Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: mündliche prüfung, chemie, staatsprüfung, prüfungsfach, amt, säumnis, unterbrechung, leistungsfähigkeit, wartezeit, chancengleichheit

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Gericht:
VG Berlin 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 A 42.04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 18 Lehr1StPrV BE
erneute Durchführung einer Wiederholungsprüfung der Ersten
Staatsprüfung - Leistungsbeeinträchtigung
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten,
die mündliche Prüfung seiner Wiederholungsprüfung der Ersten Staatsprüfung für
das Amt des Studienrats im Prüfungsfach Chemie erneut durchzuführen,
hilfsweise,
den Prüfungsteil im zweiten Prüfungsfach Chemie der Wiederholungsprüfung der
Ersten Staatsprüfung für das Amt des Studienrates vorläufig mit ausreichend zu
bewerten und die Erste Staatsprüfung für das Amt des Studienrates insgesamt vorläufig
für bestanden zu erklären,
hat gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - keinen Erfolg. Der
Antragsteller hat schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs.
3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Der Antragsteller kann der Wertung der nicht bestandenen mündlichen Prüfung im
Prüfungsfach Chemie am 27. Oktober 2003 nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass diese
abweichend vom Ladungszeitpunkt 9.00 Uhr erst um 9.42 Uhr begann.
Der Zeitverzug stellte keinen wesentlichen Verfahrensfehler dar. Dabei kommt es auf die
Einzelheiten der Verzögerungsursache des Prüfungsbeginns nicht an; denn unabhängig
hiervon hielt sich die eingetretene Wartezeit mit einer knappen Dreiviertelstunde noch in
dem Bereich der Prüfungsunwägbarkeiten, die ein Prüfling zumutbarer Weise
hinzunehmen hat (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Juni 1979, Az.: IX 954/79,
Juris). Ein reibungsloser und verzögerungsfreier Prüfungsablauf ist in der Praxis nicht
stets zu gewährleisten. Jedweder Störung sanktionserfordernden Charakter
beizumessen, wäre weder praktikabel noch im Interesse der Prüflinge. Der Grundsatz der
Chancengleichheit und die berechtigten Interessen des einzelnen Prüflings erfordern
eine behördliche Reaktion vielmehr erst dann, wenn das Störungsausmaß geeignet
erscheint, Leistungsfähigkeit und -bereitschaft eines durchschnittlichen Prüflings zu
beeinträchtigen. Davon kann bei einer Wartezeit von insgesamt 42 Minuten keine Rede
sein, zumal deren belastende Wirkung dadurch abgemildert war, dass der Antragsteller
über die Verzögerung des Prüfungsbeginns und deren Hintergrund - Verspätung eines
Prüfers - frühzeitig informiert worden war.
Auch wenn der Prüfungsausschuss dem Antragsteller zu Beginn der Prüfung
weitergehend angeboten haben sollte, den Prüfungstermin mit Blick auf den Zeitverzug
unabhängig von einer verzögerungsbedingten Beeinträchtigung seiner
Leistungsfähigkeit zu verlegen, kann der Antragsteller hieraus nichts herleiten, da er von
dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Eine behauptete unzureichende
Erläuterung dieses Angebots lässt sich bereits der Darstellung des Antragstellers nicht
entnehmen; im Gegenteil ist die geschilderte Beantwortung der Nachfrage zu den
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entnehmen; im Gegenteil ist die geschilderte Beantwortung der Nachfrage zu den
Auswirkungen einer Angebotsannahme eindeutig, wenn der
Prüfungsausschussvorsitzende darauf hingewiesen haben soll, dass man dann heute
gehen werde. Konkrete Anhaltspunkte für die vom Antragsteller offenbar - damals wie
jetzt - gehegte Befürchtung von Bewertungsnachteilen bei einem etwaigen erneuten
Prüfungstermin sind diesem Geschehensablauf auch dann nicht zu entnehmen, wenn
der Prüfungsausschuss eine entsprechende Äußerung des Antragstellers damals
unkommentiert gelassen haben sollte.
Muss sich der Antragsteller damit an seiner damaligen Entscheidung, die mündliche
Prüfung ohne Unterbrechung fortzusetzen, festhalten lassen, kann er eine Wiederholung
der mündlichen Prüfung auch nicht unter Berufung auf eine Prüfungsunfähigkeit im
Zeitpunkt des Prüfungsgeschehens vom 27. Oktober 2003 beanspruchen. Der
„Unterbrechung, Rücktritt, Säumnis...“ regelnde § 18 der einschlägigen Verordnung über
die Ersten Staatsprüfungen für die Lehrämter vom 1. Dezember 1999 (GVBl. 2000, S. 1),
mit nachfolgenden Änderungen, - 1.LehrerPO - sieht eine nachträgliche Annullierung
einer Prüfungsleistung nicht vor, eröffnet vielmehr nur die Möglichkeit eines Rücktrittes
aus wichtigem Grund vor Erbringung der Prüfungsleistung (Abs. 2) oder - bei
unverschuldeter Säumnis - die Ansetzung eines erneuten Prüfungstermins (Abs. 3). Ob
es dem Antragsteller möglich war, zur Einhaltung dieser Regularien seine nunmehr
behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung vor Prüfungsantritt zu offenbaren, kann
dahinstehen. Denn selbst wenn die vermeintliche Leistungsbeeinträchtigung
unverschuldet zunächst verborgen blieb oder erst im Laufe der Prüfung eintrat, könnte
der Antragsteller sich auf eine damit erst nachträglich erkennbar gewordene
Prüfungsunfähigkeit nicht berufen. Zwar steht dem Prüfungskandidaten im Lichte des
Grundrechtes des Art. 12 Abs. 1 GG auch ohne entsprechende Normierung eine solche
Möglichkeit nachträglicher Geltendmachung von Verfassungs wegen im Grundsatz offen;
der das gesamte Prüfungsverfahren beherrschende, gleichfalls verfassungsrechtlich
verankerte Grundsatz der Chancengleichheit gebietet es aber, dass eine erst
nachträglich zu Tage getretene außergewöhnliche Leistungsbeeinträchtigung der
Prüfungsbehörde unverzüglich angezeigt wird, wobei an die Unverzüglichkeit ein strenger
Maßstab anzulegen ist (BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 1994, Buchholz 421.0 Nr.
327). Diesem Erfordernis hat der Antragsteller nicht genügt. Die behauptete
Prüfungsunfähigkeit ist nicht im frühest möglichen Zeitpunkt geltend gemacht und dem
Antragsgegner damit die zeitnahe Überprüfungsmöglichkeit abgeschnitten worden. Das
Attest, auf das sich der Antragsteller zum Beleg der behaupteten Prüfungsunfähigkeit
bezieht, datiert bereits vom 28. Oktober 2003, dem Folgetag der Prüfung. Der
Antragsteller hat dem Antragsgegner eine gesundheitliche Beeinträchtigung unter
Vorlage dieses Attestes indes erst mit der Begründung vom 15. Dezember 2003 des
bereits am 6. November 2003 eingelegten Widerspruchs angezeigt. Dass darin eine die
Unverzüglichkeit ausschließendes schuldhaftes Zögern (vgl § 121 Abs. 1 BGB) des
Antragstellers zu erblicken ist, liegt auf der Hand; eine Erklärung für sein zögerliches
Verhalten bietet der Antragsteller auch nicht. Die Frage, ob der attestierten
Beeinträchtigung die Qualität einer außergewöhnlichen Leistungsbeeinträchtigung
zukommen kann oder ob darin nur eine - prüfungsrechtlich unbedeutende -
Manifestation allgemeiner Prüfungsängste zu sehen ist, kann damit offen bleiben.
Ein der Antragsschrift über den formulierten Antrag hinaus zu entnehmendes Begehren,
die Prüfung im Fach Chemie auf der Grundlage der durchgeführten mündlichen Prüfung
insgesamt bestanden zu wissen, bleibt gleichfalls ohne Erfolg. Gemäß § 21 Abs. 2
1.LehrerPO ist die Erste Staatsprüfung für ein Lehramt bestanden, wenn jeder
Prüfungsteil mindestens das abschließende Ergebnis „4,0“ ausweist. Dass er diese
Voraussetzung im Prüfungsteil des zweiten Prüfungsfaches Chemie erfüllen könnte, trägt
der Antragsteller nicht schlüssig vor. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 4 1.LehrerPO setzt sich der
Prüfungsteil des zweiten Prüfungsfaches aus der Aufsichtsarbeit und der mündlichen
Prüfung zusammen, wobei zur Errechnung des arithmetischen Mittels gemäß § 19 Abs. 3
Satz 4 1. LehrerPO die mündliche Prüfungsleistung zweifach und die schriftliche
Prüfungsleistung einfach zählt. Die Ansicht des Antragstellers, die in Rede stehende
mündliche Prüfungsleistung sei statt mit der vergebenen 5,0 mit 4,5 zu bewerten, führt
auf der Grundlage des Klausurergebnisses von 4,0 mit der Benotung (2 x 4,5 + 1 x 4,0 =
13 : 3 =) 4,33 zu einem die angegriffene negative Prüfungsentscheidung nach wie vor
tragenden Ergebnis.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des
Verfahrensgegenstandes beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
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