Urteil des VG Berlin vom 30.04.2008

VG Berlin: öffentliche sicherheit, behörde, gefahr, vorverfahren, genehmigung, grundstück, verfügung, wiederholung, umwandlung, vollstreckung

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Gericht:
VG Berlin 1. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 A 260.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 37 Abs 1 VwVfG, § 22 GWaldG
NW, § 154 Abs 1 VwGO
Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes
Tenor
Die Unterlassungsverfügung der Berliner Forsten vom 30. April 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 6. August 2008 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären, wird abgelehnt.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine forstordnungsrechtliche Unterlassungsverfügung.
Im Dezember 2004 erwarben die Kläger das ca. 2.449 qm großes Grundstück A. M. in K..
Der Beklagte betrachtet im Gegensatz zu den Klägern eine Teilfläche dieses
Grundstücks von ca. 1.850 qm im Rechtssinne als Wald. Im August 2005 beantragten die
Kläger eine Waldumwandlungsgenehmigung. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2005
lehnten die Berliner Forsten den Antrag ab. Die daraufhin von den Klägern erhobene
Verpflichtungsklage (VG 1 A 268.05) wies die Kammer mit Urteil vom 25. Juni 2007 ab;
über den hiergegen eingelegten Antrag auf Zulassung der Berufung (OVG 11 N 57.07)
ist noch nicht entschieden.
Mit Bescheid vom 30. April 2008 untersagten die Berliner Forsten den Klägern auf dem
o.g. Grundstück „die Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart ohne
erforderliche behördliche Genehmigung“. Zu Begründung bezieht sich die Behörde in
dem Bescheid auf von ihr wahrgenommene Baumfällungen, die nicht durch Gründe der
Verkehrssicherheit gerechtfertigt seien. Auch sei eine beginnende gärtnerische
Gestaltung und eine Einfriedung des Grundstücks durch Hecken festgestellt worden.
Wegen der somit gegebenen schleichenden Waldumwandlung sei eine
Untersagungsverfügung zwingend erforderlich.
Hiergegen haben die Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren am 9. September
2008 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Anträge machen die Kläger im Wesentlichen
geltend: Die angegriffene Verfügung sei unbestimmt, weil die Kläger nicht erkennen
könnten, welche Handlungen sie konkret unterlassen müssten. Auch werde ihnen etwas
rechtlich Unmögliches auferlegt, weil eine Waldumwandlung erst durch die behördliche
Genehmigung bewirkt werde, an der es hier gerade fehle.
Die Kläger beantragen,
die Unterlassungsverfügung der Berliner Forsten vom 30. April 2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 6. August 2008
aufzuheben,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er hält an dem angefochtenen Bescheid fest.
Mit Beschluss vom 22. August 2006 hat die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1
VwGO dem Vorsitzenden als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird neben der Gerichtsakte auf die Akte des Verfahrens VG 1 A 268.05 sowie den vom
Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die angegriffene Unterlassungsverfügung ist bereits deshalb rechtswidrig, weil sie
unbestimmt ist.
Nach § 1 Abs. 1 VwVfG Bln in Verbindung mit § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein
Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet, dass er für den
Adressaten die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und
unzweideutig erkennen lässt, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann (vgl.
BVerwGE 31, 15, 18). Der Betroffene muss wissen, was von ihm verlangt wird. Bei
verbietenden Verwaltungsakten (Untersagungs- oder Unterlassungsverfügungen)
müssen die Verhaltenspflichten so genau bezeichnet sein, dass sich verlässlich
feststellen lässt, ob der Adressat seiner Verpflichtung nachgekommen ist (VG Hamburg,
Beschluss vom 25. Juni 2004 - 11 E 2769/04 - juris Rdn. 15 m.w.N.). Diesen
Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht. Denn weder aus der Verfügung
selbst noch aus anderen begleitenden Umständen ist für die Kläger ersichtlich, was sie
auf dem fraglichen - vom Beklagten als Wald betrachteten - Grundstück tun dürfen oder
lassen müssen.
Der angegriffene Bescheid erschöpft sich mit dem Verbot, auf dem fraglichen
Grundstück Wald in eine andere Nutzungsart ohne erforderliche behördliche
Genehmigung umzuwandeln, in einer Wiederholung des
Ordnungswidrigkeitstatbestandes in § 22 Abs. 1 Nr. 1 Landeswaldgesetz - LWaldG - ,
wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 6 Abs. 1
ohne die erforderliche Genehmigung Wald umwandelt. Bei der Umwandlung von Wald in
eine andere Nutzungsart (§ 6 Abs. 1 Satz 1 LWaldG) handelt es sich - wie der Beklagte in
der mündlichen Verhandlung eingehend dargelegt hat - um einen komplexen, zeitlich
gestreckten Vorgang („schleichende Waldumwandlung“), der sich nur schwer in einzelne
Handlungsschritte zerlegen lässt. So sind insbesondere zulässige Maßnahmen der
Waldpflege kaum von solchen Aktivitäten zu unterscheiden, die auf eine Beseitigung der
Waldeigenschaft und Begründung einer neuen Nutzungsart abzielen. Da erst die Summe
mehrerer für sich gesehen auch zulässiger Maßnahmen rechtlich als Waldumwandlung
qualifiziert werden kann, überbürdet das allgemeine, wie eine Rechtsnorm gefasste
Verbot der Waldumwandlung die im Einzelfall erforderliche Beurteilung, ob eine auf den
Wald bezogener Handlung zulässig oder unzulässig ist, in rechtlich nicht hinnehmbarer
Weise auf den Betroffenen.
2. Unabhängig von der fehlenden Bestimmtheit ist Unterlassungsverfügung auch
ermessensfehlerhaft.
Nach der hier als Ermächtigungsgrundlage für ordnungsbehördliches Handeln
einschlägigen Regelung in § 17 Abs. 1 ASOG können die als Ordnungsbehörde
zuständigen Berliner Forsten (§ 21 i.V.m. § 3 LWaldG) die notwendigen Maßnahmen
treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung abzuwehren. Unterstellt, dass bei Erlass der angegriffenen Verfügung eine
Verletzung der waldrechtlichen Verbote in § 22 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1
Satz 1 LWaldG drohte und die Kläger hierfür verantwortlich waren (§§ 13, 14 ASOG),
musste die Behörde prüfen, ob und - wenn ja - in welcher Weise sie dieser Gefahr
entgegentreten wollte. Dies umfasst auch die Beurteilung, ob die zu treffende
Maßnahme geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Schon an
der Geeignetheit der getroffenen Maßnahme zur Gefahrenabwehr fehlt es in Bezug auf
die angefochtene Anordnung. Zwar sind auch solche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
geeignet, die die Gefahr voraussichtlich nicht vollständig beseitigen, aber immerhin ein
Schritt in die richtige Richtung und nicht ungeeignet zur Bekämpfung der Gefahr sind
(Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 11 Rdn. 21). Die bloße
Wiederholung eines Ordnungswidrigkeitstatbestandes entspricht diesen Anforderungen
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Wiederholung eines Ordnungswidrigkeitstatbestandes entspricht diesen Anforderungen
nicht. Sie verbietet in Gestalt eines Verwaltungsakts nur das, was kraft Gesetzes
ohnehin verboten ist. Hinzu kommt, dass die Untersagungsverfügung nicht mit einer
Zwangsmittelandrohung verbunden ist, der Beklagte mithin im Falle von Verstößen
gegen die Anordnung keine Handhabe hat, gegen die Kläger vorzugehen, außer dass er
ein Bußgeldverfahren einleiten könnte, was auch ohne die angegriffene Verfügung
möglich wäre. Eine solche Unterlassungsanordnung bringt der Behörde keinen
messbaren Vorteil bei der Bekämpfung der von ihr gesehenen Gefahr, ist deshalb
ungeeignet und damit rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Dem Antrag der
Kläger, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären, konnte nicht entsprochen werden. Nach der hierfür maßgeblichen Regelung in §
162 Abs. 2 Satz 2 VwGO hängt die Erstattungsfähigkeit von Gebühren und Auslagen
eines Bevollmächtigten im Vorverfahren von einer Entscheidung des Gerichts über deren
Notwendigkeit ab. Diese beurteilt sich danach, ob sich ein verständiger Bürger mit
gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines
Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte und es der Partei nach
ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeiten der Sache nicht
zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (BVerwG, Buchholz 316 § 80 Nr. 34
m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Kläger und das vorliegende
Verfahren nicht erfüllt. Es war für die über einen Hochschulabschluss verfügenden
Kläger, zumindest den Kläger zu 1) als in der Hauptverwaltung in gehobener Funktion
tätigen Bauingenieur, ohne Weiteres möglich. ihre Einwände gegen den angegriffenen
Bescheid - insbesondere dessen ins Auge springende Unbestimmtheit - selbst zu
formulieren. Besondere Rechtskenntnisse waren dafür nicht erforderlich.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes
auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
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