Urteil des VG Berlin vom 07.02.2006

VG Berlin: aufschiebende wirkung, versetzung, disziplinarverfahren, vollziehung, beurteilungsspielraum, entlastung, referat, link, sammlung, quelle

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Gericht:
VG Berlin 28.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
28 A 98.06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 1 Abs 2 S 3 StPoolG BE
Versetzung zu einem Stellenpool; Feststellung der
Zugehörigkeit zum Personalüberhang; Disziplinarverfahren
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage VG 28 A 32.06 gegen den Bescheid des
Polizeipräsidenten in Berlin vom 7. Februar 2006 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1950 geborene Antragsteller trat 1969 in den Polizeiverwaltungsdienst des Landes
Berlin und wurde 1977 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Er wurde zuletzt 1999 zum
Polizeioberamtsrat (BesGr. A 13 S) befördert und war als Gruppenleiter in der
Bußgeldstelle (ZSE V) tätig. Im Oktober 2004 wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren
wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung von nachgeordneten Mitarbeitern
eingeleitet, das im September 2005 zur Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 1.500
Euro führte. Das parallel dazu eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen
des Verdachts der Beleidigung auf sexueller Grundlage wurde im Februar 2005 wegen
eines Verfahrenshemmnisses (fehlender bzw. nicht fristgerechter Strafantrag)
eingestellt. Im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren wurde der Antragsteller im
Oktober 2004 von seinen bisherigen Aufgaben entbunden und sollte seinen Dienst bei
einer anderen Dienststelle (ZSE DL) verrichten. In der Folgezeit war er weitgehend
dienstunfähig erkrankt.
Im November 2005 teilte der Polizeipräsident in Berlin dem Antragsteller mit, im
Zusammenhang mit der Realisierung von Sparauflagen sowie aus Gründen, die in der
Person des Antragstellers lägen, sei die Wahrnehmung der von ihm bisher ausgeübten
Tätigkeit neu organisiert worden. Infolgedessen werde die bisher dem Aufgabengebiet
zugewiesene Planstelle mit dem Haushalt 2007 eingespart und als künftig wegfallend
ausgewiesen. Für den Antragsteller bestehe keine adäquate Verwendungsmöglichkeit
mehr im Bereich der Polizeibehörde. Da vergleichbare Aufgabengebiete innerhalb des
Leistungs- und Verantwortungszentrums nicht vorhanden seien, werde eine
Sozialauswahl auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift zur Auswahl von
Beschäftigten zum Personalüberhang vom Juni 2005 nicht durchgeführt. Dies bedeute,
dass die Voraussetzungen für die Zuordnung des Antragstellers zum Personalüberhang
erfüllt seien und seine Versetzung zum Zentralen Personalüberhangmanagement
(Stellenpool) beabsichtigt sei.
Nachdem der Antragsteller die Gelegenheit zur Stellungnahme nicht genutzt hatte,
wurde er mit Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 7. Februar 2006 mit Wirkung
vom 1. Juni 2006 zum Stellenpool versetzt. Hiergegen erhob er Klage, die zum
Aktenzeichen VG 28 A 32.06 anhängig ist.
Am 4. Juli 2006 hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage
festzustellen. Nachdem der Antragsgegner vorsorglich mit Bescheid vom 1. August
2006 die sofortige Vollziehung seiner Versetzungsverfügung angeordnet hat, hat der
Antragsteller erneut um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebeten. Er ist der
Auffassung, die Versetzung zum Stellenpool sei bereits deswegen rechtswidrig, weil die
zugrunde liegenden Vorschriften mit höherrangigem Recht nicht vereinbar seien. Zudem
sei seine Versetzung willkürlich, da seine Stelle zunächst im Stellenplan nicht als
Sparstelle vorgesehen gewesen sei. Eine Versetzung nicht zum Zwecke der
Weitervermittlung, sondern zur Beseitigung eines „Spannungsherdes“ sei
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Weitervermittlung, sondern zur Beseitigung eines „Spannungsherdes“ sei
ermessensfehlerhaft und damit willkürlich. Schließlich sei die Entscheidung auch deshalb
nicht nachvollziehbar, weil im Lande Berlin mit allen Stellen der Besoldungsgruppe A 13
S auch Führungsaufgaben verbunden seien.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage VG 28 A 32.06 gegen den Bescheid des
Antragsgegners vom 7. Februar 2006 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält die Vorschriften über die Versetzung zum Stellenpool grundsätzlich für recht- und
verfassungsmäßig und meint, auch die Versetzung des Antragstellers sei nicht zu
beanstanden. Mit der Inbetriebnahme eines neuen Verfahrens zur Bearbeitung von
Verkehrsordnungswidrigkeiten und Bußgeldeinziehung seien im Bereich der
Bußgeldstelle erhebliche organisatorische Umstrukturierungen erfolgt, die auch zu
größeren Personalmitteleinsparungen geführt hätten. Der Hauptausschuss des
Abgeordnetenhauses habe im September 2001 beschlossen, insgesamt 177 Stellen in
der Bußgeldstelle einzusparen. Im Rahmen seines Organisationsermessens habe der
Dienstherr die Stelle des Antragstellers zur Personaleinsparung angemeldet. Eine
Sozialauswahl habe nicht durchgeführt werden müssen, da vergleichbare
Aufgabengebiete innerhalb des Leistungs- und Verantwortungszentrums der Abteilung V
der ZSE nicht vorhanden seien. Der Antragsteller sei aus persönlichen Gründen nicht für
Führungsaufgaben einsetzbar. Die Aufgabengebiete eines Polizeioberamtsrates der
Besoldungsgruppe A 13 S erforderten im gesamten Verwaltungsbereich der
Polizeibehörde regelmäßig auch die Wahrnehmung von Führungsverantwortung. Daher
bestehe für den Antragsteller keine adäquate, seinem Amt entsprechende
Verwendungsmöglichkeit. Nur durch das Zentrale Personalüberhangmanagement sei
die schnellstmögliche Vermittlung des Antragstellers in eine amtsadäquate Tätigkeit im
Land Berlin möglich.
II.
Der Antrag, der sinngemäß als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der
gegen die Versetzung zum Stellenpool gerichteten Klage aufzufassen ist (vgl. dazu
ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2007 - OVG 4 S 8.06 -,
vorgesehen zur Veröffentlichung in juris), hat Erfolg. Das private Interesse des
Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung, weil erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der Versetzung des Antragstellers zum Stellenpool bestehen.
Die Kammer teilt allerdings nicht die Bedenken des Antragstellers gegen die
gesetzlichen Grundlagen für die Versetzung zum Stellenpool. Das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 14. November 2006
(OVG 4 B 15.04, veröffentlicht in juris) entschieden, dass die Rechtsgrundlage der
Versetzung zum Stellenpool (§ 1 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes zur Errichtung eines
Zentralen Personalüberhangmanagements [Stellenpool] vom 9. Dezember 2003 [GVBl.
S. 589] - Stellenpoolgesetz/StPG) mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Dieser
Auffassung hat sich die Kammer angeschlossen. Bei der im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung bestehen jedoch erhebliche
Zweifel, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Versetzung zum Stellenpool im
Falle des Antragstellers vorliegen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 StPG werden
Personalüberhangkräfte zum Zentralen Personalüberhangmanagement versetzt. Der
Antragssteller ist zwar Personalüberhangkraft, es bestehen jedoch erhebliche Bedenken
gegen die Rechtmäßigkeit dieser Zuordnung. Zwar ist die Entscheidung über den Wegfall
oder die Verlagerung behördlicher Aufgaben als behördeninterne
Organisationsmaßnahme allein daraufhin überprüfbar, ob die Gründe des Dienstherrn für
diese Entscheidung willkürlich sind, und dem Dienstherrn steht auch bei einer Auswahl
unter mehreren Dienstkräften ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. im einzelnen OVG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2006, a.a.O.). Es erscheint hier jedoch
bereits zweifelhaft, ob der vom Antragsgegner behauptete Wegfall des früher dem
Antragsteller zugewiesenen Aufgabengebiets tatsächlich als Folge organisatorischer
Sparmaßnahmen anzusehen ist und damit auf einem sachlichen Grund (im Sinne des
Stellenpoolgesetzes) beruht. Soweit der Antragsgegner sich auf einen Beschluss des
Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses und eine Vorlage der Senatsverwaltung für
Inneres vom 20. September 2001 beruft, beziehen sich die dort aufgeführten
Einsparungen von insgesamt 177 Stellen im Referat Verkehrsordnungswidrigkeiten und
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Einsparungen von insgesamt 177 Stellen im Referat Verkehrsordnungswidrigkeiten und
Bußgeldstelle des Landespolizeiverwaltungsamtes auf die Jahre 2002 bis 2004. Dass
aufgrund dieser Umstrukturierungsmaßnahmen im Jahre 2005 eine Stelle der Wertigkeit
A 13 S eingespart werden konnte und sollte, ist nicht plausibel dargetan. Jedenfalls aber
wäre in diesem Fall eine Auswahl zwischen den Inhabern entsprechender Dienstposten
zu treffen gewesen. Die vom Antragsgegner offensichtlich vorrangig angestellte
Überlegung, dass der Antragsteller aufgrund der im Disziplinarverfahren bekannt
gewordenen Vorgänge für Führungsaufgaben im Personalverwaltungsbereich auf
absehbare Zeit nicht geeignet sei und daher nicht amtsangemessen beschäftigt werden
könne, stellt keine sachgerechte Erwägung im Rahmen einer Auswahl bei der Zuordnung
zum Personalüberhang und der anschließenden Versetzung zum Stellenpool dar. Ziel
des Stellenpoolgesetzes ist nicht die „Entlastung“ der Behörden von unter Umständen
schwer verwendbaren Mitarbeitern, sondern die Vermittlung der bereits dem
Personalüberhang zugeordneten Beamten auf eine dauerhafte amtsangemessene
Beschäftigung bei einer (anderen) Behörde des Landes Berlin. Der Argumentation des
Antragsgegners ist zudem entgegenzuhalten, dass alle Dienstposten der
Besoldungsgruppe A 13 S und damit des Spitzenamtes im gehobenen Dienst im Lande
Berlin mit Führungsverantwortung verbunden sein dürften, so dass der Antragsteller (die
Richtigkeit des Ansatzes des Antragsgegners unterstellt) im Stellenpool nicht
vermittelbar wäre und damit auf unabsehbare Dauer von der Übertragung eines neuen
amtsangemessenen abstrakt-funktionellen Amtes ausgeschlossen wäre. Dies
widerspricht aber dem Sinn und Zweck des Stellenpoolgesetzes (vgl. auch dazu OVG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2006, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 2 GKG.
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