. ein tiefgreifender
Grundrechtseingriff nicht in Betracht, so scheidet auch ein
Wiederholungsvorbeugungsinteresse bereits vor dem Hintergrund der zuletzt im
Emissionshandelsrecht stattgehabten Gesetzesänderungen aus. Die rechtlichen
Grundlagen einer Zuteilung von Emissionsberechtigungen wurden mit dem Erlass des
neuen Gesetzes über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-
Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 - ZuG 2012 - neu
gefasst und im Vergleich zur ersten Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 derart wesentlich
geändert, dass eine Wiederholung nicht zu besorgen ist. Das nunmehr geltende
Zuteilungsrecht sieht anders als das bisherige eine Optionsmöglichkeit nicht mehr vor.
Die nunmehr für die im Jahr 2002 in Betrieb genommene Anlage maßgebliche Regelung
des § 7 Abs. 1 Satz 1 ZuG 2012 schreibt den im vorliegenden Verfahren streitig
gebliebenen Emissionswert jedoch verbindlich fest (vgl. Anhang 3 Teil A I. zum ZuG
2012).
Kann ein besonderes Feststellungsinteresse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO
mithin sinnhaft allein vor dem Hintergrund der von der Klägerin geltend gemachten
Absicht bestehen, im Wege eines Amtshaftungsprozesses Schadenersatz gelten zu
machen, vermag indes auch dies vorliegend ein berechtigtes Interesse an der
nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. Dezember
2004 und des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2006 nicht zu begründen. Für das
Fortsetzungsfeststellungsbegehren fehlt das notwendige Rechtsschutzinteresse, weil der
beabsichtigte Schadenersatzprozess wegen Amtspflichtverletzung offenbar aussichtslos
sein wird. Von offensichtlicher Aussichtslosigkeit kann dann gesprochen werden, wenn
ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadens-
oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann
(vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Oktober 1985 - 4 C 21/80 -; OVG
Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. November 1998 - A 2 S 393/96 - jeweils zitiert nach
Juris). Dies ist hier der Fall. Einen Schuldvorwurf voraussetzenden Schadenersatz - etwa
gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG - kann die Klägerin nicht mit Erfolg
verlangen. Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten
gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstandenen
Schaden zu ersetzen (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB). Verletzt jemand in Ausübung eines ihm
anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende
Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft,
in deren Diensten er steht (Art. 34 Satz 1 GG). Den Mitarbeitern der in der
Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 mit der Zuteilung von Emissionsberechtigungen
befassten Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) kann ein Verschuldensvorwurf
nicht gemacht werden. Dabei kann dahinstehen, ob die vorliegend angegriffene
Zuteilungsentscheidung in Gestalt des Bescheides vom 13. Dezember 2004 und des
Widerspruchsbescheides vom 6. März 2006 rechtmäßig oder rechtswidrig war. Denn
selbst wenn man hypothetisch unterstellen würde, ein Gericht würde die Versagung der
von der Klägerin geltend gemachten weiteren 56.100 Emissionsberechtigungen und die
Zugrundelegung eines Emissionswertes von 373 g CO
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/kWh als rechtswidrig ansehen,
so ließe sich daraus ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verschulden der DEHSt bzw.
ihrer Mitarbeiter nicht herleiten. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen
Schuldvorwurf. Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat jeder Inhaber
eines öffentlichen Amtes die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu
Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach
aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Wenn die nach
sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar
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sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar
angesehen werden kann, kann aus der nachträglichen Missbilligung dieser
Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden. Die
Verneinung des Schuldvorwurfs setzt voraus, dass die letztlich als unzutreffend erkannte
Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und
tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war (vgl. dazu Bundesgerichtshof, Urteil vom 8.
Oktober 1992 - III ZR 220/90 -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Juli 2006 - 12 U 36/06 -; LG
Leipzig, Urteil vom 15. Februar 2008 - 07 O 7667/03 -, jeweils zitiert nach Juris). Diese
Voraussetzungen sind - unabhängig von der Frage des Zutreffens oder Nichtzutreffens
der von der DEHSt angeführten Rechtsansicht - in jedem Fall vorliegend gegeben.
Die von der DEHSt im Bescheid vom 13. Dezember 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6. März 2006 angeführte Rechtsauffassung ist vertretbar.
Wird dort eine Zuteilung unter Berücksichtigung eines Emissionswertes von 387 g CO
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/kWh abgelehnt und stattdessen unter Bezugnahme auf § 12 ZuV 2007 ein Wert von 373
g CO
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/kWh zu Grunde gelegt, weil nach Auffassung der DEHSt unter einer Anlage, die
die beste verfügbare Technik verwende, eine fiktive Neuanlage als Referenzanlage zu
verstehen sei, die der ausschließlichen Erzeugung des jeweiligen Produkts diene, zu den
effizientesten und fortschrittlichsten am Markt verfügbaren Anlagen zähle und im Falle
eines Kraftwerks einer vergleichbaren elektrischen Leistungsklasse entspreche, so ist
diese Auffassung - unabhängig davon, ob sie letztlich als rechtlich zutreffend zu
qualifizieren ist oder nicht - jedenfalls nicht von vornherein von der Hand zu weisen, in
sich folgerichtig und mit nachvollziehbaren Argumenten unter Bezugnahme auf die
einschlägigen Regelungen begründet.Hier ist für das Gericht nicht erkennbar, dass die
DEHSt ihre Rechtsauffassung nicht aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher
Prüfung gewonnen hat. In diesem Kontext ist zudem zu berücksichtigen, dass die DEHSt
nicht nur die hier streitgegenständliche Zuteilungs- und Widerspruchsentscheidung zu
treffen hatte, sondern im gleichen Zeitraum eine Fülle ähnlich komplexer Zuteilungs-
und Widerspruchsentscheidungen zu treffen waren, bei denen die Mitarbeiter der DEHST
sich mit den unterschiedlichsten Fragestellungen der neuen und komplizierten
Rechtsmaterie des Emissionshandelsrechts in der Gestalt des Treibhausgas-
Emissionshandelsgesetzes und des Zuteilungsgesetzes 2007 konfrontiert sahen, zu
denen eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht existierte. Aus diesem Grunde
scheidet vorliegend auch ein - teilweise vertretenes (vgl. dazu Zenke/ Vollmer in:
Danner/ Theobald, Energierecht, Teil XV B 5, Rz. 150) - Verschulden der DEHSt auf Grund
überlanger Dauer des Zuteilungs- und Widerspruchsverfahrens aus.
Soweit die Klägerin schließlich die ihrer Ansicht nach gleichheitswidrige weil willkürliche
Anwendung ‚strengerer Grundsätze’ rügt, ist dies nicht geeignet, ein Verschulden
seitens der Mitarbeiter der DEHSt zu begründen. Es ist weder ersichtlich noch dargelegt,
im Vergleich mit welchen konkreten Kraftwerken und Anlagen die behauptete willkürliche
Ungleichbehandlung des Zuteilungsantrags der Klägerin stattgefunden haben soll. Die
Klägerin erläutert die von ihr behaupteten ‚strengeren Grundsätze’ nicht näher, denen
sie ihrer Ansicht nach wegen des unterschiedlichen Bearbeitungszeitpunkts und im
Gegensatz zu anderen Kraftwerken unterworfen worden sein will.
Erweist sich die Fortsetzungsfeststellungsklage mangels Feststellungsinteresses als
unzulässig, so unterläuft dies schließlich nicht die grundgesetzlich garantierte
Rechtsschutzgarantie. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG)
gewährleistet grundsätzlich eine vollständige Nachprüfung der angefochtenen
Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Bei Erledigung des Klagebegehrens
während des anhängigen Klageverfahrens stellt die Verwaltungsgerichtsordnung die
grundsätzliche Möglichkeit weiterführenden gerichtlichen Rechtsschutzes in Form eines
Fortsetzungsfeststellungsantrags bereit. Sind dessen besondere
Zulässigkeitsanforderungen indes - wie hier - nicht erfüllt, verletzt dies die Klägerin nicht
in ihren Rechten. Es liefe im Übrigen auf eine unökonomische und nicht zu
rechtfertigende Inanspruchnahme gerichtlicher Ressourcen hinaus, wollte man aus
Gründen einer im Einzelfall lediglich abstrakten, weil inhaltlich leerlaufenden
Rechtsschutzgarantie eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung mit Blick auf einen
Schadenersatzprozess herbeiführen, dessen fehlende Erfolgsaussicht a priori evident ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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