Urteil des VG Berlin vom 10.05.2006

VG Berlin: daten, zugang, rückzahlung, schlüssiges verhalten, verwaltung, behandlung, erfüllung, ausschluss, abgeordneter, behörde

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Gericht:
VG Berlin 2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 A 102.06, 2 A
101.06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Präsidenten des
Deutschen Bundestages vom 10. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. Juni 2006 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die Unterlagen der Beklagten zu
dem Sonderkonto bei der Deutschen Bundesbank – Filiale Berlin – Konto-Nr. ... für die
Jahre 2002, 2003, 2004 und 2005 zu gewähren, soweit darin aufgezeichnet ist, wie viele
Bundestagsabgeordnete Rückzahlungen auf dieses Sonderkonto geleistet haben, wann
die jeweiligen Rückzahlungen geleistet wurden, ob der Verwendungszweck "Bonusmeile"
Reise Ausland oder "Bonusmeile" Reise Inland lautete, welcher Betrag pro Person
eingezahlt worden ist und wie viel Geld von den Bundestagsabgeordneten insgesamt
zurückgezahlt wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Er ist
als Journalist bei der Bildzeitung tätig.
Mit Beschluss des Ältestenrates des Deutschen Bundestages vom 25. September 1997,
über den die Präsidentin des Deutschen Bundestages die Mitglieder des Deutschen
Bundestages mit Schreiben vom 16. Oktober 1997 informierte, wurden Verfahrensregeln
zur Nutzung von Bonuspunkten aus dem Miles & More-Programm der Deutschen L AG
für Mandats-Dienstreisen der Mitglieder des Deutschen Bundestages aufgestellt.
Danach sollten die Mitglieder des Bundestages die Gutschriften über dienstlich
erworbene Bonuspunkte der Verwaltung zuleiten. Im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens für Dienstreisen oder bei einer Mandatsreise sollte die
Verwaltung die Mitglieder des Bundestages anhand des Kontostandes auf die Nutzung
der Bonuspunkte für die anstehende Reise hinweisen. Die Formulare "Mandatserklärung"
bzw. "Antrag auf Reisekostenerstattung" sollten den reisekostenrechtlichen Vorschriften
entsprechend um folgenden Zusatz ergänzt werden: "Falls aus diesem Flug
Bonusmeilen entstanden sind, stelle ich sie ausschließlich für Dienst- und Mandatsreisen
zur Verfügung".
Nachdem sich ein Mitarbeiter der L AG Zugang zu Daten des Unternehmens verschafft
hatte, die die Nutzung von Bonuspunkten durch Abgeordnete des Deutschen
Bundestages betrafen, wurde in der Presse im Jahre 2002 darüber berichtet, dass
Abgeordnete des Deutschen Bundestages ihre aus Dienstreisen erworbenen
Bonuspunkte für Privatreisen genutzt hätten. In der Bildzeitung erschienen im Sommer
2002 verschiedene, von dem Kläger verfasste Artikel zu diesem Thema. Unter anderem
berichtete er in einem am 28. Juli 2002 in der Bild am Sonntag erschienenen Artikel
über die private Nutzung von Bonuspunkten durch den Bundestagsabgeordneten Ö. In
dem Artikel wurden mehrere Reisen des Bundestagsabgeordneten, die dieser in der Zeit
zwischen Dezember 2001 und Juli 2002 durchgeführt hatte, zum Teil unter Angabe der
Flugnummer und des Reisezieles benannt. In zwei weiteren am 1. August 2002 in der
Bildzeitung erschienenen Artikeln berichtete der Kläger über die für private Flüge
verwendeten Bonusmeilen der Bundestagsabgeordneten B., K., J. und N., des
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verwendeten Bonusmeilen der Bundestagsabgeordneten B., K., J. und N., des
Staatsministers V. und des Bundesministers T. Dabei benannte der Kläger zum Teil die
Flugziele, den ungefähren Zeitpunkt der Reise und die eingesetzten Bonusmeilen. In den
Artikeln stellte der Kläger zum Teil in Frage, ob die Angaben der betroffenen Politiker, die
Flüge mit privat erworbenen Bonusmeilen beglichen zu haben, angesichts der Höhe der
verwendeten Bonusmeilen zutreffen könne. Hinsichtlich des Bundesministers T. rechnete
er etwa vor, dass dieser für die eingesetzten 115.000 Bonusmeilen ca. 92 innerdeutsche
Flüge in der Economy-Klasse hätte buchen müssen.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2002 informierte der Präsident des Deutschen Bundestages
die Mitglieder des Deutschen Bundestages darüber, dass sie für den Fall des privaten
Einsatzes dienstlich erworbener Bonusmeilen die Möglichkeit hätten, den
entsprechenden Betrag dem Deutschen Bundestag durch Zahlung auf ein bei der
Deutschen Bundesbank eingerichtetes Konto zur Verfügung zu stellen. In der Presse
wurde hieraufhin Anfang August 2002 von mindestens zwei Abgeordneten berichtet, die
eine Rückzahlung auf dieses Sonderkonto bekannt gegeben bzw. angekündigt hätten.
Mit Schreiben vom 11. April 2006 beantragte der Kläger beim Deutschen Bundestag,
ihm nach dem Informationsfreiheitsgesetz Einblick in die Unterlagen der
Bundestagsverwaltung zu diesem Sonderkonto für die Jahre 2002, 2003, 2004 und 2005
zu gewähren, aus denen hervorgehe, 1. wie viele Bundestagsabgeordnete
Rückzahlungen geleistet hätten, 2. wann die jeweiligen Rückzahlungen geleistet worden
seien, 3. für welche Flüge Rückzahlungen geleistet worden seien, 4. wie viel Geld die
einzelnen Bundestagsabgeordneten an den Bundestag zurückerstattet hätten und 5.
wie viel Geld von den Bundestagsabgeordneten insgesamt zurückgezahlt worden sei.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid des Präsidenten des Deutschen
Bundestages vom 10. Mai 2006, bestätigt durch Widerspruchsbescheid derselben
Behörde vom 27. Juni 2006, ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, einem
Informationszugang des Klägers stünde entgegen, dass es sich bei den begehrten
Informationen – auch in anonymisierter Form – um personenbezogene Daten handele.
Mit der am 17. Juli 2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist
der Auffassung, einen Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz des
Bundes gegen die Beklagte zu haben. Bei den in Frage stehenden Informationen
handele es sich um amtliche Informationen im Sinne des Gesetzes. Dem Anspruch
stünde auch nicht der Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 7 IFG entgegen, da es sich bei
den fraglichen Angaben nicht um vertraulich erhobene oder übermittelte Informationen
handele. Ebenso wenig könne seinem Anspruch der Tatbestand des § 5 IFG entgegen
gehalten werden, denn mit seinem Antrag begehre er keine Informationen über
personenbezogene Daten. Die von ihm begehrten Informationen erlaubten nicht die
Herstellung eines Bezuges zu einem bestimmten Abgeordneten.
Hinsichtlich der Frage, für welche Flüge Rückzahlungen geleistet worden seien, müsse
die Beklagte gegebenenfalls Daten unkenntlich machen, sofern Flugnummern oder
andere Daten offensichtliche Rückschlüsse auf die Personen eines einzelnen
Abgeordneten erlaubten. Es spreche jedoch nichts dagegen, ihm die hinsichtlich eines
Personenbezuges unbedenklichen Daten zugänglich zu machen, wie z. B. das jeweilige
Flugziel.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, im Besitz von Daten der
Deutsche L AG über die Verwendung von Bonusmeilen durch Abgeordnete des
deutschen Bundestages zu verfügen. Er hat Ablichtungen von Auszügen des Miles &
More-Kontos des Abgeordneten Ö. aus dem Jahre 2002 zu den Akten gegeben.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Mai 2006 und des
Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2006 zu verpflichten, ihm nach Maßgabe seines
Antrages vom 11. April 2006 Einsicht in die Unterlagen der Beklagten zu dem vom
damaligen Bundestagspräsidenten eingerichteten Sonderkonto für die Jahre 2002, 2003,
2004 und 2005 zu gewähren, aus denen hervorgeht, wie viele Bundestagsabgeordnete
Rückzahlungen auf diese Sonderkonten geleistet haben, wann die jeweiligen
Rückzahlungen geleistet wurden, für welche und wie viele Flüge Rückzahlungen geleistet
wurden, wie viel Geld die einzelnen Bundestagsabgeordneten an den Bundestag
zurückerstattet haben und wie viel Geld von den Bundestagsabgeordneten insgesamt
zurückgezahlt wurde.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zugang zu den fraglichen
Informationen. Soweit der Kläger Auskunft darüber begehre, für welche Flüge bzw. für wie
viele Flüge Rückzahlungen erfolgt seien, lägen ihr entsprechende Informationen – mit
Ausnahme der Angabe über den Verwendungszweck Inlands- oder Auslandsreise – nicht
vor.
Es handele sich im Übrigen schon nicht um Informationen zu amtlichen Zwecken im
Sinne von § 2 Nr. 1 IFG. Dieses Merkmal setze eine Finalität des Handelns voraus.
Demnach müsse die Aufzeichnung der Informationen ziel- und zweckgerichtet auf die
Erfüllung amtlicher Aufgaben ausgerichtet gewesen sein. Nicht erfasst würden dagegen
Informationen, die die informationspflichtige Stelle zwar anlässlich ihrer amtlichen
Tätigkeit erlangt habe, die aber nicht der unmittelbaren Erfüllung der ihr obliegenden
Aufgabe dienten. So liege der Fall hier.
Einem Anspruch des Klägers stehe jedenfalls der Tatbestand des § 3 Nr. 7 IFG entgegen.
Denn es handele sich bei den fraglichen Informationen um vertraulich erhobene oder
übermittelte Informationen, denn die Bundestagsabgeordneten hätten die
Rückzahlungen – bereits lange vor Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes – auf
das Sonderkonto im Vertrauen darauf vorgenommen, dass ihre Identität durch die
Bundestagsverwaltung nicht preisgegeben werde. Seitens der Bundestagsverwaltung sei
den Bundestagsabgeordneten auch stets versichert worden, dass die
Rückzahlungsdaten vertraulich behandelt würden.
Dem Anspruch des Klägers stehe ferner der Tatbestand des § 5 Abs. 1 IFG entgegen.
Der Kläger begehre die Offenbarung personenbezogener Daten. Dabei sei davon
auszugehen, dass er über umfassende Daten zu der Frage verfüge, für welche Flüge
Bonusmeilen von den jeweiligen Bundestagsabgeordneten erworben und welche
Prämienflüge hiervon für die einzelnen Abgeordneten gebucht worden seien. Aufgrund
dieser dem Kläger bereits vorliegenden Informationen zu dem Stand der Bonusmeilen-
Konten und der getätigten Prämienflüge sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass
Rückschlüsse auf einen einzelnen Bundestagsabgeordneten bei Herausgabe der Daten
möglich seien.
Das Informationsinteresse des Klägers überwiege das schutzwürdige Interesse der
betroffenen Bundestagsabgeordneten am Ausschluss des Informationszuganges nicht.
Dies folge bereits aus § 5 Abs. 2 IFG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang verwiesen, die vorgelegen haben
und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Verpflichtungsklage bleibt nur ohne Erfolg, soweit der Kläger Auskunft
darüber begehrt, für wie viele Flüge Rückzahlungen geleistet wurden, sowie insoweit, als
er eine konkrete Bezeichnung der in Frage stehenden Flüge begehrt, die über die
Angabe "Inlands- oder Auslandsflug" hinausgeht. Insoweit ist die Ablehnung der
begehrten Informationsgewährung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Hinsichtlich dieser Informationen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zugang gemäß § 1
Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes
(Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722). Nach
dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des
Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Zugang im Sinne
dieser Vorschrift erfolgt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 IFG durch Auskunftserteilung, die
Gewährung von Akteneinsicht oder die Zurverfügungstellung von Informationen in
sonstiger Weise.
Allerdings bezieht sich der Anspruch des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG nur auf solche amtlichen
Informationen, die tatsächlich bei der Behörde vorhanden sind. Informationen, die noch
nicht oder nicht mehr bei der Behörde vorhanden sind, werden vom Anspruch nach § 1
Abs. 1 Satz 1 IFG nicht erfasst. Dies ergibt sich zwar weder aus dem Wortlaut des § 2 Nr.
1 IFG noch aus dem des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG, folgt aber aus dem Sinn und Zweck des
Informationsfreiheitsgesetzes, das auf die Möglichkeit gerichtet ist, an dem
Informationsbestand der Verwaltung zu partizipieren, bzw. das Verhalten der Verwaltung
zu kontrollieren. Vorhanden sind Informationen, wenn sie tatsächlich und dauerhaft
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zu kontrollieren. Vorhanden sind Informationen, wenn sie tatsächlich und dauerhaft
vorliegen (vgl. Urteil der Kammer vom 27. Juni 2007 – VG 2 A 136.06 –; Rossi, a. a. O, § 2
Rn. 11 ff.; Scheel, a. a. O., § 2 Rn. 24).
Dies ist hinsichtlich der Frage, für welche nach Datum, Flugnummer, Fluglinie oder -
Zielflughafen konkret bezeichneten Flüge und hinsichtlich der Frage, für wie viele Flüge
Rückzahlungen erfolgt sind, nach den Angaben der Beklagten jedoch nicht der Fall. Die
Kammer hat keinen Anlass diesen Vortrag der Beklagten in Zweifel zu ziehen, zumal der
Präsident des Deutschen Bundestages in seinem Schreiben vom 31. Juli 2002 die
Abgeordneten nicht dazu aufgefordert hat, zusammen mit der Einzahlung
entsprechende Angaben zu machen. Gebeten hat er lediglich, zwischen dem
Verwendungszweck Auslandsreise oder Inlandsreise zu unterscheiden.
2. Begründet ist die Klage dagegen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Insoweit hat der Kläger einen Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG.
a) Der Kläger begehrt Zugang zu amtlichen Informationen. Gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG
ist im Sinne dieses Gesetzes amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende
Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Amtlich sind solche
Informationen, die in Erfüllung amtlicher Tätigkeit angefallen sind. Dabei kommt es
weder auf die Art der Verwaltungsaufgabe noch auf die Handlungsform der Verwaltung
an. Unerheblich ist deshalb, ob die begehrten Informationen hoheitliches, schlicht-
hoheitliches oder fiskalisches Behördenhandeln betreffen. Auch ein Bezug zu einem
konkreten Verwaltungsvorgang ist nicht erforderlich. Nicht amtlich sind dagegen private
Informationen sowie Informationen, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen
(vgl. Rossi, IFG, 2006, § 2 Rn. 10).
Die in Frage stehenden Informationen dienen amtlichen Zwecken. Die Verwaltung des
Deutschen Bundestages ist zuständig für die Erstattung der Kosten für Fahrten der
Abgeordneten in Ausübung des Mandats gemäß § 16 AbgG sowie gemäß § 17 AbgG für
die Fahrkostenerstattung im Falle von Inlands- oder Auslandsdienstreisen der
Abgeordneten. Mit dieser Verwaltungsaufgabe hängt die Einrichtung des
Rückzahlungskontos und die Verwaltung dieses Kontos zusammen. Denn die durch
Dienstreisen mit der Lufthansa erworbenen Bonusmeilen sollten von den Abgeordneten
ausschließlich für Dienst- und Mandatsreisen verwendet werden. Die zurückgezahlten
Mittel sind an die Stelle dieser Bonusmeilen getreten und decken die Aufwendungen der
Beklagten für Dienst- und Mandatsreisen, die nicht aus den – für private Zwecke der
Abgeordneten verwendeten – Bonusmeilen beglichen werden konnten.
b) Der Anspruch auf Informationszugang ist nicht gemäß § 3 Nr. 7 IFG ausgeschlossen,
Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich
erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer
vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch
fortbesteht. Bei den streitbefangenen Informationen handelt es sich nicht um
"vertraulich" erhobene oder übermittelte.
aa) Nach dem Wortsinn des Begriffs sind Informationen "vertraulich", die nicht für die
Öffentlichkeit bestimmt sind. Um eine vertrauliche Behandlung der Information zu
erreichen, genügt es nicht, dass allein der Informationsgeber den Zugang der
Öffentlichkeit verwehren möchte. Vielmehr bedarf es einer Übereinstimmung mit dem
Informationsnehmer darüber, dass die Information der Öffentlichkeit nicht zugänglich
gemacht wird. Nur dann besteht die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, an welches der
Begriff (auch) anknüpft und dessen Schutz die Norm ausweislich der
Gesetzesmaterialien gerade bezweckt. So heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drs.
15/4493, S. 11), Behörden seien in hohem Maße auf eine – insbesondere freiwillige –
Informationszusammenarbeit mit Bürgern angewiesen. Da die Bereitschaft der Bürger
zu einer solchen Kooperation von dem Vertrauen in die Verschwiegenheit der Verwaltung
abhänge, müsse vertrauliche Information geschützt werden.
Die Einigung über die vertrauliche Behandlung der Information kann ausdrücklich
erfolgen; sie kann sich aber auch aus den Umständen ergeben (vgl.
Mecklenburg/Pöppelmann, IFG, § 3 Rn. 104; Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 110).
bb) Hier fehlt es an einer entsprechenden Einigung. Eine ausdrückliche Vereinbarung
über die vertrauliche Behandlung der in Frage stehenden Informationen hat die Beklagte
nicht substantiiert dargelegt. Sie hat lediglich behauptet, den Abgeordneten sei
Vertraulichkeit stets versichert worden. In welcher Form, zu welchem Zeitpunkt und von
wem dies versichert worden sein soll, hat sie jedoch nicht – auch nicht in der mündlichen
Verhandlung - vorgetragen. In seinem Schreiben vom 31. Juli 2002 hat der
Bundestagspräsident ausdrücklich keine Vertraulichkeit zugesichert. Es ist auch nicht
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Bundestagspräsident ausdrücklich keine Vertraulichkeit zugesichert. Es ist auch nicht
ersichtlich, dass die betreffenden Abgeordneten ausdrücklich eine vertrauliche
Behandlung erbeten hätten.
Ebenso wenig ergibt sich aus den Umständen eine Vertraulichkeitsabrede. Für die
Abgeordneten und die Bundestagsverwaltung bestand keine hinreichende Veranlassung
zu einer besonderen Vertraulichkeitsabrede, da ohnehin nicht davon ausgegangen
werden musste, dass die Person des Einzahlenden in der Öffentlichkeit ohne seine
Einwilligung bekannt werden könnte. Mit einer Übermittlung des Namens des
betreffenden Abgeordneten oder etwaiger anderer seiner im Zusammenhang mit der
Rückzahlung stehenden personenbezogenen Daten an Stellen außerhalb der
Bundestagsverwaltung musste nicht gerechnet werden. Ein allgemeiner
Informationsanspruch, wie er nunmehr dem Grunde nach durch das
Informationsfreiheitsgesetz besteht, war seinerzeit nicht gegeben. Die schon seinerzeit
geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen ließen eine Übermittlung
personenbezogener Daten an Dritte nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen
zu und schlossen dies bei Bestehen eines schutzwürdigen Interesses des Betroffenen an
dem Ausschluss der Datenübermittlung praktisch aus (vgl. § 16 Abs. 1, § 14 BDSG). Es
bestand kein Anlass für die Annahme, die an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG)
gebundene Bundestagsverwaltung werde diese gesetzlichen Vorgaben nicht beachten.
Umgekehrt durften die betroffenen Abgeordneten bei objektivierter Betrachtung nicht
annehmen, die Bundestagsverwaltung werde berechtigte Informationsbegehren Dritter
verweigern, soweit schutzwürdige Belange der Abgeordneten – etwa im Falle der
Rechtswidrigkeit des in Frage stehenden Verhaltens – dem nicht entgegenstünden.
Zudem lässt die Rückzahlung des Geldwertes dienstlich erworbener Bonusmeilen an sich
nicht hinreichend auf den Willen der Abgeordneten zu vertraulicher Übermittlung
schließen. Dies liegt auf der Hand für jene Abgeordneten, die eine Rückzahlung bereits
öffentlich angekündigt hatten. Es gilt aber auch für etwaige weitere Abgeordnete, die auf
das Konto der Bundestagsverwaltung eingezahlt haben. Zwar mag das Bekanntwerden
der privaten Nutzung dienstlich erworbener Bonusmeilen und des Behaltens der
hierdurch erlangten Vermögensvorteile nachteilige Folgen für einen Abgeordneten
haben und sein Interesse deshalb womöglich darauf gerichtet sein, sein Verhalten der
Öffentlichkeit nicht bekannt werden zu lassen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass das
mit der Rückzahlung erklärte Eingeständnis unter gleichzeitiger Rückgabe der erlangten
geldwerten Vorteile dieselben nachteiligen Wirkungen für den Abgeordneten hätte. Dies
gilt umso mehr, wenn die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene
Auffassung zuträfe und die Abgeordneten zur Rückzahlung der erlangten Vorteile
rechtlich nicht verpflichtet waren.
Umso weniger besteht vor diesem Hintergrund objektiver Anlass für die Annahme, die
betreffenden Abgeordneten hätten durch schlüssiges Verhalten gerade auch nach
vertraulicher Behandlung von solchen Daten verlangt, die keinen Rückschluss auf ihre
Person zulassen.
Sonstige Umstände, aus denen sich eine entsprechende Abrede ergeben könnte, sind
von der Beklagten weder dargelegt worden noch sind sie sonst ersichtlich.
Ist der Tatbestand des § 3 Nr. 7 IFG schon aus vorstehenden Erwägungen nicht erfüllt, so
kann dahin stehen, ob hier ein Fall gegeben ist, in dem die Regelung womöglich schon
dem Grunde nach keine Anwendung fände, weil die zugesagte Vertraulichkeit dazu
diente, ein vorangegangenes möglicherweise rechtswidriges Verhalten der Öffentlichkeit
nicht bekannt werden zu lassen.
3. Der Anspruch des Klägers auf die im Tenor bezeichneten Informationen ist auch nicht
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG ausgeschlossen.
Nach dieser Vorschrift darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden,
soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des
Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt
hat.
Personenbezogene Daten sind nach der heranzuziehenden Legaldefinition des § 3 Abs.
1 BDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten
oder bestimmbaren Person (Betroffener).
Die Person ist bestimmt, wenn feststeht, dass sich die Angaben auf diese Person und
nicht auf eine andere beziehen (Dammann, in: Simitis [Hrsg.],
Bundesdatenschutzgesetz, 6. Aufl. 2006, § 3 Rn. 21). Bestimmbar ist eine Person, wenn
ihre Identität zwar nicht durch die Daten allein eindeutig identifiziert wird, jedoch –
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ihre Identität zwar nicht durch die Daten allein eindeutig identifiziert wird, jedoch –
gegebenenfalls unter Verwendung von zugänglichem Zusatzwissen, mit Unterstützung
mathematisch-statistischer Experten und unter Rückgriff auf externe
Datenverarbeitungskapazität – festgestellt werden kann (Dammann, a. a. O., § 3
Rn.39).
Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der im Tenor genannten Informationen nicht
vor. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei dem Kläger oder
sonstigen Dritten Daten der L AG über die Verwendung von Bonusmeilen eines oder
mehrerer Bundestagsabgeordneten vorhanden sind. Auch mit Hilfe dieses
Zusatzwissens und gegebenenfalls unter Verwendung mathematischer Berechnungen
und Kombinationen kann anhand der von dem Kläger begehrten Informationen nicht
eindeutig festgestellt werden, dass ein bestimmter Abgeordneter auf das von der
Bundestagsverwaltung eingerichtete Sonderkonto eingezahlt hat. Denn in jedem Fall
kann sich die fragliche Angabe auch auf eine andere Person bzw. einen anderen
Personenkreis beziehen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Daten der L AG schon keine eindeutige Aussage
darüber treffen, ob Bonusmeilen für dienstliche oder private Flüge verwendet wurden.
Noch weniger lässt sich ihnen aber entnehmen, ob die für einen bestimmten Flug
verwendeten Bonusmeilen ausschließlich durch dienstliche oder zumindest zum teil auch
durch private Flüge erworben wurden. Den Daten der L AG ist neben der Flugnummer
und dem jeweiligen Flugziel lediglich zu entnehmen, von welchem Abgeordneten für
welche Personen ein Ticket erworben wurde und wie viele Bonusmeilen hierfür verwendet
wurden. Diese Daten können, etwa dann, wenn auch Tickets für Familienangehörige
erworben wurden und die verwendeten Bonusmeilen nach ihrer Menge allein kaum durch
private Flüge erworben worden sein konnten, allenfalls den Verdacht begründen, der
betreffende Abgeordnete habe dienstlich erworbene Bonusmeilen für private Zwecke
genutzt. Noch weniger lassen sie einen verlässlichen Schluss darauf zu, dass der
betreffende Abgeordnete die eingesetzten Bonusmeilen ausschließlich aus Mandats-
oder Dienstreisen erworben hat. Stets bleibt die Möglichkeit, dass er einen Privatflug nur
teilweise mit dienstlich erworbenen Bonusmeilen beglichen hat und er deshalb nur einen
entsprechenden Teilbetrag auf das Sonderkonto gezahlt hat.
Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung der Kammer nicht möglich, anhand
der Daten der L AG einerseits und den hier in Frage stehenden Daten der Beklagten
andererseits Kombinationen anzustellen, die zu einer eindeutigen Identifizierung eines
Abgeordneten oder eines Kreises von Abgeordneten führen könnten.
Dies gilt auch hinsichtlich der Angabe über den pro Person auf das Sonderkonto
eingezahlten Betrag. Insoweit wäre es zwar durchaus denkbar, dass ein bestimmter
Betrag dem (zuvor allerdings noch zu ermittelnden) Wert eines bestimmten Inlands-
oder Auslandsfluges entspricht, den ein bestimmter Abgeordneter aus seinem
Bonusmeilenkonto beglichen hat. Auch dann aber kann die Übereinstimmung auf einem
Zufall beruhen. Denn ein anderer Abgeordneter könnte beispielsweise mit seiner
Rückzahlung den (der Summe nach identischen) Wert mehrerer Flüge erstattet haben.
Ebenso könnte ein anderer einen der Höhe nach identischen Betrag gezahlt haben, weil
er einen Privatflug nur zum Teil aus dienstlich erworbenen Bonusmeilen beglichen und
dementsprechend nur einen Teilbetrag des von ihm seinerzeit mit Bonusmeilen
beglichenen Flugpreises zurückgezahlt hat.
Entsprechendes gilt, soweit der Kläger erfahren möchte, wann die jeweiligen
Rückzahlungen geleistet wurden. Mangels sonstigen zugänglichen Zusatzwissens wäre
hier eine Identifizierung ohnehin nur hinsichtlich der wenigen Abgeordneten denkbar, die
eine Rückzahlung zuvor öffentlich bekannt gegeben bzw. angekündigt haben. Auch hier
ist eine eindeutige Feststellung eines bestimmten Abgeordneten jedoch nicht möglich,
da in diesem Bereich zufällige Übereinstimmungen ebenso denkbar sind wie das
Auseinanderfallen von öffentlicher Ankündigung und tatsächlichem Eingang der
angekündigten (vollständigen) Zahlung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; die Entscheidungen über
die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO, §
708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
Die Berufung ist nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da keine der dafür
im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegt (§124 a VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3
und 4 VwGO).
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