Urteil des VG Berlin vom 14.03.2017

VG Berlin: gesellschaft mit beschränkter haftung, elektronische signatur, fahrzeug, güterverkehr, güterbeförderung, fahrschule, rechtsgrundlage, vollstreckung, bundesamt, halter

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Gericht:
VG Berlin 4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 A 255.08, VG 4 A
255.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 40 Abs 1 VwGO, § 70 Abs 1
VwGO, § 1 Abs 1 ABMG, § 1 Abs
2 ABMG, § 4 Abs 2 ABMG
Mautpflicht für Lastwagen als Fahrschulfahrzeug
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Mautnacherhebungsbescheid der Beklagten.
Der Kläger betreibt eine Fahrschule. Er war am 16. Juli 2008 Halter des zweiachsigen
Lastkraftwagens mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 12 t mit dem
amtlichen Kennzeichen N. TK 263 und eines ebenfalls zweiachsigen Anhängers. An
jenem Tag befuhr diese Kombination die Bundesautobahn A 20. Zwischen Neukloster
und Zurow registrierte sie eine Kontrollbrücke der Beklagten.
Angehört zur beabsichtigten Nacherhebung der Maut machte der Kläger geltend, die
Kombination sei „in deutsch nicht Mautpflichtig?“. Die Beklagte erwiderte, dies sei nur
der Fall, wenn das Fahrzeug über eine Doppelbedienungseinrichtung verfüge und der
Tagesfahrtennachweis des Fahrlehrers vorliege. Der Kläger meinte, eine Fahrschule sei
nicht registrierungspflichtig.
Mit Bescheid vom 24. September 2008 erhob die Beklagte vom Kläger nachträglich Maut
in Höhe von 65 €, die sie nach einer Wegstrecke von 500 km bemaß.
Der Kläger sandte der Beklagten wohl per Elektro-Post am 26. September 2008 einen
Widerspruch mit Datum vom 26. Dezember 2007 gegen den Bescheid vom 24.
September 2008. Darin machte er geltend, das Fahrzeug sei nicht für den Güterverkehr
bestimmt. Es sei als Fahrschulfahrzeug zugelassen. Dementsprechend habe das
Bundesamt für Güterverkehr einen früheren Nacherhebungsbescheid auf seinen
Widerspruch hin aufgehoben. Das Bundesamt für Güterverkehr wies den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 13. November 2008 zurück. Die Voraussetzungen für eine
Mautbefreiung von Fahrschulfahrzeugen habe die Beklagte zutreffend bezeichnet, der
Kläger aber nicht nachgewiesen.
Der Kläger hat am 10. Dezember 2008 Klage erhoben, mit der er geltend macht, den
Lastkraftwagen ausschließlich zum Zwecke seines Gewerbes als Fahrschullehrer zu
nutzen. Die von der Beklagten genannten Voraussetzungen dafür, dass
Fahrschulfahrzeuge nicht mautpflichtig seien, hätten keine Rechtsgrundlage. Er falle
nicht unter das Autobahnmautgesetz, weil er keine Zulassung zur Teilnahme am
Güterkraftverkehr besitze. Die Beklagte sei ihm gegenüber nicht beliehen, weil sie nur
gegenüber Mautpflichtigen tätig werden dürfe, er aber nicht mautpflichtig sei. Wegen der
weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 3. Februar 2009
(Bl. 24 bis 27 d.A.) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2008 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids des Bundesamts für Güterverkehr vom 13. November 2008
aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint: Infolge des autobahnmautrechtlichen Prinzips der Selbstdeklaration sei es
Sache des Klägers, diejenigen objektiven Fahrzeugmerkmale zu belegen, die zu einer
Einordnung eines Fahrzeugs als mautfrei oder mautbefreit führten. Zulassungsrechtliche
Einordnungen könnten keine unmittelbare Geltung im Autobahnmautrecht
beanspruchen. Auf die Aufhebung eines früheren Nacherhebungsbescheids könne sich
der Kläger nicht berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den
Schriftsatz vom 23. März 2009 (Bl. 28 bis 37 d.A.) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der
Kammer ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Ein Ausdruck des von der Beklagten elektronisch geführten Verwaltungsvorgangs hat
vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die infolge des Einverständnisses der Beteiligten gemäß den §§ 87a Abs.
2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung hat
entscheiden dürfen, hat keinen Erfolg.
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist eröffnet, weil es sich um eine öffentlich-
rechtliche Streitigkeit handelt (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies zu erläutern, besteht nur
deshalb Grund, weil der Kläger meinen lässt, die Beklagte sei in seinem Fall nicht
beliehen. Wäre das zutreffend, dann wäre die privatrechtlich verfasste Beklagte, eine
Gesellschaft mit beschränkter Haftung, keine Behörde (§ 1 Abs. 4 VwVfG). Ihr
Nacherhebungsbescheid erweckte dann nur den Anschein eines Bescheids, wäre aber
tatsächlich eine privatrechtliche Entgeltforderung. Indes ist die Beklagte auch im Falle
des Klägers beliehen und handelte auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Denn die
Beklagte ist Betreiber im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 ABMG, dem die nachträgliche
Mauterhebung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ABMG übertragen wurde (vgl. Bundesanzeiger
vom 31. Dezember 2004, Nr. 249, Seite 24 744). Diese Übertragung bezieht sich auf
Fälle, in denen die Beklagte eine mautpflichtige Bundesautobahnbenutzung feststellt.
Damit ist die Beklagte befugt, Maut dort nachzuerheben, wo sie meint, dass Maut zu
zahlen ist, wo aber noch keine Zahlung erfolgte. Der Streit über die Rechtmäßigkeit der
Nacherhebung bewegt sich im Rahmen dieser übertragenen Befugnis.
Die Klage scheitert nicht am Fehlen eines wirksamen (schriftlichen) Widerspruchs gemäß
§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. dazu Urteil der Kammer vom 2. November 2007 – VG 4 A
243.06 –, NJW 2008, 1335, mit der offen gelassenen Frage, ob ein per E-Post ohne
elektronische Signatur übermittelter Widerspruch gleichwohl wirksam sein kann, wenn
aus anderen Gründen klar ist, dass er vom Widerspruchsführer so gewollt ist), weil die
Widerspruchsbehörde und die Beklagte den Widerspruch als zulässig ansahen.
Doch ist die Klage unbegründet, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist (§ 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Mauterhebung ist hier das Autobahnmautgesetz für schwere
Nutzfahrzeuge in der Fassung, die es durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. August 2007
(BGBl. I Seite 1958) fand. Denn maßgeblich ist das zur Zeit der Autobahnbenutzung
geltende Mautrecht (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.
März 2009 – OVG 1 B 16.08 -, Abdruck Seite 7). Nach § 1 Abs. 1 ABMG ist Maut zu
entrichten für die Benutzung der Bundesautobahnen mit Kraftfahrzeugen oder
Fahrzeugkombinationen, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind und
deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 Tonnen beträgt. Klärungsbedürftig ist
hier nur, ob die Fahrzeugkombination des Klägers am 16. Juli 2008 ausschließlich für den
Güterkraftverkehr bestimmt war. Das ist zu bejahen. Im bereits zitierten Urteil vom 26.
März 2009 führte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu diesem Merkmal
aus:
„Die ausschließliche Bestimmung knüpft nach Wortlaut und Sinn der gesetzlichen
Definition an das „Kraftfahrzeug“, also an einen Gegenstand und dessen objektive
Beschaffenheit an. Diese sich der Wahrnehmung erschließenden äußeren
Gegebenheiten sind leichter als die innere Zwecksetzung des Halters zu erfassen. Eine
solche Anknüpfung entspricht in größerem Maße den praktischen Erfordernissen, denn
sie hält den Aufwand der Mauterhebung gering, der andernfalls deren finanziellen Erfolg
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sie hält den Aufwand der Mauterhebung gering, der andernfalls deren finanziellen Erfolg
vermindern könnte. Im Einklang mit diesem Grundgedanken setzt § 1 Abs. 2 Satz 2
ABMG für die Mautbefreiung voraus, dass die Bestimmung von Fahrzeugen für die in § 1
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 ABMG genannten Sonderzwecke „erkennbar“ ist, also nicht erst
durch Erkundung des Beförderungszweckes im Einzelfall festgestellt werden muss.
Zutreffend hat bereits die Beklagte darauf hingewiesen, dass die
Fahrzeugdefinition, die sich in dem hier anzuwendenden § 1 Abs. 1 ABMG in Verbindung
mit Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 17. Juni 1999 befindet, schon in der Vorgängerrichtlinie - der Richtlinie
1993/89/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über die Besteuerung bestimmter
Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie über die Erhebung von Maut- und
Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten (ABl. L 272
vom 12.11.1993, S. 32) - enthalten war und dass der Europäische Gerichtshof hierzu
Kriterien entwickelt hat, die auch im vorliegenden Falle herangezogen werden können.
Der Europäische Gerichtshof hat zu derselben Begrifflichkeit auf Grundlage der Richtlinie
1993/89/EWG in der Rechtssache Pfennigmann (C-193/98) durch Urteil vom 28. Oktober
1999 entschieden, dass es für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug oder eine
Fahrzeugkombination „ausschließlich“ für den Güterkraftverkehr bestimmt ist, auf die
generelle Zweckbestimmung des Fahrzeugs unabhängig vom Verwendungszweck im
Einzelfall ankommt (s. Wiedergabe bei juris Rn. 38). Es müsse sich um Fahrzeuge
handeln, die aufgrund ihrer Merkmale dazu bestimmt seien, regelmäßig und auf Dauer
und nicht nur gelegentlich am Wettbewerb im Güterverkehr teilzunehmen (a.a.O., Rn.
32). Diese Sichtweise wird in der bisher vorliegenden verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung ebenfalls zugrunde gelegt (vgl. OVG NW, Beschluss vom 30. Januar
2002 – 9 A 5298/00 – VRS 103, 78).
Dass es bei der hier anzuwendenden Vorschrift nach dem Willen des
Gesetzgebers auf die objektive Beschaffenheit des Fahrzeugs und nicht auf die konkrete
Verwendung nach dem jeweiligen Willen des Halters ankommt, folgt auch aus der
späteren Änderung des Gesetzestextes. In § 1 Abs. 1 ABMG in der Fassung vom 22.
Dezember 2008 (BGBl. I S. 2967), die der Umsetzung der geänderten Definition in Art. 1
Nr. 1 Buchstabe e der Richtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 17. Mai 2006 zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von
Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge
(ABl. EG Nr. L 157 S. 8) dient, hat der Gesetzgeber die Mautpflicht von denjenigen
Kraftfahrzeugen, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind, erstreckt
auf Kraftfahrzeuge, die für den Güterkraftverkehr „eingesetzt werden“. Zu der
Ausweitung der Mautpflicht führt die Begründung des entsprechenden Gesetzentwurfs
aus:
„Der modifizierte Gebührentatbestand dient als Korrektiv in Fällen, in welchen
Unternehmer Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen einsetzen, die zwar von ihrer
Fahrzeug- und Aufbauart als nicht ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt
anzusehen sind, gleichwohl aber konkret im Güterkraftverkehr eingesetzt werden. In
diesen Fällen kann nunmehr die Maut erhoben werden.“ (BT-Drs. 16/10388 S. 9).
Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass die ursprüngliche Fassung an das
objektive Merkmal der Fahrzeug- und Aufbauart anknüpfte.“
Nach diesen Maßstäben liegt es auf der Hand, dass der im Verwaltungsvorgang
abgebildete Lastkraftwagen mit Anhänger nach seiner objektiven Beschaffenheit zur
Beförderung von Gütern bestimmt ist. Die Eignung des Last-Kraftwagens zur
Beförderung von Lasten, also Gütern, begründet seine entsprechende
Zweckbestimmung. Auf die persönlichen Vorstellungen des Halters/Eigentümers von der
Nutzung des Lastkraftwagens, dessen zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 Tonnen
beträgt, kommt es danach nicht an. Damit ist auch unerheblich, dass der Kläger sein
nach der objektiven Beschaffenheit ausschließlich zur Güterbeförderung bestimmtes
Fahrzeug nur als Fahrschulfahrzeug oder für gelegentliche Ausflüge an die Ostsee
nutzen möchte. Ob sich die zweckbestimmende Beschaffenheit des Fahrzeugs änderte,
wenn es mit einer Doppelbedienungseinrichtung ausgestattet wäre und der
Tagesfahrtennachweis des Fahrlehrers vorläge, ist nicht zu erörtern, weil der Kläger
derartige Gegebenheiten nicht behauptet.
Ohne Belang ist auch, ob die Fahrzeugkombination oder nur der Lastkraftwagen als
Fahrschulwagen zugelassen sind. Auch wenn das so wäre, zöge es ihre Eignung zur
Güterbeförderung nicht in Zweifel. Für die Annahme, die
Straßenverkehrszulassungsbehörde entscheide mit der Zulassung eines Fahrzeugs
auch darüber, ob es sich um ein Fahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 1 ABMG handelt, fehlt
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auch darüber, ob es sich um ein Fahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 1 ABMG handelt, fehlt
es im Gesetz an einem Anhalt. Da es für die Mautpflicht auf die objektive Beschaffenheit
des Fahrzeugs ankommt, spielt es keine Rolle, ob sein Halter eine Erlaubnis nach § 3
Abs. 1 GüKG besitzt.
Nicht zu vertiefen ist, dass die Fahrzeugkombination nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 ABMG
von der Maut befreit war. Der Kläger spricht zutreffend davon, dass
Fahrschullastkraftwagen darin nicht aufgeführt sind.
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass er in einem früheren
Widerspruchsverfahren bezüglich des Lastkraftwagens erfolgreich war. Bindend geregelt
ist damit nur, ob er für die damalige Bundesautobahnbenutzung Maut zu entrichten
hatte.
Die Höhe der Maut ist mit 0,13 € pro Kilometer und angenommenen 500 km Fahrstrecke
richtig berechnet. Das Gericht folgt insoweit den Bescheiden und sieht von einer
weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist
nach § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO auszugestalten gewesen.
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