Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: vorverfahren, genehmigungsverfahren, gebäude, nummer, anwendungsbereich, ausnahme, vorrang, subsidiarität, baurecht, gestaltungsklage

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Gericht:
VG Berlin 19.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 K 251.09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 113 VwGO, § 43 VwGO, § 61
Abs 1 Nr 3 BauO BE, § 61 Abs 2
BauO BE, § 33i Abs 2 Nr 2 GewO
Gewerberecht, Baurecht: Entscheidung über ein
Baugenehmigungsgesuch für Spielhallen
Leitsatz
1. Das gewerberechtliche Gestattungsverfahren zur Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach
§ 33i der Gewerbeordnung hat aufgrund der Verfahrenskonzentration des § 61 Abs. 1 der
Bauordnung für Berlin Vorrang vor einem Baugenehmigungsverfahren.
2. Aufgrund der Verfahrenskonzentration besteht keine Befugnis der Bauaufsichtsbehörde zur
Erteilung oder Untersagung einer Baugenehmigung für Spielhallen; sie ist im
gewerberechtlichen Verfahren lediglich zu beteiligen. Dem Bauherrn steht insoweit auch kein
Wahlrecht durch Antragstellung zu.
Tenor
Die Bescheide des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin vom 4. Mai 2009 –
Nr. 594/2009 – und 5. Mai 2009 – Nr. 601/2009 – werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin für die Nutzungsänderungen der Räume im
Erdgeschoss des Hauses T... 2, Berlin-Tempelhof in Spielhallen aufgrund des Vorrangs
der gewerberechtlichen Gestattungsverfahren keiner Baugenehmigungen bedarf.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 90 % und der Beklagte 10 %.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin für die Vorverfahren wird für
notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
beizutreibenden Betrages. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des
Beklagten abzuwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des
Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von
110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt in erster Linie die Erteilung einer Baugenehmigung zur Umnutzung
eines bisherigen Ladenlokals und einer Gaststätte in zwei Spielhallen im
denkmalgeschützten Gebäude T... 2 in Berlin-Tempelhof.
Das Vorhabengrundstück befindet sich gegenüber dem Platz der Luftbrücke und liegt im
Geltungsbereich des mit Verordnung vom 1. Februar 1988 festgesetzten
Bebauungsplanes XIII-225. Der Gebäudekomplex Ka.../T... 2 bis 6 ist darin als Kerngebiet
ausgewiesen. Die übrigen Flächen des Baugebietes zwischen T... und K... sind als
Gemeinbedarfsflächen mit Polizeistandorten festgesetzt. Die Umgebung des
Plangebietes ist geprägt durch ein gemischtes Gebiet nach dem Baunutzungsplan.
Zusätzlich liegen die Kerngebietsgrundstücke im künftigen Geltungsbereich eines im
Verfahren befindlichen Bebauungsplanes (Aufstellung im vereinfachten Verfahren
gemäß § 13 BauGB, Aufstellungsbeschluss vom 22. September 2009) mit dem unter
Beibehaltung der jeweils festgesetzten Nutzungsarten eine Umstellung auf die
Baunutzungsverordnung 1990 vorgenommen werden soll. Auf dem Vorhabengrundstück
Te... 2 und dem gegenüberliegenden Grundstück D... 9 wurden 1912-13 halbrund
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Te... 2 und dem gegenüberliegenden Grundstück D... 9 wurden 1912-13 halbrund
geschwungene Wohn- und Geschäftshäuser als Torhäuser für die Bebauung des
Tempelhofer Feldes errichtet. Die Gebäude stehen als Gesamtanlage unter
Denkmalschutz. Die Nutzung des Hauses auf dem Vorhabengrundstück ist im Laufe der
Jahrzehnte mehrfach geändert worden. Zuletzt wurden das Erdgeschoss rechts als
Ladenlokal und das Erdgeschoss links als Gaststätte genutzt. Beide Einheiten verfügen
über eine Brutto-Grundfläche von jeweils über 150 qm.
Mit Datum vom 26. November 2008 ließ die Klägerin für beide Bereiche des
Erdgeschosses die Umnutzung auf 144,15 bzw. 149,25 qm Nutzflächen als Spielstätten
mit jeweils 12 Geldspielgeräten im Genehmigungsfreistellungsverfahren gegenüber dem
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin (im Folgenden: Bezirksamt) anzeigen. Auf
den Hinweis des Bezirksamtes, dass es sich wegen der Brutto-Grundfläche und
Nutzungsart jeweils um Sonderbauten handeln würde, beantragte die Klägerin mit am
16. Februar 2009 eingereichten Planungsunterlagen die Erteilung von zwei
Baugenehmigungen. Ein gewerberechtlicher Antrag auf Erteilung einer
Spielhallenerlaubnis ist bisher nicht gestellt worden.
Die untere Denkmalschutzbehörde stimmte einem Umbau im Bereich des
Erdgeschosses rechts nur mit im Einzelnen benannten Maßgaben zu.
Mit Bescheiden vom 4. Mai bzw. 5. Mai 2009 (Nr. 594/2009 und 601/2009) versagte das
Bezirksamt die beantragten Baugenehmigungen aus bauplanungs- und teilweise
denkmalschutzrechtlichen Gründen. Die Vorhaben würden gegen das Gebot der
Rücksichtnahme des § 15 Abs. 1 BauNVO verstoßen. Das Vorhabengrundstück bilde den
Eingang zu dem Wohngebietszentrum „Platz der Luftbrücke“. Dieses Zentrum
übernehme eine wichtige Grundversorgungsfunktion im nördlichen Siedlungsbereich von
Tempelhof. Das Zentrum sei durch kleinteiligen Einzelhandel, Büro- und
Dienstleistungsangebote, vielfältige Gastronomieangebote und Wohnnutzungen in den
oberen Etagen geprägt. Es seien jedoch bereits einzelne Funktionsstörungen erkennbar,
die in einem hohen Leerstand von Ladengeschäften in den Erdgeschossbereichen ihren
Ausdruck finden würden. Im Umfeld des Gebäudes T... 2 würden sich bereits zwei
Vergnügungsstätten befinden und zwar ein Sportwettbüro und eine Pokerlounge.
Vergnügungsstätten seien jedoch grundsätzlich geeignet, eine städtebauliche Situation
negativ in Bewegung zu bringen. Es sei daher ein Trading-Down-Effekt zu besorgen. Eine
negative städtebauliche Entwicklung wäre bei einer Neuansiedlung von weiteren
Vergnügungstätten mit den planungsrechtlichen Instrumentarien nicht mehr zu steuern.
Gegen diese Entscheidungen ließ die Klägerin mit anwaltlichen Schreiben vom 18. Mai
2009 Widersprüche einlegen, über die bisher noch nicht entschieden ist.
Mit den am 5. September 2009 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klagen (VG 19
K 251/09 und VG 19 K 252/09), die die Kammer mit Beschluss vom 9. September 2009
zum Aktenzeichen VG 19 K 251/09 verbunden hat, verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf
Erteilung von Baugenehmigungen weiter. Sie ist unter Darlegung ihrer Rechtsauffassung
im Einzelnen der Ansicht, die Vorhaben könnten nicht mit dem Hinweis auf § 15 BauNVO
bzw. aus denkmalschutzrechtlichen Gründen versagt werden. Sofern § 33i der
Gewerbeordnung ein vorrangiges Gestattungsverfahren darstellen sollte, habe die
Klägerin ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung der baurechtlichen
Zulässigkeit der Vorhaben.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des Bezirksamtes Tempelhof-
Schöneberg von Berlin vom 4. Mai 2009 – Nr. 594/2009 – und 5. Mai 2009 – Nr. 601/2009
– zu verpflichten, ihr die Baugenehmigungen zur Nutzungsänderung im Gebäude T... 2.
Erdgeschoss rechts und links zu je einer Spielhalle zu erteilen;
hilfsweise,
2. festzustellen, dass einer Spielhallengenehmigung nach § 33i Gewerbeordnung
bezüglich der beiden Vorhaben im Gebäude T... 2 keine Versagungsgründe nach § 33i
Abs. 2 Nr. 2 Gewerbeordnung entgegenstehen;
weiter hilfsweise,
3. festzustellen, dass einer Spielhallengenehmigung nach § 33i Gewerbeordnung
für die Vorhaben im Gebäude T... 2 keine gewerberechtlichen Versagungsgründe aus
dem Bereich des Bauplanungsrechts entgegenstehen;
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ferner hilfsweise,
4. festzustellen, dass sie für die Nutzungsänderung der Gewerberäume im
Gebäude T... 2, Erdgeschoss rechts und links in eine Spielhalle aufgrund der
gewerberechtlichen Erlaubnispflicht des § 33i Gewerbeordnung keiner gesonderten
Baugenehmigung bedarf.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er bekräftigt seine Auffassung der Besorgnis eines Trading-Down-Effekts.
Die Kammer hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Örtlichkeiten und die
nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks in Augenschein genommen. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Juli 2010 und die Streitakte
verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Bände XVIII bis XX der
Generalakten der Senatsverwaltung für Justiz zur Bauordnung Berlin lagen vor und waren
– soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
A.
Die Klagen haben nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
Die Klagen sind mit dem Hauptantrag zwar als Verpflichtungsklagen (§ 42 Abs. 1 VwGO)
im Wege der Untätigkeitsklagen (§ 75 VwGO) zulässig, jedoch nur hinsichtlich des im
Antrag enthaltenen Aufhebungsbegehrens als isolierte Anfechtungen begründet.
1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erteilung von Baugenehmigungen (§ 71
BauOBln) für die Nutzungsänderungen in Spielhallenbetriebe zu, weil diese Form der
Gestattung nach der Bauordnung für Berlin gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die
baurechtlichen Anforderungen an Spielhallen sind auf Grund des Vorrangs anderer
Gestattungsverfahren nach § 61 BauOBln vielmehr ausschließlich im gewerberechtlichen
Verfahren nach § 33i GewO zu prüfen.
Gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 3 BauOBln schließen Gestattungsverfahren nach anderen
Rechtsvorschriften die Baugenehmigung nach der Bauordnung ein für Anlagen, die nach
Gewerberecht, Geräte- und Produktsicherheitsrecht oder Betriebssicherheitsrecht einer
Genehmigung oder Erlaubnis bedürfen, ausgenommen gaststättenrechtliche
Erlaubnisse. Diese Vorschrift ist zwar auslegungsbedürftig, im Ergebnis ist indes eine
Subsidiarität des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens angeordnet, die die Erteilung
einer (isolierten) Baugenehmigung ausschließt. Die Klägerin muss sich auf das
gewerberechtliche Gestattungsverfahren nach § 33i GewO verweisen lassen, denn das
Verfahren kann auch nicht in zwei Teilgenehmigungen aufgespalten werden (vgl. zu § 13
BImSchG: BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2001 - 4 C 3/01 -, NVwZ 2002, 1112).
a. Zum Anwendungsbereich des § 61 BauOBln und der dogmatischen Einordnung der
Regelung gelten nach Auffassung der Kammer die folgenden Grundsätze:
Obwohl mit der Novellierung der Bauordnung sehr weitgehend auf die Konzeption der
Musterbauordnung 2002 (MBO) zurückgegriffen werden sollte (Abgh.-Drucks. 15/3926
Seite 1), weicht die Formulierung in § 61 Abs. 1 Satz 1 BauOBln von § 60 MBO zum
Vorrang anderer Gestattungsverfahren ab, denn in der Musterbauordnung heißt es, dass
die dort aufgeführten Anlagen keiner Baugenehmigung bedürfen und nicht, dass diese -
wie nach dem Wortlaut des § 61 Abs. 1 Satz 1 BauOBln - eingeschlossen sei. Durch
wörtliche Übernahme anderer Regelungen aus der MBO sind aber weitere Vorschriften in
der Bauordnung Berlin nicht mit der sprachlichen Fassung des § 61 Abs. 1 Satz 1
BauOBln harmonisiert worden. Absatz 2 ist durch Übernahme aus der MBO wie folgt
gefasst: „Anlagen, bei denen ein anderes Gestattungsverfahren die Baugenehmigung
(…) einschließt oder die nach Absatz 1 keiner Baugenehmigung bedürfen (…)“. Der
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(…) einschließt oder die nach Absatz 1 keiner Baugenehmigung bedürfen (…)“. Der
Einschluss der Baugenehmigung betrifft nach dieser Regelung mithin nur anderweitig
geregelte Verfahrenskonzentrationen (z.B. § 13 BImSchG, Planfeststellungsbeschlüsse);
für die Anlagen nach Absatz 1 soll demgegenüber eine Baugenehmigungsfreistellung
gelten. Auch § 60 Abs. 2 BauOBln stellt auf eine Genehmigungsfreiheit nach § 61
BauOBln ab.
Die benannten Mängel im Gesetzgebungsverfahren finden auch in der amtlichen
Begründung ihren Niederschlag (Abgh.-Drucks., a.a.O., Seite 105). Dort heißt es wörtlich:
„Für die genannten Vorhaben werden die Baugenehmigung (§§ 64ff.), die Entscheidung
über Abweichungen (§ 68), die Genehmigungsfreistellung (§ 63), die Zustimmung (§ 76)
und die Bauüberwachung (§§ 80 ff.) immer dann, wenn der fachliche Schwerpunkt des
Vorhabens im nicht-baurechtlichen (Fach-)Recht liegt mit der Folge, dass die
baurechtlichen Verfahren im fachrechtlichen Anlagenzulassungsverfahren mit
eingeschlossen sind.“ Der Satz ist unvollständig und erscheint als „verunglückte“
Anpassung der Begründung der Musterbauordnung für den Verzicht auf eine
Baugenehmigung, denn darin heißt es: „Dabei entfallen die Baugenehmigung (…)
immer dann, wenn der fachliche Schwerpunkt des Vorhabens im nicht-baurechtlichen
(Fach-)Recht liegt mit der Folge, dass die baurechtlichen Anforderungen im
fachrechtlichen Anlagenzulassungsverfahren mit zu entscheiden sind“ (Ammon, MBO, 5.
Auflage 2006, Erläuterungen zu § 60).
Auch die amtliche Einzelbegründung (Abgh.-Drucks., a.a.O., Seite 105) der Berliner
Regelung in § 61 Abs. 1 Nr. 3 BauOBln ergibt nur teilweise Sinn, wenn hierin
ausschließlich darauf verwiesen wird, es würden dieselben Erwägungen wie zu Nummer 1
gelten. Zu Nummer 1 wird dargestellt, dass bestimmte Vorhaben dem
wasserrechtlichen Regime zugewiesen werden, dies aber wegen des
bau(ordnungs)rechtlichen Schwerpunktes nicht für Sonderbauten gelte. Eine
Entsprechung der Nummer 3 zu Nummer 1 kann zwar in einer Zuweisung zum
gewerberechtlichen Regime gesehen werden, die Ausnahme für Sonderbauten geht bei
der Nummer 3 indes ins Leere, weil eine solche gerade nicht vorgesehen ist.
Der amtlichen Begründung ist aber immerhin zu entnehmen, dass der Kern der
Formulierung des § 61 Abs. 1 BauOBln der bisherigen Regelung des § 68 BauOBln a.F.
entsprechen solle (Abgh.-Drucks., a.a.O., Seite 105). Auch in § 68 BauOBln a.F. war
indes die Baugenehmigungsfreiheit für bestimmte (öffentliche) Vorhaben normiert und
nicht der Einschluss der bauaufsichtsrechtlichen Zulassung in anderen
Genehmigungsverfahren. Auch diese Begründung deutet daher darauf hin, § 61 BauOBln
im Sinne eines bloßen Fortfalls (Verzichts des Landesgesetzgebers) auf ein gesondertes
Baugenehmigungsverfahren zu interpretieren. Die Regelung des § 61 Abs. 1 BauOBln
enthält Vorschriften zur Auflösung der Konkurrenz paralleler Anlagengenehmigungen.
Der Anwendungsbereich wird in der amtlichen Begründung dahingehend umschrieben,
dass es sich um Anlagen handelt, bei denen die Konzentrationswirkung des (Fach-
)Rechts nicht abschließend geregelt ist und das Baurecht sich aufdrängt (Abgh.-Drucks.,
a.a.O., Seite 105). Diese Voraussetzungen liegen in den Fällen einer
Spielhallengenehmigung nach § 33i GewO vor und der Vorrang dieses
Gestattungsverfahrens wird in § 61 Abs. 1 Nr. 3 BauOBln angeordnet.
Danach sind von der Subsidiarität einer Baugenehmigung auch bestimmte Anlagen
nach dem Gewerberecht mit Ausnahme gaststättenrechtlicher Erlaubnisse erfasst.
Hierzu gehören nach Auffassung der Kammer auch Spielhallenkonzessionen nach § 33i
GewO, (ebenso Knuth in: Wilke u.a., BauOBln, 6. Auflage 2008, § 61 Rdn. 5; Hahn in
Hahn/Radeisen, BauOBln, 4. Aufl. 2007,§ 61 Rdn. 10; ders. in Friauf [Hrsg.], GewO, Stand
Juni 2010, § 33i Rdn. 61; a.A. für die Regelung der Sächsischen Bauordnung: Jäde in
Jäde/Dirnberger/Böhme, SächsBO, Stand August 2005, § 60 Rdn. 21), denn im Rahmen
der gewerberechtlich geregelten Versagungsgründe ist nach § 33i Abs. 2 Nr. 2 GewO zu
prüfen, ob die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer
Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen genügen. Es handelt sich um
eine Regelungsmaterie, in der kraft Bundesrecht keine abschließende
Konzentrationswirkung vorgesehen ist, und der sich das Baurecht aufdrängt.
Das Prüfprogramm der Gewerbeämter ist insbesondere nicht auf bauordnungsrechtliche
Anforderungen beschränkt, sondern den polizeilichen Anforderungen genügt eine
Spielhalle wegen ihrer Lage auch dann nicht, wenn sie mit den dafür maßgeblichen
Vorschriften des materiellen Baurechts – einschließlich des Bauplanungsrechts – nicht zu
vereinbaren ist (OVG Münster, Urteil vom 1. Juli 1986 – 4 A 2727/84 -, GewArch 1987,
159, 160; dass. Urteil vom 6. Oktober 1988 – 4 A 2966/86 -, GewArch 1989, 128, 129
m.w.N.).
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Soweit in der Literatur und insbesondere auch von der Berliner Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung vertreten wird, § 61 Abs. 1 BauOBln erfasse ausschließlich
anlagenbezogene gewerberechtliche Gestattungen, nicht aber auch die im
Gewerberecht häufigen Mischkonzessionen und damit auch nicht Spielhallenerlaubnisse
nach § 33i GewO, so findet dies im weiter gefassten Wortlaut der Vorschrift keine Stütze.
Zwar werden in der Norm ferner auch das Geräte- und Produktsicherheitsrecht oder
Betriebssicherheitsrecht ausdrücklich benannt, die Auflistung dieser
Anlagengenehmigungen bedeutet indes nicht zugleich eine Beschränkung der
gewerberechtlichen Genehmigungen auf solche mit ausschließlichem Anlagenbezug.
Zwar verweist etwa Jäde zur sächsischen Bauordnung (Jäde, a.a.O., Rdn. 18) zum
Anwendungsbereich der der Musterbauordnung entnommenen Regelung des dortigen §
60 ausschließlich auf Anlagen nach der Betriebssicherheitsverordnung. Hieraus ergibt
sich aber keine Einschränkung des Berliner Rechts. Das Recht der Betriebssicherheit
steht nach der Fassung der Berliner Bauordnung gerade neben dem Gewerberecht.
Auch das in den Erläuterungen zur MBO 2002 (Ammon, a.a.O, zu § 60) benannte
Anwendungsbeispiel für in Bezug genommene gewerberechtliche Genehmigungen aus
der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten für Tankstelleneinrichtungen lässt sich
dem in der Berliner Bauordnung gesondert ausgewiesenen Recht der Betriebssicherheit
zuordnen. Der Landesgesetzgeber hat diese Regelungsmaterien gerade neben den
allgemeinen Verweis auf gewerberechtliche Gestattungsverfahren gestellt und zudem
die Gaststättenerlaubnisse, die gleichfalls als Mischkonzessionen ausgestaltet sind,
ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Damit sind mit Ausnahme des
Gaststättenrechts von der Subsidiaritätsregelung des § 61 BauOBln auch die
gewerberechtliche Gestattungsverfahren mit baurechtlichem Prüfprogramm umfasst, in
denen eine Mischkonzession erteilt wird, wie dies bei § 33i GewO der Fall ist.
Zwar mag dem Landesgesetzgeber die Reichweite der Inbezugnahme des
Gewerberechts nicht deutlich gewesen sein, dies kann indes eine den Wortlaut
negierende Auslegung nicht rechtfertigen. Es ist Pflicht des Gesetzgebers, im Hinblick
auf die notwendige Sicherung der Rechte von Betroffenen durch Organisation und
Verfahren klare Zuständigkeiten zu schaffen (vgl. Becker, Verfahrensbeschleunigung
durch Genehmigungskonzentration, VerwArchiv 1996, 581, 615). Auch eine teleologische
Reduktion findet dort ihre Grenze, wo ein vorrangiges Interesse an der Rechtssicherheit
die strikte Einhaltung der eindeutigen Norm verlangt (Larenz, Methodenlehre der
Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, Seite 392). Abgesehen davon würde eine Korrektur
des Gesetzestextes im Wege der Restriktion voraussetzen, dass der Wortlaut der
Regelung nicht der dem Gesetz immanenten Teleologie entspricht. Das ist vorliegend
indes gerade nicht der Fall, denn Sinn und Zweck der Regelung des § 61 Abs. 1 BauOBln
ist ja gerade, Doppelverfahren zu vermeiden. Die Einbeziehung des § 33i GewO in den
Katalog der Vorrangregelung steht damit gerade im Einklang mit dem Gesetzeszweck;
die fachlichen Belange der Bauaufsicht werden durch deren Beteiligung nach § 61 Abs. 2
Satz 2 BauOBln gewahrt.
Mit § 61 Abs. 1 BauOBln hat der Gesetzgeber auch nicht eine bloße
Zuständigkeitskonzentration, und damit lediglich die Zusammenfassung verschiedener
Genehmigungsverfahren, angeordnet. Denn eine solche Regelung wäre dadurch
gekennzeichnet, dass weiterhin mehrfache Genehmigungen zu erteilen wären (Becker,
a.a.O., Seite 599). Das ist nach § 61 BauOBln aber nicht der Fall. Bei der Vorschrift
handelt es sich um eine Verfahrenskonzentration (Knuth, a.a.O., Rdn. 9). Die Erteilung
einer Baugenehmigung entfällt, gleichwohl sind die materiell-rechtlichen Vorschriften in
vollem Umfang anzuwenden. Aus diesem Grund steht die Einbeziehung des § 33i GewO
in § 61 Abs. 1 BauOBln auch nicht im Widerspruch zur Bestimmung von Spielhallen ab
einer bestimmten Größe als Sonderbau gem. § 2 Abs. 4 Nr. 8 BauOBln. Diese
Qualifizierung behält auch im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren ihre
Bedeutung für die Bestimmung des baurechtlichen Prüfprogramms.
Das dargelegte Verständnis steht auch mit den verfassungsrechtlichen Gesetzgebungs-
und Verwaltungskompetenzen im Einklang. Materielle bundesrechtliche Vorgaben des
Gewerberechts werden durch den Landesgesetzgeber nicht beseitigt, auch wird das
Prüfprogramm und das Verfahren von Bundesbehörden nicht durch Landesrecht
bestimmt (vgl. Hahn in Hahn/Radeisen, a.a.O., Rdn. 12), denn der Landesgesetzgeber
verzichtet lediglich in seinem Gesetzgebungskompetenzbereich des Bauordnungsrechts
auf ein zusätzliches Genehmigungsverfahren, ohne dem Gewerberecht ein bisher nicht
vorgesehenes Prüfprogramm aufzudrängen bzw. damit weitere Versagungsgründe für
eine Spielhallenerlaubnis nach § 33i GewO zu schaffen. Insoweit bedarf es auch keiner
weiteren Erörterung der dem Landesgesetzgeber mit der Föderalismusreform von 2006
eröffneten weiteren Spielräume durch die Abweichungsmöglichkeit in Art. 84 Abs. 1 GG.
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b. Nach der von der Kammer im Wege einer Gesamtschau der Regelungen und unter
Heranziehung der Gesetzesmaterialien vorgenommenen verfassungskonformen
Auslegung hat der Landesgesetzgeber die in § 61 Abs. 1 BauOBln benannten Vorhaben
von der Baugenehmigungspflicht im Hinblick auf eine Prüfung in anderen
Gestattungsverfahren freigestellt und trotz der sprachlichen Fassung nicht den
Einschluss dieser Genehmigung in dem Sinne angeordnet, dass eine nach Erlöschen der
anderweitigen Genehmigung durch Konzentration eingeschlossene Genehmigung
bestehen bleiben oder wieder aufleben könnte (vgl. zum Verhältnis zwischen § 18 Abs. 2
BImSchG erloschener immissionschutzrechtlicher Genehmigung zur Baugenehmigung:
OVG Münster, Urteil vom 15. März 1993 – 21 A 1691/89 -, NVwZ 1994,184; Jarass,
BImSchG, 8. Aufl. 2010, § 18 Rdn. 11 m.w.N.). Denn im Kern sollte die Formulierung des
§ 61 BauOBln der bisherigen Regelung des § 68 BauOBln a.F. entsprechen (Abgh.-
Drucksache, a.a.O., Seite 105). Gesetzgeberisches Ziel ist die Auflösung der Konkurrenz
paralleler Anlagengenehmigungen; dieses Ziel wird auch durch einen Verzicht auf eine
gesonderte Baugenehmigung erreicht.
Danach ist die Bauaufsichtsbehörde nicht zu einer mit Regelungscharakter mit
Außenwirkung versehenen Entscheidung über ein Baugenehmigungsgesuch für
Spielhallen befugt, die Behörde wäre lediglich nach § 61 Abs. 2 Satz 2 BauOBln zu
beteiligen gewesen. Sie kann mithin auch nicht zur Erteilung einer Baugenehmigung
gerichtlich verpflichtet werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Stellung
eines Bauantrages, denn einem Bauherrn wird, wie auch hinsichtlich der sonstigen
Verfahrensarten (z.B. § 65 statt § 63 BauOBln), kein Wahlrecht zugestanden, auch wenn
dies im Interesse einer umfassenden Legalisierungswirkung für Vorhaben von manchem
Bauherrn als wünschenswert angesehen wird. Die Verfahrensbeschleunigung durch
Konzentration soll auch dem öffentlichen Interesse eines ressourcenschonenden
Verwaltungshandelns dienen und steht daher nicht zur Disposition eines Bauherrn.
Daher ist auch der Anwendungsbereich des § 61 BauOBln bereits dann eröffnet, wenn
ein vorrangiges Gestattungsverfahren (mit Raumbezug) zur Verfügung steht und nicht
erst dann, wenn ein entsprechender Antrag gestellt und dieses Verfahren eröffnet wird.
2. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die mit dem Hauptantrag verfolgte
Gestaltungsklage hinsichtlich des darin enthaltenen Aufhebungsbegehrens begründet
ist, und der Klage insoweit stattzugeben war.
Ebenso wie eine gesonderte Baugenehmigung nicht erteilt werden darf, besteht auch
keine Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, diese isoliert abzulehnen. Durch die
ablehnenden Entscheidungen ist die Klägerin auch in ihren Rechten verletzt, denn
unabhängig von der Frage einer Bindungswirkung eines bestandskräftigen Bescheides in
einem darauf folgenden gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren nach § 33i GewO,
bestünde zumindest der Rechtsschein eines Verstoßes gegen baurechtliche Vorschriften
bezogen auf eine fehlende Eignung der Räume nach Lage und Beschaffenheit im Sinne
des § 33i Abs. 2 Nr. 2 GewO.
Die Kammer nimmt die ablehnende Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde gleichwohl
zum Anlass, auf die folgenden Gesichtspunkte hinzuweisen:
Spielhallen sind als Vergnügungsstätten in Kerngebieten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2
BauVNO 1977 allgemein zulässig. Bauplanungsrechtlich ist daher von Bedeutung, ob
den Vorhaben § 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BauNVO 1977 entgegensteht. Danach sind die in
den § 2 bis 14 BauNVO 1977 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall
unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart
des Baugebietes widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen
Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets
im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Diese
einschränkenden Regelungen des Gebotes der Rücksichtnahme gelten gemäß Absatz 2
der Vorschrift auch für Nutzungsänderungen.
Unzumutbare Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO
dürften vorliegend nicht in Rede stehen. Zwar sollen die Spielhallen täglich 23 Stunden
geöffnet sein, dies widerspricht indes noch nicht der Eigenart eines Kerngebietes und
eine Unzumutbarkeit für die Umgebung ist gleichfalls nicht zu besorgen. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass ein Kerngebiet hinsichtlich des Störungsgrades im Wesentlichen
durch den Geschäfts- und Straßenverkehr bestimmt ist. Gewerbebetriebe und
insbesondere auch Vergnügungsstätten werden daher im Regelfall erst dann als störend
anzusehen sein, wenn die von ihnen ausgehenden Störungen stärker bzw. belästigender
sind, als die von den sonstigen Anlagen ausgehenden Störungen und der Verkehrslärm
(vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 7 Rdn. 3). Zudem müsste der Störungs-
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(vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 7 Rdn. 3). Zudem müsste der Störungs-
und Belästigungsgrad die Unzumutbarkeitsschwelle überschreiten. Vorliegend konnte
sich die Kammer im Ortstermin davon einen Eindruck verschaffen, dass sich das
Vorhabengrundstück an einem stark befahrenen Verkehrsknotenpunkt befindet. Das
Plangebiet ist ferner als Polizeistandort ausgewiesen, so dass auch von einem
Störungspotenzial durch Polizeieinsatzfahrzeuge auszugehen ist. Am Platz der
Luftbrücke befindet sich auch das Polizeipräsidium und das ehemalige
Flughafengebäude, welches als Veranstaltungsort für Messen und ähnliches genutzt
wird. Diese liegen zwar nicht im Plangebiet, sind aber mitprägend für die nähere
Umgebung.
Die Spielhallen widersprechen auch (noch) nicht nach Anzahl, Lage, Umfang oder
Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebietes, wenngleich die Klägerin sich
ersichtlich nicht darauf berufen kann, beide Spielhallen seien jeweils die erste.
Kerngebiete dienen nach § 7 Abs. 1 BauNVO 1977 vorwiegend der Unterbringung von
Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und
Kultur. Kerngebiete haben innerhalb des städtebaulichen Ordnungsgefüges zentrale
Funktionen mit vielfältigen Nutzungen und einem urbanen Angebot an Gütern und
Dienstleistungen für die Besucher der Stadt und für die Wohnbevölkerung eines großen
Einzugsbereichs; das Wohnen tritt dort zurück (BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 –
4 C 64/79 -, E 68, 207 ff.). Auch wenn diese Umschreibung unterstreicht, dass
Vergnügungsstätten trotz deren allgemeiner Zulässigkeit nicht das Wesen eines
Kerngebietes ausmachen, so ist doch zu berücksichtigen, dass ein Kerngebiet gerade
auch im Hinblick auf die in anderen Baugebieten allenfalls beschränkte Zulässigkeit von
Spielhallen für deren Aufnahme prädestiniert ist.
Soweit der Beklagte darauf verweist, es bestünde die Besorgnis eines sog. Trading-
Down-Effektes, da die Zulassung von Spielhallen ein Baugebiet negativ in Bewegung
bringen könnte und eine negative Vorbildwirkung entstünde, greift dieser Einwand nicht
ohne Weiteres durch. Es ist bereits fraglich, ob vorliegend über § 15 Abs. 1 BauNVO 1977
überhaupt noch Raum für eine „Nachsteuerung“ im Baugenehmigungsverfahren
verbleibt, denn je konkreter eine Festsetzung ist, umso geringer ist die
Gestaltungsfreiheit für den Betroffenen und damit auch der Spielraum für die
Anwendung des § 15 BauNVO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 1989 – 4 NB 8/89 -,
zitiert nach Juris). So weist die Klägerin auch zutreffend darauf hin, dass § 15 BauNVO
der Genehmigungsbehörde nicht die Möglichkeit eröffnet, im
Baugenehmigungsverfahren planerisch tätig zu werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.
Juli 1991 – 4 B 90/91 -, zitiert nach Juris). Festsetzungen eines Bebauungsplanes können
durch § 15 BauNVO grundsätzlich nicht korrigiert, unterbliebene Festsetzungen – wie ein
möglicher Ausschluss von Spielhallen nach § 1 Abs. 9 BauNVO 1977 – nicht nachgeholt
werden. Ob diese Grundsätze im vorliegenden Fall die Anwendung des § 15 BauNVO
ausschließen, bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung, weil auch bei
Anwendung des § 15 BauNVO ein Trading-Down-Effekt nicht zu besorgen ist. Dem
Beklagten stehen entgegen seiner in den ablehnenden Bescheiden geäußerten Ansicht
durchaus Steuerungsinstrumentarien zur Seite.
Unabhängig von diesen dogmatischen Erwägungen vermochte die Kammer indes im
Rahmen der Ortsbesichtigung noch keine beachtliche Funktionsstörung des Gebietes
erkennen. Der festgestellte Leerstand von Einzelhandelsgeschäften dürfte sich im
Rahmen üblicher Nutzerwechsel bewegen. Soweit das Fehlen eines Supermarktes zur
Versorgung mit täglichen Gebrauchsgütern von Seiten des Beklagten als Hinweis auf
Funktionsstörungen angeführt wird, ist keinerlei Zusammenhang mit der von der
Klägerin beabsichtigten Ansiedlung von Spielhallen erkennbar. Der Supermarkt ist
ersichtlich nicht infolge einer Verdrängung durch Vergnügungsstätten geschlossen
worden. Auch wenn zwei Spielhallen eine negative Vorbildwirkung beizumessen sein
sollte, kann dem hinsichtlich des betroffenen Kerngebietsbereichs durch eine Versagung
weiterer Genehmigungen unter Hinweis auf eine dann nach Anzahl der Eigenart des
Baugebiets und der darin angestrebten Nutzungsmischung entgegen getreten werden.
Die Entstehung eines faktischen Sondergebietes „Spielhallen“ oder eines
Vergnügungsviertels kann somit ausgeschlossen werden. Für die umliegenden
Planbereiche im Mischgebiet gilt, dass dort ohnehin ein anderer Zulässigkeitsmaßstab
für Vorhaben anzulegen ist, und daher eine Genehmigung im Kerngebiet gerade nicht
übertragbar ist. Aber auch unter Berücksichtigung der in der Umgebung bereits
vorhandenen Vergnügungsstätten kann unabhängig von der Frage, ob diese im Rahmen
des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1977 in die Betrachtung einzubeziehen sind, (noch)
nicht von der Gefahr eines durch die Vergnügungsstätten im angrenzenden Kerngebiet
begünstigten Trading-Down-Effektes ausgegangen werden. Der Schutz des vorhandenen
Gewerbes vor Strukturveränderungen und die Verhinderung der Verdrängung anderer
Nutzungen obliegt dem Plangeber für dieses Gebiet bzw. der Baugenehmigungsbehörde
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Nutzungen obliegt dem Plangeber für dieses Gebiet bzw. der Baugenehmigungsbehörde
im Rahmen der Prüfung dortiger Vorhaben. Nach den Angaben des Beklagten wird indes
auch im Rahmen des derzeit durchgeführten B-Planverfahrens nur eine Umstellung auf
die BauNVO 1990 angestrebt, so dass sich der Plangeber mit dieser Beschränkung der
Planungsmöglichkeiten eines allgemeinen Ausschlusses von Spielhallen begeben würde.
II.
Die hilfsweise gestellten Klageanträge zu 2. und 3. auf Feststellung der baurechtlichen
Zulässigkeit der Vorhaben sind bereits unzulässig und unterlagen daher der Abweisung.
Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein
berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift
kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch eine
Gestaltungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
Den Klagebegehren zu 2. und 3. auf Feststellung steht vorliegend bereits die
Subsidiarität dieser Klageart gegenüber einem Verpflichtungsbegehren entgegen. Die
Klägerin hätte die baurechtliche Zulässigkeit in einem gewerberechtlichen
Genehmigungsverfahren nach § 33i GewO zur Überprüfung stellen und im Falle einer
Versagung ihr Begehren mit der Verpflichtungsklage weiter verfolgen können. Dem steht
auch nicht entgegen, dass in der Praxis der Bezirksämter die Annahme oder
Bearbeitung eines gewerberechtlichen Antrages mit Hinweis auf eine zuvor einzuholende
Baugenehmigung in der Vergangenheit abgelehnt worden sein mag, denn auch in
diesen Fällen wäre der Klageweg über § 75 VwGO eröffnet.
Die Feststellungsanträge zu 2. und 3. sind darüber hinaus unzulässig, weil das
Nichtvorliegen eines Versagungsgrundes nach § 33i Abs. 2 Nr. 2 GewO bzw. die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Vorhaben der Klägerin kein feststellungsfähiges
Rechtsverhältnis darstellt.
Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu
verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-
rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen
untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft derer eine der beteiligten
Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht
(BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 – 3 C 44/02 -, NVwZ-RR 2004, 253, 254
m.w.N.). Dagegen bilden Tatbestandsmerkmale, von deren Vorliegen die
Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten abhängen, kein feststellungsfähiges
Rechtsverhältnis (BVerwG, ebenda). Ein solches nicht feststellungsfähiges Element bzw.
eine Vorfrage eines Rechtsverhältnisses stellt die Regelung des Versagungsgrundes in §
33i Abs. 2 Nr. 2 GewO dar. Es handelt sich um Umstände, die für das Entstehen des
Rechtsverhältnisses – hier Erlaubnis zum Betreiben einer Spielhalle – Voraussetzung
sind und die für sich allein keine Rechte oder Pflichten begründen können (vgl. Sodan in:
Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 43 Rdn. 32 f.). Gleiches gilt für die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens, denn insoweit handelt es sich um
einen bloßen Ausschnitt des Prüfprogramms eines Tatbestandsmerkmals der
Gewerbeordnung.
III.
Der ferner hilfsweise gestellte Feststellungsantrag zu 4. zur Baugenehmigungspflicht ist
gemäß § 43 VwGO zulässig und begründet.
Die Frage der Baugenehmigungsbedürftigkeit einer Spielhalle neben der
gewerberechtlichen Konzession stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Das
besondere Feststellungsinteresse liegt vor, da der Beklagte in seinen von der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herausgegebenen Entscheidungshilfen - und
damit Handlungsanweisungen für die Bezirksämter - zu § 61 BauOBln vom Erfordernis
eines gesonderten Baugenehmigungsverfahrens ausgeht (abrufbar unter: ;
Entscheidungshilfen für die Bauaufsicht, Seite 107) und somit die Klägerin „Gefahr läuft“
vom Gewerbeaufsichtsamt mit dem Hinweis auf eine fehlende Baugenehmigung
abgewiesen zu werden.
Wie oben ausgeführt, ist die Feststellungsklage wegen des in § 61 Abs. 1 BauOBln
angeordneten Vorrangs des gewerberechtlichen Gestattungsverfahrens für eine
Spielhallenerlaubnis nach § 33i GewO auch begründet.
B.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Zur Bestimmung der
Kostenquote ist das Gericht von einem Streitwert für die begehrte Verpflichtung zur
Erteilung von Baugenehmigungen entsprechend dem Streitwertkatalog des
Bundesverwaltungsgerichts 2004 von insgesamt 176.040,- € (144,15 qm + 149,25 =
293,40 qm X 600,- €) ausgegangen. Die Hilfsanträge waren mangels hinreichender
Anhaltspunkte mit 5.000,- € als Auffangstreitwert je Antrag und Spielhalle zu bewerten
(insgesamt 30.000,- €). Den Unterliegensanteil des Beklagten setzt die Kammer bezügl.
der ausgesprochenen Aufhebung der Versagungsbescheide und des
Feststellungsantrages mit je 5.000,- € je Antrag und Spielhalle an. Hieraus ergibt sich ein
Gesamtanteil am Streitwert von 20.000,- € mit einer Kostenquote von 10 % zu Lasten
des Beklagten.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §
709 ZPO und i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
C.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2
Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im
Vorverfahren durfte vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im
Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden. Dem Ausspruch hierzu steht
nicht entgegen, dass das Vorverfahren mangels Widerspruchsentscheidung vor der
zulässigen Klageerhebung nicht abgeschlossen war, denn die Zuziehung eines
Bevollmächtigten bei Untätigkeitsklagen ist nur dann im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2
VwGO nicht notwendig, wenn schon die Einleitung des Widerspruchsverfahrens
entbehrlich war (OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. März 2008 – 1 OB 14/08 -; vgl. auch
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Juni 2008 – 2 O 114/08 -, jeweils zitiert nach
Juris). Der Höhe nach sind die erstattungsfähigen Kosten indes nicht auf die
Gesamtkostenquote dieses Urteils zu beziehen, denn ein Vorverfahren hat nur
hinsichtlich der Versagung der Baugenehmigungen geschwebt und der Erfolg der Klagen
ist auf die Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen beschränkt. Hieraus ergibt sich,
dass die erstattungsfähigen Kosten für das Vorverfahren nur 5,7 % der insoweit
angefallenen Anwaltskosten betragen.
D.
Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
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