Urteil des VG Berlin vom 14.03.2017

VG Berlin: betreiber, testat, gewalt, inventur, kommission, heizöl, zahl, abgabepflicht, amtsblatt, kraftwerk

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Gericht:
VG Berlin 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 A 278.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 6 Abs 3 EUV, Art 16 Abs 3
EGRL 87/2003, Art 16 Abs 4
EGRL 87/2003, § 1 TEHG, § 17
TEHG
Treibhausgas-Emissionshandel - Sanktionierung wegen
Verletzung der Abgabepflicht
Leitsatz
Gibt ein Anlagenbetreiber bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl von
Emissionsberechtigungen ab, die der im - vom Sachverständigen als zufrieden stellend
bewerteten - Bericht über die Emissionen der Anlage im Vorjahr ausgewiesenen Menge von
Emissionen entspricht, darf eine Zahlungspflicht gemäß § 18 Abs 1 Satz 1 TEHG gegen ihn
nicht festgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich die im Bericht ausgewiesene
Emissionsmenge als zu gering erweist. Der Anlagenbetreiber bleibt dann jedoch zur Abgabe
der weiteren Berechtigungen verpflichtet.
Tenor
Der Bescheid des Umweltbundesamtes vom 7. Mai 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 22. Oktober 2008 wird insoweit
aufgehoben, als dort eine Zahlungspflicht von 43.800 Euro festgesetzt worden ist.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem
Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Zahlungspflicht gemäß § 18 Abs. 1
Satz 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG).
Sie betreibt in Nürnberg das überwiegend mit Erdgas, ergänzend mit Heizöl befeuerte
Kraftwerk mit einer Feuerungswärmeleistung von mindestens 843 Megawatt.
Am 19. März 2007 ging auf dem Server der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt)
der - vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit lediglich auf
formale Vollständigkeit geprüfte - Bericht über die Emission von Kohlendioxid durch das
Kraftwerk im Berichtszeitraum 2006 ein.
Der Bericht weist Gesamtkohlendioxidemissionen im Jahr 2006 im Umfang von 282.381 t
CO
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aus. Der von der Klägerin mit der sachverständigen Prüfung betraute Prüfer Dr. P.
führte im Bericht aus:
„Nach dem abschließenden Ergebnis unserer Prüfung bescheinigen wir, dass die
auf dem Formular ‚Deckblatt’ ausgewiesenen CO
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-Gesamt Emissionen für den
Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2006 frei von wesentlich falschen
Angaben sind.“
Für den Brennstoffstrom ‚Heizöl’ gibt der Bericht die Menge des verbrauchten
Brennstoffs mit ‚-328,9 t’ und die CO
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-Emissionen mit ‚-1031,640 t’ an. Der
sachverständige Prüfer gab hierzu unter der Rubrik ‚Angaben zu Berichtszeitraum und
Monitoringkonzept’ an:
"Der negative Verbrauch bei Heizöl EL ist auf tatsächlich sehr geringe
Verbräuche (-19,952 t) im Jahre 2006 und eine relativ hohe positive Inventurkorrektur
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Verbräuche (-19,952 t) im Jahre 2006 und eine relativ hohe positive Inventurkorrektur
(+348,152 t) in einem sehr großen Tank zurückzuführen. Nach den uns vorgelegten
Daten ist der Wert plausibel."
Unter dem 19. November 2007 gab die DEHSt der Klägerin Gelegenheit, bis zum 7.
Dezember 2007 der Berichtspflicht ordnungsgemäß nachzukommen - anderenfalls
erfolge eine Schätzung - und zu einer Zahlungspflicht bzw. dem Vorliegen höherer
Gewalt gemäß § 18 TEHG Stellung zu nehmen. Der Heizölverbrauch sei im
Emissionsbericht mit „-328,9 t“ ausgewiesen worden, wodurch sich eine negative
Kohlendioxidemission im Umfang von „1.031,64 t“ ergebe. Im Bericht sei an keiner
Stelle die Ursache des negativen Heizölverbrauchs erläutert. Laut telefonischer
Rücksprache solle es sich um eine Bestandsänderung im Lagertank aufgrund einer
Inventur in Verbindung mit einer Tankreinigung gehandelt haben. Die durch eine
Abtrennung von Ölschlamm hervorgerufene Bestandsänderung stehe nicht im
Zusammenhang mit den Emissionen der Anlage. Die sich aus der Bestandsänderung
ergebenden CO
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-Emissionen hätten folglich nicht von den Gesamtemissionen der
Anlage abgezogen werden dürfen. Aufgrund dieser Mängel werde die Gesamtmenge der
Emissionen im Bericht zu niedrig angegeben.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2007 führte die Klägerin hierzu aus, die Emissionen des
Kraftwerks seien entsprechend der im Monitoringhandbuch festgelegten Weise ermittelt
worden. Weiter hieß es:
"Da der Heizölverbrauch im Kraftwerk Franken zu weniger als 1 % zu den
gesamten CO
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-Emissionen der Anlage beiträgt, gilt für diesen Brennstoff der de-
minimis-Ansatz. Somit wäre das Kraftwerk berechtigt, den jährlichen Verbrauch von
Heizöl EL zu schätzen. Dies wurde dementsprechend durchgeführt.
Das Kraftwerk ermittelt, wie im Monitoringhandbuch beschrieben, den jährlichen
Brennstoffverbrauch mittels des Massenbilanzansatzes. Dabei werden die angelieferten
Heizölmengen über Lieferscheinangaben ermittelt, die sich wiederum auf Werte der
geeichten Gleiswaage beziehen. Seit mehreren Jahren wurden allerdings keine
Anlieferungen mehr vorgenommen. Letztendlich erfolgt die abschließende Ermittlung
des Verbrauchs daher ausschließlich über die in der Inventur festgestellten
Bestandsveränderungen. (…)
Aus der einmal jährlich durchgeführten Inventur ergab sich jedoch ein höherer
Bestand gegenüber dem Bestand der letzten Inventur. Dies wurde ordnungsgemäß
berichtet. Da die Tankanlage, bestehend aus drei verbundenen aber nicht
kommunizierenden Tanks mit einem Fassungsvermögen von je 13.700 m³, für einen viel
größeren Verbrauch ausgelegt ist und seit mehreren Jahren keine Lieferung
vorgenommen wurde, führen selbst minimale Messfehler bei der Inventur zu deutlichen
Differenzen bezogen auf den aktuellen minimalen Ölverbrauch. Auf die Handelsperiode
sowie auf die Gesamtemissionen bezogen, befinden sich die Abweichungen jedoch
innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Toleranzen.
Weiterhin hat uns der Verifizierer mitgeteilt, dass er vor der Verifizierung des
Emissionsberichts diesbezüglich telefonisch Kontakt mit der DEHSt aufgenommen hatte.
Nach seinen Angaben wurde der Sachverhalt mit dem Gesprächspartner der DEHSt
diskutiert und auch von DEHSt-Seite so für i.O. befunden bzw. für verifizierungsfähig
befunden.“
Mit Bescheid vom 7. Mai 2008 schätzte die DEHSt die im Kalenderjahr 2006
verursachten Kohlendioxidemissionen auf 283.476 t CO
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(Ziffer 1 des Bescheidtenors),
stellte fest, die Klägerin habe bis zum 30. April 2007 insgesamt 1.095
Emissionsberechtigungen zu wenig abgegeben (Ziffer 2) und setzte eine Zahlungspflicht
in Höhe von 43.800,- € fest (Ziffer 3). Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, die hier
zulässige Anwendung des de minimis-Ansatzes erlaube zwar die Anwendung
ebenenunabhängiger Schätzmethoden, die Schätzung müsse aber zu plausiblen
Ergebnissen führen. Ein negativer Heizölverbrauch sei nicht plausibel. Der
vorgenommenen Schätzung sei der vom Sachverständigen genannte Heizölverbrauch
von 19,952 t zu Grunde gelegt worden. Danach habe ein Fehlbetrag von 1.095
Emissionsberechtigungen bestanden.
Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies die DEHSt mit
Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2008 zurück.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen „die ihr gegenüber festgesetzte
Zahlungspflicht in Höhe von 43.800,- € gemäß § 18 Absatz 1 Satz 1 TEHG wegen
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Zahlungspflicht in Höhe von 43.800,- € gemäß § 18 Absatz 1 Satz 1 TEHG wegen
Nichtabgabe von 1.095 Emissionsberechtigungen im Jahre 2006“ und macht im
Wesentlichen geltend:
Im Rahmen ihrer Berichtspflicht habe die Klägerin für das Jahr 2006 einen
Heizölverbrauch von -328,9 t angegeben. Der Heizölverbrauch werde bei der einmal
jährlich durchgeführten Inventur über Ölzähler und durch einen Bestandsvergleich
ermittelt. Der Verbrauch im Jahr 2006 sei unter Berücksichtigung dessen zutreffend
bestimmt worden. Die Klägerin habe sich letztlich auch aus kaufmännischen Gründen
verpflichtet gesehen, die Bestandskorrekturen aus der Inventur auch im Rahmen des
Emissionsberichts anzugeben. Dieses Vorgehen sei auch explizit im Monitoringkonzept
so beschrieben. Nachträglich sei vom Verifizierer gegenüber der Klägerin erklärt worden,
dass dieser negative Verbrauch von Heizöl vor der Abgabe des Berichts mit einem
Gesprächspartner der DEHSt mündlich erörtert und aufgrund der besonderen Situation
als verifizierungsfähig angesehen worden sei.
Die Klägerin habe die im Kalenderjahr 2006 verursachten Emissionen mithin gemäß den
gesetzlichen Anforderungen berichtet. Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass
der Heizölverbrauch aufgrund seiner - im Vergleich zum Hauptenergieträger Erdgas
vernachlässigbaren - Größe durch Bestandsvergleich habe ermittelt werden dürfen. Die
Klägerin sei davon ausgegangen, dass im Rahmen einer Inventur festgestellte
Bestandskorrekturen auch in den Emissionsbericht hätten einfließen müssen, soweit sie
sich auf die CO
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-relevante Tätigkeit auswirkten. Selbst wenn man den Ansatz eines
negativen Vorzeichens beim Heizölverbrauch als logischen Fehler ansähe, sei gleichwohl
aus dem Bericht erkennbar gewesen, in welcher Höhe ein dem Kalenderjahr 2006
zurechenbarer Heizölverbrauch vorgelegen habe. Dazu habe es lediglich der Addition
des mit einem negativen Vorzeichen versehenen Inventurwertes zu dem angegebenen
Heizölverbrauch bedurft. Die einfache rechnerische Ergebnisberichtigung sei darüber
hinaus als die verhältnismäßigere Reaktion im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der EH-RL
anzusehen.
Die durchgeführte Sanktion sei auch deshalb überzogen und unverhältnismäßig, weil die
Klägerin bereits im April 2008 aufgrund der entstandenen Rechtsunsicherheit 2000
Emissionsberechtigungen zusätzlich zu den sich aus ihren Emissionsberichten für die
erste Handelsperiode ergebenden Abgabeverpflichtungen auf das Löschungskonto
überwiesen habe. Schon deshalb sei eine Sanktion aufgrund zu geringer Abgabe von
Emissionsberechtigungen zur Durchsetzung von gesetzlichen Verpflichtungen weder
erforderlich noch angemessen.
Schließlich sei mit der vom Gesetzgeber eingeführten Verifizierungspflicht ein Instrument
geschaffen worden, welches nicht nur als ausschließlich privatrechtsgestaltetes
Kooperationsverhältnis zwischen Abgabepflichtigen und Sachverständigen anzusehen
sei. Vielmehr komme dem Sachverständigen im Rahmen der Berichterstattung eine
vom Gesetz eigenständig gestaltete Prüfungskompetenz zu.
Mit der Verifizierung erfolge eine der behördlichen Prüfung vorgelagerte, im Übrigen
jedoch dem Standard der behördlichen Prüfung vollständig gleichstehende Sachverhalts-
und Rechtsprüfung.
Führe eine solche Prüfung zur Bestätigung eines Emissionsberichtes, könne ein
Verantwortlicher regelmäßig davon ausgehen, dass er damit seiner Berichtspflicht in der
gesetzlichen Art und Weise genügt habe. Komme die Verwaltungsbehörde in der Folge
zu einem anderen Ergebnis als der Sachverständige, bleibe sie selbstverständlich
berechtigt, dieses Ergebnis der Abgabepflicht nach § 6 TEHG zugrunde zu legen; es sei
aber mit Sinn und Zweck der Zahlungsverpflichtung nach § 18 TEHG nicht vereinbar,
wenn hieraus dem Verantwortlichen der Anlage eine weitere finanzielle Belastung
entstehe.
Der Klägerin beantragt,
den Bescheid des Umweltbundesamtes vom 7. Mai 2008 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 aufzuheben, soweit darin eine
Zahlungspflicht in Höhe von 43.800,- € festgesetzt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe die von ihrer Anlage im Berichtsjahr 2006 verursachten
Gesamtemissionen nicht vollständig berichtet. Sie habe vielmehr trotz eines real
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Gesamtemissionen nicht vollständig berichtet. Sie habe vielmehr trotz eines real
erfolgten Verbrauchs von Heizöl eine negative Menge Heizöl und daraus resultierende
negative CO
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-Emissionen berichtet. Sie sei damit der ihr obliegenden Berichtspflicht
nicht nachgekommen. Eine behördliche Schätzung der verursachten Emissionen als
unwiderlegliche Basis für die Verpflichtung der Klägerin habe nicht unterbleiben können,
weil die Klägerin den Fehler auch nach erfolgter Anhörung nicht korrigiert habe.
Anderes ergebe sich auch nicht aus der Stellungnahme des Sachverständigen. Soweit
die Daten dort als plausibel erachtet würden, könne dies für die Ermittlung selbst gelten,
nicht indes für eine ordnungsgemäße Berichterstattung, da die gewählte Darstellung
fehlerhaft sei und zu einer falschen Wiedergabe der Gesamtemissionsmenge geführt
habe.
Zudem handele es sich bei der Pflicht der Überprüfung um eine originäre Pflicht des
Verantwortlichen selbst. Aus dem von der sachverständigen Stelle erstellten Bericht
über die Prüfung folge nicht, dass der Emissionsbericht insoweit insgesamt richtig sei.
Der Gesetzgeber habe zwar die Eigenverantwortlichkeit der Verantwortlichen im Rahmen
der Emissionsermittlung und -berichterstattung beibehalten und sich dafür entschieden,
die Prüfung der Berichte unabhängigen Sachverständigen zu übertragen. Dennoch sei
eine abschließende staatliche Kontrolle beibehalten worden, um die teilnehmenden
Mitgliedsstaaten nicht durch unzutreffende Angaben im Emissionsbericht zu binden.
Die Schätzung diene nicht nur der Statuierung der Abgabenverpflichtung, sondern auch
der daran anknüpfenden Festsetzung einer Zahlungspflicht, soweit sich nach erfolgter
Schätzung eine zu geringer Abgabe an Berechtigungen herausstellen sollte. Mit Hilfe der
Schätzung würden die verursachten Gesamtemissionen des Vorjahres bestimmt und zur
Grundlage der Abgabeverpflichtung gemacht. Blieben die durch den Verantwortlichen
abgegebenen Berechtigungen hinter den geschätzten Emissionen zurück, liege zugleich
auch eine Verletzung der Abgabepflicht vor, welche sanktionsbewehrt sei.
Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen und
waren, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend hierauf sowie auf den Inhalt der
Streitakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2008 ausgesprochene Festsetzung einer
Zahlungspflicht in Höhe von 43.800 € stellt einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 Satz 1
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, weshalb die hiergegen nach
ordnungsgemäßer Durchführung des Vorverfahrens erhobene Klage als
Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig ist.
Die Klage ist auch begründet, denn die Festsetzung der Zahlungspflicht ist rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 18 Abs. 1 TEHG liegen nicht vor. Kommt
danach der Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG nicht nach, so setzt die
zuständige Behörde für jede emittierte Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der
Verantwortliche keine Berechtigungen abgegeben hat, eine Zahlungspflicht von 100
Euro, in der ersten Zuteilungsperiode von 40 Euro, fest (Satz 1). Gemäß § 6 Abs. 1 TEHG
hat der Verantwortliche bis zum 30. April eines Jahres, erstmals im Jahr 2006, ein Anzahl
von Berechtigungen an die zuständige Behörde abzugeben, die den durch seine
Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht. Von
der Festsetzung einer Zahlungspflicht kann abgesehen werden, wenn der
Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG auf Grund höherer Gewalt nicht
nachkommen konnte (§ 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG).
Wie die Kammer in ihren Urteilen vom 28. Mai 2010 (VG 10 K 39.09 und VG 10 K 130.09)
bereits ausgeführt hat, scheidet die Festsetzung einer Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1
Satz 1 TEHG aus, sofern der Verantwortliche bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl
von Berechtigungen an die Beklagte abgegeben hat, die der Menge der im – vom
Sachverständigen als zufriedenstellend bewerteten – Emissionsbericht nach § 5 Abs. 1
und Abs. 3 TEHG für das Vorjahr ausgewiesenen Kohlendioxidemissionen entspricht.
Daran hält die Kammer nach nochmaliger Prüfung aus folgenden Gründen fest:
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und 4 der Richtlinie 2003/87/EG (vom 13. Oktober 2003 - Amtsblatt der EU L 275/32 –
geändert durch die Richtlinie 2004/101/EG vom 27. Oktober 2004 – Amtsblatt der EU L
338/18; im Folgenden: Emissionshandelsrichtlinie - EH-RL).
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Gemäß Art. 16 Abs. 3 Satz 1 EH-RL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Betreibern,
die nicht bis zum 30. April jeden Jahres eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten zur
Abdeckung ihrer Emissionen im Vorjahr abgeben, eine Sanktion wegen
Emissionsüberschreitung auferlegt wird. Nach Satz 2 der Regelung beträgt die Sanktion
wegen Emissionsüberschreitung für jede von der Anlage ausgestoßene Tonne
Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber keine Zertifikate abgegeben hat, 100 Euro.
Art. 16 Abs. 4 EH-RL reduziert diesen Betrag für die erste Handelsperiode (2005 bis
2007) auf 40 Euro je ausgestoßene Tonne Kohlendioxidäquivalent.
Abweichend von der Wortwahl in seinen Absätzen 3 und 4 stellt die
Emissionshandelsrichtlinie demgegenüber bereits in ihrem Art. 16 Abs. 2 allein darauf
ab, ob die Betreiber „gegen die Verpflichtungen nach Art. 12 Absatz 3 zur Abgabe einer
ausreichenden Anzahl von Zertifikaten verstoßen“ haben. Nach Art. 12 Abs. 3 EH-RL
stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Betreiber für jede Anlage bis spätestens 30.
April jeden Jahres eine Anzahl von Zertifikaten abgibt, die den – nach Artikel 15
geprüften – Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr entspricht.
Die Beklagte meint, bei der in Parenthese gesetzten Wendung „nach Artikel 15
geprüften“ handele es sich nur um einen „unverbindlichen Einschub, welcher lediglich
auf das (Verwaltungs-)Verfahren abstell(e)“, eine materielle Beschränkung der
Sanktionsregelung jedoch nicht rechtfertige. Damit würde diesem Satzteil jedoch
letztlich jegliche Bedeutung abgesprochen, ist doch die Prüfung der Emissionsberichte
selbständig in Art. 15 EH-RL geregelt.
Auch die Begründung des Kommissionsentwurfs der Emissionshandelsrichtlinie vom 23.
Oktober 2001 [KOM(2001)581] lässt an verschiedenen Stellen erkennen, dass die
Sanktionierung wegen Verletzung der Abgabepflicht nur erfolgen soll, wenn der
Anlagenbetreiber, der rechtzeitig einen mit dem Testat des Sachverständigen
versehenen Emissionsbericht abgegeben hat, bis zum Stichtag 30. April weniger
Berechtigungen abgibt, als nach dem testierten Emissionsbericht erforderlich wäre. So
heißt es etwa zu Nr. 4 des Kommissionsentwurfs:
„Durch die Genehmigung werden die Betreiber von Anlagen, in denen die in das
System einbezogenen Tätigkeiten stattfinden, verpflichtet, jährlich Berechtigungen im
Umfang ihrer geprüften Emissionen des jeweiligen Treibhausgases im vorigen
Kalenderjahr abzugeben. Entspricht der Umfang der abgegebenen Berechtigungen nicht
diesen geprüften Emissionen, werden von den Mitgliedstaaten beträchtliche Strafen
verhängt.“ (a. a. O. S. 5; Hervorhebung nicht im Original)
Fehler bei der Berichterstattung und Prüfung des Berichts behandelt die Begründung des
Kommissionsentwurfs zu Nr. 16. Dort heißt es:
„Werden die Auflagen für Überwachung und Berichterstattung nicht beachtet
oder die Emissionsberichte nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß geprüft, so zieht dies
Sanktionen nach sich, zu denen auch die Aussetzung weiterer Übertragungen von
Berechtigungen des betreffenden Betreibers zählen können, bis die Mängel beseitigt
sind.“ (a. a. O. S. 15)
Die Einhaltung der Pflicht, Emissionsberechtigungen abzugeben, behandelt der
Kommissionsentwurf sodann in Nr. 17 der Begründung. Dort wird ausgeführt:
„Fälle von Verstößen gegen die Verpflichtung, ausreichend Berechtigungen
zurückzugeben, um die geprüften Emissionen abzudecken, müssen in der gesamten
Europäischen Gemeinschaft schlüssig und konsequent geahndet werden. (…)
Entscheidend ist jedoch, dass die Strafe für die Nichteinhaltung so hoch ist, dass
Betreiber nicht darauf verzichten, die tatsächlichen Emissionen ihrer Anlage durch eine
ausreichende Zahl von Berechtigungen abzudecken. (…)
Hervorzuheben ist, dass bei der Festsetzung der Höhe der Strafen für die
Nichteinhaltung bedacht werden sollte, dass die große Mehrheit der Teilnehmer – wenn
nicht sogar alle – sie nicht werden zahlen müssen. Die Berechtigungen sind für den
gesamten Zeitraum, für den sie vergeben wurden, gültig. Die Mitgliedstaaten müssen
einen Teil dieser Berechtigungen vor dem 28. Februar jeden Jahres vergeben. Die
Betreiber müssen die Berechtig-ungen entsprechend den Emissionen des Vorjahres vor
dem 31. März zurückgeben; zu diesem Zeitpunkt müssen die Berechtigungen für das
laufende Jahr bereits zugeteilt sein. Da die Betreiber alle in ihrem Besitz befindlichen
Berechtigungen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen nutzen können ist es sehr
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Berechtigungen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen nutzen können ist es sehr
unwahrscheinlich, dass gegenüber einem in gutem Glauben handelnden Betreiber vor
Ende des Zeitraums eine Strafe verhängt wird.“ (a. a. O. S. 15 f.; Hervorhebungen nicht
im Original)
Zwar ist mit der Verwendung der Begriffe „geprüften Emissionen“ einerseits und
„tatsächlichen Emissionen“ andererseits auch hier die Wortwahl der Kommission nicht
eindeutig. Aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen der Kommission ergibt
sich jedoch deutlich, dass sie die auch ihrer Auffassung nach drastischen Sanktionen
gemäß Art. 16 Abs. 3 und 4 des Entwurfs für vom Anlagenbetreiber ohne weiteres für
vermeidbar und keinesfalls etwa bereits dann für geboten hielt, wenn ein
Anlagenbetreiber etwa fahrlässig einen Fehler im Emissionsbericht gemacht hat, der
vom Sachverständigen nicht bemerkt oder für nicht erheblich befunden wurde.
Das erklärt, weshalb der Kommissionsentwurf die Verhängung einer Sanktion nach Art.
16 Abs. 3 oder 4 des Entwurfs nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich – von einem
vorsätzlichen oder zumindest fahrlässigen Verhalten des Anlagenbetreibers abhängig
machen wollte und nicht einmal in Fällen höherer Gewalt eine Ausnahme von der
Sanktion nach Art. 16 Abs. 3 und 4 des Entwurfs für regelungsbedürftig gehalten hat.
Unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat die Kommission ihr Verständnis vom
Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL schließlich in ihren nach Maßgabe
des Art. 14 Abs. 1 EH-RL erlassenen ‚Monitoring-Leitlinien’ vom 29. Januar 2004
(Amtsblatt der EU L 59/1; fortan: Monitoring-Leitlinien 2004). Dort heißt es zu
„Nr. 7.4 Prüfung und Wesentlichkeit
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Zum Ende des Prüfverfahrens beurteilt die prüfende Instanz, ob der
Emissionsbericht irgendwelche wesentlich falschen Angaben enthält. Kommt die
prüfende Instanz zu dem Schluss, dass der Emissionsbericht keine wesentlich falschen
Angaben enthält, kann der Betreiber den Emissionsbericht gemäß Art. 14 Abs. 3 der
Richtlinie an die zuständige Behörde übermitteln. (…)
Anhand der im Emissionsbericht, der als zufrieden stellend bewertet wurde, für
die Gesamtemissionen ausgewiesenen Zahl prüft die zuständige Behörde dann, ob der
Betreiber für die betreffende Anlage eine genügende Anzahl Zertifikate abgegeben hat.“
(a. a. O. S. 22)
Ob auch dieser letztgenannte, für den Umfang der Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG
maßgebliche Passus gemäß § 5 TEHG i. V. m. Anhang 2 Teil I Ziff. 1 und Teil II Ziff. 1 zum
TEHG in nationales Recht transformiert wurde und damit für die DEHSt unmittelbar
anwendbar geworden war – und sei es, weil die die Bundesrepublik Deutschland die für
sie gemäß Art. 249 Abs. 4 EG-Vertrag verbindliche Entscheidung der Kommission
insoweit nicht binnen der Frist des Art. 230 Abs. 5 EG-Vertrages angefochten hat –,
bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
Denn Anhaltspunkte dafür, dass der Richtliniengeber der Emissionshandelsrichtlinie
hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL über den
Kommissionsentwurf hinausgehen wollte, fehlen. Abgeändert wurde der
Kommissionsentwurf vom 23. Oktober 2001 lediglich insoweit, als die Höhe der Sanktion
nicht, wie noch im Entwurf vorgesehen, auch vom Marktpreis der Berechtigungen
abhängig gemacht werden sollte (vgl. den Bericht des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik vom 13. September 2002 zu den
Änderungsanträgen 41 und 42). Diese, der Schaffung größerer Rechtssicherheit für die
Anlagenbetreiber dienenden Änderungsanträge (so die jeweiligen Begründungen der
Anträge), wurden von der Kommission gebilligt, weil auch nach Auffassung der
Kommission dadurch „die praktische Anwendung der Richtlinie erleichtert und mehr
Sicherheit hinsichtlich der Höhe der Sanktionen geschaffen“ werde (vgl. den geänderten
Richtlinienvorschlag vom 27. November 2002, KOM(2002) 680 endg., S. 3 zu 41 und 42).
Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der nationale Gesetzgeber des
Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes mit der Regelung des § 18 Abs. 1 TEHG über
die unionsrechtliche Vorgabe in Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL hinausgehen wollte. Die
Gesetzesmaterialien zur Schaffung des § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 TEHG zeigen vielmehr,
dass der nationale Gesetzgeber das Verständnis der Kommission von der Sanktion nach
Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL geteilt hat und darüber nicht hinausgehen wollte.
So heißt es bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 8 TEHG vom 13. Januar
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So heißt es bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 8 TEHG vom 13. Januar
2004:
„ Gemäß den Vorgaben der Richtlinie 2003/87EG (Artikel 16 Abs. 3 und 4) hat der
Verantwortliche (…).
Eine Umsetzung des von der Richtlinie 2003/87/EG vorgegebenen
Sanktionsmechanismus über das Ordnungswidrigkeitenrecht kommt hingegen nicht in
Betracht, da das Schuldprinzip einen Bußgeldrahmen verlangt, wo die Richtlinie
2003/87/EG einen Fixbetrag vorsieht. (…)
Eine Ausnahmeregelung wie vorgesehen für Fälle höherer Gewalt entspricht dem
Verhältnismäßigkeitsgebot, welchem auch in Artikel 16 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87/EG
Ausdruck verliehen worden ist.“ (BT-Drucks. 15/2328 S. 16; Hervorhebungen nicht im
Original)
Der Bundesrat schlug vor, die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG-Entwurf zu
streichen, und begründete dies wie folgt:
„Für den unwahrscheinlichen Spezialfall, wegen höherer Gewalt vier Monate nach
Ablauf des Bezugsjahres daran gehindert zu sein, die schlichte Umbuchung eines
Rechtsbestandes zu veranlassen, ist kein Regelungsbedürfnis erkennbar. (…)“ (BT-
Drucks. 15/2540 S. 12 zu Nr. 28).
Die Bundesregierung ist dem entgegengetreten mit der Begründung:
„Der Vorschlag verkennt, dass die Zahl der von einem Betreiber abzugebenden
Berechtigungen die Zahl der ihm zugeteilten Berechtigungen übersteigen kann. § 18
Abs. 1 Satz 2 zielt auf vollkommen außerhalb der Kontrolle des Betreibers liegende
Ereignisse ab, die es dem Betreiber einer Anlage unmöglich machen könnte(n),
Berechtigungen am Markt zuzukaufen.“ (BT-Drucks. 15/2540 S. 18)
All das macht deutlich, dass der nationale Gesetzgeber des § 18 Abs. 1 TEHG weder bei
der Regelung des Satz 1 noch bei derjenigen des Satz 2 der Norm auch Fälle eines
fahrlässig oder gar unverschuldet fehlerhaften, aber dennoch vom Sachverständigen als
zufriedenstellend bewerteten Emissionsberichtes und die Abgabe lediglich einer
dementsprechenden Anzahl von Berechtigungen im Blick hatte.
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Abs. 3 und 4 EH-RL bzw. des § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG würde nach Auffassung der
Kammer zu unverhältnismäßigen und auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz
bedenklichen Ergebnissen führen.
Ungeachtet dessen, ob es sich bei der Sanktion nach Maßgabe dieser Regelungen um
eine solche mit strafrechtlichem Charakter handelt oder aber um eine präventiv
wirkende sog. ‚Verwaltungssanktion’, muss sie im Einklang mit dem – zu den
allgemeinen Grundsätzen des Unionsrecht gehörenden – Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit stehen und darf das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot nicht
verletzen (vgl. hierzu etwa EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – C-210/00 – Hofmeister – Slg.
2002 S. I-06453 Rn. 59 ff. und 71 ff.; nunmehr Art. 6 Abs. 4 EUV und hierzu Geiger, in:
Geiger/Khan/Kotzur, EUV – AEUV, 5. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 23 ff. m. w. Nw.; vgl. auch den
Erwägungsgrund 12 der EH-RL).
Nach dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss eine Maßnahme
geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, darf nicht über das unbedingt
Notwendige hinausgehen und muss im Hinblick auf den verfolgten Zweck tragbar sein
(vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002, a. a. O. Rn. 59; Geiger, a. a. O. Rn. 41 m. w. Nw. zur
Rspr. des EuGH).
Nach dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot dürfen vergleichbare Sachverhalte
nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden,
sofern die Differenzierung bzw. Gleichbehandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (EuGH,
Urteil vom 11. Juli 2002, a. a. O. Rn. 71; Geiger, a. a. O. Rn. 33 m. w. Nw. zur Rspr. des
EuGH).
Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL sehen stets die gleiche Rechtsfolge vor und erlauben daher
eine Differenzierung nach der Schwere des Verstoßes gegen die
Emissionshandelsrichtlinie und nach seiner Vermeidbarkeit nicht. Das zwingt dazu, die
tatbestandlichen Voraussetzungen in einer Weise einzugrenzen, dass nur annähernd
vergleichbare und gleichgewichtige Verstöße nach dieser Regelung zu ahnden sind. Wie
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vergleichbare und gleichgewichtige Verstöße nach dieser Regelung zu ahnden sind. Wie
dargelegt, ist hiervon auch der Richtliniengeber ausgegangen und hat insbesondere die
Schwere der Sanktion nach Art. 16 Abs. 3 EH-RL deshalb nicht für unverhältnismäßig
angesehen, weil sie vom gutgläubigen Anlagenbetreiber ohne weiteres vermieden
werden könne (vgl. oben zu I.1).
Nach dem Verständnis der Beklagten vom Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Satz 1
TEHG sind demgegenüber vorsätzliche Verstöße gegen die Pflicht aus § 6 Abs. 1 TEHG
zur Abgabe von Emissionsberechtigungen in gleicher Weise zu sanktionieren wie solche,
die auf eine fahrlässigen – oder gar unverschuldeten – Fehler bei der Berichterstattung
zurückzuführen sind, gleich, ob der prüfende Sachverständige diesen bemerkt und
darauf hingewiesen hat oder nicht.
Ein solches Verständnis des Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL ist nach Auffassung der Kammer
weder mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch mit dem unionsrechtlichen
Gleich- bzw. Ungleichbehandlungsgebot vereinbar.
Soweit die Regelung des § 18 Abs. 1 TEHG in ihrem Anwendungsbereich über denjenigen
des Art. 16 Abs. 3 und 4 EH-RL hinausgehen würde, müsste sie sich unmittelbar am in
Art. 20 Abs. 1 GG und den Grundrechten des Grundgesetzes verbürgten (hierzu etwa
Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl., Art. 20 Rn. 80 ff. m. w. Nw. zur Rspr. des BVerfG)
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie am Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG messen
lassen, da es sich insoweit nicht um die Umsetzung einer zwingenden unionsrechtlichen
Vorgabe handeln würde (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF
1/05 – BVerfGE 118, 79, 95 m. w. Nw.).
Dies würde nach Auffassung der Kammer zum selben Ergebnis führen, auch wenn das
nationale Recht gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG zumindest in Fällen höherer Gewalt
erlaubt, im Wege des Ermessens von der Verhängung der Sanktion abzusehen.
Nach der Vorstellung des Bundesgesetzgebers dient auch diese Regelung allein dazu,
auf der Kontrolle des Betreibers entzogene Ereignisse beim Kauf von Berechtigungen
Bedacht nehmen zu können (vgl. oben zu I.1).
Zur Vermeidung unverhältnismäßiger und den Gleichheitsgrundsatz verletzender
Ergebnisse wäre sie nur tauglich unter extensiver Ausdehnung des herkömmlich unter
den Begriff der ‚höheren Gewalt’ Gefassten. Herkömmlich entspricht der Begriff der
höheren Gewalt dem Begriff der „Naturereignisse und andere unabwendbare Zufälle“ in
§ 233 Abs. 1 Zivilprozessordnung a. F. (BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2007 – BVerwG 8
B 51/07 –, Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 19; hier zit. nach juris Rn. 5).
Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG mögen danach Fälle von einer Sanktion verschont
bleiben, in denen den Anlagenbetreiber keinerlei Verschulden an der Nichtabgabe
hinreichender Berechtigungen trifft. Eine unverhältnismäßige und gleichheitswidrige
Gleichbehandlung von vorsätzlichen Verstößen gegen die Abgabepflicht und solchen, die
etwa auf fahrlässigen und unerkannt gebliebenen Fehlern bei der Berichterstattung
beruhen, vermag auch die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG nicht zu verhindern.
3.
des Weiteren nicht der Stellung gerecht, die sowohl die Emissionshandelsrichtlinie als
auch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz der Prüfung durch den
Sachverständigen beimisst.
Gemäß Art. 15 Abs. 1 EH-RL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die von den
Betreibern gemäß Art. 14 Abs. 3 EH-RL vorgelegten Berichte anhand der Kriterien des
Anhangs V geprüft werden. Anhang V Nr. 11 EH-RL verlangt von der prüfenden Instanz
einen Bericht, in dem angegeben wird, ob der Emissionsbericht des Anlagenbetreibers
gemäß Art. 14 Abs. 3 zufriedenstellend ist. Diese Erklärung kann nicht erst dann
abgegeben werden, wenn der Bericht in jeder Hinsicht fehlerfrei ist, sondern gemäß
Anhang V Nr. 11 Satz 3 EH-RL bereits dann, wenn die prüfende Instanz zu der Ansicht
gelangt ist, dass zu den Gesamtemissionen keine wesentlich falschen Angaben gemacht
wurden. Eine entsprechende Regelung hat der nationale Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 Satz
1 i. V. m. Anhang 3 Nr. 11 TEHG getroffen.
Die für die Überwachung und Berichterstattung betreffend die Treibhausgasemissionen
im Jahr 2006 gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Anhang 2 Teil I und II Nr. 1 TEHG
maßgeblichen Monitoring-Leitlinien 2004 definieren in ihrem Anhang I Ziff. 2 lit l) den
Begriff der Wesentlichkeit als professionelle Einschätzung der prüfenden Instanz, ob
Auslassungen, Falschdarstellungen oder Fehler in den zu einer Anlage übermittelten
Informationen für sich oder zusammen die Entscheidungen der Adressaten maßgeblich
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Informationen für sich oder zusammen die Entscheidungen der Adressaten maßgeblich
beeinflussen können (Satz 1). Als grober Anhaltspunkt gilt gemäß Satz 2 der Regelung,
dass die prüfende Instanz eine falsche Angabe bezüglich der Gesamtemissionen dann
als wesentlich bezeichnen wird, wenn durch diese die Zahl der Auslassungen,
Falschdarstellungen oder Fehler in Bezug auf die Gesamtemissionen 5 % überschreitet.
All dem liegt zugrunde, dass eine in jeder Hinsicht zutreffende eindeutige Bestimmung
der Menge des in einem Jahr emittierten Treibhausgases nur schwerlich getroffen werden
kann und daher dem prüfenden Sachverständigen trotz aller Vorgaben ein gewisser
Entscheidungsspielraum verbleiben muss, der zwar eine abschließende und im Zweifel
verbindliche behördliche Kontrolle der Emissionsberichte nicht ausschließt, für den
Anlagenbetreiber jedoch eine verlässliche Einschätzung hinsichtlich der Festsetzung bzw.
Nichtfestsetzung einer Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG erlaubt.
Dem entsprechen die Anforderungen bezüglich Unabhängigkeit und Sachkunde, die
sowohl die Emissionshandelsrichtlinie (Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Anhang V Nr. 11 EH-RL) als
auch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (§ 5 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Anhang 4
TEHG) an die Person des Sachverständigen stellen.
Die Emissionshandelsrichtlinie überlässt es bei Wahrung dieser Anforderungen den
Mitgliedstaaten, mit der Prüfung der Emissionsberichte Private oder aber staatliche
Behörden zu betrauen (vgl. hierzu Nr. 16 der Begründung des Kommissionsentwurfs, a.
a. O. S. 15).
Dass die Bundesrepublik von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, etwa den
Landesimmissionsschutzbehörden die jährliche Prüfung aller Berichte zu übertragen,
kann weder zu einer Abwertung der Stellung des prüfenden Sachverständigen noch zu
einer Verschärfung des Anwendungsbereichs des § 18 Abs. 1 TEHG führen. Würde eine
Landesbehörde einen Emissionsbericht als ordnungsgemäß testieren, etwa, weil sie eine
Zweifelsfrage in Übereinstimmung mit dem Anlagenbetreiber beantwortet, diese von der
DEHSt bei der späteren Prüfung jedoch anders entschieden wird, läge es fern, dem
Anlagenbetreiber dennoch eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG aufzuerlegen
und ihn etwa mit einem Anlagenbetreiber gleich zu behandeln, der bewusst entgegen
einem testierten Bericht nicht genügend Berechtigungen abgibt.
4.
von der Beklagten angenommenen Anwendungsbereichs der Sanktionsregelung. Sie
bezweckt, es für Anlagenbetreiber wirtschaftlich unattraktiv zu machen, sich der
Teilnahme am Emissionshandel ganz zu entziehen oder zumindest einen
wirtschaftlichen Vorteil daraus zu ziehen, dass die notwendigen Berechtigungen erst
nach dem Stichtag 30. April abgegeben werden (vgl. die zu I.1 bereits zitierte
Begründung des Kommissionsentwurfs zu Art. 16 EH-RL sowie die Begründung des
Gesetzentwurfs zu § 18 Abs. 1 TEHG: „zusätzliche(r) wirtschaftliche(r) Anreiz zur
Durchsetzung des Emissionshandels“, BT-Drucks. 15/2328 S. 16).
Der Durchsetzung der Berichtspflicht dient demgegenüber die Regelung des § 17 TEHG
(vgl. die amtliche Überschrift sowie die Begründung des Gesetzentwurfs, a. a. O. S. 15).
Wie die Kammer im Urteil vom 28. Mai 2010 (VG 10 K 39.09) bereits ausgeführt hat,
hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 13. Februar 2004 zum Entwurf des §
18 Abs. 2 Satz 1 TEHG angeregt, für den Fall, dass der Emissionsbericht inhaltliche
Fehler enthält, dort nach dem Wort ‚berichtet’ die Wörter ‚oder diese nicht
ordnungsgemäß ermittelt’ anzufügen (BT-Drucks. 15/ 2540, S. 12). Die Bundesregierung
ist dem entgegengetreten mit der Begründung:
„Eine Schätzung als Sanktionsgrundlage sollte aus verfassungsrechtlichen
Gründen der Ausnahmefall bleiben. Bei nicht ordnungsgemäßer Ermittlung der
Emissionen greift zunächst die Sanktion des § 17.“ (BT-Drucks. 15/2540, S. 18)
Dem ist der Gesetzgeber gefolgt. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass auch die
Bundesregierung lediglich „zunächst“ die Sanktion des § 17 TEHG für ausreichend
befunden, eine Schätzung also nicht auch für den Fall ausgeschlossen hat, dass ein
ordnungsgemäßer Emissionsbericht auch im weiteren Verfahren nicht vorgelegt wird. Mit
dem erkennbaren Bemühen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des § 18 TEHG
aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einzugrenzen (siehe hierzu auch wiederum zu I.1),
wäre es indes nicht vereinbar, etwa an die Vorlage eines unerkannt inhaltlich
fehlerhaften Emissionsberichtes und die fristgerechte Abgabe einer dementsprechenden
Zahl von Zertifikaten (vgl. etwa den dem Verfahren VG 10 K 39.09 zugrunde liegenden
Fall) ohne Weiteres die Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG zu knüpfen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass sich auch die endgültige Abgabepflicht des
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Das bedeutet allerdings nicht, dass sich auch die endgültige Abgabepflicht des
Anlagenbetreibers auf die Anzahl von Berechtigungen beschränkt, die zum Ausgleich der
fehlerhaft ermittelten Menge von Emissionen im Vorjahr erforderlich ist. Dem erklärten
Willen des Richtlinien- wie Gesetzgebers sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
und dem Gleichheitsgebot lässt sich vielmehr auch mit folgendem Verständnis des
Regelungsgefüges des § 18 TEHG Rechnung tragen:
Gibt der Anlagenbetreiber bis zum 30. April des Folgejahres einen durch den
Sachverständigen als zufriedenstellend testierten Emissionsbericht für das Vorjahr und
eine dem entsprechende Anzahl von Berechtigungen ab, kann gegen ihn eine
Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG nicht festgesetzt werden.
Die Pflicht nach § 6 Abs. 1 TEHG beschränkt sich in diesem Fall zunächst auf die Abgabe
der Anzahl von Berechtigungen, die der im testierten Bericht ausgewiesenen Menge von
Emissionen entspricht. Stellt sich dieser Emissionsbericht bei der Prüfung durch die
Landesbehörde nach § 5 Abs. 4 TEHG oder durch die Beklagte als nicht
„ordnungsgemäß“ im Sinne des § 18 Abs. 2 TEHG heraus, weil er den Vorgaben des
TEHG und der Monitoring-Leitlinien nicht entspricht, kann die Beklagte den
Anlagenbetreiber zur Abgabe eines diesen Fehler vermeidenden testierten Berichts
auffordern. Legt der Anlagenbetreiber diesen Bericht vor, konkretisiert die darin
ausgewiesene Menge von Emissionen nunmehr die Pflicht zur Abgabe von
Berechtigungen. Dies gilt bei der gebotenen einschränkenden Interpretation des § 18
Abs. 1 Satz 1 TEHG allerdings nicht für die Festsetzung der Sanktion, sondern allein für
die nach § 18 Abs. 3 TEHG fortbestehende Pflicht zur Abgabe von Berechtigungen.
Von der Möglichkeit einer solchen ‚Korrektur’ der Emissionsberichte gehen offensichtlich
auch Art. 29 Abs. 6 der Registerverordnung vom 7. Oktober 2010 (Amtsblatt der EU L
270/1; fortan: Registerverordnung 2010) sowie die Monitoring-Leitlinien vom 18. Juli 2007
(Amtsblatt der EU L 229/1) aus. In diesen heißt es zu 10.4.2 lit. e) Abs. 1, ein jährlicher
Emissionsbericht gilt als zufrieden stellend geprüft, wenn die Angaben zu den
Gesamtemissionen keine wesentlichen Falschangaben enthalten und wenn nach
Auffassung der Prüfstelle keine wesentlichen Nichtkonformitäten vorliegen. Im Falle
unwesentlicher Nichtkonformitäten oder unwesentlicher Falschangaben kann die
Prüfstelle diese im Prüfbericht vermerken als „Überprüfung zufrieden stellend bei
unwesentlichen Nichtkonformitäten oder unwesentlichen Falschangaben“.
Nach Absatz 2 der Regelung ist das Testat bei wesentlichen Nichtkonformitäten oder
Falschangaben zu verweigern.
Nach Absatz 3 der Norm tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die
Anlagenbetreiber „Nichtkonformitäten und Falschangaben“ – also sämtliche, nicht
lediglich ‚wesentliche’ – nach Rücksprache mit der zuständigen Behörde innerhalb einer
von der zuständigen Behörde gesetzten Frist beheben. Sie tragen ferner dafür Sorge,
dass Meinungsunterschiede zwischen Anlagenbetreibern, Prüfstellen und zuständigen
Behörden eine ordnungsgemäße Berichterstattung nicht verhindern und in Einklang mit
der Emissionshandelsrichtlinie, den Monitoring-Leitlinien und den nationalen Vorschriften
beigelegt werden. Letzteres sahen auch bereits die Monitoring-Leitlinien 2004 vor (siehe
deren Nr. 7.4 letzter Absatz).
Nach der Praxis der Beklagten sind derartige Meinungsverschiedenheiten beizulegen,
indem der Sachverständige sein Testat unter Vorbehalt erteilt, um so eine rechtzeitige
Abgabe des Berichts zu ermöglichen und eine Kontosperrung nach § 17 Abs. 1 TEHG zu
vermeiden. Zugleich entwertet die Beklagte jedoch das Testat des Sachverständigen
und setzt den Anlagenbetreiber dem Risiko aus, bei einer etwaigen Klärung des
Streitpunktes zu seinen Lasten nicht nur eine weitere Anzahl von Berechtigungen
abgeben zu müssen, sondern im Umfang dieser Berechtigungen mit einer Sanktion
nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG belegt zu werden (vgl. neben dem hiesigen Verfahren
auch den dem Verfahren VG 10 A 281.08 zugrunde liegenden Fall, in dem die Beklagte
von Beginn an einen Berichtsfehler annahm, dem Sachverständigen aber gleichwohl
empfahl, das Testat – unter Vorbehalt – zu erteilen). Nach Auffassung der Kammer wird
dieses Vorgehen weder den Vorgaben der Leitlinien noch dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit gerecht.
Sind sich die Beklagte und der Sachverständige darüber einig, dass entgegen der
Auffassung des Anlagenbetreibers ein Emissionsbericht einen wesentlichen Fehler
enthält, ist nach Auffassung der Kammer das Testat zu verweigern. Lassen sich bis zum
31. März eines Jahres die Streitpunkte nicht klären, droht dem Anlagenbetreiber zwar
gemäß § 17 Abs. 1 TEHG die Kontosperrung. Dieser Nachteil wiegt indessen nicht so
schwer wie das Risiko, trotz des Testats des Sachverständigen mit einer Sanktion nach §
18 Abs. 1 Satz 1 TEHG belegt zu werden.
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Lassen sich auch bis zum Ablauf des 30. April eines Jahres die Streitpunkte nicht
beilegen, bleibt dem Anlagenbetreiber, will er eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1
TEHG ausschließen, nichts anderes übrig, als eine solche Anzahl von Berechtigungen
abzugeben, wie sie nach Ansicht der Beklagten und/oder des Sachverständigen zur
Abdeckung der Emissionen im Vorjahr erforderlich wäre.
Zwar droht dem Anlagenbetreiber in einem solchen Falle die Schätzung nach § 18 Abs. 2
TEHG. Zu einer solchen Schätzung sieht sich die Beklagte jedoch nach ihrem
Verständnis der Regelungen auch dann berechtigt an, wenn der Emissionsbericht durch
den Sachverständigen als zufriedenstellend testiert wurde.
Der Beklagten ist zuzugeben, dass der Anlagenbetreiber auch nach ihrer
Rechtsauffassung und Praxis eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG vermeiden
kann, indem er vorsorglich dem jeweiligen Vorbehalt des Sachverständigen
entsprechend mehr Berechtigungen abgibt, als nach den testierten Gesamtemissionen
im Vorjahr erforderlich wären, und bei einer späteren Klärung zu seinen Gunsten eine
Verrechnung nach der Registerverordnung vornimmt (vgl. Art. 55 der
Registerverordnung vom 21. Dezember 2004 – Amtsblatt der EU L 386/1 – bzw.
nunmehr Art. 31 Abs. 1 der Registerverordnung 2010).
Eine solche vorsorgliche Abgabe von g. g. f. überzähligen Berechtigungen ist jedoch von
vornherein nicht kalkulierbar, soweit Fehler bei der Berichterstattung unterlaufen sind,
die sowohl dem Anlagenbetreiber als auch dem Sachverständigen verborgen geblieben
sind. Die Beklagte sieht sich jedoch auch in derartigen Fällen dazu berechtigt an, eine
Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG zu verhängen (vgl. etwa die den Verfahren VG 10
K 39.09, 10 K 75.09 und 10 K 130.09 zugrunde liegenden Sachverhalte), was nach
Auffassung der Kammer zu unvertretbaren Ergebnissen führt.
Fällen vorsätzlicher Erschleichung des positiven Testats des Sachverständigen oder gar
des kollusiven Zusammenwirkens von Anlagenbetreiber und Sachverständigem bei der
Erstellung fehlerhafter Emissionsberichte ist nach Auffassung der Kammer mit den
Mitteln des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts zu begegnen. Nicht ordnungsgemäß
arbeitenden Sachverständigen kann darüber hinaus die Akkreditierung entzogen
werden.
Wollte man sich trotz allem wegen des Wortlauts des § 18 Abs. 1 und 2 TEHG und
insbesondere wegen der Fiktion des § 18 Abs. 2 Satz 2 TEHG, wonach die Schätzung
unwiderlegliche Basis für die Verpflichtung nach § 6 Abs. 1 TEHG ist, daran gehindert
sehen, dem Verständnis der Kammer vom Regelungsgefüge des § 18 TEHG zu folgen,
bliebe angesichts der Motive des Richtliniengebers und des Bundesgesetzgebers und
angesichts der unions- wie national verfassungsrechtlichen Vorgaben allein, sich der
Auffassung der Klägerinnen der Parallelverfahrens (VG 10 K 35.09 und 10 K 75.09)
anzuschließen, nach der nicht nur eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG
ausgeschlossen wäre, sofern fristgerecht eine dem testierten Emissionsbericht
entsprechende Anzahl von Berechtigungen abgegeben wurde, sondern auch eine
Korrektur des mit dem Testat des Sachverständigen als ‚zufriedenstellend’ versehenen
Emissionsberichts sowie eine Schätzung nach § 18 Abs. 2 TEHG. Eine solche käme
danach nur in Betracht, sofern überhaupt kein mit dem Testat des Sachverständigen als
‚zufriedenstellend’ versehener Emissionsbericht abgegeben wurde. Für eine so
weitgehende Einschränkung der Befugnisse der Beklagten besteht nach dem
Verständnis der Kammer jedoch keine Notwendigkeit.
5.
Beklagte abgegeben hat, die der im mit dem Testat des Sachverständigen als
‚zufriedenstellend’ versehenen Emissionsbericht ausgewiesenen Menge von
Kohlendioxidemissionen im Jahre 2006 entsprach, durfte nach Allem die Beklagte gegen
sie eine Sanktion nach § 18 Abs. 1 Satz 1 TEHG nicht verhängen. Der angefochtene
Bescheid war daher hinsichtlich der Festsetzung der Zahlungspflicht gemäß § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO aufzuheben.
Darauf, ob dieses Testat wegen der nur geringen Auswirkung auf die Anzahl der
Gesamtemissionen zu Recht erteilt wurde oder aber wegen der schlichten Unmöglichkeit
‚negativer’ Kohlendioxidemissionen hätte verweigert werden müssen, kommt es dabei
nicht an.
Auch musste die Kammer dem Vortrag der Klägerin nicht weiter nachgehen, der
sachverständige Prüfer habe vor der Verifizierung des Berichtes die Berücksichtigung der
Bestandskorrektur als ‚negative Emissionen’ mit einem Mitarbeiter der DEHSt mündlich
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Bestandskorrektur als ‚negative Emissionen’ mit einem Mitarbeiter der DEHSt mündlich
abgestimmt, weshalb ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 TEHG
vorliege.
II.
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gemäß §§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO war wegen der
grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung zuzulassen.
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