Urteil des VG Berlin vom 26.06.2008
VG Berlin: örtliche zuständigkeit, behörde, wahlrecht, quelle, gesundheit, ddr, thüringen, vollstreckbarkeit, sammlung, link
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Gericht:
VG Berlin 9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 A 7.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 1 BerRehaG, § 17 Abs 3
BerRehaG
Örtliche Zuständigkeit der Rehabilitationsbehörde für berufliche
Rehabilitation
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt seine berufliche Rehabilitierung zum Zwecke des rentenrechtlichen
Nachteilsausgleichs.
Der Kläger beantragte am 21. Dezember 1995 bei dem Amt für Rehabilitierung und
Wiedergutmachung bei dem Minister für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten des
Landes Mecklenburg-Vorpommern seine berufliche Rehabilitierung. Diese Behörde
vertrat die Auffassung, dass sie nur zuständig sei, soweit die Benachteiligung auf dem
Gebiet des heutigen Landes Mecklenburg-Vorpommern erfolgt sei, und veranlasste den
Kläger, am 2. Januar 2001 einen weiteren Antrag in Berlin zustellen. Diesen Antrag
lehnte das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin durch Bescheid vom 4. Mai
2007 ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Behörde mit Widerspruchsbescheid vom
21. November 2007 zurück.
Mit der am 21. Dezember 2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf
berufliche Rehabilitierung durch den Beklagten weiter. Der Berichterstatter hat die Sach-
und Rechtslage am 8. Mai 2008 mit den Beteiligten erörtert und darauf hingewiesen,
dass der Beklagte für das Begehren des Klägers unzuständig sei. Der Kläger hat ein
Angebot des Beklagten nicht angenommen und hält an seinem Begehren fest. Die
Kammer hat daraufhin den Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung als
Einzelrichter übertragen.
Der Kläger meint, nach einer Bearbeitungszeit von 13 Jahren könne er von dem
Beklagten eine sachliche Entscheidung erwarten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für
Gesundheit und Soziales vom 4. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
dieser Behörde vom 21. November 2007 zu verpflichten, dem Kläger eine Bescheinigung
nach § 17 Abs. 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes auszustellen und die
Verfolgungszeit in der Zeit von 1968 bis 1977 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte und des Verwaltungsvorgangs des
Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Ablehnung der vom Kläger
begehrten beruflichen Rehabilitierung durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte ist nicht passiv legitimiert, den vom Kläger geltend gemachten Anspruch
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Der Beklagte ist nicht passiv legitimiert, den vom Kläger geltend gemachten Anspruch
zu erfüllen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes
(BerRehaG) ist grundsätzlich die Rehabilitierungsbehörde des Landes zuständig, von
dessen Gebiet nach dem Stand vom 3. Oktober 1990 die Verfolgungsmaßnahme
ausgegangen ist. Sind danach jedoch die Rehabilitierungsbehörden mehrerer Länder
zuständig, entscheidet nach § 17 Abs. 3 Satz 2 BerRehaG die Behörde, die zuerst mit
der Sache befasst war.
Diese bereits nach ihrem Wortlaut eindeutige Regelung entspricht so auch dem Willen
des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 12/4994, S. 51)
heißt es zu § 17 unter 3.:
„Absatz 3 knüpft für die örtliche Zuständigkeit an das Tatortprinzip an. Hiernach kommt
es darauf an, wo der unmittelbare Eingriff in den Beruf oder die berufsbezogene
Ausbildung stattgefunden hat. Beruht z.B. eine im Zuge politischer Verfolgung
ausgesprochene Kündigung eines Arbeitnehmers durch den betrieb auf der Anweisung
des Kombinatsdirektors, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des
Betriebs, nicht nach dem des Kombinats. In Fällen mehrfacher Zuständigkeit
entscheidet die zuerst mit der Sache befasste Behörde. Die in Anlehnung an § 3 Abs. 2
Satz 1 VwVfG getroffene Regelung des Satzes 2 räumt dem Verfolgten ein wahlrecht
ein.“
Dieses Prioritätsprinzip ist insbesondere zu Gunsten der Antragsteller sinnvoll und
zweckmäßig. Diese müssen, wenn sie sich im Laufe ihres Berufslebens in verschiedenen
Bezirken der ehemaligen DDR aufgehalten haben und dort wegen ihrer Gegnerschaft
zum herrschenden System berufliche Benachteiligungen erlitten haben, nicht bei
maximal 6 jeweils örtlich in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-
Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zuständigen
Rehabilitierungsbehörden Anträge stellen und ihr Lebensschicksal schildern, sondern
können eine einheitliche Prüfung bei einer zuständigen Behörde erreichen. Die Regelung
dient zugleich auch der Verfahrensökonomie. Denn durch die Zuständigkeit nur einer
Behörde wird verhindert, dass mehrere Behörden eine sich überschneidende Prüfung
des Vorbringens eines Antragstellers vornehmen müssen und dann möglicherweise
sogar zu abweichenden Bewertungen kommen könnten.
Hier macht der Kläger Verfolgungsmaßnahmen in den Ländern Berlin und Mecklenburg-
Vorpommern und möglicherweise auch im Land Brandenburg geltend. Mit seinem
Antrag vom 21. Dezember 1995 hat er konkludent von seinem Wahlrecht nach § 17 Abs.
3 Satz 2 BerRehaG Gebrauch gemacht und die alleinige Zuständigkeit der
Rehabilitierungsbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern begründet. Es ist
angesichts des eindeutigen Wortlautes der sinnvollen Regelung nicht nachvollziehbar,
aus welchen Gründen die Rehabilitierungsbehörde des Landes Mecklenburg-
Vorpommern annahm, sie sei nur zuständig, soweit die Benachteiligung auf dem Gebiet
des heutigen Landes Mecklenburg-Vorpommern erfolgt sei, und daher den Kläger
veranlasste, einen weiteren Antrag in Berlin zustellen.
Bei der Frage nach der Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen Antrag kommt es
allein auf die eindeutige Rechtslage an. Es ist unerheblich, dass die
Rehabilitierungsbehörde des Beklagten über den Antrag des Klägers sachlich
entschieden hat. Dies begründet keine Zuständigkeit des Beklagten, sondern macht die
Ablehnungsentscheidung nur insoweit rechtswidrig. Der Spruch des
Ablehnungsbescheides ist gleichwohl rechtmäßig, da die unzuständige Behörde den
Antrag des Klägers bereits wegen fehlender Zuständigkeit ablehnen musste.
Auf diese Rechtslage wurde der Kläger wiederholt hingewiesen. Da er von dem Angebot
des Beklagten, den Ablehnungsbescheid und den Widerspruchsbescheid aufzuheben
und nach Hauptsachenerledigung die Kosten zu übernehmen, keinen Gebrauch machen
wollte, ist die Klage nunmehr mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Von der Formulierung eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung wurde abgesehen, da der Beklagte erfahrungsgemäß keine
außergerichtlichen Kosten geltend macht. Die Berufung ist gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1
BerRehaG ausgeschlossen. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt
aus § 27 Abs. 1 Satz 3 BerRehaG i.V.m. § 135 VwGO, da keiner der in § 132 Abs. 2 Nr. 1
und 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
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