Urteil des VG Berlin vom 05.03.2008

VG Berlin: anspruch auf einbürgerung, öffentliches interesse, recht auf bildung, recht auf leben, islam, neue ausgabe, wörtliche auslegung, anhänger, gesellschaft, verfassungsschutz

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Gericht:
VG Berlin 2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 A 48.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 1 RuStAG, § 9 Abs 1
RuStAG, § 10 Abs 1 RuStAG, §
11 Abs 1 Nr 1 RuStAG, § 40c
RuStAG
Einbürgerung; Tablighi Jamaat
Leitsatz
Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen die Annahme, dass die islamische Bewegung
Tablighi Jamaat Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung gerichtet sind (wie VGH München, Urteil vom 5. März 2008 - 5 B 05.1449 -).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf
Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der im Jahre 1966 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er ist mit einer
deutschen Staatsangehörigen verheiratet und hat neun Kinder, die ebenfalls deutsche
Staatsangehörige sind.
Am 15. September 2005 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Die
Senatsverwaltung für Inneres und Sport informierte den Kläger mit Schreiben vom 12.
Dezember 2006, dass ihr der Einbürgerungsantrag zur Entscheidung vorliege, weil
Anhaltspunkte für die Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch den
Kläger bestünden. Der Kläger sei nach Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes
und des Landeskriminalamtes Berlin – Polizeilicher Staatsschutz – aktives Mitglied der
islamistischen Organisation „Tablighi Jamaat“ (im Folgenden: TJ), deren Bestrebungen
zur Errichtung eines „Gottesstaates“ im Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung stünden. Der Kläger habe bereits 1994 an
einer Missionsreise der TJ teilgenommen und sich insbesondere Ende April 2004 und
Ende April 2005 an den Deutschlandtreffen der TJ beteiligt. Ferner sei aufgefallen, dass
der Kläger vier seiner acht Kinder jeweils im einschulungsfähigen Alter nach Sialkot in
Pakistan abgemeldet habe. Daher bestehe der Verdacht, dass er seine Kinder dem
deutschen Schulwesen entziehe, damit diese keine Erziehung nach den hiesigen
freiheitlich demokratischen Grundwerten erhalten. Der Kläger räumte mit Schreiben
seines Verfahrensbevollmächtigten vom 31. Januar 2007 ein, dass er als Anhänger der TJ
bemüht sei, jungen Muslimen, die Probleme mit Drogen und/oder Kriminalität hätten, zu
helfen, diese Probleme mit Hilfe des Glaubens zu überwinden. Bei der TJ handele es sich
um eine unpolitische Bewegung, die keine staatlichen Ziele wie etwa die Errichtung eines
Gottesstaates verfolge, und junge Muslime im privaten Leben zur islamischen
Lebensweise anrege. Es sei entgegen der Darstellung einiger
Verfassungsschutzbehörden unrichtig, dass die TJ terroristische Bestrebungen
unterstütze. Soweit einzelne terroristische Akteure die Strukturen der TJ missbraucht
hätten, könne der TJ und ihren Mitgliedern daraus kein Vorwurf gemacht werden. Er lehne
Gewalt zur Erreichung politischer oder religiöser Ziele ab. Ihm sei persönlich auch
niemand bekannt, der durch TJ zum Terrorismus verleitet worden sei. Sein religiöses
Verständnis sei völlig unpolitisch und lasse sich mit der freiheitlich demokratischen
Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sehr wohl vereinbaren. Er befürworte das
Grundrecht der freien Religionsausübung und lebe in Toleranz zu den Anhängern anderer
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Grundrecht der freien Religionsausübung und lebe in Toleranz zu den Anhängern anderer
Religionen. Er meine, dass Frauen und Männer in allen Lebensbereichen gleichberechtigt
sein sollten und praktiziere diese Gleichberechtigung auch in seiner Ehe und bei der
Erziehung seiner Kinder. Vor der Einschulung seiner ältesten Tochter habe er mit seiner
Ehefrau lange über die Wahl der richtigen Schule gesprochen, wobei der Besuch einer
Schule im innerstädtischen Bereich in Wohnungsnähe wegen der allgemein bekannten
Probleme in Berlin-Neukölln ausgeschieden sei. Auch im Hinblick auf das im
internationalen Vergleich niedrige Bildungsniveau an den öffentlichen Schulen in
Deutschland sei dann die Entscheidung für einen Schulbesuch in Pakistan gefallen. Seine
Kinder besuchten ganz normale staatliche Schulen, die demokratische Werte
unterrichteten.
Mit Bescheid der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 10. April 2007 lehnte der
Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er im
Wesentlichen an, der Anspruch auf Einbürgerung sei nach § 11 Nr. 2 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) ausgeschlossen, weil der Kläger sich offen zu
seiner Mitgliedschaft in der TJ bekenne, bei der es sich nach den vorliegenden
Erkenntnissen um eine islamistische Organisation handele, die ein weltweites
islamisches Staatswesen errichten wolle, in dem die Rechtsordnung der Schari’a
Anwendung finde und das Primat der Religion gelte. Solche Bestrebungen stünden im
Widerspruch zu wesentlichen Verfassungsprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit,
Gewaltenteilung und Wahrung individueller Grundrechte. Auch eine
Ermessenseinbürgerung komme nicht in Betracht. Ein öffentliches Interesse an der
Einbürgerung des Klägers sei schon deshalb nicht ersichtlich, weil der Ausschlussgrund
des § 11 Nr. 2 StAG erfüllt sei.
Mit der am 10. Mai 2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er
macht geltend, dass er die verfassungsmäßige Grundordnung der Bundesrepublik
Deutschland voll und ganz unterstütze und auf der Grundlage seines Grundrechts auf
freie Religionsausübung für die TJ aktiv werde. Bei der TJ handele es sich nach den
Erkenntnissen des Islamwissenschaftlers Privatdozent Dr. Reetz um eine Bewegung, die
sich in erster Linie an Muslime selbst richte und keine politischen oder gesellschaftlichen
Ziele verfolge. Dieser Wissenschaftler und Prof. Dr. Schiffbauer hätten in öffentlichen
Äußerungen klar gegen die Fehleinschätzung der Verfassungsschutzbehörden Position
bezogen und verdeutlicht, dass muslimische Organisationen hilfreich seien, um
Menschen mit Migrationshintergrund von kriminellen Handlungen abzuhalten und an die
europäische Gesellschaft heranzuführen. Staatliche Behörden in Europa würden die
Taten einiger radikaler Mitglieder auf die gesamte Missionsbewegung beziehen, obwohl
die weltweit geschätzten 12- 15 Millionen Anhänger der TJ Gewalt und Terror entschieden
ablehnten. TJ sei heute eine der größten weltweit agierenden islamischen Bewegungen.
Der Erfolg beruhe auf den klaren Prinzipien, die viele Anhänger bei der
Wiederentdeckung der Religion angesprochen hätten. Zu den sechs Grundsätzen
religiöser Lebensführung zählten das richtige Beten und andere religiöse Rituale, das
gründliche und regelmäßige Lesen der Grundtexte des Islam (Koran und
Prophetentraditionen), die Achtung für andere Muslime, ein gottgefälliges Leben und die
Pilgerreisen, die der Verbreitung des Islam und der Festigung des individuellen Glaubens
dienten. Grundsätzlich konzentriere sich TJ darauf, ein religiöses Leben im Rahmen der
mündlich überlieferten Lehre zu vermitteln. Er besuche im Übrigen keine der TJ
zuzurechnende Moschee, sondern die türkische Mimar-Sinan-Moschee in der Nähe
seiner Wohnung.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Senatsverwaltung für
Inneres und Sport vom 10. April 2007 zu verpflichten, ihn einzubürgern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält unter Bezugnahme auf die vorgelegte Broschüre „Islamismus – Diskussion eines
vielschichtigen Phänomens“ der Senatsverwaltung für Inneres - Abteilung
Verfassungsschutz - im Wesentlichen aus den Gründen des Bescheides vom 10. April
2007 daran fest, die Einbürgerung des Klägers abzulehnen. Die TJ werde von ihm als
islamistisch eingeschätzt, weil sie sich von der heutigen Welt abwende und mit einem
absoluten Wahrheitsanspruch die Anwendung der Regeln der Schari’a in einem
mittelalterlichen Verständnis in allen Lebensbereichen fordere. Eine
Ermessenseinbürgerung komme nicht in Betracht, denn das Ermessen sei auf Null
reduziert, weil der Ausschlussgrund des § 11 Nr. 2 StAG erfüllt sei. Dabei sei es
unerheblich, dass der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist.
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Die Kammer hat folgende Erkenntnismittel in das Verfahren eingeführt:
Verfassungsschutzbericht (im Folgenden: VB) des Bundes 2008, VB Berlin 2008, VB
Bayern 2007, VB Bayern 2008, Verfassungsschutzinformationen Bayern 1. Halbjahr
2008, VB Bayern 2009, VB Hessen 2008, VB Nordrhein-Westfalen 2008 und 2009;
Auszug aus http://de.wikipedia.org, Stichwort: Schari’a; Aufsatz von Prof. Dr. Rohe
„Islamisten und Schari’a“ in der vom Beklagten vorgelegten Schrift „Islamismus –
Diskussion eines vielschichtigen Phänomens“.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Streitakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die
vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Ablehnung der Einbürgerung des
Klägers ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5
VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Einbürgerung noch auf
Neubescheidung seines Antrages vom 15. September 2005.
Nach der Übergangsregelung in § 40c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die bis zum
30. März 2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und 40c StAG weiter in der vor dem
28. August 2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen
enthalten. Danach sind als Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auch die
früher geltenden -günstigeren - Fassungen der vorgenannten Vorschriften
heranzuziehen, denn der Kläger hat seine Einbürgerung am 15. September 2005
beantragt.
I. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I
S. 1950) – im Folgenden: StAG a. F. – ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig
seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag einzubürgern, wenn er die in
den Nummern 1 bis 5 der Regelung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und der
Anspruch nicht nach § 11 StAG a.F. ausgeschlossen ist. Hieran fehlt es, da beim Kläger
der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. vorliegt.
Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. (der für den Kläger in der Rechtsfolge günstiger ist)
besteht ein Anspruch auf Einbürgerung nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die
Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder
verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung,
den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine
ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes
oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von
Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der
Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft,
dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen
abgewandt hat. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen die Annahme, dass der Kläger
durch seine Tätigkeit für die TJ Bestrebungen unterstützt, die gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung gerichtet sind.
1. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind nach der
heranzuziehenden Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) BVerfSchG
solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder
für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2
genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (vgl.
zuletzt Urteil der Kammer vom 28. Januar 2009 - VG 2 A 133.07 -).
Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen nach
§ 4 Abs. 2 BVerfSchG, das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und
Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden
Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner,
unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, die Bindung der
Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden
Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, das Recht auf Bildung und
Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre
Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, der
Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und die im Grundgesetz konkretisierten
Menschenrechte.
Bestrebungen, die auf die Errichtung eines "islamischen Staates" gerichtet sind, lassen
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Bestrebungen, die auf die Errichtung eines "islamischen Staates" gerichtet sind, lassen
sich mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbaren. Im
"islamischen Staat", dessen einendes Kriterium allein die islamische Religion, nicht aber
die Nationalität seiner Bewohner ist, müssen nach der Vorstellung heutiger islamischer
Fundamentalisten Verfassung und Gesetze auf den Vorschriften des Korans basieren
und sich alle Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens (Verwaltung,
Rechtsprechung, Sozialwesen, Erziehung und Wirtschaft) am Geist des Islam ausrichten.
Grundlage für diese islamische Staatstheorie ist die Einheit von Religion und Staat,
Politik und Glaubensgemeinschaft, wie sie unter Mohammed und den Kalifen bestanden
hat. In dieser Staatstheorie stand zunächst die Frage nach dem legitimen Staats- und
Gemeindeoberhaupt (Imam) im Vordergrund, später wurde für die Islamizität des
Staates die Durchführung des islamischen Rechts für entscheidend gehalten. Nach
westlichem Verständnis ist das Konzept der unmittelbaren Geltung der auf Gott als
Gesetzgeber zurückgehenden Schari’a im Staat mit den Prinzipien der
Volkssouveränität und der aus ihr abgeleiteten Gesetzgebungsgewalt des Parlaments
jedoch unvereinbar (vgl. VGH München, Urteil vom 5. März 2008 - 5 B 05.1499 -, juris).
Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme
rechtfertigen, die TJ verfolge gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
gerichtete Bestrebungen (vgl. auch VGH München, Urteil vom 5. März 2008 - 5 B
05.1449 - bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2009 - BVerwG 5 B 51/08 -,
beide bei juris; das vom Kläger zitierte Urteil des VGH München vom 22. Februar 2010 -
19 B 09.929 - betrifft hingegen keine Einbürgerung, sondern eine Ausweisung, bei der
nach dem AufenthG andere Voraussetzungen erfüllt sein müssen). Nach der
Überzeugung des Kammer ergibt sich aus den Erkenntnissen der
Verfassungsschutzbehörden, dem Standardwerk der TJ sowie aus einzelnen
Redebeiträgen führender TJ-Funktionäre, dass die TJ durch ihre nachhaltige
Missionierungstätigkeit die Islamisierung der Gesellschaft erreichen möchte, die
Anwendung sämtlicher Bestimmungen der Schari’a einführen will und damit die
Errichtung eines „islamischen Staates“ anstrebt.
Nach dem Verfassungsschutzbericht 2008 des Berliner Verfassungsschutzes und nach
Auffassung des Islamwissenschaftlers Dr. Dietrich Reetz („Die Missionsbewegung der
Tablighi Jama’at“, http://www.zmo.de/muslime_in_europa/downloads/Artikel/
Vortrag_Reetz.pdf) handelt es sich bei der TJ um eine 1926 in Indien gegründete
Missionierungsbewegung, die heute weltweit aktiv ist und von etwa 12- 15 Millionen
Anhängern unterstützt wird. Ihre Anhänger vertreten nach den Erkenntnissen der
Verfassungsschutzbehörden (vgl. zuletzt Verfassungsschutzberichte 2009 des
Bayrischen Verfassungsschutzes und des Landes Nordrhein-Westfalen) eine wörtliche
Auslegung des Korans und der Sunna, die Ausgrenzung der Frau und eine
Abgrenzungspolitik gegenüber Nicht-Muslimen. Das Tragen von traditioneller
Gebetskleidung und die bis in Details verbindlichen Verhaltensregeln im Alltag sollen die
absolute Hinwendung zum Propheten Mohammed ausdrücken. Charakteristisch für die
Anhänger der TJ ist eine missionarische Reisetätigkeit, bei der sie Moscheen in ganz
Europa aufsuchen. Die Missionierung dient der Rekrutierung neuer Mitglieder. Zur
Ausbildung der Anhänger gehört eine vier Monate dauernde Schulung, die vornehmlich
in Koranschulen in Pakistan absolviert wird. Die wenigsten Missionare verfügen über eine
theologische Ausbildung. Zur Missionierung nutzen ihre Anhänger auch Moscheen, die
keinen unmittelbaren Bezug zur TJ haben. Dazu dienen Veranstaltungen, bei denen die
Anhänger über Tage oder Wochen hinweg beten, den Koran studieren und indoktriniert
werden. Auch für Kinder und Jugendliche werden Koranschulungen durchgeführt.
Dr. … von der Abteilung Verfassungsschutz der Senatsverwaltung für Inneres und Sport
hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die TJ sich im Grenzbereich zum
fundamentalistischen Islam bewege, aber von den Verfassungsschutzbehörden
gleichwohl als islamistisch bewertet werde, weil sie sich an den Vorschriften des
Frühislam orientiere und eine Islamisierung der Gesellschaft anstrebe. Maßgeblich für
diese Einschätzung seien die Schriften, die die TJ zur religiösen Unterweisung verwendet.
Die TJ plädiere dabei unter anderem für die Anwendung sämtlicher Bestimmungen der
Schari’a, mithin der Bestimmungen des klassischen islamischen Prozessrechts, des
klassischen islamischen Ehe- und Scheidungsrechts sowie der sogenannten „Hadd“-
Strafen, z.B. Auspeitschen des Straftäters (Verfassungsschutzberichte des Landes
Nordrhein-Westfalen von 2008 und 2009). Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts
aus der vom Bundesamt für Verfassungsschutz (unter Beteiligung der
Verfassungsschutzämter der Länder) vorgenommenen Auswertung des von den
Anhängern der TJ bei ihrer Missionstätigkeit verwendeten Standardwerkes „Faza’il-e-
A’maal“ („Die Tugenden des Handelns“) des Mitbegründers der TJ Muhammad
Zakariyya Kaandhlawi, das dem Gericht in der mündlichen Verhandlung in urdu und in
deutsch sowie auszugsweise in englischer Sprache vorlag. Das von Ihtishaamul Hasan
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deutsch sowie auszugsweise in englischer Sprache vorlag. Das von Ihtishaamul Hasan
Kaandhlawi verfasste siebte Buch dieses Werkes – in der englischen Fassung mit dem
Titel „Muslim Degeneration and its Only Remedy“ (Die Degenerierung der Muslime und
ihr einziges Heilmittel) – enthält Aussagen zur Anwendung und Durchsetzung sämtlicher
Bestimmungen der Schari’a.
Der Verfasser der 1938 veröffentlichten Schrift „Muslim Degeneration and its Only
Remedy“ beklagt auf Seite 5 (der englischen Fassung) den Niedergang der Muslime von
einer einzigartigen Stellung der Ehre, Würde, Macht und Größe in der Vergangenheit in
eine Position des Elends und der Schande. Dies führt er darauf zurück, dass sich die
junge Generation der Muslime unter Abkehr von den Idealen des Islam westlichen
Lebensformen zugewandt habe und die heiligen Regeln der Schari’a als nicht mehr
zeitgemäß und unpraktikabel kritisiere. Als Lösungsvorschlag bezieht er sich auf die
göttlichen Regeln der Schari’a, die vollständige Vorgaben für die Gestaltung des Lebens
enthielten (Seite 6). Ausdrücklich fordert er, dass die gesetzlichen Regelungen der
„Shariat-i-Mohammadiah“ akzeptiert und praktiziert werden müssen, einschließlich der
göttlichen Befehle, die selbstverständlich auch „Amir bil maruf wa nahi anil munkar“ (das
Gute gebieten und das Schlechte verbieten) umfassten (Seite 18). Die Rückkehr zu
vergangener Größe könne über die Durchsetzung, Aufrechterhaltung und Verteidigung
der Schari’a mit aller Energie und Kraft auf dem von Mohammad gelehrten Lebensweg
erreicht werden (Seite 19).
Soweit der Kläger den in dem Werk verwendeten Begriff „Schari’a“ untechnisch als eine
Art „religiöser Lebensweg“ verstanden wissen will, ist dies nicht zur Überzeugung des
Gerichts dargetan. Die Schari’a kann zwar der für den Muslim verbindliche Wegweiser zu
einem gottgefälligen Leben einschließlich der vom Kläger angesprochenen Regeln mit
den Pflichten zum Almosengeben, zum Fasten und zur Pilgerfahrt sein. Sie umfasst aber
auch das islamische Recht mit den Regelungen auf dem Gebiet des Ehe- und
Scheidungsrechts, des Strafrechts und des Zivil- und Wirtschaftsrechts einschließlich des
jeweiligen Verfahrensrechts in einer islamischen Gemeinschaft (vgl.
http://de.wikipedia.org, Stichwort: Schari’a; Aufsatz von Prof. Dr. Rohe „Islamisten und
Schari’a“ in der vom Beklagten vorgelegten Schrift „Islamismus – Diskussion eines
vielschichtigen Phänomens“). Das Gericht folgt daher dem Vortrag des Vertreters der
Abteilung Verfassungsschutz der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Dr. F., wonach
die oben genannten Passagen im siebten Buch des Standardwerkes „Faza’il-e-A’maal“
als eindeutige Aufforderung zur Anwendung aller Bestimmungen der Schari’a zu
verstehen sind. Die in dem Werk „Faza’il-e-A’maal“ verwendeten Begriffe „Code“
(Kodex) bzw. „the Sacred Code“/„the Divine Code“ (der geheiligte Kodex) sowie die
Begriffe „the rules of law“ sprechen für eine Interpretation im Sinne eines Gesetzes.
Auch der Kontext, in dem die Durchsetzung („Enforcing“), die Verteidigung
(„Defending“) und Aufrechterhaltung („Upholding“) der Schari’a gefordert wird, spricht
für die von den Verfassungsschutzbehörden vorgenommene Interpretation; die Reform
der Gesellschaft soll durch die Anwendung der Schari’a erreicht werden, in der Hoffnung,
dass dann alle Probleme sozialer, gesellschaftlicher und politischer Art gelöst werden.
Hinzu kommt, dass die TJ eine wortgetreue Auslegung der heiligen Quellen favorisiert.
Die Vorstellung aber, dass religiöse Gesetze in einer strikten Wortlautinterpretation
unabänderlich die Rechtsordnung bestimmen, steht im Widerspruch zu wesentlichen
Verfassungsgrundsätzen der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere dem Recht des
Volkes, die Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung auszuüben, der
Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, der Bindung der
vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht sowie dem
Ausschluss jeder Willkürherrschaft.
Soweit der Kläger meint, es handele sich bei den Vorgaben zur Gestaltung der
Rechtsordnung um keine Vorschriften, die sich an den einzelnen Muslim richteten,
sondern um solche, die allein für das Staatsoberhaupt oder die Regierung verbindlich
seien, ist sein Vorbringen unerheblich. Damit verneint er zwar, dass er persönlich
verpflichtet sei, insbesondere die „Hadd-Strafen“ anzuwenden. Dies ändert jedoch
nichts daran, dass die TJ eine Gesellschaftsordnung anstrebt, in der alle rechtlichen
Regelungen der Schari’a in der von der TJ vertretenen Auslegung verbindlich wären.
Auch das weitere Vorbringen des Klägers, das siebte Buch sei eine spätere Hinzufügung
und in der Originalversion nicht enthalten, hat sich in der mündlichen Verhandlung nicht
bestätigt. Sowohl die vom Kläger selbst benutzte Ausgabe in Urdu als auch die von ihm
vorgelegte (neue) Ausgabe in deutscher Sprache enthält das siebte Buch. Nach dem
Ergebnis der mündlichen Verhandlung stimmt die von den Verfassungsschutzbehörden
ausgewertete englischsprachige Fassung an den hier maßgeblichen Stellen auch mit der
vom Kläger verwendeten Fassung in Urdu überein.
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Die Schlussfolgerungen der Abteilung Verfassungsschutz der Senatsverwaltung für
Inneres und Sport werden gestützt von Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für
Verfassungsschutz, die der Berliner Verfassungsschutz im Rahmen des Verbundes der
Verfassungsschutzämter erhalten hat. Danach wird auch in Reden herausgehobener TJ-
Funktionäre die Islamisierung der Gesellschaft und die Errichtung eines „islamischen
Staates“ (Kalifat), gefordert (zitiert nach VGH München, Urteil vom 5. März 2008 - 5 B
05.1449 - juris Rdnr. 38 bis 42):
„Einer der weltweiten Führer der TJ -Sheik Abdul Wahab - hat anlässlich des
Welttreffens der TJ vom 17. bis 19. November 2005 in Raiwind, erklärt, dass die TJ-Arbeit
in den Staaten der Ungläubigen schwierig sei. Man müsse aber durchhalten, um das
Ziel, die Errichtung eines Kalifats, zu erreichen.
Bei einem Gastbesuch einer TJ-Gruppe aus Hessen vom 19. bis 21. Mai 2006 in
Erlangen machte Roomi Sadia, einer der vier ehemaligen Emire Deutschlands, deutlich,
dass Politik, Wirtschaft und Islam eine Einheit bildeten und der Islam nie losgelöst als
Religion gesehen werden dürfe. Jeder Muslim habe seine Aufgabe zu erfüllen. Er erklärte
dies am Beispiel eines Bienenstocks. Im Bienenvolk, das hier für die Gemeinschaft der
Muslime stehe, gebe es Arbeits-, Bewacher- und Soldatenbienen. Jeder Muslim habe
seine Pflicht zu tun, um den Einfluss des Islam zu vergrößern. Die Bienen, also Muslime,
die ihre Pflicht nicht erledigten, hätten kein Recht weiterzuleben; so sei dies auch bei den
Menschen, die kein Recht auf Leben hätten, wenn sie keine Arbeit für den Islam
leisteten.
Ein Redner auf dem Deutschlandtreffen der TJ vom 5. bis 7. Juni 2006 in Berlin
behauptete, dass alle die nicht an Gott glaubten und somit nach ihren Wünschen lebten,
wie Tiere seien.
…Beim Deutschlandtreffen der TJ vom 15. bis 17. April 2005 in Hamburg wurde
demgemäß auch daran erinnert, dass jeder Lebensbereich durch die Befehle Gottes
geregelt sei. Belohnung und Bestrafung durch Gott sei durch die Scharia geregelt. Auf
diesem Jahrestreffen, bei dem hochrangige Funktionäre der TJ aus Indien und der
ehemalige Emir für Norddeutschland, Afzal Qureshi, predigten, wurde als Zielsetzung
verkündet: ‚Wir bereiten sie (die Menschheit) auf ein islamisches Leben vor, indem wir
die Umgebung dafür schaffen. Dann sendet Gott die Hidaia (Rechtleitung) der ganzen
Menschheit’.“
Diese Äußerungen zeigen, dass die TJ nicht nur in ihrem Standardwerk „Faza’il-e-
A’maal“, sondern auch aktuell die Islamisierung der Gesellschaft fordert und die
Errichtung eines islamischen Staates mit der Geltung der Schari’a anstrebt. Solche
Bestrebungen lassen sich - wie bereits ausgeführt - mit der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung nicht vereinbaren.
2. Die Aktivitäten der TJ werden vom Kläger unterstützt i. S. d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG
a.F. Unterstützen ist danach jede Handlung des Ausländers, die für die in der Vorschrift
genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist. Allerdings kann nicht jede Handlung, die
sich zufällig als für diese Bestrebungen objektiv vorteilhaft erweist, als
tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits
aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein
Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum
Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar
2007 - BVerwG 5 C 20/05 -, juris, m.w.N.). Notwendig ist insoweit ein durch tatsächliche
Anhaltspunkte gestützter Verdacht; allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch
bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht (VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 11. Juli 2002 - 13 S 1111/01 -, juris, zum inhaltlich identischen §
86 Nr. 2 AuslG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung).
Gemessen hieran ist der Kläger ein aktiver Unterstützer der TJ. Er hat in der mündlichen
Verhandlung vom 12. November 2009 eingeräumt, dass er regelmäßig an
Versammlungen der TJ teilnimmt und schon seit vielen Jahren für diese Bewegung
missioniert. Sein Werdegang entspricht nach seinen eigenen Angaben der typischen
Laufbahn eines Anhängers der TJ. Er hat die vier Monate dauernde Schulung in Pakistan
absolviert, etwa zehnmal die 40-tägige Missionsreise durchgeführt und fährt regelmäßig
in andere Städte zum Missionieren. Im Jahr 2009 hat er fünfmal die Wochenendreise
(Jama’at) gemacht. Der Kläger sieht die von der TJ verwendeten Werke „Faza’il-e-
A’maal“ und „Faza’il-e-Sadaqaat“ (Die Tugenden des Spendens) als für sich wesentliche
Erkenntnisquelle an. In der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2010 hat er sein
Exemplar des in Urdu verfassten Werks „Faza’il-e-A’maal“ (wie auch eine neu erworbene
deutsche Übersetzung dieses Buches) vorgelegt und bestätigt, dass das Werk unter den
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deutsche Übersetzung dieses Buches) vorgelegt und bestätigt, dass das Werk unter den
Anhängern der TJ verbreitet und auf Missionsreisen zusammen mit anderen Schriften
Arbeitsgrundlage ist. Ähnlich sieht dies nach seinen Angaben auch seine Ehefrau, die
diese Werke in der englischen Fassung liest. Er selbst setzt die Schriften in der
Kindererziehung ein und liest die Originalquellen mit seinen Kindern. Durch dieses
Engagement für die TJ und ihre (verfassungsfeindlichen) Ziele fördert der Kläger die
Stellung der TJ in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten), beeinflusst
begünstigend deren Aktionsmöglichkeiten und erweitert auch deren Rekrutierungsfeld.
II. Der Kläger kann nicht nach § 8 Abs. 1 StAG eingebürgert werden. Dies gilt auch,
soweit die vor dem 28. August 2007 geltende Rechtslage für den Kläger günstiger war,
weil § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. – anders als nunmehr § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG (vgl. die
amtliche Begründung, BT-Drs. 16/5065, S. 229) – seinerzeit nur einem
Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG entgegenstand, nicht aber grundsätzlich an
einer Ermessensentscheidung nach § 8 StAG hinderte. Denn das dem Beklagten nach §
8 Abs. 1 StAG eingeräumte Ermessen ist nicht dahin reduziert, dass der Kläger zwingend
eingebürgert werden müsste. Die insoweit zu beachtende ermessensleitende Regelung
des § 9 Abs. 1 StAG a.F., nach der Ehegatten Deutscher unter bestimmten
Voraussetzungen eingebürgert werden sollen, steht unter dem Vorbehalt, dass der
Einbürgerung keine erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland
entgegenstehen. Da zu diesen erheblichen Belangen auch der Schutz der freiheitlich
demokratischen Grundordnung zählt, greift § 9 Abs. 1 StAG a.F. daher jedenfalls bei
solchen Einbürgerungsbewerbern nicht, die den Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1
Nr. 2 StAG a.F. durch gegenwärtige Unterstützungshandlungen erfüllen (vgl. VG Ansbach
Urteil vom 16. Juni 2004 - AN 15 K 04.00072 -; VG Braunschweig, Urteil vom 21. Oktober
2009 - 5 A 27/08 -; VG Stuttgart, Urteil vom 21. Juli 2008 - 11 K 1941/08 -; VGH
München, Urteil vom 27. Mai 2003 - 5 B 00.1819 -, jeweils bei juris).
Die folglich durch § 9 Abs. 1 StAG a.F. nicht gebundene Ermessensentscheidung des
Beklagten weist auch sonst keine Ermessensfehler auf, die zu einem Anspruch auf
erneute Bescheidung (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) führen könnten. Zwar ist die
Erwägung der Behörde, im Hinblick auf das Vorliegen eines zwingenden
Versagungsgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. sei ein öffentliches Interesse an
der Einbürgerung nicht ersichtlich, missverständlich formuliert. In der Sache ist der
Beklagte jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass auch unter den Voraussetzungen
des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. das Ermessen dahin intendiert ist, den Anspruch
abzulehnen (vgl. VG Saarlouis, Urteil vom 17. März 2009 - 2 K 580/08 -; VGH München,
Urteil vom 27. Mai 2003 - 5 B 01.1805 -, jeweils bei juris). Eine ausdrückliche
Ermessensbetätigung der Behörde wäre daher nur erforderlich gewesen, wenn
besondere Umstände der Behörde ausnahmsweise Veranlassung für eine andere
Entscheidung hätten geben können. Solche Besonderheiten sind hier jedoch weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidungen über die
vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO, § 708
Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, da die Frage, ob die TJ
verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, über den Einzelfall des Klägers
hinausreicht.
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