Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: wahrung der frist, firma, entschädigung, auflösung, grundstück, treuhänder, einzelrichter, sammlung, ausreise, ddr

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Gericht:
VG Berlin 29.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
29 K 180.09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 S 1 EntschG, § 5 Abs 1
EntschG, § 2 Abs 2 VermG, §
30a VermG
Entschädigungsrecht: Auslegung eines Restitutionsantrages,
Anmeldefrist
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht Entschädigung für das Geschäftskonto Nr.
6708 des W. beim Berliner Stadtkontor und für die Erlöse, die durch die Auflösung der
Firma auf das Abwicklungskonto geflossen sind, sowie für die Erlöse aus der
Veräußerung des Privatvermögens der Eheleute W. .
W. war Inhaber der Brotfabrik W. in Berlin - Biesdorf, A. . Am 21./22. Januar 1957 verließ
W. mit seiner Ehefrau E. Ost-Berlin ohne Beachtung der Meldevorschriften. Mit
Bestallungsurkunde vom 24. Januar 1957 bestellte der Rat des Stadtbezirks Lichtenberg
H. zum Treuhänder der Bäckerei. Der Genannte wurde auch Abwesenheitspfleger über
das Vermögen der Eheleute. Der Treuhänder löste die Firma auf und zahlte die Erlöse
auf das Abwicklungskonto beim Berliner Stadtkontor Nr. 16/8827 ein. Das
Abwicklungskonto wies am 16. November 1957 kein Guthaben mehr auf, da mit ihm
Steuerrückstände beglichen wurden. Das Konto Nr. 6708 beim Berliner Stadtkontor wies
ausweislich des Schreibens des Berliner Stadtkontors vom 9. März 1957 kein Guthaben
auf und war wegen eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses über 107.079,55 DM
der Unterabteilung Abgaben Lichtenberg des Rats des Stadtbezirks vom 21. Januar 1957
gesperrt.
Am 5. Oktober 1990 meldete E. das Grundstück in Alt - Biesdorf und das
"Geschäftskonto meines verstorbenen Mannes (Konto-Nr. nicht bekannt)" an. Über das
Grundstück wurde gesondert entschieden (VG 31 A 51/06). Auf Anfrage des Beklagten
vom 12. Juli 2006 konkretisierte E. im August 2006 ihren Antrag dahingehend, dass es
sich um das Geschäftskonto handele, welches am 21. oder 22. Januar 1957 gepfändet
wurde, Kontonummer 6706 oder 6708 beim Berliner Stadtkontor. Es wurde auf ein
abgelichtetes Schreiben aus der Magistratsakte 42786/Bd. 1 verwiesen, aus dem die
Kontonummer, wenn auch schlecht lesbar, hervorgehe. Bei diesem Schreiben handelt es
sich um den Abschlussbericht des Abwicklers der Firma vom 30. August 1957, in dem
u.a. unter Nr. 5 vermerkt war, dass beim Berliner Stadtkontor ein Konto unter 6708
bestand, ein Postscheckkonto sei nicht vorhanden gewesen.
W. wurde ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Neukölln vom 12. Januar 1984
von E. beerbt. Diese erteilte der Klägerin am 25. Januar 1993 notarielle Vollmacht unter
Befreiung von der Beschränkung des Selbstkontrahierens. Mit notarieller Urkunde vom
14. Dezember 1995 übertrug die Klägerin das Grundstück und die Restitutionsansprüche
der E. auf sich.
Mit Bescheid vom 4. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
22. September 2009 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den
Antrag auf Rückübertragung bzw. Entschädigung für das Geschäftskonto der Brotfabrik
W. ab. Zur Begründung führte das Landesamt aus, das Geschäftskonto Nr. 6708 habe
kein Guthaben mehr aufgewiesen. Eine Schädigung liege daher nicht vor. Eine
Entschädigung hinsichtlich des Abwicklungskontos sei nicht beantragt worden.
Mit der Klage macht die Klägerin geltend, der Beklagte überspanne die Anforderungen
an die Konkretisierung des Vermögenswertes. Der Anmelderin sei klar gewesen, dass die
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an die Konkretisierung des Vermögenswertes. Der Anmelderin sei klar gewesen, dass die
Firma selbst nicht mehr existiere, sondern das Firmenvermögen veräußert und das
Kapitalvermögen vereinnahmt worden sei. Die Anmeldung sei daher so auszulegen,
dass mit "Konto" auch der Verlust der Firma und des Verwertungserlöses gemeint war.
Es handele sich daher um eine Anmeldung der Vermögenswerte der Firma.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 4.
Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes zur
Regelung offener Vermögensfragen vom 22. September 2009 aufzuheben und den
Beklagten zu verpflichten zu Gunsten der Klägerin eine Entschädigung für den Verlust
des Geschäftskontos Nr. 6708 beim Berliner Stadtkontor und der Erlöse, die durch die
Auflösung der Firma auf das Abwicklungskonto geflossen sind und die aus der
Veräußerung des Privatvermögens der Eheleute W. erzielt wurden, festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, es nur das Geschäftskonto beim Berliner Stadtkontor 6708
angemeldet worden. Das Konto sei seit dem 21. Januar 1957 gesperrt gewesen und
habe zum damaligen Zeitpunkt auch kein Guthaben aufgewiesen.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2010 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Vorsitzenden als
Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Streitakte und der Verwaltungsvorgänge (neun Bände) verwiesen, die vorgelegen haben
und - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 6 VwGO konnte der Vorsitzende als Einzelrichter entscheiden.
Die Verpflichtungsklage der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid des Landesamtes
zur Regelung offener Vermögensfragen vom 4. Dezember 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom
22. September 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der
Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung für den Verlust des
Geschäftskontos und für die Erlöse aus der Auflösung der Firma und der Veräußerung
des Privatvermögens nicht zu. (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung für den
Verlust des Geschäftskontos Nr. 6708 beim Berliner Stadtkontor sind die § 1 Abs. 1 S. 1,
§ 5 Abs. 1 Entschädigungsgesetz i.V.m. § 2 Abs. 2 VermG. Dies setzt jedoch das
Vorliegen einer Schädigung nach § 1 Abs. 1 VermG vor. Ein Schädigungstatbestand
kann in Bezug auf das Geschäftskonto Nr. 6708 nicht festgestellt werden. Ausweislich
des Schreibens des Berliner Stadtkontors vom 9. März 1957 wies das Konto kein
Guthaben auf. Den Akten sind keine Anhaltspunkte dafür entnehmen war, dass das
Konto im Zeitpunkt der Ausreise am 21./22. Januar 1957 ein Guthaben aufgewiesen hat
und dieses durch willkürliche Maßnahmen staatlicher Stellen der DDR geschädigt worden
ist.
Soweit die Klägerin nunmehr einen Anspruch auf Entschädigung für die Erlöse, die durch
die Auflösung der Firma W. auf das Abwicklungskonto geflossen sind und die aus der
Veräußerung des Privatvermögens der Eheleute erzielt worden, geltend macht, sind
diese Forderungen nicht in der Anmeldefrist des § 30 a. Abs. 1 S. 1 VermG (31.
Dezember 1992) angemeldet worden.
Zur Wahrung der Frist des § 30 a Abs. 1 S. 1 VermG ist es geboten, den geltend
gemachten Anspruch durch Angaben zu Art, Umfang und Ort der Belegenheit des
Vermögenswertes zu individualisieren (BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2010 - 8 B
96.09 - ZOV 2010,100). Dabei genügt es, wenn zumindestens im Wege der Auslegung
ermittelt werden kann, was der Antragsteller beansprucht, um auf diese Weise einen
späteren Austausch oder eine Erweiterung des zu restituierenden Gegenstandes zu
verhindern (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 2000 -7 C 8.00 - Rn. 19 zit. nach Juris; VG
Berlin, Beschl. vom 25. Juli 2008 - VG 29 A 124.08 -). Eine derartige Erweiterung möchte
die Klägerin hier vornehmen. Nach dem Wortlaut des Anmeldeschreibens vom 5.
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die Klägerin hier vornehmen. Nach dem Wortlaut des Anmeldeschreibens vom 5.
Oktober 1990 ist von der Erblasserin das "Geschäftskonto meines verstorbenen Mannes
(Konto-Nr. nicht bekannt)" angemeldet worden. Die Anmeldung war
auslegungsbedürftig, denn die Kontonummer war nicht mitgeteilt worden. Sie war auch
auslegungsfähig, denn es bestand nur ein Geschäftskonto des W., nämlich das Konto
beim Berliner Stadtkontor Nr. 6708 (vgl. BVerwG a.a.O.). Dieses ist jedoch wie
ausgeführt nicht geschädigt worden. Eine Erstreckung dieses Antrages auf das im Zuge
der Abwicklung des Betriebes eingerichtete Abwicklungskonto Nr. 16/8827 im Wege der
Auslegung ist nicht möglich. Damit würde eine Erweiterung bzw. ein Austausch der bzw.
des geltend gemachten Vermögenswerts bewirkt. Es ist zwar denkbar, dass im Rahmen
der erforderlichen Abwicklung eines Unternehmens durch manipulative
Falschforderungen das Abwicklungskonto geschädigt wird. Diese Schädigung würde
jedoch das Abwicklungskonto betreffen, also einen weiteren, von dem "Geschäftskonto"
des Ehemanns der Erblasserin zu trennenden Vermögenswert. Es ist auch denkbar, dass
die Abwicklung des Betriebes selbst eine Schädigung darstellt, indem nämlich
manipulative Steuerforderungen erhoben wurden, um den Betrieb in die Überschuldung
zu führen (vgl. dazu Urteil der Kammer vom 4. November 2010 - VG 29 K 172.09 -). Um
dies zu überprüfen hätte es allerdings der Anmeldung des Unternehmens bedurft. Auch
diese kann in der Anmeldung des Geschäftskontos nicht gesehen werden. Erst recht
stellt die nunmehr geltend gemachte Schädigung der Erlöse aus der Veräußerung des
Privatvermögens der Eheleute die Geltendmachung der Schädigung einer weiteren
Forderung dar, die mit der angemeldeten Forderung nicht identisch ist. Dies gilt
wiederum erst recht soweit damit die Schädigung des Privatvermögens der Eheleute
selbst gemeint gewesen sein sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung gegen dieses Urteil ist gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 VermG, § 12 Abs. 1 Satz
1 EntschG ausgeschlossen. Die Revision war nicht zuzulassen, da
Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 135 VwGO nicht
vorliegen.
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