Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017
VG Berlin: disziplinarverfahren, bier, zustand, blutentnahme, bus, ausbildung, blutprobe, dienstfahrzeug, lokal, blutalkoholkonzentration
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Gericht:
VG Berlin
Disziplinarkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
80 A 15.05
Dokumenttyp:
Gerichtsbescheid
Quelle:
Tenor
Gegen den Beamten wird eine Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge in Höhe von 10
v.H. auf die Dauer von 5 Monaten verhängt.
Der Beamte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der ihm erwachsenen
notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Der am 5... 1970 in Bochum geborene Beamte trat 1995 zur Ausbildung für den
gehobenen Dienst in die Berliner Schutzpolizei ein. 1998 beendete er das
Fachhochschulstudium mit Erfolg als Diplom Verwaltungswirt (FH). Am 1... 2000 wurde er
unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Polizeikommissar
ernannt. Seit Januar 2001 leistete er Dienst beim Landeskriminalamt. Dabei erhielt er
eine spezifische Ausbildung für Aufklärungstätigkeit. Nach dem den Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens bildenden Vorfall am 16. Februar 2002 war der Beamte bis
Ende August 2002 dienstunfähig erkrankt. Anschließend leistete er für drei Monate
Dienst bei dem Sozialmedizinischen Dienst der Polizeipräsidenten in Berlin. Auf
Grundlage polizeiärztlicher Empfehlung wurde der Beamte im Anschluss ohne Waffe mit
geminderten Arbeitsanforderungen eingesetzt. Wegen reaktiver depressiver Störung
setzte das Versorgungsamt des Landes Berlin im Jahr 2003 einen Grad der Behinderung
von 20 % fest.
Die dienstlichen Leistungen des Beamten im Beurteilungszeitraum Januar 2001 bis
November 2002 als Einsatzbeamter beim LKA wurden mit „voll gut“ beurteilt.
Der Beamte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
Er erhält Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 9 in Höhe von (Stand Mai 2005)
2.501,75 € (brutto). Der Beamte ist ledig und hat keine Kinder.
Mit Verfügung vom 9. Dezember 2003, zugestellt – nach Beteiligung der
Frauenvertreterin und des Personalrats – unter dem Ausfertigungsdatum 14. Januar
2004 am 18. Februar 2004, leitete der Polizeipräsident in Berlin gegen den Beamten das
förmliche Disziplinarverfahren ein. Nach Durchführung der Untersuchung legte die
Vertreterin der Einleitungsbehörde dem Beamten mit der Anschuldigungsschrift vom 20.
Mai 2005 zur Last,
die ihm als Polizeibeamten obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt,
insbesondere gegen die Verpflichtung zu dem seinem Beruf entsprechenden achtungs-
und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb des Dienstes verstoßen und das Ansehen
der Berliner Polizei geschädigt zu haben,
indem er
1. in der Nacht vom 15. zum 16. Februar 2002 in den Zeitraum zwischen
2. 23.30 Uhr und 5.00 Uhr in B.-W. während einer von ihm durchgeführten
Observation der Diskothek „H.“ dort insgesamt sechs Biere mit einer
Gesamtmenge von 2,2 l konsumierte und dabei das ihm bekannte Verbot,
während des Dienstes Alkohol zu konsumieren, sowie die entsprechende
interne Weisung für Mitarbeiter des LKA 63 außer Acht ließ sowie
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3. im Anschluss daran am 16. Februar 2002, gegen 5.20 Uhr aufgrund des
Einflusses von Alkohol absolut fahruntüchtig ein ihm dienstlich zur Verfügung
gestelltes Zivil-Kraftfahrzeug führte und hierdurch an einer Kreuzung in B.-M.
auf einen verkehrsbedingt an einer Rotlicht abstrahlenden Lichtsignalanlage
haltenden BVG-Bus auffuhr, so dass an dem Bus ein Fremdschaden in Höhe
von ca. 7.000 € entstand.
Wegen des sachgleichen Vorwurfs zu 2. verurteilte das Amtsgericht T. den Beamten
durch Strafbefehl vom 4. April 2002, rechtskräftig seit dem 28. Mai 2002, wegen
fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu
je 30,-- Euro (3....). Zugleich entzog ihm das Gericht für Dauer von 9 Monaten die
Fahrerlaubnis.
II.
Über die vorliegende Disziplinarsache ist nach Maßgabe der Landesdisziplinarordnung
(LDO) zu entscheiden, obwohl diese gemäß Artikel VIII § 3 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur
Neuordnung des Berliner Disziplinarrechts vom 29. Juni 2004 (GVBl. S. 263) mit dessen
In-Kraft-Treten am 1. August 2004 außer Kraft getreten ist. Nach § 49 Abs. 3 des
Disziplinargesetzes werden vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes eingeleitete förmliche
Disziplinarverfahren nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts fortgeführt. Für die
Anschuldigungsschrift und die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gilt ebenfalls
das bisherige Recht. Vorliegend ist das förmliche Disziplinarverfahren gegen den
Beamten im Februar 2004 eingeleitet worden.
Die Entscheidung durch einen Disziplinargerichtsbescheid beruht auf § 60 a der
Landesdisziplinarordnung (LDO), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Oktober 2001
(GVBl. S. 532). Da weder die Vertreterin der Einleitungsbehörde noch der Beamte der
aus dem Tenor ersichtlichen Entscheidung widersprochen haben und das Verfahren
keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, konnte das
förmliche Disziplinarverfahren durch Erlass eines Disziplinargerichtsbescheids
abgeschlossen werden (§ 60 a Abs. 1 LDO).
III.
Wegen des für die disziplinarrechtliche Würdigung maßgeblichen Sachverhalts wird
entsprechend § 267 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz StPO i.V.m. § 26 LDO auf die
Anschuldigungsformel in der Anschuldigungsschrift vom 20. Mai 2005 verwiesen.
Ergänzend stellt die Disziplinarkammer unter Berücksichtigung der Einlassungen des
Beamten fest:
Der Beamte hat im Rahmen einer dienstlich angeordneten Objektaufklärung am 16.
Februar 2002 Uhr zwischen 0:30 Uhr (die Angabe 23.30 Uhr in der Anschuldigungsformel
beruht auf einem offensichtlichen Übertragungsfehler) und etwa 5:00 Uhr in der
Diskothek „H.“ in B. W. mindestens 2,2 Liter Bier im Dienst zu sich genommen. Dass der
Beamte sich diese von ihm eingeräumte und in der Anschuldigungsschrift (nur) als
Dienstvergehen zur Last gelegte Menge Alkohol aus polizeitaktischen Gründen zuführen
musste, ist nicht überzeugend dargelegt worden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum er
das Lokal nicht früher verlassen hat, nachdem es ihm nach seinen Angaben nicht
gelungen war, seinen rufbereiten Kollegen anzurufen und er sich bedroht fühlte. Erst zwei
Wochen später fand die Konzertveranstaltung statt, in deren Vorfeld polizeiliche
Aufklärungsarbeit zu leisten war. Sowohl der Zeuge B., der Gruppenführer des Beamten,
wie auch der Zeuge L., haben glaubhaft bekundet, dass keine dienstliche Notwendigkeit
bestanden habe, die Objektaufklärung in der fraglichen Nacht vorzunehmen. Nach deren
übereinstimmenden Angaben entscheidet der Beamte zudem vor Ort selbst, ob er einen
Einsatz durchführt. Er hätte also z.B. schon nach zwei kleinen Bier gehen können. Ein
Aufenthalt von etwa 4 ½ Stunden ist, soweit erkennbar, dienstlich nicht begründet
gewesen. Trifft es zu, dass der Beamte ein Liebhaber von Heavy Metal Musik ist, wozu er
sich in seiner Anhörung im Disziplinarverfahren unverständlicherweise nicht äußern
wollte, läge eine – an sich nicht zu beanstandende – Überschneidung dienstlicher und
privater Interessen nahe. Das – dem Beamten unstreitig bekannte – dienstliche Gebot
der Zurückhaltung bei taktisch bedingtem Alkoholkonsum ist von dem Beamten hier
danach nicht beachtet worden. Da er mit einem Dienstfahrzeug zum Objekt gefahren
war, durfte er auch deshalb nicht in dem Maß Alkohol zu sich nehmen, dass er
fahruntauglich wurde. Die Grenze relativer Fahruntauglichkeit war bereits bei der von ihm
angegebenen Trinkmenge überschritten. Dies sieht der Beamte, auch ein.
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Der von dem Beamten eingeräumte Alkoholkonsum erklärt nicht die bei ihm
festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,53 Promille zur Zeit der Blutentnahme um
6:07 Uhr, die jedoch objektiv feststeht und dem Vorwurf der Trunkenheitsfahrt zu Grunde
liegt. Der Beamte führt zu dieser augenscheinlichen Diskrepanz im behördlichen
Disziplinarverfahren die Möglichkeit von Trocken- oder Flüssigalkoholzugaben zu den von
ihm nach seinen Angaben verkosteten zwei offenen Bieren an. Konkrete objektive
Anhaltspunkte für einen solchen Sachverhalt gibt es jedoch nicht. Dass eine solche
Möglichkeit denklogisch nicht ausgeschlossen werden kann, begründet allein keine
ernsthaften Zweifel an der Verantwortlichkeit des Beamten an seinem Zustand.
Gegen die Annahme der Zugabe von Alkohol spricht, dass der Beamte dies
geschmacklich nach dem ersten Schluck gemerkt haben müsste. Nahe liegender ist,
dass der Beamte tatsächlich mehr Bier oder auch andere alkoholische Getränke zu sich
genommen hat, über seinen wahren Trinkkonsum aber wegen parziellen
Gedächtnisverlusts keine reale Erinnerung hat. Die vermutete Beimischung einer – was
erforderlich gewesen wäre – nicht unerheblichen Menge flüssigen harten Alkohols, die
zusammen genommen 2,53 Promille hätte hervorrufen können, nach Genuss von 1,2
Liter reinen Bieres geschmacklich nicht bemerkt zu haben, wäre nicht nachvollziehbar
und ist von dem Beamten auch nicht vorgetragen worden. Ausgehend von der allgemein
anerkannten Widmark-Formel zur Bestimmung der getrunkenen Alkoholmenge musste
der – zu Folge des Protokolls der Blutprobe in der Strafakte 3.... des Amtsgerichts
Tiergarten – 1,80 Meter große und seinerzeit 85 kg schwere Beamte, um gegen 6:00 Uhr
2,53 Promille Blutalkoholkonzentration erreichen zu können, seit 0:30 Uhr nach
forensischer Berechnung 203 g reinen Alkohol zu sich genommen haben (errechnet mit
dem Blutalkohol-Berechnungsprogramm von Dr. G. Schmidt). Bei physiologischer
Berechnung wären es sogar 249 g gewesen. Würde es zutreffen, dass der Beamte nur
2,2 Liter Bier getrunken hat, hätte er dadurch nur 88 g reinen Alkohol zu sich
genommen. Es hätten den beiden 0,5-Liter großen Bieren also zusammen 140 bis 180 g
reinen Alkohols zugesetzt worden sein müssen. Das entspricht in etwa einem halben
Liter 40 Vol%-haltigen Schnapses, d.h. nur weniger als die Hälfte des Bierglases wäre
jeweils mit Bier gefüllt gewesen. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht hätte
geschmacklich unbemerkt bleiben können.
Der geltend gemachte Dämmerzustand, der Schuldunfähigkeit bereits bei Antritt der
Trunkenheitsfahrt begründen soll, ist – auch unter Berücksichtung der dargelegten
Übermüdung – nicht überzeugend begründet. Den dazu vorgebrachten ärztlichen
Stellungnahmen ist entgegenzuhalten, dass diese sich notwendigerweise auf Angaben
des Beamten beschränken mussten, ohne die dem Gericht vorliegenden Akten in ihre
Stellungnahmen einbeziehen zu können. Es ist allerdings nachvollziehbar, dass der
Beamte während der Fahrt von W. nach M. eine Bewusstseinsstörung erlitt, die den
Zusammenstoß nach etwa fünf Kilometer Fahrt erklärt, und rückwirkender
Gedächtnisverlust eintrat. Dass dieser sog. „Filmriss“, wie er bei übermäßigem
Alkoholkonsum typischerweise auftreten kann, bereits zeitlich im Lokal einsetzt, ist
ebenfalls plausibel, sagt aber nichts über die Frage der Schuldfähigkeit bei Fahrtantritt
aus.
Diese ist hier anzunehmen. Denn der Beamte ist ganz offensichtlich überdurchschnittlich
alkoholgewöhnt. Dem steht nicht entgegen, dass physiologisch Alkoholmissbrauch nicht
nachgewiesen wurde. Auch muss er, wenn er in dem hier angenommenen Maß
alkoholgewöhnt ist, nicht notwendig alkoholkrank sein.
Nicht glaubwürdig ist die Angabe des Beamten gegenüber der Polizeiärztin, er habe vor
dem Vorfall lediglich maximal drei Mal im Monat zwei bis drei kleine Biere bzw. Wein
getrunken. Bei dermaßen geringer Alkoholgewöhnung wäre die Fähigkeit nicht plausibel,
mit deutlich mehr als zwei Promille Alkohol im Blut ein Kraftfahrzeug erreichen, es
öffnen, es besteigen und über etwa fünf Kilometer führen zu können. Bei der
Unfallaufnahme und der Blutentnahme wirkte der Beamte nicht etwa volltrunken,
sondern „angetrunken“ (Zeuge L.) bzw. „stark alkoholisiert“ (Zeuge K.). Vor der
Blutprobe handelte er situationsgerecht und orientiert. So rief er seinen rufbereiten
Kollegen, und, nachdem er diesen nicht erreicht hatte, seinen Gruppenführer über
Handy an und teilte mit, wo er sich befand. Er konnte auf der Fahrt von der
Blutentnahme zu seiner Wohnung – wobei der Zeuge L. das Fahrzeug führte – das
Fahrzeug selbst verlassen und wieder einsteigen und hatte beim Öffnen seiner
Wohnungstür keine Koordinierungsprobleme.
Schließlich überzeugt auch die geltend gemachte Übermüdung nicht, von der der
Beamte selbst nicht ausging. Der körperlich trainierte und belastbare Beamte hatte zwar
von Dienstbeginn am Mittwoch bis Dienstbeginn am Donnerstag bedingt durch einen
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von Dienstbeginn am Mittwoch bis Dienstbeginn am Donnerstag bedingt durch einen
Einsatz in Dresden nur wenig Schlaf, seinen Dienst am Donnerstag aber um 15 Uhr
beendet und Schlaf bis zum erneuten Dienstantritt am Freitag um 8.00 Uhr nachholen
können. Zu Folge der von ihm geführten Monatsstatistik endete sein Dienst am Freitag
um 16 Uhr nach zwei Stunden Krafttraining. Ansonsten hatte er an diesem Tag keinen
körperlich anstrengenden Dienst (Auswertung Tagespresse, Internetauswertung, 1
Stunde Streife in S.). Auch wenn er – ohne dies einzutragen – noch bis 20 Uhr an einem
Bericht geschrieben haben sollte, erklärt dies keine Übermüdung. Diese
Belastungssituation war für den Beamten nicht ungewohnt.
Der Beamte handelte – wie oben bereits ausgeführt – schuldhaft und zwar fahrlässig
hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt, jedoch vorsätzlich hinsichtlich des Trinkens von
Alkohol im Dienst im „H.“.
IV.
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Beamte eines aus mehreren
Pflichtverletzungen zusammengesetzten, einheitlich zu würdigenden Dienstvergehens
nach § 40 Abs. 1 LBG schuldig gemacht. Indem der Beamte am 16. Februar
2002fahruntauglich infolge Trunkenheit mit einem Dienstfahrzeug am öffentlichen
Straßenverkehr teilnahm, hat er die ihm als Polizeibeamten obliegende Pflicht aus § 20
Satz 3 LBG zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und seine besondere Pflicht
als Polizeivollzugsbeamter, das Ansehen der Polizei und Disziplin zu wahren (§ 103 LBG),
schwerwiegend missachtet.
Ein Polizeivollzugsbeamter, der in fahruntauglichem Zustand ein Kraftfahrzeug im
öffentlichen Straßenverkehr führt und damit gegen strafbewehrte Gesetze verstößt,
verletzt seine Kernpflicht als Polizeibeamter. Es ist Aufgabe der Polizei, Straftaten zu
verhindern und aufzuklären. Polizeibeamte, die selbst zum Straftäter werden, begehen
eine sehr schwerwiegende Dienstpflichtverletzung. Sie erschüttern das Vertrauen in ihre
Fähigkeit zu jederzeit pflichtbewusster und zuverlässiger Dienstausübung, weil sich darin
eine erhebliche Persönlichkeitsschwäche ausdrückt. Die Bemühungen der Polizei um die
Sicherheit des Straßenverkehrs verlieren an Glaubwürdigkeit, wenn Polizeibeamte selbst
das Gebot der Fahrtauglichkeit im Straßenverkehr außer Acht lassen.
Des Weiteren handelte der Beamte zugleich vorwerfbar seiner Gehorsamspflicht gemäß
§ 21 Satz 2 LBG zuwider, als er die ihm bekannten allgemeinen Anweisungen über das
Verbot von Alkoholkonsum im Dienst missachtete. Hiermit war es unvereinbar, dass der
Beamte während seines dienstlichen Einsatzes im „H.“ mehr Alkohol zu sich nahm, als
aus polizeitaktischen Gründen erforderlich war und toleriert wird. Diese Ausnahme vom
absoluten Alkoholverbot erlaubt nur den auf ein Mindestmaß beschränkten Verzehr
unter Einhaltung jederzeitiger Selbstkontrolle.
V.
Das Gewicht des Dienstvergehens erfordert unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls eine Kürzung der Dienstbezüge des Beamten.
Berücksichtigt hat die Disziplinarkammer zu Gunsten des Beamten insbesondere, dass
er disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, gute dienstlichen Leistungen erbrachte,
Einsicht zeigte und der Vorfall nun schon fünf Jahre zurückliegt. Seitdem leidet der
Beamte an gesundheitlicher Beeinträchtigung, die seine volle Dienstfähigkeit und sein
Fortkommen einschränkt.
Dienstvergehen der vorliegenden Art erfordern nach der ständigen Rechtsprechung der
Disziplinarkammer zumindest eine Gehaltskürzung. Die außerdienstliche
Trunkenheitsfahrt eines Polizeibeamten ist, selbst wenn sie – anders als in vorliegendem
Fall – nicht zu einem Verkehrsunfall mit Personen- und/oder Sachschäden geführt hat,
ein schwerwiegendes Dienstvergehen, das bereits im ersten Fall eine dem förmlichen
Disziplinarverfahren vorbehaltene Disziplinarmaßnahme erfordert. Die Gebote der
Fahrtüchtigkeit und der Nüchternheit im Straßenverkehr gehören zu den wichtigsten
Grundregeln für alle Kraftfahrer. Die sich aus der Teilnahme am Straßenverkehr unter
alkoholischer Beeinflussung ergebenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer sind
jedem Kraftfahrer bekannt. Setzt sich ein Polizeivollzugsbeamter in absolut
fahruntauglichem Zustand an das Steuer eines Kraftfahrzeugs, stellt dies ein grob
rücksichtloses Verhalten dar, das das Vertrauen der Dienstbehörde in die persönliche
Zuverlässigkeit des Beamten beeinträchtigt und das Ansehen des Betroffenen selbst
und der Beamtenschaft schlechthin mindert.
Kommt wie hier nur der Ausspruch einer Gehaltskürzung in Betracht, so beurteilt sich die
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Kommt wie hier nur der Ausspruch einer Gehaltskürzung in Betracht, so beurteilt sich die
Zulässigkeit dieser Maßnahme nach § 8 Abs. 1 Satz 1 DiszG Berlin. Diese Vorschrift des
materiellen Disziplinarrechts bestimmt, dass die Kürzung des Ruhegehalts längsten drei
Jahre beträgt. Sie stellt für den Ruhestandsbeamten im Vergleich zum bisher geltenden
§ 8 Abs. 1 Satz 1 LDO, der eine Kürzung des Ruhegehalts auf längstens fünf Jahre
festlegte, eine günstigere Regelung dar. Wegen dieser materiellen Besserstellung
wendet das Bundesverwaltungsgericht in Fällen von Bundesbeamten die vergleichbare
Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz BDG auch auf sog. Altfälle an (Urteil vom 8. September
2004 – 1 D 18/03 – DokBer 2005 S. 127ff). Dem hat sich die Disziplinarkammer in
ständiger Rechtsprechung angeschlossen (Urteil vom 15. Juni 2005 – VG 80 A 20.04 –).
Der Verhängung einer Gehaltskürzung steht vorliegend § 13 LDO nicht entgegen,
wonach eine Gehaltskürzung in einem Fall wie diesem, in dem durch ein Gericht eine
Strafe bereits verhängt worden ist, nur verhängt werden darf, wenn dies zusätzlich
erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und das
Ansehen des Beamtentums zu wahren. Denn hier fehlt es an der erforderlichen
Sachverhaltsidentität. Der Verstoß gegen die Dienstanweisungen über den Umgang mit
Alkohol im Dienst fällt aus dem historischen Geschehensablauf heraus, der Gegenstand
des Strafverfahrens wegen der Trunkenheitsfahrt war.
Der Kürzungssatz von 10 v.H. berücksichtigt, dass der Beamte dem gehobenen Dienst
angehört und er soweit ersichtlich in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 60a Abs. 2 Satz 3 i.V.m. §§ 106 Abs. 1, 108 Abs. 1
LDO.
Dieser Disziplinargerichtsbescheid ist unanfechtbar. Er steht einem rechtskräftigen Urteil
gleich (§ 60 a Abs. 2 Satz 2 LDO).
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