Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017
VG Berlin: treu und glauben, wiedereinsetzung in den vorigen stand, entschädigung, allgemeines verwaltungsrecht, rückübertragung, finanzen, behörde, gegenleistung, bundesamt, rechtsnachfolger
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Gericht:
VG Berlin 29.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
29 A 175.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 29 Abs 3 VermG, § 7 VermG
Anspruch auf Entschädigung nach dem Vermögensgesetz
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren Entschädigung nach § 7 a Abs. 3 b VermG für die in Berlin-
Lichtenberg gelegenen Grundstücke Lückstraße 70/71 und Leopoldstraße 7 und 8. Die
Grundstücke standen am 30. Januar 1933 im Eigentum der offenen Handelsgesellschaft
in Firma B. & G. in Berlin und der Witwe G.L. geb. D. in Berlin-Wannsee je zur ideellen
Hälfte. Mit notariellem Kaufvertrag vom 22. Februar 1940 verkaufte der Mitgesellschafter
der oHG K.G. auch in Vollmacht der verstorbenen Miteigentümerin G.L. bzw. deren Erben
die Grundstücke an den Kaufmann W.K. in Berlin-Dahlem, der bis zur
Rückübertragungsentscheidung im Grundbuch eingetragen blieb. Aus dessen Ehe mit
G.K. gingen die Töchter I.H. und A.W. hervor. Der Kläger zu 1) ist Rechtsnachfolger der
A.W., die Kläger zu 2) und 3) sind die Kinder der I.H. aus ihrer Ehe mit H.H.; sie sind ihre
Erben.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 meldete Rechtsanwalt D. im Auftrag der A.W.
vermögensrechtliche Ansprüche an den Grundstücken an. Mit Schreiben vom 2.
September 1990 meldete der Kläger zu 2) für sich und seine Geschwister
vermögensrechtliche Ansprüche an den vorgenannten Grundstücken an. Mit Bescheid
vom 9. Juni 1998 übertrug das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die
Grundstücke an die Rechtsnachfolger der jüdischen Voreigentümer zurück und lehnte
den Antrag der Kläger zu 2) und 3) sowie den Antrag der A.W. - Rechtsvorgängerin des
Klägers zu 1) - unter Tenorpunkt Nr. 9 und Nr. 14 der Begründung des Bescheides ab.
Zur Begründung führte es aus, dass diese nicht Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1
VermG seien. Gemäß § 3 Abs. 2 VermG gelte derjenige als Berechtigter, der von einer
Maßnahme nach § 1 VermG als erster betroffen sei. Dies seien in diesem Fall die
jüdischen Voreigentümer. Weiterhin führte das Landesamt aus:
„Ob den Erben nach Herrn W.K., Frau A.W., Herrn Dr. D.H., Frau B.M. und Herrn
H.H. eine Entschädigung für den Verlust des Grundstücks nach dem Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsgesetz zusteht, wird in einem gesonderten Verfahren geprüft."
Im Tenorpunkt Nr. 6 ist festgelegt, dass von den Berechtigten eine Gegenleistung in
Gesamthöhe von 538,97 DM an die Rechtsnachfolger nach W.K. zu zahlen ist.
Die Klage der Kläger zu 2) und 3) und der A. W. gegen diesen Bescheid bei dem
Verwaltungsgericht Berlin (VG 29 A 92.98) wurde mit Gerichtsbescheid vom 14. April
2000 abgewiesen. Der Gerichtsbescheid wurde dem Klägervertreter am 20. April 2000
zugestellt.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2004, eingegangen beim Landesamt zur Regelung
offener Vermögensfragen am 14. Dezember 2004, erkundigte sich der damalige
Bevollmächtigte der Kläger bzw. ihrer Rechtsvorgängerin unter Bezugnahme auf die
Ziffer 14 in dem Bescheid vom 9. Juni 1998 nach dem Aktenzeichen des
Entschädigungsverfahrens. Daraufhin teilte das Landesamt mit Schreiben vom 24.
Februar 2005 mit, dass der Antrag auf Entschädigung nur bis zum Ablauf des 6. Monats
nach Eintritt der Bestandskraft der Rückübertragung gestellt werden könne. Ein
entsprechender fristgemäßer Antrag auf Entschädigung liege nicht vor. Falls das
Schreiben vom 13. Dezember 2004 als Antrag zu werten sei, wäre dieser Antrag
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Schreiben vom 13. Dezember 2004 als Antrag zu werten sei, wäre dieser Antrag
abzulehnen. Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2005 wandte der Bevollmächtigte ein, dass der
am 10. Oktober 1990 gestellte Antrag als Antrag nach § 7 a VermG zu werten sei. Mit
Bescheid vom 26. August 2005 lehnte das Landesamt zur Regelung offener
Vermögensfragen den Antrag vom 13. Dezember 2004 ab. Zur Begründung führte es
aus, dass der Antrag auf Entschädigung nicht innerhalb der Sechs-Monats-Frist nach
Bestandskraft der Rückübertragung gestellt worden sei, da der ablehnende Bescheid am
14. April 2000 bestandskräftig geworden sei. In einem Verfahren gerichtet auf
Rückübertragung des Grundstücks B. Straße 59 in Berlin-Friedrichshain sei der Antrag
der Antragsteller ebenfalls nach § 3 Abs. 2 VermG abgelehnt worden. In diesem
Verfahren seien die Antragsteller von Rechtsanwalt D. vertreten worden und hätten
einen fristgerechten Entschädigungsantrag auf Hinweis in dem Bescheid gestellt. Bei § 7
a Abs. 3 c VermG handele es sich um eine selbstständige Anspruchsgrundlage für
nachrangige Altrechtsinhaber, so dass der Antrag vom 10. Oktober 1990 nicht als
Antrag in diesem Sinne gewertet werden könne. Den hiergegen eingelegten Widerspruch
vom 14. September 2005 wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen
mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2007 zurück. Zur Begründung führte es aus, die
Widerspruchsführer hätten innerhalb der am 14. Oktober 2000 abgelaufenen Frist weder
einen ausdrücklichen noch einen konkludenten Antrag auf Entschädigung gestellt.
Erforderlich sei jedoch ein eigenständiger Antrag; der ursprünglich gestellte
Rückübertragungsantrag reiche nicht aus. Die Widerspruchsführer seien durch das
Parallelverfahren B. Straße 59 über das Erfordernis eines eigenständigen Antrags
informiert gewesen, da davon auszugehen sei, dass der Rechtsanwalt D. den
Widerspruchsführern eine Kopie des Bescheides in jenem Verfahren zur Kenntnisnahme
übersandt habe. Dort sei im Tenor explizit ausgeführt worden, dass das anschließende
Entschädigungsverfahren antragsabhängig sei. Der Bescheid wurde am 11. Mai 2007
zugestellt.
Mit der am 11. Juni 2007 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie
tragen vor, dass mit dem Antrag vom 10. Oktober 1990, mit dem auch „für nicht
ausdrücklich genannte Vermögenswerte, die in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegen,
vorsorglich fristwahrend Ansprüche" angemeldet worden sind, hilfsweise auch
Entschädigung beantragt worden sei. Dieser Antrag sei auch für den Fall, dass eine
Rückübertragung nicht stattfinden werde, gestellt worden. Im Übrigen habe die Beklagte
mit dem Hinweis in Ziffer 14 der Begründung auf Seite 23 des Bescheides, dass die
Entschädigung in einem gesonderten Verfahren geprüft werde und durch den Hinweis
auf Seite 8 des Bescheides, in dem von einem hilfsweisen Entschädigungsantrag die
Rede ist, einen Vertrauenstatbestand geschaffen, wonach aus Empfängersicht davon
ausgegangen werden durfte und musste, dass eine erneute Beantragung nicht
erforderlich sei. Soweit in dem Parallelverfahren eine Belehrung über die Notwendigkeit
einer gesonderten Antragstellung ergangen sei, ergebe sich daraus nicht, dass auch im
vorliegenden Verfahren ein Antrag hätte gestellt werden müssen. Im Hinblick auf die dort
vorliegende Belehrung seien die Widerspruchsführer davon ausgegangen, dass für das
angekündigte gesonderte Verfahren im vorliegenden Fall eine nochmalige
Antragstellung gerade nicht erforderlich sei.
Im Termin vom 13. November 2008 haben die Kläger die Klage gegen die
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für zentrale Dienste und
offener Vermögensfragen, erweitert.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes zur Regelung
offener Vermögensfragen vom 26. August 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom
9. Mai 2007 zu verpflichten, festzustellen, dass ihnen für die Grundstücke in Berlin-
Lichtenberg L.straße 70/71 und L.straße 7 und 8 Entschädigung gemäß § 7 a Abs. 3 b
VermG dem Grunde nach zusteht,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes zur Regelung
offener Vermögensfragen vom 26. August 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom
9. Mai 2007 zu verpflichten, festzustellen, dass ihnen für die Grundstücke in Berlin-
Lichtenberg L.straße 70/71 und L.straße 7 und 8 Entschädigung gemäß § 7 a Abs. 3 b
VermG dem Grunde nach zusteht.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, aus den Gründen des Ausgangs- und Widerspruchsbescheides
sei ein fristgerechter Antrag nicht gestellt worden. Es handele sich um einen
eigenständigen Antrag, da der Entschädigungsanspruch für die hier vorliegende
Fallkonstellation 1990 noch gar nicht begründet gewesen sei. Der 1990 gestellte Antrag
habe den Anspruch daher nicht umfassen können.
Die Beklagte trägt vor, das Bundesamt für zentrale Dienste und offener
Vermögensfragen (BADV) sei nicht zuständig und damit auch die Beklagte nicht
passivlegitimiert. Sie meint, der gesetzliche Parteiwechsel zum 1. Januar 2004 gelte nur
für Verfahren, die vor diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgeschlossen
worden seien. Nur mit dieser Eingrenzung könne der vom Gesetzgeber angestrebte
Beschleunigungseffekt erreicht werden. Da hier über den Anspruch nach § 1 Abs. 6
VermG und den Anspruch der Kläger auf Rückübertragung bereits im Jahr 2000
bestandskräftig entschieden worden sei, sei die Beklagte mithin nicht zuständig.
Abgesehen davon sehe die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium
für Finanzen und der Senatsverwaltung für Finanzen des Landes Berlin vom 22. Juli
2005/15. August 2005 in ihrem § 2 Abs. 4 eine Zuständigkeit des Landes Berlin für die
Verfahren über Ansprüche nach § 7 Abs. 3 b VermG vor. Sofern diese Vereinbarung im
Einzelfall der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nicht entspreche, werde die dem
Bund oder dem Land zugewiesene Verfahrenshandlung im Wege der Organleihe
durchgeführt.
Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil die Ausschlussfrist versäumt sei. Die
maßgebliche Formulierung auf Seite 23 des Bescheides vom 9. Juni 1998 des
Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen sei nicht zwingend geeignet
gewesen, die Kläger von einer erneuten Antragstellung abzuhalten. Vielmehr werde
durch die dort gewählte Formulierung lediglich auf ein gesondertes Verfahren
hingewiesen, ohne dass überhaupt darauf eingegangen worden sei, wie dieses Verfahren
in Gang komme. Die anwaltlich vertretenen Kläger hätten sich ohne weiteres informieren
können, wie es mit dem in Aussicht gestellten Entschädigungsverfahren weitergehe,
zumal sie auch Beteiligte in einem Parallelverfahren zum Grundstück B.straße 59 waren,
in dem sie fristgerecht einen neuen Antrag auf Entschädigung gestellt haben. Die
Ursache für die Versäumung der Frist sei daher in der Sphäre der Kläger zu suchen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstandes und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtakte VG 29 A 92.98 und die
Verwaltungsvorgänge des Beklagten (9 Bände) Bezug genommen, die vorgelegen
haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
A.
Die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist unbegründet, da nur die zu 2) beklagte
Bundesrepublik Deutschland für den hier geltend gemachten Anspruch nach § 7 a Abs. 3
b Satz 1 VermG passivlegitimiert ist. Gesetzlich zuständig für diesen Anspruch ist nach §
29 Abs. 3 VermG das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (1).
Soweit aufgrund der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der
Finanzen und der Senatsverwaltung für Finanzen vom 22. Juli 2005/15. August 2005 das
Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin für die Verfahren betreffend
Ansprüche nach § 7a Abs. 3 b VermG zuständig ist, handelt es sich um einen Fall der
sogenannten Organleihe und nicht um eine auftragsweise Übernahme von
Verwaltungsaufgaben des Bundes durch das Land mit der Folge, dass die Handlungen
des entliehenen Organs dem Entleiher, also der Bundesrepublik Deutschland,
zuzurechnen sind (2).
1) Nach § 29 Abs. 3 VermG ist das Bundesamt für zentrale Dienste und offene
Vermögensfragen für den Anspruch nach § 7a Abs. 3 b VermG zuständig.
Sinn und Zweck der Anfügung des § 29 Abs. 3 VermG liegt in einer "einheitlichen und
zügigen Durchführung der noch offenen Verfahren" (vgl. BTDrucks 15/1180 S. 4), die sich
nach § 1 Abs. 6 VermG richten. Mit der gesetzlichen Neuregelung wurde nicht nur § 29
Abs. 3 VermG angefügt, sondern auch § 41 Abs. 4 VermG, mit dem die Zuständigkeit
des BADV im Widerspruchsverfahren begründet wurde, "wenn vermögensrechtliche
Ansprüche geltend gemacht werden, auf die dieses Gesetz gemäß § 1 Abs. 6
entsprechend anzuwenden ist ". Diese deutlich weitere Fassung lässt den Willen des
Gesetzgebers erkennen, dass das BADV auch als Ausgangsbehörde für jene Verfahren
zuständig sein soll, in denen neben Ansprüchen nach § 1 Abs. 6 VermG, die in der Regel
vorrangig sein werden, auch andere Ansprüche von demselben oder einem
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vorrangig sein werden, auch andere Ansprüche von demselben oder einem
konkurrierenden Antragsteller geltend gemacht werden. Nur bei einer umfassenden
Zuständigkeit des BADV lässt sich vermeiden, dass hinsichtlich der anderen Ansprüche
eine unvertretbare Verfahrensverzögerung eintritt (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2004 -
8 C 9.03 - VIZ 2004, 264 = ZOV 2004, 86). Ergänzend verweist die Kammer auf die
Erwägungen im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2008.
2) Aufgrund der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der
Finanzen und der Senatsverwaltung für Finanzen vom 22. Juli 2005/15. August 2005 ist
jedoch das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin für Verfahren
betreffend Ansprüche nach § 7a Abs. 3 b VermG zuständig. Dabei handelt es sich um
einen Fall der sogenannten Organleihe und nicht um eine auftragsweise Übernahme von
Verwaltungsaufgaben des Bundes durch das Land mit der Folge, dass die Handlungen
des entliehenen Landesamtes der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen sind.
Das Institut der Organleihe ist dadurch gekennzeichnet, dass ein bestimmtes Organ
neben den Aufgaben seines Verwaltungsträgers gewisse Aufgaben eines anderen
Verwaltungsträgers wahrzunehmen hat und insoweit als dessen Organ tätig wird. Das
ausgeliehene Organ ist, soweit die Inanspruchnahme reicht, nicht nur funktionell,
sondern auch organisatorisch dem ausleihenden Verwaltungsträger zugeordnet (Maurer,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl., § 21 Rn. 54). Von der Organleihe ist der Fall zu
unterscheiden, dass ein Verwaltungsträger oder ein bestimmtes Organ eines
Verwaltungsträgers auftragsweise Aufgaben eines anderen Verwaltungsträgers
wahrzunehmen hat. Das in Anspruch genommene Organ erfüllt in diesem Falle zwar
Aufgaben jenes Verwaltungsträgers, handelt aber nicht als dessen Organ, sondern als
Organ seines eigenen Verwaltungsträgers. Maßgeblich für die Abgrenzung ist, ob das
entliehene Organ in den Verwaltungsaufbau des entleihenden Verwaltungsträgers
mindestens teilweise eingegliedert ist (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976 - VII A 4.73 -
NJW 1976, 1468 <1469>), also ob der entleihende Verwaltungsträger den Einsatz der
Mitarbeiter des in Anspruch genommenen Organs gesteuert, kontrolliert oder über die
Ausübung der Fachaufsicht hinaus Weisungen erteilt hat (BGH, Urteil vom 2. Februar
2006 - III ZR 159.05 - NVwZ 2006, 1085; vgl. auch VG Freiburg, Urteil vom 11. November
2008, 3 K 955.07 - Juris).
Nach dem Inhalt der Verwaltungsvereinbarung ist das Landesamt zur Regelung offener
Vermögensfragen zwar in den Verwaltungsaufbau des Bundes nicht eingegliedert. In der
Präambel der Vereinbarung heißt es jedoch, dass die durch die Vereinbarung getroffene
Zuständigkeitsübertragung im Wege der Organleihe durchgeführt werde, soweit diese im
Einzelfall der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nicht entspreche. Damit wollten die
Parteien der Verwaltungsvereinbarung offenkundig trotz inhaltlicher Nähe der
getroffenen Vereinbarungen zum Institut der auftragsweisen Übertragung von
Verwaltungsaufgaben die gesetzliche Zuständigkeit und damit die Verbands-
Verantwortlichkeit nicht verändern. Damit ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten
durch das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin, passivlegitimiert.
B.
Auch die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist unbegründet. Der Bescheid des
Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 26. August 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes zur Regelung offener
Vermögensfragen vom 9. Mai 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung ihrer
Berechtigung nach § 7 a Abs. 3 b Satz 1 VermG, da der Antrag bzw. die Wahl der
Entschädigung nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 7 a Abs. 3 b Satz 4 VermG
erfolgt ist.
Danach kann der Antrag auf Entschädigung nur bis zum Ablauf des sechsten Monats
nach Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung nach Absatz 2 gestellt werden. Der
Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, mit dem eine
Entscheidung über die Herausgabe der Gegenleistung nach § 7 a Abs. 2 VermG
getroffen worden ist, ist am 20. Mai 2000 bestandskräftig geworden. Der
Gerichtsbescheid vom 14. April 2000 (VG 29 A 92.98) ist dem damaligen (und jetzigen)
Klägervertreter am 20. April 2000 zugestellt worden und am Montag, dem 22. Mai 2000
rechtskräftig geworden. Die Frist endete mithin am 22. November 2000 (§ 31 Abs. 1 und
3 VwVfG i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB analog, § 31 Abs. 7 VermG). Innerhalb der Frist vom
22. Mai bis zum 22. November 2000 haben die Kläger weder einen ausdrücklichen noch
einen konkludenten Antrag auf Gewährung von Entschädigung anstelle der
Gegenleistung gestellt. Soweit ersichtlich fand eine Kommunikation zwischen den
Klägern und dem Beklagten bzw. dem Bundesamt für zentrale Dienste und offene
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Klägern und dem Beklagten bzw. dem Bundesamt für zentrale Dienste und offene
Vermögensfragen in diesem Zeitraum überhaupt nicht statt. Auch der Antrag vom 10.
Oktober 1990 kann nicht als Entschädigungsantrag gewertet werden. Ein ausdrücklicher
Entschädigungsantrag ist in diesem Antrag ohnehin nicht enthalten. Die Anspruchsnorm
wurde erst mit Art. 1 Nr. 7 Buchst. c des Vermögensrechtsanpassungsgesetzes vom 4.
Juli 1995 - BGBI. 1 S. 895 geschaffen. Damit konnte der ursprüngliche
Rückübertragungsantrag und ein auch - hier gar nicht gestellter - hilfsweiser
Entschädigungsantrag diesen Antrag nicht umfassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.
Februar 2006 - 3 B 90.05 - Buchholz 428 § 7 a VermG Nr. 8 = ZOV 2006, 140). Im
Übrigen ist zur Erlangung der auf § 7 a Abs. 3 b Satz 1 VermG gestützten
Entschädigungsleistung schon wegen der damit verbundenen Unwürdigkeitsprüfung ein
gesonderter, eigenständiger und fristgebundener Antrag erforderlich (vgl. für den Antrag
nach § 7 a Abs. 3 c Satz 1 VermG BVerwG, Urteil vom 9. Oktober 2007 - 8 C 11.06 - ZOV
2007, 237; Beschluss vom 1. Februar 2006 - 3 B 90.05 – a.a.O.). Ein derartiger Antrag ist
hier frühestens mit dem Antrag vom 13. Dezember 2004 als gestellt anzusehen, mithin
zu spät.
Die Frist des § 7 a Abs. 3 b Satz 4 VermG ist eine materiell-rechtlich wirkende
Ausschlussfrist. Dies ergibt sich schon aus dem im Gesetz enthaltenen Klammerzusatz
„Ausschlussfrist". Entsprechend der Anmeldefrist des § 30 a Abs. 1 VermG will sie im
öffentlichen Interesse so schnell wie möglich Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
herbeiführen, ob ein Entschädigungsanspruch geltend gemacht wird. Dies gilt auch und
gerade im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel der zügigen Abwicklung der
vereinigungsbedingten Probleme.
Aus der Rechtsnatur als materieller Ausschlussfrist folgt weiter, dass bei unverschuldeter
Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 32 Abs. 1 VwVfG)
nicht möglich ist. Nach § 32 Abs. 5 VwVfG ist die Wiedereinsetzung unzulässig, wenn sich
aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Diese Rechtsfolge muss
nicht im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommen, sie tritt auch dann ein, wenn sich aus
Sinn und Zweck der Regelung ergibt, dass ein verspäteter Antragsteller materiell-
rechtlich endgültig seine Anspruchsberechtigung verlieren soll (BVerwG, Urteil vom 28.
März 1996 - 7 C 28.95 - Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 2). So liegt der Fall hier; es ist
ein legitimes gesetzgeberisches Ziel, baldmöglichst Klarheit über die Beantragung von
Entschädigungsansprüchen zu haben, um auf diese Weise die zahlreichen mit der
Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands verbundenen Aufgaben in Angriff
nehmen zu können (vgl. BVerwG, a.a.O., für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des §
30 a VermG; ebenso VG Berlin, Urteil vom 29. April 2005 - VG 31 A 46.04 – für die Frist
des § 7 a Abs. 3 c VermG).
Allerdings kommt ebenso wie bei der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 30 a
VermG in Betracht, dass die Behörde in den Fällen der Versäumung der Ausschlussfrist
ausnahmsweise durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert sein kann, dem
antragstellenden Bürger die Fristversäumung entgegenzuhalten. Eine derartige
Nachsichtgewährung kommt im Fall des § 30 a VermG in Betracht, wenn 1. die
Versäumung der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von
Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder
seine Rechte nicht wahrnehmen kann, und wenn 2. durch die Berücksichtigung der
verspäteten Anmeldung der Zweck der Ausschlussfrist nicht verfehlt würde (BVerwG,
Urteil vom 28. März 1996 - 7 C 28.95 - Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 2 st. Rspr.). Diese
zur Anmeldefrist des § 30 a VermG entwickelten Grundsätze sind auf die Frist des § 7 a
Abs. 3 b Satz 4 VermG zu übertragen.
Ein staatliches Fehlverhalten liegt in Abweichung zu der von der Kammer bislang
angedeuteten Auffassung (vgl. aber auch rechtlichen Hinweis vom 20. Mai 2009) nicht
vor. In dem ablehnenden Bescheid vom 9. Juni 1998 des Landesamtes zur Regelung
offener Vermögensfragen ist ausgeführt worden, dass eine Entschädigung für den
Verlust des Grundstücks in einem gesonderten Verfahren geprüft wird. Der Hinweis
bezog sich allerdings nur auf den rückübertragungsrechtlichen Primäranspruch. Ein
derartiger Primäranspruch besteht jedoch gar nicht, weil die Kläger bzw. ihre
Rechtsvorgänger nicht von einer nachfolgenden Schädigung im Sinne von § 3 Abs. 2
VermG, die zu einer Rückübertragung führen kann, betroffen waren, was in der bis zur
mündlichen Verhandlung vom 13. November 2008 geführten Diskussion übersehen
worden ist. Bezieht man den Hinweis auf Entschädigung für den „Verlust des
Grundstücks“ auf den Verlust infolge der in dem Bescheid vom 9. Juni 1998
angeordneten Rückübertragung an die Rechtsnachfolger der jüdischen Voreigentümer,
so ist darauf hinzuweisen, dass es einen solchen Anspruch nach dem Vermögensgesetz
nicht gibt.
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Der unzutreffende Hinweis in dem Bescheid ging also ins Leere. Insofern erschöpft sich
das Fehlverhalten der Behörde darin, dass auf die Wahlmöglichkeit nach § 7 a Abs. 3 b
VermG nicht hingewiesen wurde. Das bloße Fehlen des Hinweises auf die
Wahlmöglichkeit stellt jedoch kein staatliches Fehlverhalten dar (so zu Recht Meyer-Seitz
in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Stand Januar 2007, § 7 a Rn.
110).
Staatliches Fehlverhalten kann auch nicht damit begründet werden, dass der Hinweis die
anwaltlich vertretenen Kläger davon abgehalten habe, Ansprüche nach § 7 a Abs. 3 b
VermG geltend zu machen. Insofern musste den anwaltlich vertretenen Klägern bei der
gebotenen Prüfung des Bescheides und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass
der Rechtsvorgänger der Kläger, W. K. im Grundbuch als Eigentümer verzeichnet war,
klar werden, dass ein Rückübertragungsanspruch mangels einer Zweitschädigung im
Sinne von § 3 Abs. 2 VermG entgegen den Ausführungen in dem Bescheid nicht
bestehen konnte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich der unter Nr. 14 der
Begründung des Bescheides findende Hinweis auf eine gesonderte Prüfung des
Entschädigungsanspruchs für den Verlust des Grundstücks unmittelbar nach einem
Absatz befindet, in dem die Behörde ausführt, dass gemäß § 3 Abs. 2 VermG derjenige
als Berechtigter gelte, der von einer Maßnahme nach § 1 VermG als Erster betroffen sei.
Dies seien in diesem Fall die jüdischen Voreigentümer. Unter Berücksichtigung des den
Klägern bekannten oder ohne weiteres ermittelbaren Umstandes, dass ihr
Rechtsvorgänger weiter im Grundbuch verzeichnet war, hätten die anwaltlich vertretenen
Kläger erkennen können, dass der Hinweis offensichtlich fehlerhaft war. Insofern hätte
sich eine Nachfrage beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen innerhalb
der Ausschlussfrist aufgedrängt. Die Kläger konnten aber nicht davon ausgehen, dass
mit diesem Hinweis auch der gesetzlich geregelte Anspruch nach § 7 a Abs. 3 b VermG
gemeint war, insbesondere dass es eines eigenständigen Antrages – der die
Unwürdigkeitsprüfung nach § 7 a Abs. 3 b Satz 2 VermG auslösen kann – nicht mehr
bedurfte. Der Hinweis war auch nicht derart gestaltet, dass er die anwaltlich vertretenen
Kläger davon abhalten musste, weitere Überlegungen in diesem Zusammenhang
anzustellen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn sich der Hinweis in einer
ähnlichen Art und Weise unter Nr. 12 „Gegenleistung“ (Seite 22 des Bescheides vom 9.
Juni 1998) befunden hätte, wo ausgeführt wird, dass die Berechtigten die Gegenleistung
an die Kläger herauszugeben haben. Dies ist aber nicht der Fall.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Wiedereinsetzung nach § 32
VwVfG ausschließendes Verschulden schon dann vorliegt, wenn der Betreffende nicht
alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, das Hindernis an der
Versäumung der Frist auszuräumen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 32 Rdnr. 20).
Dabei sind an einen Rechtsanwalt grundsätzlich höhere Anforderungen zu stellen als an
einen juristischen Laien; maßgeblich sind die Verhältnisse des jeweiligen Betroffenen
(Kopp/Ramsauer a.a.O.). Diese Grundsätze gelten erst recht im Falle der
Nachsichtgewährung mit der Maßgabe, dass jede Art von Verschulden oder
Mitverschulden auch bei behördlichen Fehlern dazu führt, dass ein staatliches
Fehlverhalten in einer Nachsichtgewährung begründenden Weise nicht vorliegen kann.
Aufgrund des Charakters der hier in Rede stehenden Sechsmonatsfrist als materieller
Ausschlussfrist ist die Berufung auf mangelndes Verschulden an der Fristversäumung
grundsätzlich ausgeschlossen. Nachsicht wird nur gewährt, wenn die zur Entscheidung
berufene Behörde ausnahmsweise durch den Grundsatz von Treu und Glauben
gehindert sein kann, dem antragstellenden Bürger die Fristversäumung
entgegenzuhalten (BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 – 8 B 287.99 – ZOV 2000,
342). An einem derartigen Verstoß gegen Treu und Glauben fehlt es aber schon dann,
wenn der Bürger trotz des Fehlers der Behörde in der Lage gewesen wäre, die Frist
einzuhalten. Hiervon ist aber wegen der generellen Zumutbarkeit der
Auseinandersetzung mit dem Bescheid und der Informationsbeschaffung über die
Geschichte des eigenen Grundstücks auszugehen.
Ob auch der Zweck der Ausschlussfrist verfehlt würde, kann unter diesen Umständen
offen bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung gegen dieses Urteil ist ausgeschlossen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 VermG).
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 135 VwGO i.V.m. § 132
Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO nicht vorliegen.
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