Urteil des VG Berlin vom 14.03.2017
VG Berlin: öffentliche sicherheit, fahrzeug, behinderung, polizei, markierung, gefahr, meinung, hauptsache, rechtsgrundlage, einwendung
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Gericht:
VG Berlin 11.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 A 884.06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 2 StVO, § 12 Abs 4 S 5
StVO, § 41 Abs 3 Nr 7 StVO
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten tragen die Klägerin zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht dieser zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung einer Umsetzungsgebühr
von 151 Euro.
Sie war Fahrerin des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen B ... , das am Samstag, den
19. November 2005 gegen 14.58 Uhr in Höhe der Dorotheenstraße 9 (gegenüber), in
10117 Berlin umgesetzt wurde, weil das Fahrzeug nach den Feststellungen des
Verkehrsmeisters B. der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) derart parkte, dass es in den
Fahrraum von Schienenfahrzeugen hineinragte. Das Fahrzeug habe mit einer Entfernung
von 40 cm zum Schienenkopf gestanden.
Die Umsetzung wurde nach Mitteilung des Vorfalls von der Polizei veranlasst.
Mit Bescheid vom 15. März 2006 zog der Polizeipräsident in Berlin die Klägerin wegen
Parkens im Fahrraum von Schienenfahrzeugen bei gleichzeitiger Behinderung des
Straßenbahnverkehrs zur Zahlung einer Umsetzungsgebühr in Höhe von 188 Euro
heran.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, sie habe innerhalb der
Linien des öffentlichen Parkplatzes geparkt. Eine Störung habe damit nicht vorgelegen.
Der Abstand zu den Schienen habe, wie sich aus den Fotos der BVG ergebe, mindestens
50 cm betragen. Eine Anfrage bei der BVG habe ergeben, dass der breiteste dort
eingesetzte Trambahntyp nur 35 cm über die Schien hinausrage. Es sei unverständlich,
dass die BVG auf einer derart engen Straße einen derart breiten Trambahntyp
verwende.
Im Rahmen des Vorverfahrens erklärte der Verkehrsmeister B. auf Nachfrage, der Pkw
habe auf der Sperrlinie geparkt und die Bahnen hätten nur mit Einweisung passieren
können. Hätte das Fahrzeug wie die anderen weiter zum Bordstein geparkt, wäre es
nicht zu einer Behinderung gekommen. Der Stellungnahme wurden Tatortfotos (Blatt 19
des Verwaltungsvorganges) beigefügt.
Der Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. August
2006 als unbegründet zurück, weil die Umsetzungsanzeige und die Fotos die
Behinderung zweifellos dokumentierten.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Vertiefung ihres
Widerspruchsvorbringens weiter. Der Pkw habe nicht über die weiße Linie, die eine
Parkflächenmarkierung darstelle, hinausgeragt. Sie habe damit verkehrsgerecht
geparkt, weil die Linie zum Parkraum gehöre. Der zum Parken freigegebene
Seitenstreifen sei dort so schmal, dass größere Fahrzeuge (z.B. S-Klasse) auf der
Parkstreifenmarkierung parken müssten, womit Einschränkungen des
Straßenbahnverkehrs vorprogrammiert seien. Wenn die BVG dort diese Trambahntypen
fahren lasse, müsste das Parken dort gänzlich verboten werden oder aber geeignete
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fahren lasse, müsste das Parken dort gänzlich verboten werden oder aber geeignete
Warnhinweise aufgestellt werden.
Der Beklagte hat nach Klageerhebung den angefochtenen Bescheid insoweit
aufgehoben, als mehr als 151 Euro gefordert werden. Hinsichtlich des Restbetrages von
37 Euro haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für
erledigt erklärt.
Die Klägerin, die nicht zum Termin erschienen und nicht vertreten gewesen
ist, beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 15. März 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Begründung des ergangenen Bescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Streitakte und den Inhalt des die Klägerin betreffenden
Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 102 Abs. 2 VwGO konnte auch beim Ausbleiben der Klägerin verhandelt und
entschieden werden.
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Die Kammer folgt der zutreffenden Begründung des angefochtenen Bescheides und
nimmt hierauf Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Gebührenbescheid ist § 15 Abs. 2, Abs. 3 ASOG
i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge vom 22.
Mai 1957 (GVBl. S. 516) i.V.m. der Anlage zu § 1 PolBenGebO in der hier maßgeblichen
Fassung vom 4. Oktober 2005. Nach Tarifstelle 4.2 a), 2. Variante wird für die
Durchführung der Umsetzung eines Pkw bis 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht unter
Beteiligung der BVG samstags je Einsatzfall eine Gebühr von 151 Euro erhoben, sofern
sich die Umsetzungsmaßnahme gegen die nach §§ 13 und 14 des Allgemeinen
Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) Verantwortlichen richtet oder die
Gebührenpflicht nach §§ 9, 10 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge entstanden ist.
Dieser Gebührentatbestand ist erfüllt.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Umsetzung ist § 17 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1
ASOG. Hiernach können die Ordnungsbehörden und die Polizei die notwendigen
Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren. Sofern der Zweck der Maßnahme durch
Inanspruchnahme der nach §§ 13 oder 14 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig
erreicht werden kann, können die Ordnungsbehörden und die Polizei eine Maßnahme
selbst oder durch einen Beauftragten ausführen.
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschriften liegen hier vor. Ermessensfehler
sind nicht ersichtlich.
Die polizeiliche Anordnung der Umsetzung des seinerzeit in der Dorotheenstraße
geparkten Kraftfahrzeuges war zur Beseitigung eines Verstoßes gegen §§ 12 Abs. 4 Satz
5, 1 Abs. 2 StVO und damit zur Beseitigung einer konkreten Gefahr für die öffentliche
Sicherheit erforderlich, weil der Wagen im Fahrraum von Schienenfahrzeugen parkte und
den Straßenbahnverkehr behinderte.
Entgegen ihrer Auffassung parkte die Klägerin verkehrswidrig, weil das Fahrzeug in den
Fahrraum von Schienenfahrzeugen hineinragte. Dies wird zur Überzeugung der Kammer
ohne jeglichen Zweifel durch die vom Verkehrsmeister der BVG gefertigten Tatortfotos
(Blatt 19 des Verwaltungsvorganges) belegt.
Zwar ist die Auffassung zutreffend, es handele sich vorliegend um
eine Parkflächenmarkierung (§ 41 Abs. 3 Nr. 7 StVO) und ein Parken außerhalb bzw. ein
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eine Parkflächenmarkierung (§ 41 Abs. 3 Nr. 7 StVO) und ein Parken außerhalb bzw. ein
Hinausragen über diese Fläche bedeute für sich genommen kein ordnungswidriges
Verhalten (einhellige Meinung, vgl. BGHSt, 29,180; OLG Karlsruhe, VRS 57,455; OLG
Oldenburg, DAR 1994,379; OLG Düsseldorf, VRS 90,66). Indes wird dies der Klägerin hier
auch gar nicht zum Vorwurf gemacht.
Die Parkflächenmarkierung bedeutet nur, dass ein Parken innerhalb der weißen Linien
erlaubt ist, wobei "innerhalb" entgegen der Meinung der Klägerin bedeutet, dass das
Fahrzeug nicht darauf steht oder darüber hinausragt. Markierungen sind nach
allgemeiner Auffassung als äußerste Begrenzung zu verstehen (vgl. BGH, a.a.O.;
BayVGH, Beschluss vom 21.12.2005 -11 CS 05.1329-, zitiert nach Juris; OLG Oldenburg,
DAR 1994,370). Ein Parken auf der Markierung oder außerhalb bedeutet für sich
genommen keinen Parkverstoß, womit prinzipiell auch ein wesentlich breiterer Lkw dort
parken dürfte. Wird allerdings außerhalb oder auf der Markierung geparkt, kann dies
einen sonstigen Verstoß – wie hier – bedeuten.
Die Parkflächenmarkierung dient hier im Zusammenhang mit der konkreten
Verkehrslage eindeutig dazu, eine Beeinträchtigung des Straßenbahnverkehrs zu
vermeiden. Kein Lkw-Fahrer oder vernünftiger Pkw-Fahrer würde hier bei der konkreten
Situation (einer schmalen Straße mit Straßenbahnverkehr) auf die Idee kommen, einen
Lkw dort abzustellen oder den Pkw über die Markierung hinaus zu parken, weil allzu
offensichtlich ist, was dann in der Folge geschehen würde. Dass der Klägerin ein
derartiges Vorstellungsvermögen offensichtlich fehlte, führt keineswegs dazu, einen
Verkehrsverstoß zu verneinen oder gar die eindeutige Verantwortlichkeit anderen
zuzuschieben.
Die Kammer hat nicht den geringsten Zweifel bezüglich der Feststellungen des
Verkehrsmeisters der BVG an einer Beeinträchtigung des Fahrraums von
Schienenfahrzeugen und Behinderung des Straßenbahnverkehrs B., welche durch die
Fotos eindrucksvoll belegt werden. Der verbliebene Abstand vom Fahrzeug zu den
Schienen belief sich nach Messung des B. auf 40 cm, was bei dem Ausschwenken von
Straßenbahnen auch auf Geraden zu wenig ist, um dort ein gefahrloses zügiges
Vorbeifahren zu gewährleisten. Nach der Rechtsprechung der Kammer muss wegen der
seitlichen Pendelbewegungen der Straßenbahn der lichte Abstand zwischen der
Schienenaußenkante zu einem Fahrzeug auf Geraden wenigstens 65 cm betragen,
damit die Straßenbahn nicht zur Schleichfahrt gezwungen wird (vgl. auch die
Geschäftsanweisung LSA Nr. 5/1996 über das beschleunigte Umsetzungsverfahren
unter Beteiligung der BVG, II. Ziffer 15; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 12
StVO Rn. 37 d; Berr/Hauser/Schäpe, Das Recht des ruhenden Verkehrs, 2. Aufl. 2005, S.
53 Rn. 145 b). Selbst wenn man von dem von der Klägerin schlicht behaupteten Abstand
von 50 cm unterstellen würde, wäre dieser Abstand nach dem Vorhergesagten
unzureichend.
Die Einwendung, die BVG müsse schmalere Trambahntypen in dieser Straße einsetzen
liegt genauso neben der Sache, wie die Erforderlichkeit von Hinweisen, dass mit
bestimmten Fahrzeugtypen dort nicht geparkt werden dürfe.
Jeglicher Grundlage entbehrt der Hinweis, Fahrzeuge der gehobenen Klasse würden dort
sonst auch nicht parken können, denn die genannten Fahrzeuge sind nur unerheblich
breiter (Fahrzeugbreite eines Volvo S 40 beträgt 175 cm, die eines BMW 7er-Reihe und
MB S 500 187 cm, Range Rover 188 cm) und können dort sehr wohl ohne Behinderung
parken, wenn diese entsprechend nahe am Bordstein abgestellt werden. Wie die Fotos
eindrucksvoll belegen, hat die Klägerin bei ihrem Parkvorgang leichtfertig Raum von
mehr als 25 cm zum Bordstein verschwendet, weswegen es überhaupt zu einer
Behinderungssituation gekommen ist. Hätte die Klägerin auch nur einen Bruchteil der
Zeit, den sie für dieses Klageverfahren aufwandte, in einen vernünftigen Parkvorgang
investiert, wäre es nicht zu der Umsetzung gekommen.
Die Klägerin war Fahrerin des dort abgestellten Pkw und damit Schuldnerin i.S.v. § 10
Abs. 2 Buchstabe c des Gesetzes über Gebühren und Beiträge für die durch die
Umsetzung entstandenen Gebühren.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt
erklärt haben, war über die Kosten des Streits nach billigem Ermessen zu entscheiden (§
161 Abs. 2 VwGO). Insoweit traf den Beklagten die Kostenlast, weil er die Klägerin
nachträglich ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage klaglos gestellt hat.
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Im Übrigen trifft die Klägerin als Unterlegene die Kostenlast nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO)
liegen nicht vor.
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