Urteil des VG Berlin vom 29.01.2007

VG Berlin: aufenthaltserlaubnis, häusliche gemeinschaft, einbürgerung, eigene mittel, ausländer, staatsangehörigkeit, zukunft, mazedonien, behörde, lebensgemeinschaft

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Gericht:
VG Berlin 2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 A 49.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 10 Abs 1 RuStAG, § 11 Abs 1
RuStAG, § 11 Abs 2 RuStAG, §
154 Abs 1 VwGO
Antrag auf Einbürgerung eines mazedonischen
Staatsangehörigen
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamtes Tempelhof
Schöneberg von Berlin vom 29. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
derselben Behörde vom 13. Februar 2008 verpflichtet, dem Kläger eine
Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der im Jahre 1964 geborene Kläger begehrt seine Einbürgerung. Er ist mazedonischer
Staatsangehöriger. Er hat aus erster, im Jahre 1997 geschiedener Ehe drei in den Jahren
1989, 1991 und 1997 geborene Kinder, die in Mazedonien leben. Für diese ist er
sorgeberechtigt. Er ist Geschäftsführer der T.-GmbH, derer alleiniger Gesellschafter er
ist. Seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Geschäftsführer beliefen sich im Jahr 2006 auf
ca. 14.000 EUR (Netto), im Jahre 2007 auf ca. 19.200 und im Jahre 2008 auf ca. 17.100
EUR. Der Kläger ist Eigentümer zweier Eigentumswohnungen, von denen er eine selbst
bewohnt und die andere vermietet. Für die von ihm bewohnte Eigentumswohnung hat er
gegenwärtig ein Wohngeld in Höhe von ca. 220 EUR zu entrichten. Schuldzinsen muss er
hinsichtlich des Erwerbs dieser Eigentumswohnung nicht leisten. Die monatlichen Kosten
seiner freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung belaufen sich auf ca. 261 EUR,
diejenigen für eine private Altersvorsorgeversicherung auf ca. 14 EUR. Er hat eine
Lebensversicherung abgeschlossen. Das erreichte Guthaben betrug Ende November
2007 ca. 11.300 EUR.
Der Kläger, der sich bereits in der Zeit von 1991 bis 1995 in Deutschland aufgehalten
hatte, reiste im August 1998 in die Bundesrepublik ein, wo er kurz darauf eine deutsche
Staatsangehörige heiratete. Er erhielt hieraufhin eine Aufenthaltserlaubnis, die zunächst
bis zum September 1999, dann bis zum 7. September 2001 befristet war. Unter dem 5.
September 2001 2001 beantragte er bei der zuständigen Ausländerbehörde die
Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Ende September 2001 teilte ihm
diese ihre Absicht mit, den Antrag abzulehnen, weil die Ehefrau des Klägers angegeben
habe, von diesem bereits seit März 2000 getrennt zu leben. Mit Schreiben vom 15.
Oktober 2001 trug der Kläger vor, die Angaben seiner Ehefrau seien unzutreffend, was
von verschiedenen Zeugen bestätigt werden könne. Tatsächlich habe die eheliche
Lebensgemeinschaft mit ihr bis Mitte August 2001 bestanden. Bis zur endgültigen
Klärung der Frage werde beantragt, die Aufenthaltserlaubnis vorerst für ein weiteres Jahr
zu verlängern. Mitte Dezember 2001 vermerkte die Ausländerbehörde, die
Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß dem
Antrag vom 5. September 2001 lägen nicht vor. Dieser Antrag solle abgelehnt werden.
Es könne jedoch eine auf ein Jahr befristete Erlaubnis erteilt werde. Am 18. Dezember
2001 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger eine auf ein Jahr befristete
Aufenthaltserlaubnis, die in der Folge mehrfach verlängert wurde. Seit November 2003
verfügt der Kläger über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Mit Urteil vom 18. März 2002 wies das Amtsgericht Potsdam einen Antrag der Ehefrau
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Mit Urteil vom 18. März 2002 wies das Amtsgericht Potsdam einen Antrag der Ehefrau
des Klägers ab, die Ehe zu scheiden. Zur Begründung führte das Gericht an, nach dem
Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei die häusliche Gemeinschaft zwischen
den Ehegatten nicht vor dem Sommer 2001 aufgehoben worden. Erst im Jahre 2005
wurde die Ehe geschieden.
Im Mai 2006 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Mit Bescheid des Bezirksamtes
Tempelhof-Schöneberg von Berlin vom 29. Januar 2007, bestätigt durch
Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 13. Februar 2008, lehnte der Beklagte
den Antrag ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, es fehle an dem zu
fordernden achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt. Dieser sei zwischen
September und Dezember 2001 unterbrochen gewesen. Sein Aufenthalt habe seinerzeit
lediglich als geduldet gegolten. Gründe, diese Unterbrechung unberücksichtigt zu lassen,
lägen nicht vor. Eine Einbürgerung im Ermessenswege komme nicht in Betracht, da die
Unterhaltsfähigkeit des Klägers nicht. gegeben sei. Ausweislich der vorliegenden
Körperschaftsteuerbescheide seien der T-GmbH in den Jahren 2004 und 2005 lediglich
Verluste entstanden. Sein Geschäftsführergehalt könne deshalb nicht als gesichert
gelten. Zudem sei nicht erkennbar, dass sein Einkommen ausreiche, um bestehende
Belastungen, etwa den Unterhalt für seine Kinder, worüber auch keine Angaben
vorlägen, zu tragen.
Mit der am Montag, den 17. März 2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein
Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass sein Aufenthalt zwischen September und
Dezember 2001 gemäß § 69 Abs. 3 AuslG als erlaubt gegolten habe. Sein Einkommen
reiche ohne weiteres aus, um ohne den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten oder
Zwölften Sozialgesetzbuch leben zu können. Seinen in Mazedonien lebenden Kindern
leiste er durchschnittlich monatlichen Unterhalt in Höhe von ca. 300 EUR.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamtes Tempelhof
Schöneberg von Berlin vom 29. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
derselben Behörde vom 13. Februar 2008 zu verpflichten, ihm eine
Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der Ablehnung der von dem Kläger begehrten Einbürgerung im Wesentlichen
aus den Gründen des Ablehnungsbescheides fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang verwiesen, die vorgelegen haben
und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Klägers ist bei objektiviertem Verständnis (§§ 133, 157 BGB) dahin
auszulegen, dass der Kläger (von Anfang an) nicht seine Einbürgerung, sondern die
Erteilung einer Einbürgerungszusicherung begehrt. Dieses dem allgemeinen
Verwaltungsverfahrensrecht (vgl. § 38 VwVfG) entlehnte Institut wird in
Einbürgerungsverfahren nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz in ständiger Praxis auf
Fälle drohender Mehrstaatigkeit angewandt. So liegt der Fall aber auch hier, da der
Kläger seine mazedonische Staatsangehörigkeit erst durch die Erteilung einer
entsprechenden Zusicherung erreichen kann. Nach Art. 19, 20 des Gesetzes über die
Staatsangehörigkeit der Republik Mazedonien vom 27. Oktober 1992 in der Fassung
vom 25. Juni 2006 (abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht, Länderteil Mazedonien [178. Lieferung]) endet die Staatsangehörigkeit
der Republik Mazedonien (u. a.) durch Entlassung; dies setzt u. a. voraus, dass der
mazedonische Staatsangehörige eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt oder
nachgewiesen hat, dass er in eine fremde Staatsangehörigkeit aufgenommen werden
wird.
Die so verstandene Verpflichtungsklage ist zulässig und auch unbegründet. Die
Ablehnung der Erteilung einer Einbürgerungszusicherung an den Kläger ist rechtswidrig
und verletzt diesen in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger hat
einen Anspruch auf die begehrte Einbürgerungszusicherung.
Der Anspruch ergibt sich aus § 38 VwVfG i. V. m. § 1 VwVfG Bln i. V. m. den Vorschriften
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Der Anspruch ergibt sich aus § 38 VwVfG i. V. m. § 1 VwVfG Bln i. V. m. den Vorschriften
des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913, in der am 28. August 2007 in Kraft
getretenen Fassung, die es durch Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und
asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S.1970)
– StAG – erhalten hat. Nach § 40c StAG sind die §§ 8 bis 14 und 40c für
Einbürgerungsanträge, die – wie der des Klägers – vor dem 30. März 2007 gestellt
worden sind, weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 geltenden Fassung anzuwenden,
soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten (vgl. hierzu VGH Mannheim, Urteil vom
12. März 2008 – 13 S 1487/06 – NVwZ-RR 2008, 839 f.).
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG in der für den Kläger – wegen der erst mit Wirkung zum 1.
September 2008 in Kraft getretenen Neuregelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StAG –
günstigeren Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) – im Folgenden:
StAG a. F. – ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen
Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 des
Aufenthaltsgesetzes oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, wenn er die
in den Nummern 1 bis 6 der Regelung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt; der
Anspruch darf zudem nicht nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ausgeschlossen sein. Ferner
darf nach § 12 Abs. 3 StAG gegen den Ausländer nicht wegen einer Straftat ermittelt
werden, anderenfalls ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des
Verfahrens, im Falle einer Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils
auszusetzen.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor; soweit es gegenwärtig an der Voraussetzung des
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG fehlt, wonach der Ausländer seine bisherige
Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert, ist dem mit der Beschränkung des
Klagebegehrens auf eine Einbürgerungszusicherung Rechnung getragen.
1. Der Kläger hat seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Ein
Ausländer hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wenn er nicht nur
vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des
Aufenthalts ungewiss ist. Die Rechtmäßigkeit des Daueraufenthalts setzt voraus, dass
sie sich auf den dauernden Aufenthalt bezieht, ihn abdeckt. Nicht die bloße Anwesenheit,
sondern ein etwaiger Daueraufenthalt muss rechtmäßig sein. In Fällen eines
genehmigungsbedürftigen Aufenthalts wird daher vorausgesetzt, dass die
Aufenthaltsgenehmigung für einen dauernden, nicht bloß für einen vorübergehenden
Zweck erteilt worden ist (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 19. Juni 2007 – OVG 5 B 12.06 –
juris; Urteil der Kammer vom 26. November 2008 – VG 2 A 81.06 –; Hailbronner, in:
Hailbronner/Renner, Staatangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 10 Rn. 16 ff., jeweils m. w.
N.). Diese Voraussetzungen sind hier auch hinsichtlich des allein streitigen Zeitraumes
vom 7. September 2001 bis zum 18. Dezember 2001 erfüllt. In dieser Zeit war der
Aufenthalt des Klägers, der zuvor die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis
beantragt hatte, rechtmäßig. Denn nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG (vgl. hierzu
BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 – 1 C 7/96 – NVwZ 1998, 185) galt der Aufenthalt eines
Ausländers, der die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung
beantragt hatte, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt, wenn er sich
seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Diese
Voraussetzungen erfüllte der Kläger als er die Erteilung vor Ablauf seiner befristeten
Aufenthaltserlaubnis beantragte. Allein die Behauptungen seiner damaligen Ehefrau
hoben die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts nicht auf. Ausschlussgründe nach § 69
Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 und 3 AuslG lagen ersichtlich nicht vor. Über den Antrag hatte
die Ausländerbehörde bis zum 18. Dezember 2001 seinerzeit – wie der Vermerk der
Ausländerbehörde vom 14. Dezember 2001 belegt – auch noch nicht entschieden,
sondern den Kläger lediglich mit Schreiben vom 27. September 2001 zur beabsichtigten
Ablehnung angehört; in einer etwaigen Duldungserteilung wäre vor diesem Hintergrund
auch nicht etwa die Ablehnung des Antrages auf Erlaubniserteilung zu sehen. Der Kläger
hatte den Antrag auch nicht zurückgenommen, sondern lediglich daneben die Erteilung
einer auf ein weiteres Jahr befristeten Aufenthaltserlaubnis beantragt. Dagegen waren
die Voraussetzungen für eine Duldungsfiktion nach § 69 Abs. 2 AuslG hier offensichtlich
nicht erfüllt. Ein entsprechender Irrtum der seinerzeit zuständigen Ausländerbehörde im
Sinne einer fehlerhaften Subsumtion ist hier unbeachtlich. Es ist auch nicht ersichtlich,
dass die Behörde dem Kläger eine Duldung erteilt hätte. Im Übrigen hätte eine solche
Entscheidung ungeachtet der Frage Ihrer Wirksamkeit (§ 44 Abs. 1 VwVfG) die
gesetzliche Fiktion des § 69 Abs. 3 AuslG nicht aufheben können (vgl. VG München,
Beschluss vom 18. Februar 1997 - M 6 S 96.6493 – juris).
Der Kläger hatte in dem fraglichen Zeitraum auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland. Die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts setzt eine in die Zukunft
gerichtete Prognose unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Verhältnisse voraus (vgl.
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gerichtete Prognose unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Verhältnisse voraus (vgl.
VGH Mannheim, Urteil vom 17. Juni 2004 – 1 3 S 2516/02 – juris, Rn. 26). Danach war
hier eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers ungewiss. Der Kläger selbst wollte auf
unabsehbare Zeit in Deutschland bleiben. Es war – wie die nachfolgende Entwicklung
auch zeigte – mindestens offen, ob der Kläger die beantragte (unbefristete)
Aufenthaltserlaubnis erhalten würde. Denn schon im ausländerrechtlichen Verfahren
hatte der Kläger unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, dass zwischen ihm und
seiner damaligen Ehefrau noch bis Mitte August 2001 eine eheliche Lebensgemeinschaft
bestanden habe. In dem Fall hätte ihm ein vom Fortbestand der ehelichen
Lebensgemeinschaft unabhängiges Aufenthaltsrecht zustehen können (vgl. § 19 AuslG),
wie es dann ja auch letztlich von der Ausländerbehörde anerkannt wurde. Der demnach
gewöhnliche Aufenthalt des Klägers wurde auch von der Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3
AuslG gedeckt (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 17. Juni 2004, a. a. O., Rn. 27)
2. Der Kläger erfüllt die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, wonach der
Ausländer seinen Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten
Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten (SGB II)
oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bestreiten kann.
Allerdings ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung
nicht schon deshalb erfüllt ist, weil der Kläger tatsächlich keine Leistungen nach dem
SGB II oder SGB XII in Anspruch nimmt. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung der
Kammer nicht entscheidend. Vielmehr ist erforderlich, dass der Ausländer eigene Mittel
in einer Höhe hat, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII
ausschließen (vgl. z. B. Urteile der Kammer vom 1. April 2008 – VG 2 A 27.05 – und vom
1. März 2005 – VG 2 A 125.02 – juris; a. A. Berlit, in: GK-StAR, § 10 [Stand Oktober 2005]
Rn. 220 f.). Für die Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, kommt es nicht lediglich auf
den Zeitpunkt der Entscheidung an. Vielmehr ist auch die positive Prognose zu fordern,
dass der Eintritt einer nach den Vorschriften des SGB II und des SGB XII relevanten
Hilfebedürftigkeit auch für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft nicht zu
erwarten ist (vgl. Urteil der Kammer vom 1. April 2008 – VG 2 A 27.05 – m. w. N.). So
liegt der Fall hier. Der Kläger hat weder gegenwärtig Anspruch auf Leistungen der oben
bezeichneten Art (b), noch ist dies für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft zu
erwarten (c).
a) Dabei geht der Einzelrichter davon aus, dass ein Bedarf im Sinne des SGB II oder SGB
XII der in Mazedonien lebenden Kinder des Klägers nicht zu berücksichtigen ist. Denn der
Bedarf unterhaltsberechtigter Angehöriger bleibt jedenfalls dann im Rahmen des § 10
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG unberücksichtigt, wenn diese – wie die Kinder des Klägers –
nicht unter den Anwendungsbereich des SGB II oder des SGB XII fallen, weil sie nicht
deutsche Staatsangehörige sind bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in
Deutschland haben (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II, §§ 23, 24 SGB XII). Dies
entspricht Sinn und Zweck der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG, der ein
Mindestmaß wirtschaftlicher Integration des Einbürgerungsbewerbers, nicht aber die
Sozialsysteme anderer Staaten oder die Unterhaltsansprüche Dritter sichern will (vgl.
Berlit, a. a. O., Rn. 225).
Offen bleibt deshalb, in welchem grundsätzlichen Verhältnis die Regelung des § 10 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 StAG zu denjenigen des SGB II und SGB XII steht, ob danach
einbürgerungshindernd lediglich wirkt, wenn der Einbürgerungsbewerber einen Anspruch
auf Leistungen nach dem SGB II oder XII hat oder der Einbürgerung auch entgegensteht,
wenn anspruchsberechtigt nicht der Ausländer selbst, sondern nur ein
unterhaltsberechtigter Familienangehöriger ist (dafür Berlit, a. a. O., Rn. 224). Diese
Frage stellt sich, weil der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG allein auf die
Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch den Einbürgerungsbewerber („für sich und
seine…“) abzustellen scheint. Dieser aber hat im Fall der Bedürftigkeit
unterhaltsberechtigter Angehöriger nicht stets selbst einen Anspruch nach dem SGB II
oder SGB XII. Denn auf der Bedarfsseite können unterhaltsberechtigte Angehörige nur
dann berücksichtigt werden, wenn sie der Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II)
angehören. Es ist nicht Aufgabe des SGB II, dafür zu sorgen, dass Unterhaltsansprüche
gegenüber Leistungsempfängern des SGB II befriedigt werden. Vielmehr müssen die
Unterhaltsberechtigten von Leistungsempfängern nach dem SGB II, soweit sie mit
diesen nicht in einer Bedarfsgemeinschaft leben, eigene Ansprüche auf staatliche
Transferleistungen geltend machen, soweit dafür die Voraussetzungen gegeben sein
sollten (vgl. LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 11. Dezember 2006 – L 13 AS
2/06 ER – juris, Rn 17). Auf der Einkommensseite gilt – jedenfalls hinsichtlich der hier in
Frage stehenden Grundsicherung für Arbeitssuchende – gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7
SGB II, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen (nur) bis
zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten
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zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten
Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag vom Einkommen abzusetzen sind.
b) Das gegenwärtige Einkommen des Klägers ist ausreichend, um seinen Bedarf zu
decken. Der Kläger erzielt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe
von ca. 1.427 EUR. Dieser Betrag ist zu mindern um den Betrag nach § 11 Abs. 2 Satz 1
Nr. 6 in Verbindung mit § 30 SGB II (180 Euro) sowie gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3,
Satz 3 SGB II um die freiwilligen Beiträge des Klägers zur Kranken- und
Pflegeversicherung (ca. 261 EUR) und für seine private Altersvorsorgeversicherung (ca.
14 EUR). Unberücksichtigt bleiben seine Zahlungen auf eine private Lebensversicherung,
da es sich insoweit um eine Maßnahme zur Vermögensbildung (§ 12 SGB II) handelt,
sowie etwaige Aufwendungen zur Befriedigung von Unterhaltsansprüchen der Kinder des
Klägers, da hinsichtlich dieser Ansprüche nicht die Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2
Satz 1 Nr. 7 SGB erfüllt sind. Somit ergibt sich ein zu berücksichtigendes monatliches
Einkommen in Höhe von 972 EUR. Dieses Einkommen übersteigt um etwa 400 EUR den
monatlichen Bedarf des Klägers in Höhe von ca. 571 EUR, der sich ergibt aus dem
Regelbedarf (351 EUR) sowie den zu berücksichtigenden Leistungen für die
selbstgenutzte Eigentumswohnung des Klägers und Heizung (§ 22 Abs. 1 SGB I, § 7 Abs.
2 Nr. 1 bis 5 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch (VO zu § 82 SGB XII) vom 28. November 1962, BGBl. I S. 692, zuletzt
geändert durch Gesetz vom 21. März 2005, BGBl I S. 818).
c) Der Eintritt einer nach den Vorschriften des SGB II und des SGB XII relevanten
Hilfebedürftigkeit des Klägers ist auch für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft
nicht zu erwarten. Es besteht kein hinreichender Anlass für die Annahme, das
Einkommen des Klägers werde nicht ausreichen, um seinen Bedarf zu decken. Die
Einkommensverhältnisse des Klägers sind mindestens seit dem Jahre 2006 ausreichend,
um den sozialhilferechtlich relevanten Bedarf zu decken. So erzielte der Kläger im Jahr
2006 ein Nettoeinkommen von ca. 14.000 EUR (Netto) und im Jahre 2007 von ca. 19.200
EUR. Es ist auch nicht erkennbar, dass die T.-GmbH, deren Alleingesellschafter der
Kläger ist, in absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage sein wird, dem Kläger ein
entsprechendes Gehalt zu zahlen. Für eine entsprechend negative Prognose fehlt es an
einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Das Unternehmen besteht bereits seit
mehreren Jahren. Ausweislich der vorliegenden Gewinnermittlung für das Jahr 2007
erzielte es einen Überschuss in Höhe von ca. 13.000 EUR; dabei waren im Geschäftsjahr
Löhne und Gehälter für den Kläger und weitere Mitarbeiter des Unternehmens in Höhe
von ca. 65.000,- EUR zu zahlen. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, der Frage
weiter nachzugehen, ob und inwieweit die wirtschaftlichen Situation einer
Kapitelgesellschaft, deren (Allein-) Gesellschafter der Einbürgerungsbewerber ist und die
ihn beschäftigt, bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG von Bedeutung ist
bzw. insoweit andere Maßstäbe zu gelten haben, als bei Beschäftigungsverhältnissen,
die nicht mit einer Beteiligung des Ausländers an dem Unternehmen einhergehen.
Es spricht auch nichts dafür, dass der Kläger titulierten Unterhaltsansprüchen seiner
Kinder im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II ausgesetzt sein wird. Auch ein – zur
Erhöhung des nach SGB II oder SGB XII relevanten Bedarfs führender – Nachzug der
Kinder des Klägers nach Deutschland ist nicht zu erwarten. Allenfalls das jüngste Kind
des Klägers könnte die Voraussetzungen für einen vereinfachten Nachzug gemäß § 32
Abs. 3 AufenthG erfüllen (zur Frage des alleinigen Personensorgerechts nach
mazedonischem Recht s. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. April 2007 – OVG 12 B
2.05 – juris). Im Übrigen genügte das gegenwärtige Einkommen des Klägers wie
dargelegt, um den Bedarf für dieses Kind in Höhe von 211 EUR zu decken. Angesichts
des Alters des Klägers ist schließlich nicht zu besorgen, dass er in überschaubarer
Zukunft mangels hinreichender Altersvorsorge Leistungen nach dem SGB XII in
Anspruch nehmen muss (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Blechinger/Bülow, das neue
Staatsangehörigkeitsrecht, Stand Januar 2006, 6/3.5.2.2).
Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG schon aus vorstehenden
Gründen vor, bedarf keiner Entscheidung, ob und inwieweit der Kläger auch über
verwertbares Vermögen (§ 12 SGB II, § 90 SGB XII) verfügt, welches gegenwärtig und in
überschaubarer Zukunft Ansprüche nach dem SGB II oder SGB XII ausschlösse.
3. Schließlich liegen auch die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine
Einbürgerungszusicherung vor. Der Kläger hat eine Erklärung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 StAG abgegeben. Er verfügt über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht (§ 10 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 StAG) und – wovon sich der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung
überzeugen konnte sowie auch nach Einschätzung des Beklagten – (mindestens) über
ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StAG). Er ist
nicht wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt worden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG).
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nicht wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt worden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG).
Anhaltspunkte für Sicherheitsbedenken oder Ausweisungsgründe im Sinne von § 11 Satz
1 StAG oder strafrechtliche Ermittlungen gegen den Kläger (§ 12 Abs. 3 StAG) bestehen
nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidungen über die
vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO, § 708
Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen,
weil die Auslegung und Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG (u. a.) im Falle von
im Ausland lebenden unterhaltsberechtigten Kindern des Einbürgerungsbewerbers
grundsätzliche Bedeutung hat.
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