Urteil des VG Berlin vom 15.03.2017

VG Berlin: betreiber, testat, prüfer, gewalt, kommission, amtsblatt, eugh, anwendungsbereich, begriff, abgabepflicht

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Gericht:
VG Berlin 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 A 281.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 6 Abs 3 EUV, Art 16 Abs 3
EGRL 87/2003, Art 16 Abs 4
EGRL 87/2003, § 6 Abs 1 TEHG, §
17 TEHG
Treibhausgas-Emissionshandel - Sanktionierung wegen
Verletzung der Abgabepflicht
Leitsatz
Gibt ein Anlagenbetreiber bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl von
Emissionsberechtigungen ab, die der im - vom Sachverständigen als zufrieden stellend
bewerteten - Bericht über die Emissionen der Anlage im Vorjahr ausgewiesene Menge von
Emissionen entspricht, darf eine Zahlungspflicht gemäß § 18 Abs 1 Satz 1 TEHG gegen ihn
nicht festgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich die im Bericht ausgewiesene
Emissionsmenge als zu gering erweist. Der Anlagenbetreiber bleibt dann jedoch zur Abgabe
der weiteren Berechtigungen verpflichtet.
Tenor
Der Bescheid des Umweltbundesamtes vom 10. Dezember 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2008 wird insoweit aufgehoben, als dort eine
Zahlungspflicht in Höhe von 91.560 Euro festgesetzt wird.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 91.560 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2008 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten
für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Zahlungspflicht gemäß § 18 Abs. 1
Satz 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG).
Sie betreibt in Oschersleben eine Anlage, die u. a. aus zwei Dampfkesseln mit einer
Feuerungswärmeleistung zwischen 20 und 50 Megawatt besteht.
Im Verfahren über die Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode
2005 bis 2007 nahm sie im Zuteilungsantrag hinsichtlich des prognostizierten
Gasverbrauchs eine Umrechnung von Betriebs- in Normvolumen nicht vor. Eine solche
ist erforderlich, um Unterschieden im Druck und in der Temperatur des Messgeräts
Rechnung zu tragen Der Klägerin wurden daher weniger Emissionsberechtigungen
zugeteilt, als sie bei Berücksichtigung des Umrechnungsfaktors (von > 1) hätte erhalten
können.
Im Emissionsbericht für das Jahr 2005 gab die Klägerin den Gasverbrauch mit 8.533,9
Normkubikmetern (Nm
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) an, ohne einen Umrechnungsfaktor zu berücksichtigen. Sie
ermittelte so Kohlendioxidemissionen durch den Einsatz von Erdgas im Umfang von
15.259,30 t. Unter Hinzurechnung von Kohlendioxidemissionen durch den Einsatz von
Heizöl im Umfang von 66,52 t berichtete sie Gesamtemissionen im Umfang von 15.326
t CO
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. Bei Berücksichtigung eines Umrechnungsfaktors hätte sie Gesamtemissionen im
Umfang von 17.615 t CO
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berichten müssen, woraus sich eine Differenz von 2.289 t CO
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ergibt.
Die Prüfung des Emissionsberichtes 2005 erfolgte durch den sachverständigen Prüfer Dr.
D.. Diesem war bekannt, dass der genannte Umrechnungsfaktor eigentlich
Berücksichtigung finden musste. Die Klägerin vertrat demgegenüber die Ansicht, die
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Berücksichtigung finden musste. Die Klägerin vertrat demgegenüber die Ansicht, die
Berichterstattung habe konsistent mit der Angabe der voraussichtlichen Emissionen im
Zuteilungsverfahren zu erfolgen.
Der Prüfer telefonierte vor dem 30. April 2006 mehrmals mit Mitarbeiterinnen der
Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt), um das Vorgehen in dieser Frage zu
erörtern. Der genaue Inhalt dieser Gespräche ist zwischen den Beteiligten streitig.
Der Prüfer bestätigte letztlich die im – als zufriedenstellend bewerteten –
Emissionsbericht für das Jahr 2005 ausgewiesenen Gesamtemissionen im Umfang von
15.326 t CO
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, und führte hierzu u. a. aus:
„(…) Demnach wurde der historische Verbrauch im Zuteilungsantrag etwa 11,4
% zu niedrig angegeben, für 2005 wird der Verbrauch um ca. 12,9 % zu niedrig
angegeben. Unter Berücksichtigung des Fehlers durch die fehlende Temperaturkorrektur
der TNV-Zählerdaten werden beide Fehler sogar noch etwas größer.
Aufgrund des sehr hohen Fehlers, der durchgängig und in ähnlicher Größe bereits
bei der Zuteilung vorhanden war und vom damaligen Verifizierer zwar im Prinzip wohl
gesehen, aber nicht korrekt eingeschätzt wurde, vertritt der Betreiber die Auffassung, es
sei eine unbillige Härte, wenn die Verbrauchsermittlung jetzt korrigiert würde, ohne auch
den Zuteilungsantrag zu korrigieren. Um Konsistenz mit dem Zuteilungsantrag zu
wahren, wird die CO
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– Emission 2005 deshalb vom Betreiber unter Beibehaltung dieses
Fehlers ermittelt und im Emissionsbericht der zu niedrige Gasverbrauch angegeben. Der
Bericht wird deshalb nur unter Vorbehalt testiert.“
Bis zum 30. April 2006 gab die Klägerin 15.326 Emissionsberechtigungen an die
Beklagte ab.
Mit Schreiben vom 22. September 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der
vorgelegte Bericht für das Jahr 2005 sei fehlerhaft; zur Vermeidung einer Schätzung
werde die Klägerin aufgefordert, einen auch hinsichtlich des Gasverbrauchs zutreffenden
Emissionsbericht abzugeben. Zugleich gab sie Gelegenheit zur Stellungnahme zur
beabsichtigten Festsetzung einer Sanktionszahlung.
Daraufhin legte die Klägerin der Beklagten einen korrigierten Emissionsbericht für das
Jahr 2005 vor, ausweislich dessen die Klägerin in diesem Jahr 17.615 t Kohlendioxid
emittiert hatte. Der Gasverbrauch wurde dabei unter Anwendung des
Umrechnungsfaktors um 15 % höher als im vorherigen Bericht ausgewiesen, woraus sich
insgesamt eine Erhöhung um 14,9 % ergab.
Die Klägerin gab daraufhin weitere 2.289 Emissionsberechtigungen an die Beklagte ab.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2007 setzte die Beklagte gegen die Klägerin eine
Zahlungspflicht in Höhe von 91.560,00 Euro fest (Ziff. 1) und stellte fest, dass die
Klägerin verpflichtet war, bis zum 30. April 2007 die noch fehlenden 2.289
Emissionsberechtigungen abzugeben (Ziff. 2).
Die Klägerin zahlte daraufhin an die Beklagte den geforderten Betrag.
Der gegen den Bescheid erhobene Widerspruch der Klägerin wurde mit
Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2008, dem Verfahrensbevollmächtigten der
Klägerin zugestellt am 3. November 2008, zurückgewiesen.
Mit ihrer am 3. Dezember 2008 bei Gericht eingegangen Klage verfolgt die Klägerin ihr
Begehren weiter.
Sie macht unter Berufung auf einen Telefonvermerk des Prüfers vom 8. März 2006
geltend, die Beklagte habe sich mit der vorläufigen Angabe des Gasverbrauchs in
Übereinstimmung mit der Berechnung der Klägerin im Zuteilungsverfahren
einverstanden erklärt. Die endgültige Entscheidung der Frage, ob der Bericht konsistent
mit der Zuteilung erfolgen dürfe, sei der weiteren Prüfung vorbehalten gewesen. Daher
habe der Prüfer die ohne Anwendung eines Umrechnungsfaktors für den Gasverbrauch
ermittelte Emissionsmenge bestätigen dürfen, ohne die Klägerin der Gefahr einer
Sanktionszahlung auszusetzen. Abzugeben gewesen sei zunächst nur die Anzahl von
Berechtigungen, die im ersten Emissionsbericht für das Jahr 2005 ausgewiesen gewesen
sei. Dem habe die Klägerin vor dem Stichtag 30. April 2006 genügt.
Jedenfalls verhalte die Beklagte sich mit der Festsetzung der Zahlungspflicht treuwidrig.
Durch ihr gegenteiliges Verhalten sei ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 18 Abs. 1
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Durch ihr gegenteiliges Verhalten sei ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 18 Abs. 1
Satz 2 TEHG gegeben.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der Deutschen Emissionshandelsstelle vom 10. Dezember 2007
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2008 aufzuheben, soweit
darin eine Zahlungspflicht in Höhe von 91.560,00 Euro festgesetzt wird,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 91.560,00 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2008 zu zahlen,
3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, es komme für die Festsetzung einer Zahlungspflicht gemäß § 18 Abs. 1 Satz
1 TEHG allein darauf an, ob bis zum jeweiligen Stichtag weniger
Emissionsberechtigungen abgeben worden seien, als im Vorjahr in der maßgeblichen
Anlage tatsächlich emittiert worden seien.
Dessen ungeachtet habe der Prüfer der Klägerin den zunächst vorgelegten
Emissionsbericht über 15.326 t Kohlendioxid-Emissionen im hier streitigen Punkt gerade
mit einem Vorbehalt versehen. Dies sei in Kenntnis dessen geschehen, dass die DEHSt
die Auffassung der Klägerin hinsichtlich einer mit der Zuteilung konsistenten
Emissionsberichterstattung voraussichtlich nicht teilen werde. Die Empfehlung an den
Prüfer, sein Testat mit einem Vorbehalt zu versehen, habe erkennbar nur darauf
abgezielt, diesem ein ordnungsgemäßes Verhalten zu ermöglichen, nicht darauf, der
Klägerin vorläufig eine von der DEHSt bereits seinerzeit als fehlerhaft angesehene
Berichterstattung zu ermöglichen. Die Klägerin sei das Risiko einer falschen
Berichterstattung mithin bewusst eingegangen, weshalb weder ein Fall höherer Gewalt
vorliege noch ein solcher unverhältnismäßigen Verhaltens der Beklagten.
Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen und
waren, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend hierauf sowie auf den Inhalt der
Streitakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2008 ausgesprochene
Festsetzung einer Zahlungspflicht in Höhe von 91.560 € stellt einen Verwaltungsakt i. S.
d. § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, weshalb die hiergegen nach
ordnungsgemäßer Durchführung des Vorverfahrens erhobene Klage als
Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig ist.
Die Klage ist auch begründet, denn die Festsetzung der Zahlungspflicht ist rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 18 Abs. 1 TEHG liegen nicht vor. Kommt
danach der Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG nicht nach, so setzt die
zuständige Behörde für jede emittierte Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der
Verantwortliche keine Berechtigungen abgegeben hat, eine Zahlungspflicht von 100
Euro, in der ersten Zuteilungsperiode von 40 Euro, fest (Satz 1). Gemäß § 6 Abs. 1 TEHG
hat der Verantwortliche bis zum 30. April eines Jahres, erstmals im Jahr 2006, ein Anzahl
von Berechtigungen an die zuständige Behörde abzugeben, die den durch seine
Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht. Von
der Festsetzung einer Zahlungspflicht kann abgesehen werden, wenn der
Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG auf Grund höherer Gewalt nicht
nachkommen konnte (§ 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG).
Wie die Kammer in ihren Urteilen vom 28. Mai 2010 (VG 10 K 39.09 und VG 10 K 130.09)
bereits ausgeführt hat, scheidet die Festsetzung einer Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1
Satz 1 TEHG aus, sofern der Verantwortliche bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl
von Berechtigungen an die Beklagte abgegeben hat, die der Menge der im – vom
Sachverständigen als zufriedenstellend bewerteten – Emissionsbericht nach § 5 Abs. 1
und Abs. 3 TEHG für das Vorjahr ausgewiesenen Kohlendioxidemissionen entspricht.
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und Abs. 3 TEHG für das Vorjahr ausgewiesenen Kohlendioxidemissionen entspricht.
Daran hält die Kammer nach nochmaliger Prüfung aus folgenden Gründen fest:
1.
und 4 der Richtlinie 2003/87/EG (vom 13. Oktober 2003 - Amtsblatt der EU L 275/32 –
geändert durch die Richtlinie 2004/101/EG vom 27. Oktober 2004 – Amtsblatt der EU L
338/18; im Folgenden: Emissionshandelsrichtlinie - EH-RL).
Gemäß Art. 16 Abs. 3 Satz 1 EH-RL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Betreibern,
die nicht bis zum 30. April jeden Jahres eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten zur
Abdeckung ihrer Emissionen im Vorjahr abgeben, eine Sanktion wegen
Emissionsüberschreitung auferlegt wird. Nach Satz 2 der Regelung beträgt die Sanktion
wegen Emissionsüberschreitung für jede von der Anlage ausgestoßene Tonne
Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber keine Zertifikate abgegeben hat, 100 Euro.
Art. 16 Abs. 4 EH-RL reduziert diesen Betrag für die erste Handelsperiode (2005 bis
2007) auf 40 Euro je ausgestoßene Tonne Kohlendioxidäquivalent.
Abweichend von der Wortwahl in seinen Absätzen 3 und 4 stellt die
Emissionshandelsrichtlinie demgegenüber bereits in ihrem Art. 16 Abs. 2 allein darauf
ab, ob die Betreiber „gegen die Verpflichtungen nach Art. 12 Absatz 3 zur Abgabe einer
ausreichenden Anzahl von Zertifikaten verstoßen“ haben. Nach Art. 12 Abs. 3 EH-RL
stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Betreiber für jede Anlage bis spätestens 30.
April jeden Jahres eine Anzahl von Zertifikaten abgibt, die den – nach Artikel 15
geprüften – Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr entspricht.
Die Beklagte meint, bei der in Parenthese gesetzten Wendung „nach Artikel 15
geprüften“ handele es sich nur um einen „unverbindlichen Einschub, welcher lediglich
auf das (Verwaltungs-)Verfahren abstell(e)“, eine materielle Beschränkung der
Sanktionsregelung jedoch nicht rechtfertige. Damit würde diesem Satzteil jedoch
letztlich jegliche Bedeutung abgesprochen, ist doch die Prüfung der Emissionsberichte
selbständig in Art. 15 EH-RL geregelt.
Auch die Begründung des Kommissionsentwurfs der Emissionshandelsrichtlinie vom 23.
Oktober 2001 [KOM(2001)581] lässt an verschiedenen Stellen erkennen, dass die
Sanktionierung wegen Verletzung der Abgabepflicht nur erfolgen soll, wenn der
Anlagenbetreiber, der rechtzeitig einen mit dem Testat des Sachverständigen
versehenen Emissionsbericht abgegeben hat, bis zum Stichtag 30. April weniger
Berechtigungen abgibt, als nach dem testierten Emissionsbericht erforderlich wäre. So
heißt es etwa zu Nr. 4 des Kommissionsentwurfs:
„Durch die Genehmigung werden die Betreiber von Anlagen, in denen die in das
System einbezogenen Tätigkeiten stattfinden, verpflichtet, jährlich Berechtigungen im
Umfang ihrer geprüften Emissionen des jeweiligen Treibhausgases im vorigen
Kalenderjahr abzugeben. Entspricht der Umfang der abgegebenen Berechtigungen nicht
diesen geprüften Emissionen, werden von den Mitgliedstaaten beträchtliche Strafen
verhängt.“ (a. a. O. S. 5; Hervorhebung nicht im Original)
Fehler bei der Berichterstattung und Prüfung des Berichts behandelt die Begründung des
Kommissionsentwurfs zu Nr. 16. Dort heißt es:
„Werden die Auflagen für Überwachung und Berichterstattung nicht beachtet
oder die Emissionsberichte nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß geprüft, so zieht dies
Sanktionen nach sich, zu denen auch die Aussetzung weiterer Übertragungen von
Berechtigungen des betreffenden Betreibers zählen können, bis die Mängel beseitigt
sind.“ (a. a. O. S. 15)
Die Einhaltung der Pflicht, Emissionsberechtigungen abzugeben, behandelt der
Kommissionsentwurf sodann in Nr. 17 der Begründung. Dort wird ausgeführt:
„Fälle von Verstößen gegen die Verpflichtung, ausreichend Berechtigungen
zurückzugeben, um die geprüften Emissionen abzudecken, müssen in der gesamten
Europäischen Gemeinschaft schlüssig und konsequent geahndet werden. (…)
Entscheidend ist jedoch, dass die Strafe für die Nichteinhaltung so hoch ist, dass
Betreiber nicht darauf verzichten, die tatsächlichen Emissionen ihrer Anlage durch eine
ausreichende Zahl von Berechtigungen abzudecken. (…)
Hervorzuheben ist, dass bei der Festsetzung der Höhe der Strafen für die
Nichteinhaltung bedacht werden sollte, dass die große Mehrheit der Teilnehmer – wenn
nicht sogar alle – sie nicht werden zahlen müssen. Die Berechtigungen sind für den
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nicht sogar alle – sie nicht werden zahlen müssen. Die Berechtigungen sind für den
gesamten Zeitraum, für den sie vergeben wurden, gültig. Die Mitgliedstaaten müssen
einen Teil dieser Berechtigungen vor dem 28. Februar jeden Jahres vergeben. Die
Betreiber müssen die Berechtig-ungen entsprechend den Emissionen des Vorjahres vor
dem 31. März zurückgeben; zu diesem Zeitpunkt müssen die Berechtigungen für das
laufende Jahr bereits zugeteilt sein. Da die Betreiber alle in ihrem Besitz befindlichen
Berechtigungen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen nutzen können ist es sehr
unwahrscheinlich, dass gegenüber einem in gutem Glauben handelnden Betreiber vor
Ende des Zeitraums eine Strafe verhängt wird.“ (a. a. O. S. 15 f.; Hervorhebungen nicht
im Original)
Zwar ist mit der Verwendung der Begriffe „geprüften Emissionen“ einerseits und
„tatsächlichen Emissionen“ andererseits auch hier die Wortwahl der Kommission nicht
eindeutig. Aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen der Kommission ergibt
sich jedoch deutlich, dass sie die auch ihrer Auffassung nach drastischen Sanktionen
gemäß Art. 16 Abs. 3 und 4 des Entwurfs für vom Anlagenbetreiber ohne weiteres für
vermeidbar und keinesfalls etwa bereits dann für geboten hielt, wenn ein
Anlagenbetreiber etwa fahrlässig einen Fehler im Emissionsbericht gemacht hat, der
vom Sachverständigen nicht bemerkt oder für nicht erheblich befunden wurde.
Das erklärt, weshalb der Kommissionsentwurf die Verhängung einer Sanktion nach Art.
16 Abs. 3 oder 4 des Entwurfs nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich – von einem
vorsätzlichen oder zumindest fahrlässigen Verhalten des Anlagenbetreibers abhängig
machen wollte und nicht einmal in Fällen höherer Gewalt eine Ausnahme von der
Sanktion nach Art. 16 Abs. 3 und 4 des Entwurfs für regelungsbedürftig gehalten hat.
Unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat die Kommission ihr Verständnis vom
Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL schließlich in ihren nach Maßgabe
des Art. 14 Abs. 1 EH-RL erlassenen ‚Monitoring-Leitlinien’ vom 29. Januar 2004
(Amtsblatt der EU L 59/1; fortan: Monitoring-Leitlinien 2004). Dort heißt es zu
„Nr. 7.4 Prüfung und Wesentlichkeit
(…)
Zum Ende des Prüfverfahrens beurteilt die prüfende Instanz, ob der
Emissionsbericht irgendwelche wesentlich falschen Angaben enthält. Kommt die
prüfende Instanz zu dem Schluss, dass der Emissionsbericht keine wesentlich falschen
Angaben enthält, kann der Betreiber den Emissionsbericht gemäß Art. 14 Abs. 3 der
Richtlinie an die zuständige Behörde übermitteln. (…)
Anhand der im Emissionsbericht, der als zufrieden stellend bewertet wurde, für
die Gesamtemissionen ausgewiesenen Zahl prüft die zuständige Behörde dann, ob der
Betreiber für die betreffende Anlage eine genügende Anzahl Zertifikate abgegeben hat.“
(a. a. O. S. 22)
Ob auch dieser letztgenannte, für den Umfang der Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG
maßgebliche Passus gemäß § 5 TEHG i. V. m. Anhang 2 Teil I Ziff. 1 und Teil II Ziff. 1 zum
TEHG in nationales Recht transformiert wurde und damit für die DEHSt unmittelbar
anwendbar geworden war – und sei es, weil die die Bundesrepublik Deutschland die für
sie gemäß Art. 249 Abs. 4 EG-Vertrag verbindliche Entscheidung der Kommission
insoweit nicht binnen der Frist des Art. 230 Abs. 5 EG-Vertrages angefochten hat –,
bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
Denn Anhaltspunkte dafür, dass der Richtliniengeber der Emissionshandelsrichtlinie
hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL über den
Kommissionsentwurf hinausgehen wollte, fehlen. Abgeändert wurde der
Kommissionsentwurf vom 23. Oktober 2001 lediglich insoweit, als die Höhe der Sanktion
nicht, wie noch im Entwurf vorgesehen, auch vom Marktpreis der Berechtigungen
abhängig gemacht werden sollte (vgl. den Bericht des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik vom 13. September 2002 zu den
Änderungsanträgen 41 und 42). Diese, der Schaffung größerer Rechtssicherheit für die
Anlagenbetreiber dienenden Änderungsanträge (so die jeweiligen Begründungen der
Anträge), wurden von der Kommission gebilligt, weil auch nach Auffassung der
Kommission dadurch „die praktische Anwendung der Richtlinie erleichtert und mehr
Sicherheit hinsichtlich der Höhe der Sanktionen geschaffen“ werde (vgl. den geänderten
Richtlinienvorschlag vom 27. November 2002, KOM(2002) 680 endg., S. 3 zu 41 und 42).
Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der nationale Gesetzgeber des
Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes mit der Regelung des § 18 Abs. 1 TEHG über
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Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes mit der Regelung des § 18 Abs. 1 TEHG über
die unionsrechtliche Vorgabe in Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL hinausgehen wollte. Die
Gesetzesmaterialien zur Schaffung des § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 TEHG zeigen vielmehr,
dass der nationale Gesetzgeber das Verständnis der Kommission von der Sanktion nach
Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL geteilt hat und darüber nicht hinausgehen wollte.
So heißt es bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 8 TEHG vom 13. Januar
2004:
„ Gemäß den Vorgaben der Richtlinie 2003/87EG (Artikel 16 Abs. 3 und 4) hat der
Verantwortliche (…).
Eine Umsetzung des von der Richtlinie 2003/87/EG vorgegebenen
Sanktionsmechanismus über das Ordnungswidrigkeitenrecht kommt hingegen nicht in
Betracht, da das Schuldprinzip einen Bußgeldrahmen verlangt, wo die Richtlinie
2003/87/EG einen Fixbetrag vorsieht. (…)
Eine Ausnahmeregelung wie vorgesehen für Fälle höherer Gewalt entspricht dem
Verhältnismäßigkeitsgebot, welchem auch in Artikel 16 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87/EG
Ausdruck verliehen worden ist.“ (BT-Drucks. 15/2328 S. 16; Hervorhebungen nicht im
Original)
Der Bundesrat schlug vor, die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG-Entwurf zu
streichen, und begründete dies wie folgt:
„Für den unwahrscheinlichen Spezialfall, wegen höherer Gewalt vier Monate nach
Ablauf des Bezugsjahres daran gehindert zu sein, die schlichte Umbuchung eines
Rechtsbestandes zu veranlassen, ist kein Regelungsbedürfnis erkennbar. (…)“ (BT-
Drucks. 15/2540 S. 12 zu Nr. 28).
Die Bundesregierung ist dem entgegengetreten mit der Begründung:
„Der Vorschlag verkennt, dass die Zahl der von einem Betreiber abzugebenden
Berechtigungen die Zahl der ihm zugeteilten Berechtigungen übersteigen kann. § 18
Abs. 1 Satz 2 zielt auf vollkommen außerhalb der Kontrolle des Betreibers liegende
Ereignisse ab, die es dem Betreiber einer Anlage unmöglich machen könnte(n),
Berechtigungen am Markt zuzukaufen.“ (BT-Drucks. 15/2540 S. 18)
All das macht deutlich, dass der nationale Gesetzgeber des § 18 Abs. 1 TEHG weder bei
der Regelung des Satz 1 noch bei derjenigen des Satz 2 der Norm auch Fälle eines
fahrlässig oder gar unverschuldet fehlerhaften, aber dennoch vom Sachverständigen als
zufriedenstellend bewerteten Emissionsberichtes und die Abgabe lediglich einer
dementsprechenden Anzahl von Berechtigungen im Blick hatte.
2.
Abs. 3 und 4 EH-RL bzw. des § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG würde nach Auffassung der
Kammer zu unverhältnismäßigen und auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz
bedenklichen Ergebnissen führen.
Ungeachtet dessen, ob es sich bei der Sanktion nach Maßgabe dieser Regelungen um
eine solche mit strafrechtlichem Charakter handelt oder aber um eine präventiv
wirkende sog. ‚Verwaltungssanktion’, muss sie im Einklang mit dem – zu den
allgemeinen Grundsätzen des Unionsrecht gehörenden – Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit stehen und darf das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot nicht
verletzen (vgl. hierzu etwa EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – C-210/00 – Hofmeister – Slg.
2002 S. I-06453 Rn. 59 ff. und 71 ff.; nunmehr Art. 6 Abs. 4 EUV und hierzu Geiger, in:
Geiger/Khan/Kotzur, EUV – AEUV, 5. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 23 ff. m. w. Nw.; vgl. auch den
Erwägungsgrund 12 der EH-RL).
Nach dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss eine Maßnahme
geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, darf nicht über das unbedingt
Notwendige hinausgehen und muss im Hinblick auf den verfolgten Zweck tragbar sein
(vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002, a. a. O. Rn. 59; Geiger, a. a. O. Rn. 41 m. w. Nw. zur
Rspr. des EuGH).
Nach dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot dürfen vergleichbare Sachverhalte
nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden,
sofern die Differenzierung bzw. Gleichbehandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (EuGH,
Urteil vom 11. Juli 2002, a. a. O. Rn. 71; Geiger, a. a. O. Rn. 33 m. w. Nw. zur Rspr. des
EuGH).
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Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL sehen stets die gleiche Rechtsfolge vor und erlauben daher
eine Differenzierung nach der Schwere des Verstoßes gegen die
Emissionshandelsrichtlinie und nach seiner Vermeidbarkeit nicht. Das zwingt dazu, die
tatbestandlichen Voraussetzungen in einer Weise einzugrenzen, dass nur annähernd
vergleichbare und gleichgewichtige Verstöße nach dieser Regelung zu ahnden sind. Wie
dargelegt, ist hiervon auch der Richtliniengeber ausgegangen und hat insbesondere die
Schwere der Sanktion nach Art. 16 Abs. 3 EH-RL deshalb nicht für unverhältnismäßig
angesehen, weil sie vom gutgläubigen Anlagenbetreiber ohne weiteres vermieden
werden könne (vgl. oben zu I.1).
Nach dem Verständnis der Beklagten vom Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Satz 1
TEHG sind demgegenüber vorsätzliche Verstöße gegen die Pflicht aus § 6 Abs. 1 TEHG
zur Abgabe von Emissionsberechtigungen in gleicher Weise zu sanktionieren wie solche,
die auf eine fahrlässigen – oder gar unverschuldeten – Fehler bei der Berichterstattung
zurückzuführen sind, gleich, ob der prüfende Sachverständige diesen bemerkt und
darauf hingewiesen hat oder nicht.
Ein solches Verständnis des Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL ist nach Auffassung der Kammer
weder mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch mit dem unionsrechtlichen
Gleich- bzw. Ungleichbehandlungsgebot vereinbar.
Soweit die Regelung des § 18 Abs. 1 TEHG in ihrem Anwendungsbereich über denjenigen
des Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL hinausgehen würde, müsste sie sich unmittelbar am in
Art. 20 Abs. 1 GG und den Grundrechten des Grundgesetzes verbürgten (hierzu etwa
Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl., Art. 20 Rn. 80 ff. m. w. Nw. zur Rspr. des BVerfG)
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie am Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG messen
lassen, da es sich insoweit nicht um die Umsetzung einer zwingenden unionsrechtlichen
Vorgabe handeln würde (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF
1/05 – BVerfGE 118, 79, 95 m. w. Nw.).
Dies würde nach Auffassung der Kammer zum selben Ergebnis führen, auch wenn das
nationale Recht gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG zumindest in Fällen höherer Gewalt
erlaubt, im Wege des Ermessens von der Verhängung der Sanktion abzusehen.
Nach der Vorstellung des Bundesgesetzgebers dient auch diese Regelung allein dazu,
auf der Kontrolle des Betreibers entzogene Ereignisse beim Kauf von Berechtigungen
Bedacht nehmen zu können (vgl. oben zu I.1).
Zur Vermeidung unverhältnismäßiger und den Gleichheitsgrundsatz verletzender
Ergebnisse wäre sie nur tauglich unter extensiver Ausdehnung des herkömmlich unter
den Begriff der ‚höheren Gewalt’ Gefassten. Herkömmlich entspricht der Begriff der
höheren Gewalt dem Begriff der „Naturereignisse und andere unabwendbare Zufälle“ in
§ 233 Abs. 1 Zivilprozessordnung a. F. (BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2007 – BVerwG 8
B 51/07 –, Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 19; hier zit. nach juris Rn. 5).
Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG mögen danach Fälle von einer Sanktion verschont
bleiben, in denen den Anlagenbetreiber keinerlei Verschulden an der Nichtabgabe
hinreichender Berechtigungen trifft. Eine unverhältnismäßige und gleichheitswidrige
Gleichbehandlung von vorsätzlichen Verstößen gegen die Abgabepflicht und solchen, die
etwa auf fahrlässigen und unerkannt gebliebenen Fehlern bei der Berichterstattung
beruhen, vermag auch die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG nicht zu verhindern.
3.
des Weiteren nicht der Stellung gerecht, die sowohl die Emissionshandelsrichtlinie als
auch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz der Prüfung durch den
Sachverständigen beimisst.
Gemäß Art. 15 Abs. 1 EH-RL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die von den
Betreibern gemäß Art. 14 Abs. 3 EH-RL vorgelegten Berichte anhand der Kriterien des
Anhangs V geprüft werden. Anhang V Nr. 11 EH-RL verlangt von der prüfenden Instanz
einen Bericht, in dem angegeben wird, ob der Emissionsbericht des Anlagenbetreibers
gemäß Art. 14 Abs. 3 zufriedenstellend ist. Diese Erklärung kann nicht erst dann
abgegeben werden, wenn der Bericht in jeder Hinsicht fehlerfrei ist, sondern gemäß
Anhang V Nr. 11 Satz 3 EH-RL bereits dann, wenn die prüfende Instanz zu der Ansicht
gelangt ist, dass zu den Gesamtemissionen keine wesentlich falschen Angaben gemacht
wurden. Eine entsprechende Regelung hat der nationale Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 Satz
1 i. V. m. Anhang 3 Nr. 11 TEHG getroffen.
Die für die Überwachung und Berichterstattung betreffend die Treibhausgasemissionen
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Die für die Überwachung und Berichterstattung betreffend die Treibhausgasemissionen
im Jahr 2006 gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Anhang 2 Teil I und II Nr. 1 TEHG
maßgeblichen Monitoring-Leitlinien 2004 definieren in ihrem Anhang I Ziff. 2 lit l) den
Begriff der Wesentlichkeit als professionelle Einschätzung der prüfenden Instanz, ob
Auslassungen, Falschdarstellungen oder Fehler in den zu einer Anlage übermittelten
Informationen für sich oder zusammen die Entscheidungen der Adressaten maßgeblich
beeinflussen können (Satz 1). Als grober Anhaltspunkt gilt gemäß Satz 2 der Regelung,
dass die prüfende Instanz eine falsche Angabe bezüglich der Gesamtemissionen dann
als wesentlich bezeichnen wird, wenn durch diese die Zahl der Auslassungen,
Falschdarstellungen oder Fehler in Bezug auf die Gesamtemissionen 5 % überschreitet.
All dem liegt zugrunde, dass eine in jeder Hinsicht zutreffende eindeutige Bestimmung
der Menge des in einem Jahr emittierten Treibhausgases nur schwerlich getroffen werden
kann und daher dem prüfenden Sachverständigen trotz aller Vorgagen ein gewisser
Entscheidungsspielraum verbleiben muss.
Dem entsprechen die Anforderungen bezüglich Unabhängigkeit und Sachkunde, die
sowohl die Emissionshandelsrichtlinie (Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Anhang V Nr. 11 EH-RL) als
auch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (§ 5 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Anhang 4
TEHG) an die Person des Sachverständigen stellen.
Die Emissionshandelsrichtlinie überlässt es bei Wahrung dieser Anforderungen den
Mitgliedstaaten, mit der Prüfung der Emissionsberichte Private oder aber staatliche
Behörden zu betrauen (vgl. hierzu Nr. 16 der Begründung des Kommissionsentwurfs, a.
a. O. S. 15).
Dass die Bundesrepublik von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, etwa den
Landesimmissionsschutzbehörden die jährliche Prüfung aller Berichte zu übertragen,
kann weder zu einer Abwertung der Stellung des prüfenden Sachverständigen noch zu
einer Verschärfung des Anwendungsbereichs des § 18 Abs. 1 TEHG führen. Würde eine
Landesbehörde einen Emissionsbericht als ordnungsgemäß testieren, etwa, weil sie eine
Zweifelsfrage in Übereinstimmung mit dem Anlagenbetreiber beantwortet, diese von der
DEHSt bei der späteren Prüfung jedoch anders entschieden wird, läge es fern, dem
Anlagenbetreiber dennoch eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG aufzuerlegen
und ihn etwa mit einem Anlagenbetreiber gleich zu behandeln, der bewusst entgegen
einem testierten Bericht nicht genügend Berechtigungen abgibt.
4.
von der Beklagten angenommenen Anwendungsbereichs der Sanktionsregelung. Sie
bezweckt, es für Anlagenbetreiber wirtschaftlich unattraktiv zu machen, sich der
Teilnahme am Emissionshandel ganz zu entziehen oder zumindest einen
wirtschaftlichen Vorteil daraus zu ziehen, dass die notwendigen Berechtigungen erst
nach dem Stichtag 30. April abgegeben werden (vgl. die zu I.1 bereits zitierte
Begründung des Kommissionsentwurfs zu Art. 16 EH-RL sowie die Begründung des
Gesetzentwurfs zu § 18 Abs. 1 TEHG: „zusätzliche(r) wirtschaftliche(r) Anreiz zur
Durchsetzung des Emissionshandels“, BT-Drucks. 15/2328 S. 16).
Der Durchsetzung der Berichtspflicht dient demgegenüber die Regelung des § 17 TEHG
(vgl. die amtliche Überschrift sowie die Begründung des Gesetzentwurfs, a. a. O. S. 15).
Wie die Kammer im Urteil vom 28. Mai 2010 (VG 10 K 39.09) bereits ausgeführt hat,
hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 13. Februar 2004 zum Entwurf des §
18 Abs. 2 Satz 1 TEHG angeregt, für den Fall, dass der Emissionsbericht inhaltliche
Fehler enthält, dort nach dem Wort ‚berichtet’ die Wörter ‚oder diese nicht
ordnungsgemäß ermittelt’ anzufügen (BT-Drucks. 15/ 2540, S. 12). Die Bundesregierung
ist dem entgegengetreten mit der Begründung:
„Eine Schätzung als Sanktionsgrundlage sollte aus verfassungsrechtlichen
Gründen der Ausnahmefall bleiben. Bei nicht ordnungsgemäßer Ermittlung der
Emissionen greift zunächst die Sanktion des § 17.“ (BT-Drucks. 15/2540, S. 18)
Dem ist der Gesetzgeber gefolgt. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass auch die
Bundesregierung lediglich „zunächst“ die Sanktion des § 17 TEHG für ausreichend
befunden, eine Schätzung also nicht auch für den Fall ausgeschlossen hat, dass ein
ordnungsgemäßer Emissionsbericht auch im weiteren Verfahren nicht vorgelegt wird. Mit
dem erkennbaren Bemühen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des § 18 TEHG
aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einzugrenzen (siehe hierzu auch wiederum zu I.1),
wäre es indes nicht vereinbar, etwa an die Vorlage eines unerkannt inhaltlich
fehlerhaften Emissionsberichtes und die fristgerechte Abgabe einer dementsprechenden
Zahl von Zertifikaten (vgl. etwa den dem Verfahren VG 10 K 39.09 zugrunde liegenden
Fall) ohne Weiteres die Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG zu knüpfen.
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Das bedeutet entgegen der Ansicht der Klägerin allerdings nicht, dass sich auch die
endgültige Abgabepflicht des Anlagenbetreibers auf die Anzahl von Berechtigungen
beschränkt, die zum Ausgleich der fehlerhaft ermittelten Menge von Emissionen im
Vorjahr erforderlich ist. Dem erklärten Willen des Richtlinien- wie Gesetzgebers sowie
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gleichheitsgebot lässt sich vielmehr
auch mit folgendem Verständnis des Regelungsgefüges des § 18 TEHG Rechnung
tragen:
Gibt der Anlagenbetreiber bis zum 30. April des Folgejahres einen durch den
Sachverständigen als zufriedenstellend testierten Emissionsbericht für das Vorjahr und
eine dem entsprechende Anzahl von Berechtigungen ab, kann gegen ihn eine
Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG nicht festgesetzt werden.
Die Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG beschränkt sich in diesem Fall zunächst auf die Abgabe
der Anzahl von Berechtigungen, die der im testierten Bericht ausgewiesenen Menge von
Emissionen entspricht. Stellt sich dieser Emissionsbericht bei der Prüfung durch die
Landesbehörde nach § 5 Abs. 4 TEHG oder durch die Beklagte als nicht
„ordnungsgemäß“ im Sinne des § 18 Abs. 2 TEHG heraus, weil er den Vorgaben des
TEHG und der Monitoring-Leitlinien nicht entspricht, kann die Beklagte den
Anlagenbetreiber zur Abgabe eines diesen Fehler vermeidenden testierten Berichts
auffordern. Legt der Anlagenbetreiber diesen Bericht vor, konkretisiert die darin
ausgewiesene Menge von Emissionen nunmehr die Pflicht zur Abgabe von
Berechtigungen. Dies gilt bei der gebotenen einschränkenden Interpretation des § 18
Abs. 1 Satz 1 TEHG allerdings nicht für die Festsetzung der Sanktion, sondern allein für
die nach § 18 Abs. 3 TEHG fortbestehende Pflicht zur Abgabe von Berechtigungen.
Von der Möglichkeit einer solchen ‚Korrektur’ der Emissionsberichte gehen offensichtlich
auch Art. 29 Abs. 6 der Registerverordnung vom 7. Oktober 2010 (Amtsblatt der EU L
270/1; fortan: Registerverordnung 2010) sowie die Monitoring-Leitlinien vom 18. Juli 2007
(Amtsblatt der EU L 229/1) aus. In diesen heißt es zu 10.4.2 lit. e) Abs. 1, ein jährlicher
Emissionsbericht gilt als zufrieden stellend geprüft, wenn die Angaben zu den
Gesamtemissionen keine wesentlichen Falschangaben enthalten und wenn nach
Auffassung der Prüfstelle keine wesentlichen Nichtkonformitäten vorliegen. Im Falle
unwesentlicher Nichtkonformitäten oder unwesentlicher Falschangaben kann die
Prüfstelle diese im Prüfbericht vermerken als „Überprüfung zufrieden stellend bei
unwesentlichen Nichtkonformitäten oder unwesentlichen Falschangaben“.
Nach Absatz 2 der Regelung ist das Testat bei wesentlichen Nichtkonformitäten oder
Falschangaben zu verweigern.
Nach Absatz 3 der Norm tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die
Anlagenbetreiber „Nichtkonformitäten und Falschangaben“ – also sämtliche, nicht
lediglich ‚wesentliche’ – nach Rücksprache mit der zuständigen Behörde innerhalb einer
von der zuständigen Behörde gesetzten Frist beheben. Sie tragen ferner dafür Sorge,
dass Meinungsunterschiede zwischen Anlagenbetreibern, Prüfstellen und zuständigen
Behörden eine ordnungsgemäße Berichterstattung nicht verhindern und in Einklang mit
der Emissionshandelsrichtlinie, den Monitoring-Leitlinien und den nationalen Vorschriften
beigelegt werden. Letzteres sahen auch bereits die Monitoring-Leitlinien 2004 vor (siehe
deren Nr. 7.4 letzter Absatz).
Nach der – auch im hiesigen Verfahren angewandten – Praxis der Beklagten sind
derartige Meinungsverschiedenheiten beizulegen, indem der Sachverständige sein
Testat unter Vorbehalt erteilt, um so eine rechtzeitige Abgabe des Berichts zu
ermöglichen und eine Kontosperrung nach § 17 Abs. 1 TEHG zu vermeiden. Zugleich
entwertet die Beklagte jedoch das Testat des Sachverständigen und setzt den
Anlagenbetreiber dem Risiko aus, bei einer etwaigen Klärung des Streitpunktes zu
seinen Lasten nicht nur eine weitere Anzahl von Berechtigungen abgeben zu müssen,
sondern im Umfang dieser Berechtigungen mit einer Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1
TEHG belegt zu werden (vgl. neben dem hiesigen etwa auch das Verfahren VG 10 K
35.09). Nach Auffassung der Kammer wird dieses Vorgehen weder den Vorgaben der
Leitlinien noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht.
Sind sich die Beklagte und der Sachverständige darüber einig, dass entgegen der
Auffassung des Anlagenbetreibers ein Emissionsbericht einen wesentlichen Fehler
enthält, ist nach Auffassung der Kammer das Testat zu verweigern. Lassen sich bis zum
31. März eines Jahres die Streitpunkte nicht klären, droht dem Anlagenbetreiber zwar
gemäß § 17 Abs. 1 TEHG die Kontosperrung. Dieser Nachteil wiegt indessen nicht so
schwer wie das Risiko, trotz des Testats des Sachverständigen mit einer Sanktion nach §
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schwer wie das Risiko, trotz des Testats des Sachverständigen mit einer Sanktion nach §
18 Abs. 1 Satz 1 TEHG belegt zu werden.
Lassen sich auch bis zum Ablauf des 30. April eines Jahres die Streitpunkte nicht
beilegen, bleibt dem Anlagenbetreiber, will er eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1
TEHG ausschließen, nichts anderes übrig, als eine solche Anzahl von Berechtigungen
abzugeben, wie sie nach Ansicht der Beklagten und/oder des Sachverständigen zur
Abdeckung der Emissionen im Vorjahr erforderlich wäre.
Zwar droht dem Anlagenbetreiber in einem solchen Falle die Schätzung nach § 18 Abs. 2
TEHG. Zu einer solchen Schätzung sieht sich die Beklagte jedoch nach ihrem
Verständnis der Regelungen auch dann berechtigt an, wenn der Emissionsbericht durch
den Sachverständigen als zufriedenstellend testiert wurde.
Der Beklagten ist zuzugeben, dass der Anlagenbetreiber auch nach ihrer
Rechtsauffassung und Praxis eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG vermeiden
kann, indem er vorsorglich dem jeweiligen Vorbehalt des Sachverständigen
entsprechend mehr Berechtigungen abgibt, als nach den testierten Gesamtemissionen
im Vorjahr erforderlich wären, und bei einer späteren Klärung zu seinen Gunsten eine
Verrechnung nach der Registerverordnung vornimmt (vgl. Art. 55 der
Registerverordnung vom 21. Dezember 2004 – Amtsblatt der EU L 386/1 – bzw.
nunmehr Art. 31 Abs. 1 der Registerverordnung 2010).
Eine solche vorsorgliche Abgabe von ggf. überzähligen Berechtigungen ist jedoch von
vornherein nicht kalkulierbar, soweit Fehler bei der Berichterstattung unterlaufen sind,
die sowohl dem Anlagenbetreiber als auch dem Sachverständigen verborgen geblieben
sind. Die Beklagte sieht sich jedoch auch in derartigen Fällen dazu berechtigt an, eine
Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG zu verhängen (vgl. etwa die den Verfahren VG 10
K 39.09, 10 K 75.09 und 10 K 130.09 zugrunde liegenden Sachverhalte), was nach
Auffassung der Kammer zu unvertretbaren Ergebnissen führt.
Fällen vorsätzlicher Erschleichung des positiven Testats des Sachverständigen oder gar
des kollusiven Zusammenwirkens von Anlagenbetreiber und Sachverständigem bei der
Erstellung fehlerhafter Emissionsberichte ist nach Auffassung der Kammer mit den
Mitteln des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts zu begegnen. Nicht ordnungsgemäß
arbeitenden Sachverständigen kann darüber hinaus die Akkreditierung entzogen
werden.
Wollte man sich trotz allem wegen des Wortlauts des § 18 Abs. 1 und 2 TEHG und
insbesondere wegen der Fiktion des § 18 Abs. 2 Satz 2 TEHG, wonach die Schätzung
unwiderlegliche Basis für die Verpflichtung nach § 6 Abs. 1 TEHG ist, daran gehindert
sehen, dem Verständnis der Kammer vom Regelungsgefüge des § 18 TEHG zu folgen,
bliebe angesichts der Motive des Richtliniengebers und des Bundesgesetzgebers und
angesichts der unions- wie national verfassungsrechtlichen Vorgaben allein, sich dem
(von der Klägerin des Parallelverfahrens VG 10 K 35.09 vertretenen) Verständnis
anzuschließen, nach dem nicht nur eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG
ausgeschlossen wäre, sofern fristgerecht eine dem testierten Emissionsbericht
entsprechende Anzahl von Berechtigungen abgegeben wurde, sondern auch eine
Korrektur des mit dem Testat des Sachverständigen als ‚zufriedenstellend’ versehenen
Emissionsberichts sowie eine Schätzung nach § 18 Abs. 2 TEHG. Eine solche käme
danach nur in Betracht, sofern überhaupt kein mit dem Testat des Sachverständigen als
‚zufriedenstellend’ versehener Emissionsbericht abgegeben wurde. Für eine so
weitgehende Einschränkung der Befugnisse der Beklagten besteht nach dem
Verständnis der Kammer jedoch keine Notwendigkeit.
5.
Beklagte abgegeben hat, die der im mit dem Testat des Sachverständigen als
‚zufriedenstellend’ versehenen Emissionsbericht ausgewiesenen Menge von
Kohlendioxidemissionen im Jahre 2005 entsprach, durfte nach Allem die Beklagte gegen
sie eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG nicht verhängen. Der angefochtene
Bescheid war daher hinsichtlich der Festsetzung der Zahlungspflicht gemäß § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO aufzuheben.
Darauf, ob dieses Testat zu Recht erteilt wurde oder aber wegen unzutreffender
Ermittlung des tatsächlichen Gasverbrauchs (vgl. Fn. 23 zu Anhang II Ziff. 2.1.1.1 a) der
Monitoring-Leitlinien 2004) hätte verweigert werden müssen, kommt es dabei nicht an.
6.
2 TEHG vorliegt und die Festsetzung der Zahlungspflicht auch deshalb aufzuheben wäre,
weil die Beklagte von dem ihr dann hinsichtlich der Festsetzung der Zahlungspflicht
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weil die Beklagte von dem ihr dann hinsichtlich der Festsetzung der Zahlungspflicht
eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat, bedarf es nach allem nicht.
Die Kammer sieht sich jedoch zu folgendem Hinweis veranlasst:
Zwar ist der genaue Wortlaut der zwischen den Mitarbeiterinnen der DEHSt und dem
Prüfer Dr. D. geführten Telefonate zwischen den Beteiligten streitig. Die Beklagte
behauptet jedoch selbst nicht, den Prüfer oder die Klägerin explizit darauf hingewiesen
zu haben, dass der Klägerin eine Sanktionszahlung drohte, sollte sie nicht bis zum 30.
April 2006 (etwa 15 %) mehr Berechtigungen abgeben, als nach dem – letztlich im
Einverständnis mit der Beklagten hinsichtlich der Gesamtemissionen als im
Wesentlichen zufriedenstellend bewerteten – Emissionsbericht ausgewiesen waren.
Zwar mag die Beklagte den Prüfer zu Recht darauf hingewiesen haben, dass ihrer
Auffassung nach die Ermittlung des Gasverbrauchs trotz des Vorgehens im
Zuteilungsverfahren unter Berücksichtigung des Umrechnungsfaktors zu erfolgen habe.
Sie hat ihm allerdings jedenfalls nicht empfohlen, wegen dieses Fehlers das Testat zu
verweigern.
Angesichts dessen liegt nahe, dass die Beklagte im konkreten Einzelfall – zumal im
ersten Jahr der Berichtspflicht nach dem TEHG – dem Prüfer oder der Klägerin einen
unmissverständlichen Hinweis auf eine drohende Zahlungspflicht hätte geben müssen
diesen, aber schuldig geblieben ist. Die Kammer zweifelt nicht daran, dass die Klägerin
nach einem solchen Hinweis bis zum 30. April 2006 vorsorglich mehr Berechtigungen
abgegeben hätte, hat sie doch bereits lange vor Bestandskraft der Festsetzung sogar
die geforderte Zahlung i. H. v. 91.560 Euro geleistet.
II.
Klageantrag ist zulässig. Ist ein der Aufhebung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO
unterliegender Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht nach den Sätzen 2
und 3 der Regelung auf Antrag aussprechen, dass die Verwaltungsbehörde die
Vollziehung rückgängig zu machen hat, wenn sie dazu in der Lage und diese Frage
spruchreif ist. Ein solcher Fall des ‚Vollzuges’ liegt auch vor, wenn – wie hier – der Kläger
dem durch den Verwaltungsakt an ihn gerichteten Gebot ‚freiwillig’ nachgekommen ist
(vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 92 m. w. Nw. zur Rspr.).
Die Klage ist auch insoweit begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die
Rückzahlung des ohne Rechtsgrund an sie geleisteten Betrages i. H. v. 91.500 Euro
verlangen. Ihr steht insoweit sowohl ein (Vollzugs-)Folgenbeseitigungsanspruch als auch
ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu (zur Überschneidung beider
Anspruchsgrundlagen in Fällen der vorliegenden Art vgl. etwa Schenke, a. a. O. Rn. 82).
Auch die Zinsforderung ist aus § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet (zur
Anwendbarkeit dieser Regelungen im Verwaltungsprozess vgl. BVerwG, Urteil vom 28.
Juni 1995 – BVerwG 11 C 22/94 – BVerwGE 99, 53 ff.). Danach hat der Schuldner eine
Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit an in der im Tenor genannten Höhe zu
verzinsen. Rechtshängig geworden ist der Zahlungsanspruch mit Eingang der Klage am
3. Dezember 2008.
III.
Bevollmächtigten im Vorverfahren war wegen der Schwierigkeit der Rechtsfragen für
notwendig zu erklären, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Gemäß §§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO war wegen der
grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung zuzulassen.
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