Urteil des VG Berlin vom 14.03.2017

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Gericht:
VG Berlin 4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 A 553.06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die pauschale Nacherhebung von Maut.
Die Klägerin mietete von der E. GmbH einen Lastkraftwagen mit dem Kennzeichen M.
nebst Anhänger. Beide zusammen hatten fünf Achsen und ein zulässiges
Gesamtgewicht von 26 t. Der Lastkraftwagen gehörte der Emissionsklasse 3 an.
Am 21. Februar 2005 befuhr ein Fahrer der Klägerin mit dem gemieteten Fahrzeug um
6.13 Uhr die Bundesautobahn A 7. Zwischen Wörnitz und Feuchtwangen/Crailsheim,
Kreuz, stellte eine Kontrollbrücke das Fahrzeug fest. Für die Zeit vom 20. Februar 2005,
22 Uhr, bis
21. Februar 2005, 19 Uhr, gab es für das Fahrzeug eine manuelle Einbuchung für eine
Fahrt von Magdeburg-Reform nach Niederstotzingen. Die Kontrollbrücke liegt außerhalb
der gebuchten Strecke.
Die Beklagte hörte die Klägerin im März 2005 zur beabsichtigten Nacherhebung an und
erließ mangels Äußerung der Klägerin darauf unter dem 21. April 2005 den
Nacherhebungsbescheid über 60 €, dem sie eine Wegstrecke von 500 km
zugrundelegte. Ohne Begründung erhob die Klägerin Widerspruch, den das Bundesamt
für Güterverkehr mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2006, zugestellt am 17.
November 2006, zurückwies.
Die Klägerin hat am Montag, dem 18. Dezember 2006, Klage erhoben, zu deren
Begründung sie geltend macht: Der Fahrer habe sich bei der Abfahrt am Kreuz
Feuchtwangen/Crailsheim von der A 6 auf die A 7 verfahren und sei zunächst nach
Norden (Wörnitz) statt nach Süden gefahren. Bei nächster Gelegenheit sei er umgekehrt
und die gebuchte Strecke gefahren. Das Bußgeld über 60 € sei gänzlich unangemessen.
Die kurze Fahrt auf nicht gebuchter Strecke sei nicht in ihrem Sinne oder gar in ihrem
Auftrag erfolgt, sondern im Rahmen der Schusseligkeit des Fahrers. Im Übrigen erkläre
sie die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 70,20 €, der
durch die Anhörung zu einer Nacherhebung entstanden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids des Bundesamts für Güterverkehr vom 13. November 2006
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
Klage abzuweisen.
Sie verteidigt den Bescheid, weil die Wegstrecke bis zum Abschluss des Vorverfahrens
für sie nicht zu ermitteln gewesen sei. Die Auswahl der Klägerin unter den möglichen
Mautschuldnern sei fehlerfrei. Die Aufrechnung sei unerheblich. Wegen der weiteren
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Mautschuldnern sei fehlerfrei. Die Aufrechnung sei unerheblich. Wegen der weiteren
Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 31. Januar 2007 (Bl. 10 bis
17 d.A.) und vom 17. April 2007 (Bl. 49 bis 56 d.A.) Bezug genommen.
Ausdrucke der von der Beklagten elektronisch geführten Unterlagen über den
Nacherhebungsbescheid haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer hat verhandeln und entscheiden können, obgleich die Klägerin
ausgeblieben ist. Denn sie ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden
(§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist unbegründet, weil der Bescheid rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Streitstand gibt keinen Grund, die Voraussetzungen der Maut und des Mautsatzes
näher zu erörtern. Insoweit kann auf den Ausgangsbescheid vom 21. April 2005
verwiesen werden.
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, für den fraglichen Zeitraum manuell
eingebucht gewesen zu sein. Denn nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ABMG bestimmt sich die
geschuldete Maut nach der auf mautpflichtigen Bundesautobahnen zurückgelegten
Strecke des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination. Für die Strecke von Wörnitz nach
Feuchtwangen/Crailsheim, auf der die Kontrollbrücke den Lastkraftwagen am 21. Februar
2005 feststellte, gab es aber keine Buchung der Klägerin.
Die Beklagte bestimmte die Maut zutreffenderweise nicht nach der zurückgelegten
Strecke (§ 3 Abs. 1 ABMG), sondern erhob eine Maut, die einer Wegstrecke von 500 km
auf mautpflichtigen Bundesautobahnen entspricht. Das sieht § 8 Abs. 2 Satz 1 ABMG für
den Fall vor, dass bei der nachträglichen Mauterhebung, um die es hier mangels
Zahlung vor Beginn der Fahrt auf der nicht gebuchten Strecke und mangels Stundung
geht, die tatsächliche Wegstrecke der Benutzung mautpflichtiger Bundesautobahnen
nicht festgestellt werden kann. Mit den Worten „bei der nachträglichen Mauterhebung“,
die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ABMG durch Bescheid vorgenommen werden kann, bestimmt
das Gesetz den insoweit für die Beurteilung des Nacherhebungsbescheids erheblichen
Zeitpunkt in der Weise, dass spätestens bei Erlass des Widerspruchsbescheids die
tatsächliche Wegstrecke nicht durch die Beklagte bzw. die Widerspruchsbehörde
festgestellt werden konnte (vgl. auch Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 4. Mai 2007 -
25 K 358/06 -, Abdruck Seite 6). So lag es hier. Denn die Klägerin äußerte sich nicht zur
Sache. Es ist unbedenklich, dass der Bearbeiter wegen des Zeitablaufs und der deshalb
in genügendem Maße vorhanden gewesenen Zeit zur Abgabe einer Stellungnahme von
einer Erinnerung daran bzw. Nachfrage danach absah, zumal die Rechtsanwältin eine
Begründung des Widerspruchs nicht einmal in Aussicht gestellt hatte. Für die Beklagte
und die Widerspruchsbehörde bestand auch kein vom Vortrag der Klägerin unabhängiger
Ermittlungsansatz. Mag man mit Blick auf die eingebuchte Strecke noch auf den
Gedanken kommen, dass sich der Fahrer an dem Kreuz nur verfahren hatte, so stünde
damit nicht fest, wann er den Fehler bemerkte und umkehrte. Das aber wäre für die
Ermittlung der tatsächlichen Wegstrecke, die die Pauschale nach § 8 Abs. 2 Satz 1 ABMG
ausschließt, nötig. Die erst im Klageverfahren gebrachte Darstellung, die die tatsächliche
Wegstrecke auch nicht bezeichnet, ist für die Beurteilung des Bescheids auch deshalb
unerheblich, weil sie nichts daran ändert, dass Beklagte und Widerspruchsbehörde „bei
der nachträglichen Mauterhebung“ die tatsächliche Wegstrecke nicht bestimmen
konnten. Das Klageverfahren dient nur der Überprüfung der nachträglichen
Mauterhebung, ist aber nicht Teil derselben.
Das Gericht kann in der Wegstreckenpauschale von 500 km keinen Mangel erkennen. In
Anbetracht eines mautpflichtigen Straßennetzes von über 12.000 km, der Nord-Süd-
bzw. Ost-West-Ausdehnung Deutschlands, der zulässigen Tageslenkzeit von
Lastwagenfahrern und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Lastkraftwagen liegt
eine Wegstrecke von 500 km nicht außerhalb dessen, was vernünftigerweise möglich ist.
Berücksichtigt man dann noch, dass die Ungewissheit im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1
ABMG auf regelmäßig mehrfache Unterlassungen des Mautschuldners zurückgeht
(vorherige Zahlung, Angabe von mauterheblichen Daten) und die Pauschale zu einer
eher bescheidenen Belastung führt (hier unter 60 €), dann lässt sich eine
Unverhältnismäßigkeit der Maut, also ein grobes Missverhältnis zwischen Maut und
Aufwand/Nutzen, nicht erkennen.
Der Bescheid ist auch insoweit fehlerfrei, als es um die Auswahl des Mautschuldners
geht (§ 114 Satz 1 VwGO). Hier waren mindestens drei Personen Mautschuldner und
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geht (§ 114 Satz 1 VwGO). Hier waren mindestens drei Personen Mautschuldner und
hafteten damit als Gesamtschuldner. Der Vermieter als Eigentümer oder Halter des
Motorfahrzeugs war es nach § 2 Satz 1 Nr. 1 ABMG. Daneben war es nach § 2 Satz 1 Nr.
2 ABMG die Klägerin jedenfalls als Mieterin und damit diejenige, die über den Gebrauch
des Motorfahrzeugs bestimmte. Und schließlich war es nach § 2 Satz 1 Nr. 3 ABMG der
Fahrer, der das Motorfahrzeug führte. Für die Beklagte und die Widerspruchsbehörde war
letzterer aber schon deshalb nicht weiter in Erwägung zu ziehen, weil er ihnen nicht
bekannt war. Es ist aber auch grundsätzlich unbedenklich, dass sich die Beklagte bei der
Wahl zwischen dem Eigentümer/Halter und demjenigen, auf dessen Bestimmung hin das
Fahrzeug in der fraglichen Zeit auf der Bundesautobahn war, für letzteren als
Adressaten des Nacherhebungsbescheids entscheidet. Umstände, die ausnahmsweise
eine andere Betrachtung rechtfertigten, und das bei der Auswahl zwischen mehreren
Gesamtschuldnern bestehende sehr weite Ermessen der Behörde eingrenzen (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Januar 1993 - BVerwG 8 C 57.91 -, NJW 1993,
1667 [1669], und Urteil vom 21. Oktober 1994 - BVerwG 8 C 11.93 -, NVwZ-RR 1995, 305
[307]), sind hier nicht ersichtlich.
Auf die Aufrechnung kommt es - wie die Beklagte mit Hinweis auf Kopp/Schenke, VwGO,
14. Aufl. 2005, § 40 Rn. 46, auch insoweit zutreffend ausführt - nicht an. Denn der
Nacherhebungsbescheid begründet erst die Forderung, die die Klägerin mit der
Aufrechnung ausgleichen will.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist
nach § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO auszugestalten gewesen.
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