Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017
VG Berlin: lebensgemeinschaft, aufenthaltserlaubnis, botschaft, eheliche gemeinschaft, einreise, familiennachzug, befragung, vietnam, absicht, beweislast
1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
VG Berlin 9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 V 10.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 27 Abs 1 AufenthG 2007, § 28
Abs 1 Nr 1 AufenthG 2007, § 27
Abs 1a AufenthG 2004, Art 6
Abs 1 GG
Aufenthaltserlaubnis: Familienzusammenführung - Beweislast
für die Absicht zur Herstellung einer ehelichen
Lebensgemeinschaft nach der Änderung des
Aufenthaltsgesetzes am 28.8.2007
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme
der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die 1977 geborene Klägerin ist vietnamesische Staatsangehörige. Sie heiratete am 26.
Juni 2006 auf Vermittlung einer in Deutschland lebenden Cousine einen 1963 geborenen
deutschen Staatsangehörigen, den Beigeladenen zu 1. Am 3. Juli 2006 beantragte die
Klägerin bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Hanoi die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Da die Klägerin nach den Feststellungen
der Botschaft kein Deutsch sprach und vor dem Aufenthalt des Beigeladenen zu 1 in
Vietnam zur Eheschließung kein persönliches Treffen stattgefunden hatte, regte die
Botschaft mit Schreiben vom 12. Juli 2006 gegenüber der Ausländerbehörde des
Landkreises Leipziger Land eine zeitgleiche Befragung an. Nach der Anhörung am 14.
September 2006 verweigerte die Ausländerbehörde die Zustimmung zu dem Antrag auf
Familienzusammenführung. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 lehnte die Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland Hanoi den Antrag mit der Begründung ab, dass eine
schutzwürdige Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht vorliege. Nach Remonstration der
Klägerin bestätigte die Botschaft die Ablehnung mit Bescheid vom 11. Dezember 2006.
Unter Hinweis auf widersprüchliche Angaben der Eheleute bei den zeitgleichen
Befragungen wurde ausgeführt, dass die Ehe offensichtlich geschlossen worden sei, um
der Klägerin ein ansonsten verwehrtes Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Beweggrund für
den Wunsch nach Einreise sei nicht das Führen einer ehelichen Lebensgemeinschaft,
sondern vielmehr die Tatsache, dass vier der Cousinen der Klägerin in Deutschland
wohnten.
Am 19. Januar 2007 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Am 3. April 2007
sprach die Klägerin gemeinsam mit dem Beigeladenen zu 1 wieder bei der Botschaft
Hanoi vor und stellte erneut einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur
Familienzusammenführung. Mit Bescheid vom 17. April 2007 lehnte die Beklagte den
Antrag unter Hinweis auf das anhängige Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Berlin
ab.
Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor: Sie liebe ihren Mann und habe den
Wunsch, zu ihm zu kommen. Sie habe Deutsch gelernt und lerne immer noch weiter. Die
widersprüchlichen Angaben bei den Befragungen beruhten auf Missverständnissen.
Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Oktober 2006 in der Fassung
des Remonstrationsbescheides vom 11. Dezember 2006 zu verpflichten, der Klägerin
eine Aufenthaltserlaubnis in Form des Visums zum Ehegattennachzug zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
8
9
10
11
12
13
14
15
Mit Beschluss vom 11. Mai 2007 hat das Gericht den Landkreis Leipziger Land
beigeladen. Nachdem mitgeteilt worden war, dass der Beigeladene zu 1 bereits zum 1.
September 2006 seinen Wohnsitz nach Leipzig verlegt hatte, was bei der Befragung am
14. September 2006 übersehen worden war, hat das Gericht mit Beschluss vom 15. Juni
2007 die Beiladung des Landkreises Leipziger Land aufgehoben und die Stadt Leipzig als
für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständige Ausländerbehörde beigeladen. Der
Vertreter der Beigeladenen zu 2 erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass wegen
der Zweifel am Bestehen einer schutzwürdigen Ehe der Visumserteilung nicht
zugestimmt werde.
Einen Antrag hat die Beigeladene zu 2 nicht gestellt.
Das Gericht hat den Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung am 5.
September 2007 befragt. Zum Ergebnis der Befragung wird auf das Sitzungsprotokoll
Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der
Ausländerbehörde des Landkreises Leipziger Land verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO).
Über das Begehren der Klägerin ist - mangels hier relevanter Übergangsbestimmungen
- auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der durch Art. 1 des
Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen
Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geänderten Fassung zu entscheiden, die
am 28. August 2007 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 10 des Umsetzungsgesetzes).
Nach § 27 Abs. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung
der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische
Familienangehörige (Familiennachzug) zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6
des Grundgesetzes erteilt. Hinsichtlich des Familiennachzugs zu Deutschen regelt § 28
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, dass die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen
Ehegatten eines Deutschen zu erteilen ist, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen
Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Zur Herstellung und Wahrung der familiären
Lebensgemeinschaft dient die Aufenthaltserlaubnis dann, wenn beide Eheleute die
Absicht haben, in Deutschland eine eheliche Gemeinschaft herzustellen, d.h. in einer
dauerhaften und durch enge Verbundenheit und gegenseitigen Beistand geprägten
Beziehung zusammenleben wollen. Der Wille, eine nach Art. 6 GG schutzwürdige
Lebensgemeinschaft tatsächlich herzustellen, muss von beiden Ehepartner getragen
werden. Es reicht nicht aus, wenn z.B. der im Inland lebende Ehegatte eine
Lebensgemeinschaft wünscht, der ausländische Ehepartner die Ehe jedoch nur zum
Zwecke eines Aufenthaltsrechts geschlossen hat (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 23.
August 2002 - OVG 8 N 137.02). Bei einer formal wirksam geschlossenen Ehe ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass die Eheleute die Herstellung einer ehelichen
Lebensgemeinschaft beabsichtigen. Ergeben sich aber - z.B. aus den tatsächlichen
Verhältnissen oder den Angaben der Eheleute - triftige Zweifel, ist eine Überprüfung des
Einzelfalls, ob eine nur zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts geschlossene Scheinehe
vorliegt, die nicht dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterliegt, zulässig. Die Beweislast
dafür, dass tatsächlich beide Ehegatten die Herstellung einer ehelichen
Lebensgemeinschaft beabsichtigen, trägt der ausländische Ehegatte. Gelingt der
Nachweis nicht, geht dies zu seinen Lasten und führt zwingend zur Versagung der
Aufenthaltserlaubnis (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember
2006 - OVG 8 N 95.06; Beschluss vom 7. August 2007 - OVG 3 N 230.06).
Diese zu §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl. I
S. 1950) entwickelten Grundsätze gelten auch bei der Anwendung des neuen
Aufenthaltsrechts. § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG steht dem nicht entgegen. Nach dieser
Vorschrift wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder
das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder
begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das oder den Aufenthalt im
Bundesgebiet zu ermöglichen. Aus dieser Vorschrift folgt nicht, dass eine
Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nur dann versagt werden darf, wenn erwiesen
ist, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Nachziehenden
16
17
18
ist, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Nachziehenden
die Einreise zu ermöglichen. Der Wortlaut enthält keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine
abschließende Regelung für die Versagung des Familiennachzugs (etwa: „Ein
Familiennachzug wird dann nicht zugelassen, wenn…“). Da die Vorschrift als Abs. 1a
eingeführt worden ist, gilt der in § 27 Abs. 1 AufenthG normierte Grundsatz, dass die
Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art.
6 GG erteilt wird, unverändert fort, so dass auch die systematische Stellung gegen eine
solche Interpretation spricht. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Neufassung des
Aufenthaltsgesetzes der Umsetzung u.a. der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.
September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung
(„Familiennachzugsrichtlinie“ - ABl. EU Nr. L 251 S. 12) dient (BGBl. I S. 1970). Die
Familiennachzugsrichtlinie hat die Herstellung und Wahrung des Familienlebens auf der
Grundlage tatsächlicher Bindungen zwischen den Ehepartnern im Blick, wie sich sowohl
aus der Definition des Ausdrucks „Familienzusammenführung“ in Art. 2 d, als auch aus
den Erwägungsgründen 4 und 6 ergibt. Nach Art. 16 Abs. 1 b Familiennachzugsrichtlinie
können die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der
Familienzusammenführung u.a. dann ablehnen, wenn zwischen dem
Zusammenführenden und dem Familienangehörigen keine tatsächlichen ehelichen oder
familiären Bindungen bestehen. In Art. 16 Abs. 2 b Familiennachzugsrichtlinie heißt es,
dass die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der
Familienzusammenführung auch ablehnen können, wenn feststeht, dass die Ehe oder
Lebenspartnerschaft nur zu dem Zweck geschlossen wurde, um der betreffenden Person
die Einreise in einen Mitgliedsstaat oder den Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat zu
ermöglichen. Nach den genannten Bestimmungen eröffnet die
Familiennachzugsrichtlinie demnach die Möglichkeit, einen Familiennachzug sowohl dann
zu verweigern, wenn keine tatsächlichen ehelichen oder familiären Bindungen bestehen,
als auch dann, wenn eine Ehe nur zu dem Zwecke geschlossen worden ist, um der
betreffenden Person die Einreise zu ermöglichen. Diesen Vorgaben trägt das neue
Aufenthaltsgesetz Rechnung, indem in § 27 Abs. 1 AufenthG der allgemeine Grundsatz
aufgestellt wird, dass ein Familiennachzug dem Schutz von Ehe und Familie dient,
während in § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ein besonderer Versagungsgrund für eine
bestimmte Fallkonstellation geschaffen wird. Nach der Gesetzesbegründung wird ein
Ausschlussgrund für den Familiennachzug bei Scheinehen ausdrücklich geregelt, um
dem Missbrauch eines Aufenthaltsrechts entgegenzuwirken; bei der Formulierung des §
27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG wurde Art. 16 Abs. 2 b Familiennachzugsrichtlinie zugrunde
gelegt (vgl. BT-Drs. 16/5065 S. 3 und S. 170).
Im vorliegenden Fall hat das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass die Klägerin und der
Beigeladene zu 1 tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft begründen wollen.
Diese Zweifel stützen sich zunächst auf objektive Gegebenheiten: Die Eheleute haben
sich am 21. Juni 2006 das erste Mal gesehen, als der Beigeladene zu 1 zur
Eheschließung nach Vietnam gereist war. Der Kontakt zwischen der Klägerin und dem
Beigeladenen zu 1 war über eine in Deutschland lebende Cousine der Klägerin
hergestellt worden, die ihrerseits mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet
ist. Die Anbahnung der Ehe erfolgte nach einem typischen Muster: Nach den Vermerken
vom 10. Juli 2006 und vom 18. Oktober 2006 sind in einer Vielzahl von Fällen bei der
Botschaft Hanoi Visumsanträge von vietnamesischen Staatsangehörigen gestellt
worden, nachdem in Deutschland lebende Verwandte eine Eheschließung mit einem
deutschen Staatsangehörigen vermittelt hatten. Dabei ist ein Fall aktenkundig, in dem
eine Vietnamesin, die in der gleichen Provinz lebt wie die Klägerin, am 22. Juni 2006
einen deutschen Staatsangehörigen geheiratet hat, der aus demselben Ort stammt wie
der Beigeladene zu 1. Die Botschaft Hanoi hat wegen der diversen Übereinstimmungen
Ermittlungen gegen die namentlich bekannten Frauen wegen Einschleusens von
Ausländern angeregt. Der Verdacht, dass die Klägerin den Aufenthalt in Deutschland
erstrebt, um bei ihren Cousinen zu leben und nicht etwa, um eine eheliche
Lebensgemeinschaft mit dem Beigeladenen zu 1 herzustellen, liegt angesichts der
geschilderten Parallelfälle auf der Hand. Ein weiterer objektiver Gesichtspunkt, der gegen
eine schutzwürdige Ehe spricht, ist die Tatsache, dass die Klägerin nach den
Feststellungen der Botschaft jedenfalls im Zeitpunkt der Eheschließung kein Deutsch
konnte. Die Klägerin gab an, dass sie nur einige Begrüßungsworte kenne, die
Verständigung mit dem Ehemann aber über eine Cousine bzw. deren Ehemann erfolgen
müsse. Die Angaben des Beigeladenen zu 1 bei der Befragung am 14. September 2006
und in der mündlichen Verhandlung, er habe sich schon bei dem Aufenthalt zur
Eheschließung mit der Klägerin auf Deutsch verständigen können, sind nicht glaubhaft.
Weitere Zweifel an ernsten Eheführungsabsichten beruhen darauf, dass die zeitgleichen
Befragungen diverse Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten ergeben haben.
Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den
19
20
21
22
23
24
Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den
Remonstrationsbescheid vom 11. Dezember 2006 verwiesen. Das Gericht hat keine
Bedenken, der Entscheidung (auch) die Angaben des Beigeladenen zu 1 anlässlich der
Befragung am 14. September 2006 zugrunde zu legen, obwohl die Ausländerbehörde
des Landkreises Leipziger Land zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zuständig war (vgl. § 31
Abs. 1 Nr. 1 AufenthV). Der Beigeladene zu 1 hat das formularmäßige
Befragungsprotokoll selbst ausgefüllt, so dass davon auszugehen ist, dass gegenüber
der zuständigen Ausländerbehörde keine anderen Antworten erfolgt wären. Die
Beigeladene zu 2 als für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständige Ausländerbehörde
hat sich die Einschätzung des Landkreises Leipziger Land zu Eigen gemacht.
Der Vortrag der Klägerin im Klageverfahren war nicht geeignet, die bestehenden Zweifel
auszuräumen. Dass die unterschiedlichen Antworten bei den Befragungen auf
Missverständnissen beruhen könnten, hält das Gericht für unwahrscheinlich. Es liegen
auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin seit der Eheschließung besondere
Anstrengungen unternommen hätte, um den Kontakt zum Beigeladenen zu 1
herzustellen bzw. auszubauen oder sich auf ein gemeinsames Leben mit ihm in
Deutschland vorzubereiten. Die Hinweise auf briefliche und/oder telefonische Kontakte
sind vage und substanzlos.
Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1 in der Zeit vom 1. März 2007 bis 28. April 2007
noch einmal nach Vietnam gefahren ist, räumt die Zweifel daran, dass beide in ehelicher
Gemeinschaft leben wollen, nicht aus. Wenn der Beigeladene zu 1 tatsächlich mehrere
Wochen gemeinsam mit der Klägerin verbracht hätte, wäre zu erwarten, dass er das
Zusammensein detailliert schildern kann. Dem war aber nicht so. Der Beigeladene zu 1
konnte dem Gericht in der mündlichen Verhandlung keine anschaulichen Einzelheiten zu
den persönlichen und tatsächlichen Verhältnissen der Klägerin, zu gemeinsamen
Aktivitäten oder Zukunftsplänen nennen. Bemerkenswert ist, dass bei dem erneuten
Visumsantrag am 3. April 2007 von der Botschaft festgehalten wurde, dass die Klägerin
weiterhin kein Deutsch spreche. Die Angaben des Beigeladenen zu 1 in der mündlichen
Verhandlung blieben auch insoweit unpräzise. Er behauptete lediglich, er könne sich mit
der Klägerin auf Deutsch verständigen, weil sie in einer 20 km von ihrem Dorf entfernten
Kleinstadt einen Deutschkurs besuche. Die Klägerin selbst hat hierzu nichts vorgetragen.
Sie hat im Klageverfahren auch einen Aufenthalt des Beigeladenen zu 1 im März/April
2007 nicht erwähnt.
Nach alledem spricht für die Annahme einer schutzwürdigen Beziehung lediglich der
Umstand, dass offenbar sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 1 „auf
Brautschau waren“, d.h. einen Ehepartner gesucht haben. Die Visastelle vermerkte,
dass die Klägerin mit 30 Jahren zu alt sei, um in Vietnam noch einen Mann zu finden.
Dies bestätigte der Beigeladene zu 1 in der mündlichen Verhandlung. Zu seiner eigenen
Motivation gab er an, er habe „Pech mit Frauen“ gehabt, so dass er froh gewesen sei,
als sich die Möglichkeit für ihn aufgetan habe, eine Vietnamesin zu heiraten. Da diese
Umstände den Wunsch nach einer ehelichen Gemeinschaft zumindest plausibel
erscheinen lassen, konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Ehe
ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, um der Klägerin die Einreise nach
Deutschland zu ermöglichen (vgl. § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG). Selbst wenn beim
Beigeladenen zu 1 der Wunsch nach Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft
unterstellt wird, bleiben doch erhebliche Zweifel, dass auch die Klägerin diese Absicht
hat. Die Zweifel am Bestehen einer von beiden Seiten getragenen schutzwürdigen
Lebensgemeinschaft gehen nach den oben dargestellten Grundsätzen zu Lasten der
Klägerin.
Bei dieser Sachlage hatte das Gericht nicht weiter aufzuklären, ob die
Aufenthaltserlaubnis schon deshalb nicht erteilt werden kann, weil die Klägerin nicht über
die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AufenthG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Frage, ob der
ausländische Ehegatte auch nach dem geänderten Aufenthaltsgesetz die Beweislast für
das Vorliegen einer schutzwürdigen ehelichen Lebensgemeinschaft trägt, in einer
Vielzahl von Fällen erheblich ist.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum