Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017
VG Berlin: wissenschaft und forschung, anerkennung, berechtigung, erlass, hauptsache, besuch, ermessen, abschaffung, unterricht, sammlung
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Gericht:
VG Berlin 3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 L 317.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 61 SchulG BE vom 25.01.2010
Vorläufige Anerkennung eines saudi-arabischen
Schulabschlusses als fachgebundene
Hochschulzugangsberechtigung
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den im Jahr
2006/2007 an der K... Akademie erworbenen schulischen Abschluss des Antragstellers
vorläufig als fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung für das Studium der
Geistes-, Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an Hochschulen im Lande
Berlin über den Weg des Studienkollegs und des Bestehens der Feststellungsprüfung
anzuerkennen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO), mit dem der
Antragsteller sinngemäß begehrt,
den Antragsgegner zu verpflichten, seinen schulischen Abschluss an der K...
Akademie in Berlin nach Ablegen der Feststellungsprüfung vorläufig als fachgebundene
Hochschulzugangsberechtigung anzuerkennen,
hat Erfolg.
Der Antragsteller hat eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen im
anhängigen Klageverfahren VG 3 K 318.10 glaubhaft gemacht; dies reicht für den Erlass
der begehrten, dem möglichen Prozessergebnis in der Hauptsache weitgehend
vorgreifenden einstweiligen Anordnung aus, da die begehrte Anordnung für den
Antragsteller zur Vermeidung wesentlicher Nachteile erforderlich und nicht ersichtlich ist,
dass wesentliche öffentliche Belange der begehrten vorläufigen Regelung entgegen
stehen.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2004 erkannte der Antragsgegner die 12jährige schulische
Ausbildung des Antragstellers in Marokko als mit einem im Land Berlin erworbenen
Realschulabschluss gleichwertig an. Von 2004 bis 2007 absolvierte der Antragsteller am
Oberstufenzentrum Informations- und Medizintechnik eine Berufsausbildung zum
Fachinformatiker Systemintegration. Parallel besuchte er als externer Schüler die K...
Akademie in Berlin und erwarb dort 2007 den „allgemeinen Sekundarabschluss der
Abteilung Sharia und arabische Wissenschaften“. Unter dem 8. Juli 2010 beantragte der
Antragsteller die Prüfung und Bewertung seiner schulischen Leistungen und fügte eine
Bescheinigung des Studienkollegs der Freien Universität Berlin bei, wonach eine
Aufnahme in das Studienkolleg nur möglich sei, wenn das Sekundarschulzeugnis der K...
Akademie durch die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung als
indirekte fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung anerkannt werde. Mit Bescheid
vom 28. Juli 2010 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Die Zulassung von Schülern
zu der K... Akademie, einer ausländischen Privatschule (Ergänzungsschule), sei an enge
Bedingungen gebunden, die der Antragsteller nicht erfülle. Der von ihm auf externem
Weg erworbene Abschluss könne nicht bewertet bzw. anerkannt werden. Ziel sei
vielmehr allein gewesen, eine Studienberechtigung für Saudi-Arabien zu vermitteln. Der
von ihm absolvierte Bildungsgang stelle ansonsten eine unzulässige Umgehung des
hiesigen Bildungsgangs dar, da die K... Akademie aufgrund ihres Status keine dem
hiesigen Zweiten Bildungsweg vergleichbare Einrichtung darstelle.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 61 Abs. 1 SchulG in der seit
dem 25. Januar 2010 geltenden Fassung (GVBl. S. 14). Danach kann ein schulischer
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dem 25. Januar 2010 geltenden Fassung (GVBl. S. 14). Danach kann ein schulischer
Abschluss, eine andere schulische Leistung oder eine Studienbefähigung, der oder die
außerhalb des Landes Berlin erworben wurden, durch die Schulaufsichtsbehörde
anerkannt werden, soweit die Anerkennung im Land Berlin nicht durch
Verwaltungsvereinbarungen oder Staatsverträge geregelt ist. Voraussetzung einer
Anerkennung ist, dass die Abschlüsse, schulischen Leistungen oder
Studienbefähigungen den Anforderungen an die durch dieses Gesetz oder auf Grund
dieses Gesetzes vorgesehenen Abschlüsse oder Studienberechtigungen entsprechen
(Gleichwertigkeit). Die Anerkennung kann von zusätzlichen Leistungsnachweisen und
Prüfungen abhängig gemacht werden.
Hiernach steht dem Antragsteller nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein
möglichen summarischen Prüfung ein Anspruch auf die Zuerkennung der indirekten, das
heißt eine ihm erst nach erfolgreichem Ablegen einer Feststellungsprüfung (ggf. nach
Besuch des Studienkollegs) endgültig zustehende, fachgebundene
Hochschulzugangsberechtigung zu.
Denn die Zentralstelle für ausländische Bildungsabschlüsse (ZaB) des Sekretariats der
ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland
(KMK) hat den Schulabschluss des Antragstellers an der K... Akademie auf Veranlassung
des Antragsgegners unter dem 23. August 2010 ihren Bewertungsvorschlägen für
Schulabschlüsse aus Saudi-Arabien folgend als einem in Saudi-Arabien erworbenem
Sekundarschulabschluss gleichwertig eingestuft, mit dem die Zulassung zum Studium
der Geistes-, Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften nach Ablegen der
Feststellungsprüfung bzw. Besuch eines Studienkollegs möglich sei. Mit dem Nachweis
eines erfolgreichen Studienjahres (in Saudi-Arabien) sei der direkte Hochschulzugang für
das bisher studierte Fach und benachbarte Fächer möglich. Die Orientierung an den
Bewertungsvorschlägen entspricht der ständigen, von der Kammer grundsätzlich
gebilligten Praxis des Antragsgegners (vgl. zur Maßgeblichkeit der Bewertungsvorschläge
auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Oktober 2000 – VGH 9 S 2236.00 –,
NVwZ-RR 2001, 104). Die ZaB hat weiter ausgeführt, dass es für die
Gleichwertigkeitsanerkennung nicht darauf ankomme, ob der Abschluss an der K...
Akademie von einer erwachsenen Person erworben worden sei, die die
Zugangsvoraussetzungen zum Zweiten Bildungsweg nicht erfülle.
Die vom Antragsgegner geltend gemachten Einwendungen stehen der Anerkennung
nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht entgegen.
Soweit der Antragsgegner der Auffassung ist, die Gleichwertigkeitsanerkennung
scheitere schon daran, dass es sich nicht um einen „außerhalb Berlins“ erworbenen
Schulabschluss handelt, kann dem nicht gefolgt werden. Wie der Antragsgegner
zutreffend ausführt, handelt es sich bei der der K... Akademie lediglich um eine
Ergänzungsschule im Sinn des § 102 SchulG, also weder eine genehmigte noch eine
staatlich anerkannte Ersatzschule. Dementsprechend fehlt ihr das in § 100 Abs. 1 Satz 2
SchulG für Ersatzschulen geregelte Recht, Abschlüsse und Zeugnisse zu erteilen, die die
gleiche Berechtigung verleihen wie diejenigen der öffentlichen Schulen. Die an ihr
erworbenen Schulabschlüsse entsprechen inhaltlich den in Saudi-Arabien zu
erwerbenden schulischen Abschlüssen und bedürfen deshalb in jedem Einzelfall
grundsätzlich der Anerkennung durch die Senatsverwaltung, sie entsprechen daher
„außerhalb“ der Berliner Rechtsvorschriften erworbenen Abschlüssen. Allein hierauf ist
nach summarischer Prüfung der Kammer abzustellen.
Die Auffassung des Antragsgegners, ihm stehe auf Grund der Neufassung des § 61
SchulG mit Änderungsgesetz vom 25. Januar 2010 (GVBl. S. 14) ein Ermessen bei der
Anerkennungsentscheidung zu, welches im vorliegenden Fall wegen der von ihm
angenommenen Umgehung der Vorschriften über den Zweiten Bildungsweg zu Lasten
des Antragstellers auszuüben sei, begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken.
Ausweislich der Begründung zur Änderung von § 61 SchulG beruht die Änderung des
Gesetzeswortlauts von „bedarf der Anerkennung durch die Schulaufsichtsbehörde“ in
„kann durch die Schulaufsichtsbehörde anerkannt werden“ allein darauf, dass die
Rahmenordnung der KMK für den Hochschulzugang mit ausländischen
Bildungsnachweisen vorsieht, dass die Hochschulen nunmehr eigenverantwortlich im
Rahmen des Zulassungs- und Immatrikulationsverfahrens über die
Hochschulzugangsberechtigung entscheiden können (Abgh-Drs. 16/2739 vom
4.11.2009, S. 17). Allein die bisher ausschließliche Zuständigkeit der
Schulaufsichtsbehörde sollte daher durch die neue Formulierung einer „kann“-Regelung
und die Änderung des § 61 Abs. 3 SchulG eingeschränkt werden. Die Abschaffung des
zuvor eingeräumten Rechtsanspruchs auf Anerkennung (vgl. hierzu die amtliche
Begründung zu § 61 in der Fassung vom 26. Januar 2004, Abgh-Drs. 15/1842, S. 59) und
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Begründung zu § 61 in der Fassung vom 26. Januar 2004, Abgh-Drs. 15/1842, S. 59) und
die damit verbundene Einräumung eines echten Anerkennungsermessens sollte hiermit
hingegen offensichtlich nicht verbunden werden. Dieses dürfte auch
verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl. Beschluss der Kammer vom 14. Januar
1997 zum Rechtsanspruch nach § 38 SchulG a.F., VG 3 A 7.97, S. 3).
Dementsprechend führt die durch die ZaB geprüfte, vom Antragsgegner nicht in Frage
gestellte Anerkennung des schulischen Abschlusses des Antragstellers als einem in
Saudi-Arabien erlangten Schulabschluss, der hier nach erfolgreichem Ablegen der
Feststellungsprüfung zum fachgebundenen Hochschulzugang berechtigt, zum
Anordnungsanspruch des Antragstellers.
Beachtliche öffentliche Belange werden dadurch, dass dem Antragsteller vorläufig die
indirekte fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung zuerkannt wird, nicht verletzt.
Der Antragsteller nimmt das Studienkolleg sowie ein sich ggf. anschließendes Studium
mit dem Risiko belastet auf, dass ihm letztendlich keine Hochschulzugangsberechtigung
zugebilligt werden kann und er deshalb das Studienkolleg bzw. die Hochschule wieder
verlassen muss. Daran, diese Möglichkeit wahrzunehmen, hat der Antragsteller aber ein
dringendes, die Notwendigkeit der begehrten einstweiligen Anordnung begründendes
Interesse. Denn der Unterricht des Studienkollegs, für das er die Zulassung bereits
erhalten hat, hat bereits am 23. August 2010 begonnen, so dass er ohne die
Zuerkennung der Berechtigung, am Studienkolleg teilzunehmen, mindestens ein
Semester verlieren würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Wertes des
Verfahrensgegenstandes auf den §§ 39 ff., 52 f. GKG. Eine Halbierung des Auffangwertes
kam wegen der Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht.
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