Urteil des VG Berlin vom 08.07.2008

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Gericht:
VG Berlin 4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 A 336.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 ABMG, § 34 StVZO,
Art 3 Abs 1 GG
Mautpflicht einer ohne Auflieger fahrenden Sattelzugmaschine
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Mautnacherhebungsbescheid der Beklagten.
Der Kläger ist gewerblich mit internationalen Spezial- und Schwertransporten
beschäftigt. Am 2. Februar 2007 befuhr seine dreiachsige Sattelzugmaschine ohne
einen Auflieger um 1.14 Uhr die Bundesautobahn A 45 zwischen Lüdenscheid-Süd und
Meinerzhagen. Die Maschine hat ein Leergewicht von 9,5 t und ein zulässiges
Gesamtgewicht von 26 t.
Zur Nacherhebung der zuvor nicht entrichteten Maut angehört machte der Kläger
geltend, es sei kein Mautverstoß. Dazu verwies er auf eine Nutzerinformation der
Beklagten über die Funktionsweise der Fahrzeuggeräte, in der es hieß,
„Eingabe, ob der Lkw ein zulässiges Gesamtgewicht … ab 12 t oder unter 12 t
hat (falls das Fahrzeug ohne Auflieger oder Anhänger fährt und damit nicht mautpflichtig
ist)“.
Gestützt auf Erhebungsdaten des auf manuellen Modus gestellten Fahrzeuggeräts
setzte die Beklagte gegen den Kläger mit Bescheid vom 23. Mai 2007 nachträglich eine
Maut in Höhe von 44,96 € fest. Der Kläger erhob im Mai Widerspruch, berief sich auf die
Nutzerinformation und meinte, ohne Auflieger zähle nur das Leergewicht des Fahrzeugs,
da er ohne Auflieger keine Güterbeförderung durchführen könne und diese Fahrten
somit rein privat seien. Das Bundesamt für Güterverkehr wies den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 zurück, weil auch eine solo fahrende
Sattelzugmaschine mautpflichtig sei, wenn sie nach ihrer objektiven Zweckbestimmung
zum Transport von Gütern bestimmt und geeignet sei.
Der Kläger hat am 22. August 2007 Klage erhoben, zu deren Begründung er auf
Betreibensaufforderung rechtzeitig geltend macht: Zum Zeitpunkt der Fahrt sei die
Maschine privat, nicht aber für den Transport von Gütern genutzt worden. Er nutze sie
auch als Camping-Bus, um darin zu übernachten. In Luxemburg, Belgien und den
Niederlanden seien Solo-Sattelzugmaschinen mautbefreit. Es habe eine
Gleichbehandlung mit dem Ergebnis zu erfolgen, dass auch in Deutschland Mautfreiheit
für Sattelzugmaschinen bestehen müsse. Das zulässige Gesamtgewicht zähle nur in
Verbindung als Fahrzeugkombination.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2007 sowie den Widerspruchsbescheid
des Bundesamts für Güterverkehr vom 30. Juli 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie beruft sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die
angesprochene Nutzerinformation sei im Zeitpunkt der Kontrolle nicht mehr gültig
gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der
Kammer ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Ein Ausdruck des von der Beklagten elektronisch geführten Verwaltungsvorgangs hat
vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die infolge des Einverständnisses der Beteiligten gemäß den §§ 87a Abs.
2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung hat
entscheiden dürfen, ist unbegründet, weil der Bescheid rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 Satz
1 VwGO).
Die normativen Grundlagen der Mauterhebung sind in den Bescheiden zutreffend
dargelegt und hier nicht erläuterungsbedürftig.
Einzugehen ist aber auf die Frage, für welche Fahrzeuge Maut zu entrichten ist. Im
Februar 2007 war das durch § 1 Abs. 1 ABMG in der Weise geregelt, dass es um
Fahrzeuge im Sinne des Artikels 2 Buchstabe d der Richtlinie 1999/62/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von
Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge
(ABl. EG Nr. L 187 S. 42) ging. Die (anwenderunfreundlich nur) in Bezug genommene
Norm definiert „Fahrzeug“ als ein Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination, die
ausschließlich für den Güterverkehr bestimmt sind (ist) und deren zulässiges
Gesamtgewicht mindestens 12 t beträgt. Um ein solches Fahrzeug handelte es sich bei
der ohne Auflieger (solo) fahrenden Sattelzugmaschine des Klägers.
Die Definition des Begriffs „Fahrzeug“ findet sich wortgleich in Artikel 2 4.
Gedankenstrich der Richtlinie 93/89/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über die
Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von
Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten
(ABl. Nr. L 279 S. 32). Die Wortgleichheit und der sachliche Zusammenhang beider
Richtlinien drängen dazu, den Begriff in beiden Richtlinien in der gleichen Weise
auszulegen. Für die Richtlinie 93/89/EWG entschied der Europäische Gerichtshof im Urteil
vom 28. Oktober 1999 - C - 193/98 - (Pfennigmann), dass für die Frage, ob ein Fahrzeug
ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt ist, auf die generelle
Zweckbestimmung des Fahrzeugs unabhängig vom Verwendungszweck im Einzelfall
abzustellen ist. Danach war die Sattelzugmaschine des Klägers ausschließlich für den
Güterverkehr bestimmt, denn mit ihr betrieb er sein darauf gerichtetes Gewerbe. Ob er
im Zeitpunkt der Autobahnnutzung gerade keine Güter beförderte (sondern sich etwa
auf der Hinfahrt zu Gütern befand) oder überhaupt nicht beruflich tätig war (sondern
einen Ausflug machte), ist für das Merkmal der Ausschließlichkeit nach der dargestellten
Rechtsprechung unerheblich; es ändert an der generellen Zweckbestimmung des
Fahrzeugs nichts. Mit dieser ihm bekannten Rechtsprechung hat sich der Kläger nicht
auseinandergesetzt. Auch sonst sieht das Gericht keinen Grund, sie in Frage zu stellen.
Das Fahrzeug erfüllte auch das zweite Merkmal eines zulässigen Gesamtgewichts von
mindestens 12 t. Der Wortlaut verdeutlicht, dass es nicht auf ein messbares Gewicht
ankommt, sondern auf ein normativ bestimmtes, ein Gewicht, das erlaubt, nicht
gemessen wird. Dieses Verständnis korrespondiert mit dem auch europarechtlich
besetzten Begriff des „höchstzulässigen Gewichts“, das in Art. 2 8. Spiegelstrich der
Richtlinie 85/3/EWG des Rates vom 19. Dezember 1984 über die Gewichte,
Abmessungen und bestimmte andere technische Merkmale bestimmter Fahrzeuge des
Güterkraftverkehrs (ABl. Nr. L 2 S. 14 vom 3. Januar 1985) dahin definiert ist, dass es
das Höchstgewicht ist, zu dem die zuständige Behörde des Staates, in dem das
Fahrzeug zugelassen oder in Betrieb genommen ist, das beladene Fahrzeug aufgrund
dieser Richtlinie für den grenzüberschreitenden Verkehr zugelassen hat. Diese
Zulassung richtet sich für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge nach § 34 StVZO,
dessen Absatz 3 Satz 2 das zulässige Gesamtgewicht als das Gewicht definiert, das
unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 34 Abs. 2 Satz 2 und der Absätze 5
und 6 nicht überschritten werden darf. Dabei handelt es sich jeweils um Festlegungen,
nicht um Feststellungen (eines aktuellen Leergewichts). Dieses Verständnis ist mangels
gegenläufiger Anhaltspunkte auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 ABMG maßgeblich (so
auch Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 15. Juni 2007 - 25 K 152/06 -, Abdruck Seite 5).
Dass die Beklagte es vormals in einer Nutzerinformation nicht geteilt haben könnte, ist
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Dass die Beklagte es vormals in einer Nutzerinformation nicht geteilt haben könnte, ist
für das Verständnis des Rechtsbegriffs nicht von Belang.
Für die ungenau beschriebene Auffassung des Klägers, im Hinblick darauf dass
Mautfreiheit in den angrenzenden Ländern bestehe, könne die entsprechende
Bestimmung hier in Deutschland nicht anders ausgelegt werden, fehlt ein rechtlicher
Ansatz. Die Auslegung des Merkmals „ausschließlich für den Güterkraftverkehr
bestimmt“ entspricht wegen der Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs einem mitgliedsländerübergreifenden Verständnis. Die Bestimmung des
zulässigen Gesamtgewichts nach den jeweiligen mitgliedstaatlichen Regelungen
ermöglicht gerade Unterschiede. Dass sich die vom Kläger behaupteten Regelungen
europarechtlich ableiten lassen (etwa aus einer anderen Richtlinie), ist nicht belegt.
Die Berufung des Klägers auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz trägt auch sonst
nicht. Denn Deutschland behandelt bei der Mauterhebung für solo fahrende
Sattelzugmaschinen im Wesentlichen gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich.
Unterstellt, es träfe zu, dass derartige Fahrzeuge in Nachbarländern mautfrei sind,
ergäbe sich kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, den man auch
außerhalb der EU-Grundrechte-Charta als ein Recht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen
verstehen kann (vgl. Jarass, EU-Grundrechte, § 24, S. 285, Rn. 1). Denn es läge nicht so,
dass ein Adressat dieses Rechts verschiedene Berechtigte unterschiedlich behandelte.
Vielmehr behandelten verschiedene Adressaten verschiedene Berechtigte innerhalb
ihres Hoheitsbereichs gleich, jedoch unterschieden sich die jeweiligen Behandlungen
voneinander. Ein Rechtsverstoß läge darin nur, wenn die verschiedenen Hoheitsträger
zum Erlass gleicher Regelungen verpflichtet wären. Eine Regelung, die es Deutschland
verbietet, auf solo fahrende Sattelzugmaschinen Maut zu erheben, enthält die Richtlinie
1999/62/EG nicht. Sollte sie es - etwa durch Art. 7 Abs. 1 - erlauben, für diese Fahrzeuge
keine Maut zu erheben, wäre dies für die weitergehende Mautregelung in Deutschland
ohne Belang.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist
nach § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO auszugestalten gewesen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes
auf bis zu 300,- Euro festgesetzt.
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