Urteil des VG Berlin vom 14.03.2017

VG Berlin: schutz der ehe, botschaft, visum, einreise, integration, gesetzesänderung, sammlung, quelle, link, mitwirkungspflicht

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Gericht:
VG Berlin 22.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 V 32.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 6 Abs 4 S 1 AufenthG, § 27
Abs 1 AufenthG, § 28 Abs 1 S 1
Nr 1 AufenthG, § 28 Abs 1 S 5
AufenthG, § 30 Abs 1 S 1 Nr 2
AufenthG
Ausländerrecht: Visum zum zwecke der
Familienzusammenführung - Sprachanforderungen
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Tatbestand
Die Klägerin zu 2 ist ghanaische Staatsangehörige und begehrt ein Visum zum Zwecke
der Familienzusammenführung mit ihrem aus Ghana stammenden deutschen
Ehemann, dem Kläger zu 1. Die Klägerin reiste 2004 nach Deutschland ein, und die
Kläger schlossen am 22. Oktober 2004 in S. die Ehe. Der Oberbürgermeister der Stadt
S. – Ausländerbehörde – versagte der Klägerin anschließend eine Aufenthaltserlaubnis,
stimmte aber unter dem 10. Januar 2005 der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in
der Form des Visums vorab zu. Der nunmehr zuständige Beigeladene erklärte unter
dem 11. März 2008, an der Vorabzustimmung festzuhalten.
Die Klägerin beantragte wiederholt, zuletzt am 14. September 2006, das besagte Visum
bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Accra. Bei der Prüfung der Echtheit
der von der Klägerin vorgelegten Dokumente ergab sich, dass diese teilweise falsch
waren. Die Botschaft lehnte darauf hin den Antrag mit Bescheid vom 9. März 2006 mit
der Begründung ab, die Klägerin habe falsche Unterlagen vorgelegt. Auf den erneuten
Antrag forderte die Botschaft Wegbeschreibungen zu Angehörigen und weiteren
Verwandten der Kläger an, um dort die Angaben der Klägerin überprüfen zu können.
Davon wurden die Wegbeschreibungen zu den letzten Wohnsitzen der Kläger vor der
Ausreise nicht eingereicht. Mit Bescheid vom 25. Februar 2008, der keine
Rechtsmittelbelehrung enthält, lehnte die Botschaft den Antrag mit der Begründung ab,
die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Mit der am 2. Juni 2008 bei Gericht eingegangenen Klage machen die Kläger geltend, auf
Grund der Eheschließung und der Vorabzustimmung sei das beantragte Visum zu
erteilen. Den – mit der Eingangsmitteilung des Gerichts angeforderten – Nachweis
deutscher Sprachkenntnisse müsse die Klägerin nicht erbringen, da sie den Antrag vor
In-Kraft-Treten der entsprechenden gesetzlichen Regelung gestellt habe. Sie
beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland in Accra vom 25. Februar 2008 zu verpflichten, der Klägerin zu 2 ein Visum
zum Zwecke der Familienzusammenführung zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
und verteidigt den angegriffenen Bescheid. Ihre Verwaltungspraxis, bei Altanträgen vom
Nachweis deutscher Sprachkenntnisse abzusehen, greife nicht, weil die Klägerin zum
Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der gesetzlichen Regelung weitere
Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt habe.
Der Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Gerichtakte sowie die von der Beklagten (1 Band) und vom Beigeladenen (1
Band) eingereichten Verwaltungsvorgänge verwiesen, die vorgelegen haben und
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Band) eingereichten Verwaltungsvorgänge verwiesen, die vorgelegen haben und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beigeladene weder
erschienen noch vertreten war, denn er ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit
hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet, denn der angegriffene Bescheid ist
rechtmäßig und verletzt daher die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die
Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums an die Klägerin oder
Neubescheidung ihres darauf gerichteten Antrags. Die Voraussetzungen für die Erteilung
eines Visums nach §§ 6 Abs. 4 Satz 1, 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 5, 30 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sind nicht erfüllt, da die Klägerin nicht den nach § 30 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG erforderlichen Nachweis erbracht hat, dass sie sich zumindest in einfacher Art
in deutscher Sprache verständigen kann. Sie hat weder ein entsprechendes Zertifikat
vorgelegt noch in anderer Weise dargetan, dass sie die erforderlichen Sprachkenntnisse
besitzt. Das Gesetz enthält keine Übergangsregelung, so dass es entgegen dem
Vortrag der Kläger nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt. Die
Sprachanforderungen verstoßen auch nicht gegen das Grundgesetz oder gegen EU-
Recht. Der Nachweis einfacher Sprachkenntnisse bereits vor der Einreise begegnet auch
mit Blick auf den vom Grundgesetz gebotenen Schutz der Ehe nach Artikel 6 Abs. 1 GG
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Sprachanforderungen sind geeignet und
angemessen, um den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck zu erreichen, die Integration
der nachziehenden Ehegatten in Deutschland vorzubereiten und zu fördern (OVG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 28. April 2009 – 2 B 6.08 – vgl. Pressemitteilung 14/09).
Von dieser Voraussetzung kann nicht etwa aus Gründen des Vertrauensschutzes
abgewichen werden. Die Zustimmung des Beigeladenen ist notwendige, aber nicht
hinreichende Erteilungsvoraussetzung; die Beklagte hat in eigener Zuständigkeit zu
prüfen, ob die weiteren gesetzlichen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Die Kläger
können auch nichts daraus herleiten, dass es eine Verwaltungspraxis der Beklagten gibt,
bei vor Einführung des Spracherfordernisses durch das Gesetz zur Umsetzung
aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007
(BGBl. I S. 1970) gestellten Anträgen von dieser Voraussetzung abzusehen. Denn zum
Einen fehlt es angesichts mangels einer Übergangsregelung dafür an einer gesetzlichen
Grundlage, zum Anderen setzt diese Verwaltungspraxis voraus, dass zum In-Kraft-Treten
der Gesetzesänderung die übrigen Erteilungsvoraussetzungen vorlagen. Das ist hier
nicht der Fall, da wegen der zunächst eingereichten falschen Personenstandsdokumente
Zweifel an der Identität der Klägerin bestanden (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG), die auch
nicht seitens der Botschaft hätten ausgeräumt werden können; jedenfalls hinsichtlich der
Angabe des letzten Wohnortes der Klägerin ist nachvollziehbar, dass dort Ermittlungen
erforderlich erscheinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Ein Vollstreckungsausspruch ist
entbehrlich.
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