Urteil des VG Berlin vom 03.12.2007
VG Berlin: unternehmen, vergleich, zugang, amtliche tätigkeit, schweizerische eidgenossenschaft, versicherer, nichtverbreitung, verkehr, gerichtsverfahren, vertreter
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Gericht:
VG Berlin 2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 A 62.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 IFG, § 1 Abs 2 IFG, § 2
IFG, § 6 IFG, § 3 IFG
Anspruch auf Zugänglichmachen von Angaben aus einem
gerichtlichen Vergleich mit Drittem
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheides des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 3. Dezember 2007 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 14. März 2008
verpflichtet, der Klägerin Zugang zu den unter den Nrn. 1, 3, 4, 7, 8, 14, 16 (Schwärzung
hinter „SKYGUIDE“), 19, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 30 und 31 geschwärzten Informationen
des Settlement Agreement (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 4. Juni 2009)
zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt 9/10, die Beklagte 1/10 der Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz des
Bundes zu einem zwischen der Beklagten und Dritten geschlossenen außergerichtlichen
Vergleich.
Die Klägerin war Eigentümerin einer Tupolew TU-154M. Die Passagiermaschine stieß am
1. Juli 2002 mit einer Boeing 757-200, die im Eigentum eines Unternehmens des
Kurierdienstes DHL stand, im Luftraum nahe der am Bodensee gelegenen Stadt
Überlingen zusammen. Bei dem Unglück kamen 71 Menschen ums Leben, überwiegend
Kinder aus der russischen Teilrepublik Baschkortostan.
Im Juni 2005 erhob die Klägerin vor dem Landgericht Konstanz Klage gegen die Beklagte,
mit der sie in erster Linie Schadensersatz für ihr bei dem Unglück vollständig zerstörtes
Flugzeug sowie darüber hinaus die Freistellung von Ersatzansprüchen Dritter, wie etwa
den Angehörigen der tödlich verunglückten Passagiere und Besatzungsmitglieder der
beteiligten Flugzeuge begehrte. Mit Urteil vom 27. Juli 2006 bejahte das Landgericht
Konstanz die Haftung der Beklagten für die Folgen des Flugzeugunglücks dem Grunde
nach. Zugleich wies das Gericht eine Widerklage ab, mit welcher die Beklagte aus
eigenem und abgetretenem Recht die Feststellung begehrte, dass die Klägerin die
Beklagte von Ansprüchen geschädigter Dritter freizustellen habe. Über die gegen dieses
Urteil beim Oberlandesgericht Karlsruhe erhobene Berufung der Beklagten ist noch nicht
entschieden.
Bereits zuvor hatten die DHL und 19 Versicherer aus verschiedenen Ländern gegen die
Beklagte vor dem Landgericht Konstanz eine Klage auf Schadensersatz erhoben, wobei
es um den Ersatz des zerstörten DHL-Flugzeugs, Nutzungsausfall, zerstörte Fracht und
Bergungskosten ging. Ferner wurde die Feststellung begehrt, dass die Beklagte der DHL
auch künftige Schäden zu ersetzen habe. Der Klägerin wurde in diesem Prozess der
Streit verkündet. Infolge eines außergerichtlichen Vergleichs vom 9. Juli 2007 wurde
dieser Rechtsstreit durch Klagerücknahme beendet. Der Vergleich wurde in einem
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dieser Rechtsstreit durch Klagerücknahme beendet. Der Vergleich wurde in einem
Settlement Agreement mit acht Annexen festgehalten.
Mitte September 2007 beantragte die Klägerin bei dem Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung, ihr nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes
Zugang zu dem Vergleich durch Übersendung zu gewähren.
Nach vorheriger Beteiligung der an dem Vergleich beteiligten Unternehmen lehnte die
Beklagte den Antrag durch Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung vom 3. Dezember 2007, bestätigt durch Widerspruchsbescheid
derselben Behörde vom 14. März 2008, teilweise ab. Dabei wurde der Klägerin u. a
Zugang zum Inhalt des Settlement Agreement unter Schwärzung verschiedener
Passagen gewährt. Zur Begründung der teilweisen Ablehnung führte die Beklagte u. a.
an, der Anspruch sei nach § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG (Schutz laufender Gerichtsverfahren)
ausgeschlossen. Denn durch das Bekanntwerden der begehrten Informationen könne
der zwischen der Klägerin und der Beklagten weiterhin anhängige
Schadensersatzprozess beeinträchtigt werden, indem angesichts der besonderen Tragik
des Flugunfalls und des damit verbundenen besonderen Interesses der Öffentlichkeit
sachfremder Druck auf die Entscheidungsträger erzeugt werden könne.
Auch der Schutz vertraulich übermittelter Informationen nach § 3 Nr. 7 IFG stehe einem
Anspruch der Klägerin entgegen. Denn der mit einem größeren Kreis weiterer Beteiligter
geschlossene Vergleich beinhalte durchgängig umfangreiche Informationen zu der
genauen Bezeichnung aller am Vergleich unmittelbar oder mittelbar beteiligter
Versicherer und Rückversicherer mit deren jeweils übernommenen Rechten und
Pflichten, wie insbesondere Zahlungs- und Verzichtsanteile. Diese detaillierten
Informationen seien der Beklagten vertraulich übermittelt worden.
Der Anspruch sei auch nach § 3 Abs. 1 Buchst. a IFG ausgeschlossen, da das
Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die internationalen
Beziehungen Deutschlands zur Schweiz haben könne. Auch wenn die schweizerische
Eidgenossenschaft nicht unmittelbar Vertragspartner des Vergleichs sei, so seien im
Hinblick auf den zugrunde liegenden gemeinsamen deutsch-schweizerischen
Entschädigungsfonds, über dessen nähere Inhalte gleichermaßen strikte Vertraulichkeit
vereinbart sei, die schweizerischen Interessen zumindest mittelbar deutlich betroffen.
Eine Versagung der begehrten Informationen sei schließlich auch auf die Tatsache zu
stützen, dass im vorliegenden Fall Geschäftsgeheimnisse der beteiligten Dritten
betroffen seien (§ 6 Satz 2 IFG). Dies ergebe sich aus den hinsichtlich der anderen
Ausschlussgründe vorgebrachten Begründungen.
Die Klägerin hat am 17. April 2008 Klage erhoben, mit der sie zunächst die Verpflichtung
der Beklagten begehrt hat, Zugang zu sämtlichen Teilen des Vergleichs vom 9. Juli 2007
zu erhalten. Die Beklagte hat der Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Juni 2009 einige der bis
dahin geschwärzten Passagen des Settlement Agreement offenbart, nachdem sie zuvor
den betroffenen Unternehmen erneut Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte.
Die verbleibenden geschwärzten Stellen hat sie fortlaufend nummeriert. Die Klägerin
begehrt nunmehr lediglich noch den Zugang zu der überwiegenden Anzahl der
geschwärzten Stellen des Settlement Agreement ohne die Annexe.
Sie ist der Auffassung, dass Ausschlussgründe dem von ihr geltend gemachten
Informationsanspruch nicht entgegenstünden. Die Beklagte habe entsprechende Gründe
nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Soweit sie sich auf den Versagungsgrund des §
3 Nr. 1 Buchst. g IFG berufe, verkenne sie, dass die Vorschrift nach ihrem klaren Wortlaut
nur Informationen aus laufenden Verfahren umfasse. Ob die Informationen aus bereits
beendeten Verfahren in einem anderen Verfahren verwendet werden könnten, sei eine
andere Frage. Der Gesetzgeber wolle diese Möglichkeit jedoch bewusst nicht
ausschließen, so dass die Besorgnis, sie könne die hier begehrten Informationen in
einem Verfahren gegen die hiesige Beklagte verwenden, eine Verweigerung des
Informationszuganges nicht rechtfertigte. Der Versagungsgrund des § 3 Nr. 7 IFG
schütze lediglich den Hinweisgeber vor der Preisgabe seiner Identität. Dies sei hier
jedoch nicht zu befürchten, da ihr bereits alle Beteiligten des Vergleichs bekannt seien.
Dass eine Zugangsgewährung negative Auswirkungen auf die Beziehungen zur Schweiz
bewirken könne, habe die Beklagte nicht dargelegt. Hierfür sei auch sonst nichts
ersichtlich.
Es handele sich bei den fraglichen Informationen auch nicht um Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Vergleich
Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte zum Inhalt gehabt habe. Diese unterläge
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Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte zum Inhalt gehabt habe. Diese unterläge
auch in diesem Bereich öffentlich-rechtlichen Bindungen, deren Einhaltung durch den
begehrten Informationszugang überwacht werden solle. Die Beklagte könne sich nicht
durch eine Flucht ins Privatrecht öffentlich-rechtlichen Pflichten entziehen.
Soweit es um die Zahlungspflicht der Beklagten gegenüber DHL gehe, sei höchstens ein
Geschäftsgeheimnis der DHL betroffen. Diese habe ihr jedoch den Streit verkündet und
mit ihr einen Verjährungsverzicht sowie eine Kooperation vereinbart. Die DHL könne sich
gegenüber der hiesigen Klägerin damit nicht auf ein mögliches Geschäftsgeheimnis
berufen. Dass es insgesamt an einem berechtigten Interesse an der Geheimhaltung
fehle, ergebe sich auch daraus, dass ihr die Beklagte in dem vor dem Landgericht
Konstanz geführten Prozess bereits die nach dem Vergleich vom Juli 2007 an die „DHL
INTERESTS“ zu erbringende Leistung mit Schriftsatz vom 17. Juli 2008 mitgeteilt habe.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
den Ablehnungsbescheid des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung vom 3. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.
März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin
Informationszugang zum Settlement Agreement (Anlage B 2 zum Schriftsatz der
Beklagten vom 4. Juni 2009) zu gewähren mit Ausnahme der dort unter Nr. 2, 5, 6, 11,
12, 28, 29, 32, 33 und 34 geschwärzten Stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer ablehnenden Entscheidung im Wesentlichen aus den Gründen des
Ablehnungsbescheides fest. Im Übrigen erläutert sie die noch verbliebenen
Schwärzungen im Settlement Agreement im Wesentlichen wie folgt: Der Versicherer von
Skyguide sei geschwärzt, weil dieser darauf bestanden habe, nicht benannt zu werden.
Die Schwärzung der Firmen von weiteren Beteiligten des Vergleichs, insbesondere der
konkret am Vergleich beteiligten DHL-Unternehmen und der Namen ihrer Vertreter sei
vorgenommen worden, weil es sich insoweit um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
dieser Unternehmen handele. Gleiches gelte hinsichtlich der konkret vereinbarten, von
den jeweiligen Vertragsbeteiligten zu erbringenden Leistungen, der Bezeichnung der
Institutionen, an die geleistet werde sowie der Angabe der genauen Anzahl der zu
erbringenden Leistungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte
sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Ordner) verwiesen, die vorgelegen
haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Soweit die Klägerin ihre Klage bei objektiviertem Verständnis (§§ 133, 157 BGB)
zurückgenommen hat, also hinsichtlich der Schwärzungen Nr. 2, 5, 6, 11, 12, 28, 29, 32,
33 und 34 des Settlement Agreement vom 9. Juli 2007 sowie der Annexe A bis H, ist das
Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Die Verpflichtungsklage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
begründet. Insoweit ist die Ablehnung der begehrten Informationsgewährung
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn
insoweit hat die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung des begehrten
Informationszuganges (I.). Im Übrigen ist die Klage unbegründet (II.).
I.
Die Klägerin hat gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu
Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005
(BGBl. I S. 2722) Anspruch auf die Gewährung von Zugang zu den unter den Nrn. 1, 3, 4,
7, 8, 14, 16 (Schwärzung hinter „SKYGUIDE“), 19, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 30 und 31
geschwärzten Informationen des Settlement Agreement (Anlage B 2 zum Schriftsatz der
Beklagten vom 4. Juni 2009). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses
Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu
amtlichen Informationen. Der Zugang erfolgt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 IFG durch
Auskunftserteilung, die Gewährung von Akteneinsicht oder die Zurverfügungstellung von
Informationen in sonstiger Weise.
Die Klägerin begehrt Zugang zu amtlichen Informationen. Gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG ist
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Die Klägerin begehrt Zugang zu amtlichen Informationen. Gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG ist
im Sinne dieses Gesetzes amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende
Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Amtlich sind solche
Informationen, die in Erfüllung amtlicher Tätigkeit angefallen sind. Dabei kommt es
weder auf die Art der Verwaltungsaufgabe noch auf die Handlungsform der Verwaltung
an. Unerheblich ist deshalb, ob die begehrten Informationen hoheitliches, schlicht-
hoheitliches oder fiskalisches Behördenhandeln betreffen. Auch ein Bezug zu einem
konkreten Verwaltungsvorgang ist nicht erforderlich. Nicht amtlich sind dagegen private
Informationen sowie Informationen, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen
(vgl. Rossi, IFG, 2006, § 2 Rn. 10). Der Abschluss eines von der Beklagten zur
Beendigung eines Amtshaftungsprozesses geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs
stellt danach amtliche Tätigkeit da.
Hinsichtlich der genannten geschwärzten Stellen stehen Ausschlussgründe nach §§ 3 ff.
IFG einem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Die Beklagte hat das Vorliegen
entsprechender Tatbestände nicht hinreichend dargelegt.
Maßstab für die Prüfung von Ausschlussgründen ist, ob deren Vorliegen plausibel
dargelegt ist; dabei müssen die Angaben nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf
die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuchtend und
nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft werden kann
(Urteil der Kammer vom 10. September 2008 – VG 2 A 167.06 –; vgl. auch BVerwG,
Urteil vom 21. März 1986 – BVerwG 7 C 71/83 – Rn. 15, juris; BVerwG, Beschluss vom 1.
Februar 1996 – BVerwG 1 B 37/95 – Rn. 15, juris). Dies ist hier hinsichtlich der genannten
Passagen nicht der Fall.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass es sich bei den in Frage stehenden geschwärzten
Stellen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 6 Satz 2 IFG handelt, zu
denen Zugang nur gewährt werden darf, soweit – was hier nicht der Fall ist – der
Betroffene einwilligt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden allgemein alle auf
ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht
offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren
Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse
umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen
vornehmlich kaufmännisches Wissen. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt
danach neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen
ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein
solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives
technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen
und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerfGE
115, 205 <230 f.>; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – BVerwG 7 C 18.08 – und
Beschluss vom 19. Januar 2009 – BVerwG 20 F 23.07 – juris ).
Hinsichtlich der Bezeichnung des Versicherers von Skyguide (Schwärzung Nr. 1) handelt
es sich um eine offenkundige Information. Den allgemein zugänglichen Quellen, wie etwa
der im Internet veröffentlichten Pressemitteilung des Landgerichts Konstanz vom 8.
Februar 2006, kann entnommen werden, dass die schweizerische Winterthur-
Versicherung Versicherer der Skyguide ist.
Soweit die Beklagte jeweils „einen Vertragsbeteiligten“ geschwärzt hat (Schwärzungen
Nr. 14, 16 [Schwärzung hinter „SKYGUIDE“], 19, 21, 25, 27, 30 [Schwärzung hinter
„made to“…“] und 31), ist ein berechtigtes Interesse des betreffenden
Vertragsbeteiligten an der Nichtverbreitung der Information nicht plausibel dargelegt. Es
ist nicht erkennbar, weshalb die Offenlegung der Information als solche oder im
Zusammenhang mit den von der Beklagten offenbarten Vertragspassagen geeignet
sein soll, die Wettbewerbsposition dieses Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Dies
gilt umso mehr, weil die Beklagte es unterlassen hat, sämtliche Vertragsbeteiligte zu
schwärzen bzw. die Firma des in Frage stehenden Vertragsbeteiligten durchgehend zu
schwärzen. Dies stellt das Gewicht des von der Beklagten behaupteten Interesses des
Vertragsbeteiligten an der Geheimhaltung erheblich in Frage. So kann bei den meisten
Schwärzungen „eines Vertragsbeteiligten“ ohne weiteres darauf geschlossen werden,
welcher der Vertragsbeteiligten sich hinter der betreffenden Schwärzung verbirgt. Denn
entweder sind die Namen von der Beklagten offengelegt worden (neben der Beklagten
noch „SKYGUIDE“ sowie „WINTERTHUR“ und „REINSURERS“ auf der einen Seite
[Sammelbezeichnung: „SKYGUIDE INTERESTS“] und [zwei näher bezeichnete
Unternehmen von] „DHL“ sowie „DHL INSURERS“ auf der anderen Seite
[Sammelbezeichnung: „DHL INTERESTS“]) oder sie sind durch die Aufzählung im Text
ohne weiteres durch Schlussfolgerung erkennbar. Dies wird besonders augenfällig bei
der Schwärzung Nr. 19, wo im selben Satz alle weiteren Vertragsbeteiligten aufgeführt
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der Schwärzung Nr. 19, wo im selben Satz alle weiteren Vertragsbeteiligten aufgeführt
werden; somit ist ohne weiteres erkennbar, dass sich hinter dieser Schwärzung der noch
verbliebene Vertragsbeteiligte, nämlich „WINTERTHUR“ verbirgt.
Die Beklagte hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die Offenlegung der
genauen Bezeichnung der beiden am Vergleich beteiligten DHL-Unternehmen (Nrn. 3, 4,
8, 23, 24, 26, 30 [Streichungen hinter „DHL“]) bzw. deren Vertreter (Nr. 7) als solche
bzw. im Zusammenhang mit den von der Beklagten offenbarten Vertragspassagen die
Wettbewerbsposition dieser Unternehmen nachteilig beeinflussen könnte.
Weitere Ausschlussgründe für diese Schwärzungen hat die Beklagte nicht darzulegen
vermocht. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Bekanntwerden der Namen der
Vertragsbeteiligten und ihrer Vertreter nachteilige Auswirkungen auf die internationalen
Beziehungen der Beklagten zur Schweiz haben kann (§ 3 Nr. 1 Buchst. a IFG). Ebenso
wenig ist plausibel, dass diese Informationen der Beklagten vertraulich übermittelt
worden sein könnten (§ 3 Nr. 7 IFG). Dass die beteiligten Unternehmen den Eintritt in
Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten bzw. den Abschluss des Vergleichs davon
abhängig gemacht hätten, dass ihre Anonymität gegenüber Dritten dauerhaft gewahrt
bleibt, ist schon dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen.
Der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Informationszugang ist auch
spruchreif. Zwar kann es hieran fehlen, sofern eine Verpflichtung der Beklagten zur
Informationsgewährung nur unter Verstoß gegen die Verfahrensrechte der nur ihr
bekannten Unternehmen aus § 8 IFG möglich wäre (vgl. zu einer solchen Sachlage
Urteile der Kammer vom 14. Dezember 2006 – VG 2 A 53.06 – und vom 4. Mai 2006 –
VG 2 A 121.05 –). Ein solcher Fall ist hier jedoch schon deshalb nicht gegeben, weil die
Beklagte die fraglichen Unternehmen bereits beteiligt hat.
II.
Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 1
Abs. 1 Satz 1 IFG darauf, dass ihr die Beklagte Zugang zu den unter den Nrn. 9, 10, 13,
15, 17, 18, 20 und 22 geschwärzten Informationen des Settlement Agreement gewährt.
Insoweit ist der Anspruch nach § 6 Satz 2 bzw. § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG ausgeschlossen.
1. Die Beklagte hat dargelegt, dass es sich bei den geschwärzten Angaben über die
konkret zu erbringenden Leistungen („Zahlungen, Anerkenntnisse,
Verantwortlichkeiten“), deren Höhe, Gläubiger, Schuldner und Anzahl um
Geschäftsgeheimnisse der beteiligten Unternehmen handelt, da diese Informationen nur
einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und der jeweilige Rechtsträger an ihrer
Nichtverbreitung ein berechtigtes Interesse hat. Es ist plausibel, dass die Offenbarung
dieser Informationen geeignet ist, die Wettbewerbsposition dieser Unternehmen
nachteilig zu beeinflussen. Insbesondere die Informationen darüber, welche der
beteiligten Versicherer oder Rückversicherer Leistungen zu erbringen oder auch nicht zu
erbringen hat, stellt exklusives kaufmännisches Wissen dar, welches Marktkonkurrenten
Rückschlüsse auf die Werthaltigkeit des Unternehmens und etwaige
Unternehmensstrategien erlauben kann. Entsprechendes gilt hinsichtlich der
Informationen darüber, in welchem Umfang die infolge des Flugzeugunglücks
geschädigten DHL-Unternehmen Leistungen erhalten haben. Das berechtigte Interesse
der beteiligten Unternehmen, insbesondere der beteiligten Versicherer an der
Geheimhaltung der in Frage stehenden Informationen ist nicht zuletzt deshalb
nachvollziehbar, weil der in Frage stehende Vergleich lediglich einen Teilbereich der
verschiedenen, in Folge der Flugzeugkatastrophe womöglich entstandenen
Ersatzansprüche ausmacht. Kenntnisse über die in diesem Bereich konkret zu
erbringenden Leistungen lassen aber Spekulationen oder gar Rückschlüsse über den zu
erwartenden Umfang weiterer Verpflichtungen zu und könnten deshalb die Marktposition
der fraglichen Versicherer schwächen.
An dieser Einschätzung änderte sich selbst dann nichts, sofern der Klägerin seitens der
Beklagten oder der DHL in anderem Zusammenhang die hier in Frage stehenden
Informationen zum Teil bereits mitgeteilt worden sind. Denn auch dann blieben die
konkret getroffenen Vereinbarungen weiterhin nur einem begrenzten Personenkreis
zugänglich und es bestünde das berechtigte Interesse an der Nichtverbreitung dieser
Informationen fort.
2. Soweit die in Frage stehenden Informationen die Beklagte betreffen, bedarf es keiner
Entscheidung, ob sich diese auf den Ausschlussgrund des § 6 Satz 2 IFG berufen kann.
Denn insoweit ist die Gewährung von Informationszugang jedenfalls gemäß § 3 Nr. 1
Buchst. g IFG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf
Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Informationen nachteilige
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Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Informationen nachteilige
Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens haben kann.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
§ 3 IFG dient – wie der Gesetzgeber auch in der Überschrift zu dieser Vorschrift zum
Ausdruck bringt – dem "Schutz von besonderen öffentlichen Belangen". Nr. 1 Buchst. g
der Vorschrift soll das Gerichtsverfahren als Teil der Rechtspflege vor Beeinträchtigungen
durch das Bekanntwerden verfahrensrelevanter Informationen schützen (vgl. Urteil der
Kammer vom 27. Juni 2007 – VG 2 A 136.06 – m- w. N.; vgl. auch OVG Münster,
Beschluss vom 19. Juni 2002 – 21 B 589/02 – NVwZ-RR 2003, 800 ff. und BVerwGE 110,
17 <24> zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG a. F.). Es soll sichergestellt werden, dass die Gerichte
das laufende Gerichtsverfahren unter Einhaltung der jeweils einschlägigen
Prozessordnung und unter Wahrung der verfassungsmäßigen Verfahrensrechte der
Parteien führen können (Urteil der Kammer vom 27. Juni 2007 – VG 2 A 136.06 –). Die
Bestimmung soll gewährleisten, dass die Beteiligten, d. h. auch die öffentliche Hand, ihre
prozessualen Rechte gleichberechtigt wahrnehmen können. Hierzu zählt auch die
Fähigkeit, über den Streitgegenstand frei disponieren zu können. Ebenso wird die
Befugnis der Beteiligten geschützt, im Rahmen der jeweiligen Verfahrensordnungen
darüber verfügen zu können, ob und in welchem Umfang sie Dritten Informationen über
Gegenstand und Inhalte des von ihnen geführten Gerichtsverfahrens zugänglich machen
(vgl. Urteil der Kammer vom 11. Juni 2008 – VG 2 A 69.07 –). Dies bedeutet indes nicht,
dass die öffentliche Hand Informationen zurückhalten kann, die der Bürger benötigt, um
etwa in einem Amtshaftungsprozess die Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns
nachzuweisen.
Nachteilige Auswirkungen liegen vor, wenn sich das Bekanntwerden der Information
negativ oder ungünstig auswirken kann. Eine mögliche Belastung ist ausreichend; eine
Gefährdung, Beeinträchtigung oder ein Schaden ist nicht erforderlich (Urteil der Kammer
vom 31. Mai 2007 – VG 2 A 93.06 – juris).
Hier ist für den Fall der Herausgabe der in Frage stehenden Informationen eine
Beeinträchtigung der Verfahrensposition der Beklagten in dem zwischen ihr und der
Klägerin vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe geführten Rechtsstreit zu befürchten. Es
besteht die konkrete Möglichkeit, dass die Veröffentlichung der hier noch in Streit
stehenden Informationen aus dem u. a. zwischen der Beklagten und den anderen
Unfallbeteiligten geschlossenen Vergleich die Verhandlungsspielräume der Beklagten in
dem mit der Klägerin geführten Schadensersatzprozess beschränken kann. Denn die
Beklagte unterläge angesichts der Identität des Schadensereignisses im Falle der
Veröffentlichung unweigerlich einem gewissen Rechtfertigungsdruck gegenüber der
Klägerin, sofern sie im Falle der Klägerin eine von den Vereinbarungen des Settlement
Agreement abweichende Verhandlungsposition einnähme. Dies könnte die Fähigkeit der
Beklagten einschränken, frei darüber entscheiden zu können, ob und in welchem
Umfang sie die von der Klägerin verfolgten Ansprüche – etwa im Rahmen einer
vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits – anerkennt. Diese Gefahr besteht selbst
dann, wenn – wie die Klägerin meint – die Beklagte bei Verhandlungen über das
Bestehen oder Nichtbestehen eines Amtshaftungsanspruches den Bindungen des
Gleichbehandlungsgrundsatzes unterläge, was hier offen bleiben kann. Denn auch in
diesem Falle könnte der bestehende Rechtfertigungsdruck die Verhandlungsspielräume
der Beklagten selbst dort beschneiden, wo eine Ungleichbehandlung tatsächlich nicht
vorläge oder sachlich gerechtfertigt wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO.
Dabei hat die Kammer zum einen berücksichtigt, dass die Klägerin ihre Klage in einem
wesentlichen Umfang zurückgenommen hat; zum anderen ist die Kammer davon
ausgegangen, dass die nach dem Urteilstenor zu offenbarenden Informationen für die
Klägerin von wesentlich geringerem Interesse sind als die weiteren noch
streitbefangenen Informationen, welche die Kernvereinbarungen des Vergleichs vom 9.
Juli 2007 darstellen. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die
Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 i. V. m.
§ 709 Satz 2 ZPO.
Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung von § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG
grundsätzliche Bedeutung hat.
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