Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: aufenthaltserlaubnis, schutzwürdiges interesse, öffentliches interesse, nettoeinkommen, geldstrafe, eigentumswohnung, betrug, besitz, vollstreckung, einkünfte

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Gericht:
VG Berlin 21.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 K 92.09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 9 Abs 1 RuStAG
Ausländerrecht - rückwirkende Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis
Tenor
Das Verfahren ist eingestellt, soweit es um die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis
ab Vorsprache bei der Ausländerbehörde geht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die (rückwirkende) Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
Der 1970 geborene Kläger ist mazedonischer Staatsangehöriger und 1990 zu
Studienzwecken ins Bundesgebiet eingereist. Er wurde im März 1995 wegen
Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe
von 80 Tagessätzen und im April 1995 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das
Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt. Nachdem er im März
1997 mit einer deutschen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen hatte, erhielt er von
der Ausländerbehörde der Stadt Frankfurt im Juni 1997 eine auf zwei Jahre befristete
Aufenthaltserlaubnis, die ihm das Landeseinwohneramt Berlin im März 1999 für drei
Jahre verlängerte. Die Ehe wurde im Oktober 2001 geschieden. Im Scheidungstermin
hatten die Eheleute angegeben, sich im Mai 2000 endgültig getrennt zu haben. In einer
Scheidungsfolgenvereinbarung hatten die Eheleute erklärt, seit Mai 1999 räumlich
getrennt zu leben. In einem späteren gerichtlichen Verfahren gab die Ehefrau des
Klägers an, sich erst im Januar 2001 getrennt zu haben. Ausweislich eines Vermerks der
Ausländerbehörde sprach der Kläger am 25. März 2002 vor und beantragte die
Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. April 2002
wurde die anwaltliche Vertretung angezeigt und angegeben, der Kläger habe am 25.
März 2002 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis beantragt. Die Ausländerbehörde
lehnte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Juni 2002 ab. Den
hiergegen eingelegten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wies das
Verwaltungsgericht mit Beschluss vom August 2002 zurück (VG 6 F 32.02). Der Kläger
tauchte unter, wurde zur Festnahme ausgeschrieben und stellte erfolglos einen
Petitionsantrag. Nachdem der Kläger im Januar 2003 erneut eine deutsche
Staatsangehörige geheiratet und im Juni 2003 eine auf ein Jahr befristete – später
(zuletzt bis Juli 2010) verlängerte – Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte, wurde das
Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes in der Beschwerdeinstanz übereinstimmend
für erledigt und der erstinstanzliche Beschluss für wirkungslos erklärt (OVG 6 S 88.03).
Die als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Klage gegen die vorherige
Versagung der Aufenthaltserlaubnis wurde wegen fehlenden Feststellungsinteresses als
unzulässig abgewiesen (Urteil vom Januar 2005 zu VG 10 A 2.05, Beschluss vom April
2005 zu OVG 2 N 85.05). Am 20. Januar 2006 beantragte der Kläger, ihm rückwirkend
zum 25. März 2002 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, und gab hierzu
u.a. an, er wohne kostenfrei in einer Eigentumswohnung seines Bruders. Das Landesamt
für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten lehnte den Antrag ab, nachdem der Kläger es
abgelehnt hatte, von der Ausländerbehörde geforderte Nachweise über die
Eigentumswohnung seines Bruders (Grundbuchauszug, Wohngeldhöhe und sonstige
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Eigentumswohnung seines Bruders (Grundbuchauszug, Wohngeldhöhe und sonstige
Belastungen) sowie die Bescheinigung eines Steuerberaters über das Nettoeinkommen
aus seiner selbständiger Tätigkeit als Dolmetscher und Gastwirt vorzulegen. Es wies den
hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009,
dem Kläger zugestellt am 26. Februar 2009, zurück.
Mit der hiergegen am 26. März 2009 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren
weiter. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor:
Einer rückwirkende Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis stehe das Urteil zu
VG 10 A 2.05 nicht entgegen, weil es lediglich ein Prozessurteil über eine
Fortsetzungsfeststellungsklage sei und keine rechtskräftige Ablehnung des Antrages auf
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beinhalte. Die Aufenthaltserlaubnis hätte
seinerzeit auch verlängert werden müssen, da die Neufassung des § 19 des
Ausländergesetzes auf laufende Verfahren anzuwenden und damit eine Ehebestandszeit
von zwei Jahren ausreichend gewesen sei. Die Eheleute hätten seinerzeit mehr als zwei
Jahre zusammengelebt, wie sich aus dem Scheidungsurteil und dem Sitzungsprotokoll
des Familiengerichts ergebe. Der anderslautende Beschluss zu VG 6 F 32.02 sei in der
Beschwerdeinstanz aufgehoben worden. Außerdem werde die seinerzeitige Ehefrau als
Zeugin dafür benannt, das bis Mai 2002 eine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden
habe. Jedenfalls müsse die Ausländerbehörde die damalige Ablehnung zurücknehmen.
Wegen seiner jahrelangen Tätigkeit als Übersetzer für die Justiz und andere Behörden
habe ein dringendes öffentliches Interesse an der Aufenthaltserlaubnisverlängerung
bestanden. Er wäre sonst auch schon längst eingebürgert worden. Dass ein Antrag auf
Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis am 25. März 2002 gestellt worden sei,
müsse sich den Akten entnehmen lassen.
Das Verlangen nach Unterlagen/Nachweisen von Dritten, wie hier von seinem Bruder, sei
rechtswidrig. Es verstoße gegen den datenschutzrechtlichen Grundsatz der
Direkterhebung, wie schon der Berliner Datenschutzbeauftragten in seinem
Jahresbericht 2007 (Ziff. 4.1.5) bemängelt habe. Zwar seien grundsätzlich Nachweise
über Wohnkosten und Darlehensraten vorzulegen, nicht jedoch wenn gar keine Kosten
entstünden, weil eine Eigentumswohnung unentgeltlich überlassen werde. Es gebe auch
keine Rechtsgrundlage dafür, von einem Dritten Unterlagen zu dessen Bonität zu
verlangen.
Das Verlangen nach der Bescheinigung eines Steuerberaters über seine Einkünfte aus
selbständiger Tätigkeit sei ebenfalls rechtswidrig. Die von der Ausländerbehörde
angeführte Verwaltungsvorschrift habe nie der Verwaltungspraxis entsprochen, jedenfalls
nicht mehr seit 2007. Ausweislich des genannten Jahresberichts des Berliner
Datenschutzbeauftragten habe die Verwaltungspraxis lediglich darin bestanden, einen
Steuerberater-Prüfbericht immer dann zu fordern, wenn auf andere Weise nicht
verlässlich die gesetzlich geforderte positive Prognose habe abgegeben werden können.
Hier seien die vorgelegten, von der T. GmbH erstellten betriebswirtschaftlichen
Auswertungen (BWA) jedoch ausreichend, weil sie eine Beurteilung der
Einkommensverhältnisse ermöglichten. Die Forderung nach einem Steuerberater-
Prüfbericht sei auch unverhältnismäßig, da das Verlangen nach einer vom Finanzamt
bestätigten Erklärung über die Einkünfte oder nach Vorlage eines
Einkommensteuerbescheides ausreichend sei. Im Ergebnis wälze die Ausländerbehörde
in unzulässiger Weise ihre Ermittlungspflicht auf ihn ab. Könne die Ausländerbehörde
eine fachgerechte Prüfung nicht selbst vornehmen, müsse sie „für ergänzende
Hilfestellung sorgen“
Der Lebensunterhalt sei immer gesichert gewesen. Die Andeutung des Vorsitzenden mit
der Aufforderung nach § 87 b VwGO, die bislang vorgelegten Buchhaltungsunterlagen
der T. GmbH seien wegen familiärer Verbundenheit des Klägers zu dieser Gesellschaft
nicht glaubhaft, stellten eine erneute Diskriminierung und Ungleichbehandlung dar. Der
Hintergrund sei Folgender: Die G. GmbH, deren Geschäftsführer er gewesen sei, habe
nur von 2002 bis 2003 bestanden. Vor ihrer Auflösung habe diese die T. GmbH
gegründet und ihre Anteile auf diese GmbH übertragen. Ob und inwieweit sein Bruder
Geschäftsführer der T. GmbH sei, könne jedenfalls ohne weitere Hinweise nicht dazu
führen, an der Glaubhaftigkeit der eingereichten Buchungsunterlagen zu zweifeln.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Vorhalt von Zweifeln am
Rechtsschutzbedürfnis für eine rückwirkende Erteilung der Niederlassungserlaubnis
erklärt, es gehe ihm angesichts jahrelanger Zurücksetzungen durch die
Ausländerbehörde um Genugtuung. Außerdem verspreche er sich
einbürgerungsrechtliche Vorteile.
Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dem Kläger aufgrund
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Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dem Kläger aufgrund
der nunmehr vorgelegten Unterlagen eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, die ab
dem Zeitpunkt der Vorsprache des Klägers bei der Ausländerbehörde gültig sein werde,
und die Beteiligten daraufhin mit widerstreitenden Kostenanträgen den Rechtsstreit in
der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, soweit es die Erteilung der
Niederlassungserlaubnis ab dem jetzigen Zeitpunkt betrifft, beantragt der Kläger,
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für
Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 5. September 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2009 zu verpflichten, ihm eine
Niederlassungserlaubnis rückwirkend ab dem 25. März 2002,
hilfsweise rückwirkend ab dem 20. Januar 2006 zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Anfang 2009 wurde gegen den Kläger ein Strafbefehl wegen Beihilfe zum unerlaubten
Aufenthalt eines Ausländers – im seinerzeitigen Betrieb des Klägers wurde im November
2007 ein sich unerlaubt aufhaltender Ausländer angetroffen – erlassen, wobei das
Strafmaß auf 30 Tagessätze zu je 25 EUR festgesetzt wurde. Nach Einspruch des
Klägers hat das Strafgericht das Verfahren wegen Geringfügigkeit gegen Zahlung einer
Geldbuße von 1.000 EUR eingestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte
einschließlich der beigezogenen Ausländerakten des Beklagten und der beigezogenen
Ermittlungsakte Bezug genommen. Die genannten Unterlagen haben vorgelegen und
sind – soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für
erledigt erklärt haben, soweit es die Erteilung der Niederlassungserlaubnis ab dem
jetzigen Zeitpunkt betrifft, ist das Verfahren insoweit erledigt.
1. Die Klage im Übrigen ist – sowohl mit dem Hauptantrag als auch dem Hilfsantrag –
unzulässig. Der Kläger hat kein schutzwürdiges Interesse an der von ihm begehrten
Verpflichtung des Beklagten zu einer rückwirkenden Erteilung der
Niederlassungserlaubnis. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts kann ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels für
einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung nur
beanspruchen, wenn er ein schutzwürdiges Interesse hieran hat.
Ein solches Interesse hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, wenn es für die
weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Klägers erheblich sein kann, von welchem
Zeitpunkt an er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, und hierzu auf § 27 AuslG
verwiesen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 2002 – 1 C 6.01 –, 29. September 1998 –
1 C 14.97 –, 15. Juli 1997 – 1 C 15.96 – und 15. Dezember 1995 – 1 C 31.93 – Juris). Die
im Ausländergesetz enthaltene Unterscheidung der unbefristeten
Aufenthaltsgenehmigungen – unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 24 AuslG) nach einem
5jährigen Besitz der Aufenthaltserlaubnis sowie Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG)
nach einem 8jährigen Besitz der Aufenthaltserlaubnis oder 3jährigen Besitz der
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis – ist jedoch im Aufenthaltsgesetz zu Gunsten eines
einheitlichen unbefristeten Aufenthaltstitels, der Niederlassungserlaubnis, aufgegeben
worden. Die dem Kläger nunmehr zugesagte Niederlassungserlaubnis ist bereits die
„höchste“ Stufe der Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz und daher eine
weitergehende, von der Dauer des Besitzes eines bestimmten Aufenthaltsrechts
abhängige rechtliche Verfestigung seiner ausländerrechtlichen Stellung nicht (mehr)
möglich. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst mit Urteil vom 9. Juni 2009 – 1 C
7.08 – (Juris) bestätigt und entsprechend ein Rechtsschutzbedürfnis unter diesem
Gesichtspunkt verneint.
Auch für eine Einbürgerung bedarf der Kläger keiner rückwirkenden Erteilung der
Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (vgl. hierzu ebenfalls
BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009, a.a.O.). Weder die Vorschriften über die
Ermessenseinbürgerung (§§ 8 und 9 StAG) noch die Vorschriften über die
Anspruchseinbürgerung (§§ 10 ff. StAG) verlangen tatbestandlich eine Mindestzeit des
Besitzes einer Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis; allein §
10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG verlangt ein – allerdings auch nur aktuell bestehendes –
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10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG verlangt ein – allerdings auch nur aktuell bestehendes –
unbefristetes Aufenthaltsrecht und lässt es zudem ausreichen, dass der
Einbürgerungsbewerber, wie hier bislang der Kläger, eine Aufenthaltserlaubnis für andere
als die in den §§ 16, 17, 20, 22, 23 Abs. 1, §§ 23a, 24 und 25 Abs. 3 bis 5 des
Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt. Auch für die
Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 StAG ist, anders als der Kläger meint, eine
Mindestzeit des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis nicht erforderlich, vielmehr verlangen die ermessensbindenden
Verwaltungsvorschriften lediglich einen Inlandsaufenthalt von in der Regel drei Jahren (Nr.
9.1.2.1 VwV-StAG), der ausnahmsweise auch kürzer sein kann (Nr. 9.1.2.2 VwV-StAG).
Schließlich fehlt ein schützwürdiges Interesse auch insoweit, als der Kläger die
aufenthaltsrechtliche „Lücke“ zwischen Juni 2002 – dem Zeitpunkt des seinerzeitigen
Ablehnungsbescheides der Ausländerbehörde und damit des Erlöschens der
Aufenthaltserlaubnisfiktion – und Juni 2003 – dem Zeitpunkt der erneuten Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die neue Ehe des Klägers – mit einer rückwirkenden
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis „füllen“
möchte, um den für eine Anspruchseinbürgerung grundsätzlich erforderlichen 8jährigen
ununterbrochenen Aufenthalt belegen zu können. Denn ungeachtet
rechtssystematischer Bedenken ist die begehrte rückwirkende Erteilung für diesen
Zeitraum (Juni 2002 bis Juni 2003) offensichtlich ausgeschlossen. Die Erteilung einer
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis war bis zum 13. April 2005 schon deswegen
ausgeschlossen, weil der Kläger Ausweisungsgründe erfüllt hatte, die der Erteilung einer
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach dem seinerzeit (und bis zur „Neu“-Beantragung
im Januar 2006 gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG weiterhin anwendbaren) § 24 Abs.
1 Nr. 6 AuslG zwingend entgegenstehen haben. Der Kläger wurde im März 1995 wegen
Urkundenfälschung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe
von 80 Tagessätzen und am 13. April 1995 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das
Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt. Die Verurteilungen
waren erst zum 13. April 2005 tilgungsreif, da die Tilgungsfrist der zuletzt genannten
Verurteilung zehn Jahre betrug (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BZRG). Bei dieser
Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass ein Antrag auf Erteilung einer
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 25. März 2002 nicht aktenkundig ist, sondern
erstmalig mit am 8. April 2002 bei der Ausländerbehörde eingegangenem anwaltlichen
Schreiben auf einen derartigen, nicht existenten Antrag Bezug genommen worden ist,
und dass selbst wenn von einem solchen Antrag auszugehen wäre, dieser mit der
„Neu“-Beantragung im Januar 2006 erledigt gewesen sein dürfte (vgl. zu Anträgen nach
altem und neuen Recht Maor in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 Rn.
178).
Auch für einen etwaig vom Kläger angestrebten – bei den Zivilgerichten zu führenden –
Amtshaftungsprozess ist die rückwirkende Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw.
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht erforderlich, sondern ist es eine von den
Zivilgerichten allenfalls zu klärende Vorfrage, ob ein Anspruch auf Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zu einem früheren
Zeitpunkt bestanden hat.
Schließlich begründet auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt
des Gerichts, dass ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ersichtlich sei, in den Vordergrund
gestellte Genugtuung kein schutzwürdiges Interesse. Selbst wenn man hierbei die
Maßstäbe der obergerichtlichen Rechtsprechung zu einem Rehabilitationsinteresse bei
der Fortsetzungsfeststellungsklage (etwa BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2006 – 6 B
64.06 – und Urteil vom 10. Februar 2000 – 2 A 3.99 – jeweils Juris) anwendete, würde es
schon dem erforderlichen Fortbestehen von (aus objektiver Sicht) abträglichen
Nachwirkungen diskriminierender Maßnahmen fehlen.
2. Im Übrigen hat der Kläger auch der Sache nach keinen Anspruch auf eine
rückwirkende Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis/Niederlassungserlaubnis.
Für die Zeit bis zum 13. April 2005 war ein solcher Anspruch schon aus dem oben
genannten Grund ausgeschlossen.
Darüber hinaus fehlte es bis zum Einreichen der mit Schriftsätzen vom 30. Juni 2009 und
30. Juli 2009 vorgelegten Unterlagen an dem erforderlichen Nachweis der Sicherung des
Lebensunterhaltes:
Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 folgt dies schon aus den vom Kläger selbst
vorgelegten Unterlagen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kläger freiwilliges Mitglied einer
Betriebskrankenkasse gewesen und hat monatlich 287,57 EUR an Beiträgen gezahlt.
Zuzüglich der seinerzeitigen Regelleistung für die Eheleute von 622 EUR bestand ein
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Zuzüglich der seinerzeitigen Regelleistung für die Eheleute von 622 EUR bestand ein
Unterhaltsbedarf (ohne Miete) von 909,57 EUR. Das berücksichtigungsfähige
Nettoeinkommen der Eheleute war hierfür nicht ausreichend. Ausweislich des (im
Übrigen erst im Dezember 2008 vorgelegten) Einkommensteuerbescheides für 2005
betrug das Bruttogesamteinkommen 19.996 EUR (9.648 EUR aus selbständiger Tätigkeit
des Klägers, 5.078 EUR aus selbständiger Tätigkeit seiner Ehefrau und 5.270 EUR aus
unselbständiger Tätigkeit seiner Ehefrau), umgerechnet monatlich 1.666 EUR. Nach
Abzug der Freibeträge von insgesamt 480 EUR (rund je 240 EUR für den Kläger und
seine Ehefrau) sowie von Steuern und Sozialversicherung von rund 300 EUR verbleibt für
2005 lediglich ein berücksichtigungsfähiges monatliches Nettoeinkommen von 886 EUR.
Ausweislich des (im Übrigen ebenfalls erst im Dezember 2008 vorgelegten)
Einkommensteuerbescheides für 2006 betrug das Bruttogesamteinkommen 13.762 EUR
(1.085 EUR aus gewerblicher Tätigkeit des Klägers, 6.057 EUR aus selbständiger Tätigkeit
des Klägers, 5.303 EUR aus selbständiger Tätigkeit seiner Ehefrau und 1.317 EUR aus
unselbständiger Tätigkeit seiner Ehefrau), umgerechnet monatlich rund 1.147 EUR.
Schon nach Abzug der Freibeträge von insgesamt 440 EUR (rund je 220 EUR für den
Kläger und seine Ehefrau) verbleibt für 2006 lediglich ein berücksichtigungsfähiges
monatliches Nettoeinkommen von 707 EUR, ohne dass es noch auf den Abzug für
Steuern und Sozialversicherung ankommt. Auch mit den Anfang Dezember 2008
eingereichten Unterlagen war kein ausreichender Nachweis der Sicherung des
Lebensunterhaltes erbracht. Nach der vom Kläger bis zu diesem Zeitpunkt zuletzt
vorgelegten BWAs – für die Monate Januar bis Mai 2007 – hat der Kläger in diesen
Monaten aus den seinen seinerzeit zwei Betrieben ein Nettoeinkommen von 5.156 EUR
und seine Ehefrau (ausweislich des Korrektur-Schreibens des Rechtsanwaltes) von 1.596
EUR erzielt, was ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen der Eheleute von
1.350 EUR ergibt. Dies war nach Abzug der Freibeträge von insgesamt 560 EUR jedoch
nur in Höhe von 790 EUR anrechnungsfähig und war nicht ausreichend gewesen, um den
Unterhaltsbedarf der Eheleute zu decken, weil zu der Regelleistung von 624 EUR (bis Juni
2008) bzw. 632 EUR (ab Juli 2008) noch die Versicherungsbeiträge von 131 EUR und die
verbrauchsabhängigen Kosten der Wohnung (Strom, Wasser, Gas) hinzugerechnet
werden müssen. Im Übrigen waren die BWAs nicht hinreichend aussagekräftig. Bei
Einkünften aus selbständiger Tätigkeit sind hinreichend aussagekräftige Unterlagen
erforderlich, wobei maßgeblicher Nachweis der Einkommensteuerbescheid ist,
insbesondere ist eine vorläufige Einnahme-Überschuss-Rechnung ebenso wenig
ausreichend (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. September 2008 – 12 B 52.07 –,
Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 – 12 N 107.07 – und vom 31. Oktober 2007 – 12 S
128.07 –) wie eine Betriebswirtschaftliche Auswertung (Urteil der Kammer vom 18.
Februar 2009 – 21 V 47.07 –). Derartige aussagekräftige Unterlagen sind erst mit
Schriftsätzen vom 30. Juni 2009 und 30. Juli 2009 eingereicht worden.
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, welche ausländerrechtliche Wirkung die vom
Kläger im November 2007 begangene Straftat (Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt
eines Ausländers) hatte, die einen Ausweisungsgrund im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2
AufenthG darstellt (dafür dass § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG eine spezielle Regelung
zur allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist vgl.
VGH Mannheim, Urteil vom 22. Juli 2009 – 11 S 2289/08 – Juris; a.A. VG Neustadt, Urteil
vom 6. Dezember 2007 – 2 K 934/07.NW – Juris). Ebenso kann dahinstehen, ob der
Kläger seinerzeit keinen Anspruch auf befristete Verlängerung seiner
Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG gehabt hat, weil es nach den
Ausführungen der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 30. August
2002 – VG 6 F 32.02 – (den das OVG Berlin lediglich wegen der übereinstimmenden
Erledigungserklärungen für wirkungslos erklärt hat) an einer ununterbrochenen zwei
Jahre dauernden ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner damaligen Ehefrau gefehlt
hat, und eine Reduzierung des nach § 85 AufenthG eingeräumten Ermessens nicht
ersichtlich ist.
Die Berufung ist nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da keine der dafür
im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegt (§ 124 a VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3
und 4 VwGO), insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die
zwischen den Beteiligten streitig gewesenen Fragen zu den erforderlichen
Einkommensnachweisen bei Selbständigen sind nicht mehr entscheidungserheblich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Der Kläger hat auch
hinsichtlich des für erledigten erklärten Teils nach dem Rechtsgedanken des § 158 VwGO
die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil erst mit den mit Schriftsätzen vom 30. Juni
2009 und 30. Juli 2009 vorgelegten Unterlagen die bestehenden Zweifel an der
Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeräumt worden sind und der Beklagte hierauf
sogleich bereit gewesen ist, die Niederlassungserlaubnis zu erteilen.
29 Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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